| Titel: | Ueber die Wirkungsweise des zum Düngen angewendeten Kochsalzes; von F. Jean. | 
| Fundstelle: | Band 188, Jahrgang 1868, Nr. XLVIII., S. 158 | 
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                        XLVIII.
                        Ueber die Wirkungsweise des zum Düngen
                           								angewendeten Kochsalzes; von F.
                              									Jean.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXVI p. 367; Februar
                              									1868.
                        Jean, über die Wirkungsweise des Kochsalzes als
                           								Düngemittel.
                        
                     
                        
                           In einem in der (französischen) Central-Ackerbaugesellschaft gehaltenen
                              									Vortrage erklärte Velter die Rolle, welche das Kochsalz
                              									spielt, wenn es zum Düngen angewendet wird, in nachstehender Weise:
                           
                              „Das Kochsalz verwandelt sich in einem an organischen stickstoffhaltigen
                                 										Substanzen reichen Boden in kohlensaures Natron; das Chlor sinkt in Form von
                                 										Chlorcalcium in den Untergrund hinab; das kohlensaure Natron dagegen, vom Boden
                                 										zurückgehalten, wirkt auf die organischen Stoffe ein und befördert die Oxydation
                                 										derselben, es entsteht dann salpetersaures Natron.“
                              
                           Velter nimmt demnach an, daß kohlensaures Natron entsteht,
                              									wenn kohlensaurer Kalk in Kohlensäure gelöst, mit Chlornatrium zusammenkommt, und
                              									daß in Folge einer doppelten Zersetzung zweifachkohlensaures Natron und Chlorcalcium
                              									sich bilden.
                           Ich suchte zu ermitteln, ob diese Reaction wirklich stattfindet oder  ob nicht die Entstehung von
                              									Chlorcalcium durch eine andere Ursache bedingt wird.
                           Zu diesem Zwecke ließ ich durch Kalkmilch Kohlensäuregas hindurchstreichen und
                              									erhielt beim Filtriren eine schwach sauer reagirende Flüssigkeit, welche
                              									zweifach-kohlensauren Kalk enthielt. Ich versetzte dieselbe mit einer Lösung
                              									von reinem Chlornatrium und erkannte nach dem Umrühren mittelst Reagenspapier eine
                              									deutlich alkalische Reaction, welche von der Entstehung von
                              									zweifach-kohlensaurem Natron herrührte. Demnach findet die von Velter gegebene Erklärung des Vorganges, sowie Berthollet's Hypothese bezüglich der Entstehung des
                              									kohlensauren Natrons durch diesen Versuch ihre Bestätigung.
                           Ich nehme indessen keineswegs an, daß die Umwandlung des Chlornatriums zu
                              									kohlensaurem Natron ausschließlich durch die von Velter
                              									hervorgehobene Reaction bedingt werde. Denn welche Vorgänge finden statt in einem
                              									Ackerboden, der kohlensauren Kalk neben in Zersetzung begriffenen stickstoffhaltigen
                              									organischen Substanzen, folglich auch Ammoniaksalze enthält?
                           Der kohlensaure Kalk zersetzt die Ammoniaksalze und verwandelt sie in kohlensaures
                              									Ammoniak; dieses trifft in der unterirdischen oder Bodenatmosphäre mit
                              									Kohlensäuregas, einem Zersetzungsproducte der organischen Substanzen, zusammen und
                              									verbindet sich mit demselben zu zweifach-kohlensaurem Ammoniak. Kommt nun
                              									dieses Salz im Boden mit Chlornatrium zusammen, so findet eine Doppelzersetzung
                              									statt: das Chlor tritt an das Ammoniak und die Kohlensäure an das Natron. Das
                              									Chlorammonium seinerseits wird durch den kohlensauren Kalk zu Chlorcalcium, welches
                              									in den Untergrund hinabsinkt, und zu kohlensaurem Ammoniak umgewandelt. Das auf
                              									diese Weise entstandene kohlensaure Natron vermittelt die Zersetzung der
                              									stickstoffhaltigen organischen Substanzen und befördert die Salpeterbildung.
                           Die Umwandlung des Chlornatriums zu kohlensaurem Ammoniak erfolgt bei Gegenwart von
                              									zweifach-kohlensaurem Ammoniak so leicht, daß Truck und Schloesing diese Reaction zur
                              									fabrikmäßigen Darstellung von Soda benutzt haben.
                           Die im Vorstehenden gegebene Erklärung vervollständigt die von Velter aufgestellte Theorie; sie trägt den günstigen Wirkungen der
                              									chlornatriumhaltigen Düngemittel, z. V. der Fäcalfubstanzen, des von Seewasser
                              									durchdrungenen Guano, des mit Kochsalz oder Soole versetzten
                              										(„gesalzenen“) Stallmistes etc. vollständig Rechnung und
                              									führt schließlich zu der Annahme, daß das Kochsalz einen vortheilhaften Einfluß auf
                              									die  Vegetation stets
                              									dann ausüben wird, wenn man es in mäßiger Quantität bei einem Boden anwendet,
                              									welcher kohlensauren Kalk, in Verwesung oder Zersetzung begriffene organische
                              									Substanzen und Ammoniaksalze enthält.