| Titel: | Verfahren zur Darstellung von Chlor und Sauerstoff; von A. Mallet. | 
| Fundstelle: | Band 188, Jahrgang 1868, Nr. LIX., S. 194 | 
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                        LIX.
                        Verfahren zur Darstellung von Chlor und
                           								Sauerstoff; von A.
                              								Mallet.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXVI p. 349; Februar
                              									1868.
                        Mallet, Verf. zur Darstellung von Chlor und Sauerstoff.
                        
                     
                        
                           Bereits im vorigen Jahre machte ich die (französische) Akademie auf mein Verfahren
                              									zur Darstellung des Sauerstoffes aufmerksamPolytechn. Journal Bd. CLXXXIV S. 442. und führte
                              									unter anderen Vorzügen desselben an, daß man durch bloßen Zusatz von
                              									Chlorwasserstoffsäure zu dem wiederbelebten Rohmaterial auch Chlor darzustellen im Stande ist. Ich halte es für nöthig, diesen
                              									Gegenstand etwas näher zu erörtern, da diesem Verfahren allem Anscheine nach durch
                              									Vermittelung mehrerer neu beobachteter oder weniger bekannter Reactionen eine
                              									gewisse Tragweite gesichert seyn dürfte.
                           
                           Die Bindung von atmosphärischem Sauerstoff durch Kupferchlorür ermöglicht einerseits
                              									die bloße Entwickelung dieses Sauerstoffes, wenn man solchen darstellen will,
                              									andererseits die Zersetzung der Chlorwasserstoffsäure und die Entwickelung von
                              									Chlor, wenn die Darstellung des letzteren beabsichtigt wird.
                           Die Absorption des Sauerstoffes durch das Kupferchlorür erfolgt von selbst; bei
                              									gewöhnlicher Temperatur und gehörigem Feuchtigkeitsgrade der Luft geht sie,
                              									namentlich bei öfterer Erneuerung der Oberfläche, binnen einigen Stunden vollständig
                              									vor sich; bei erhöhter Temperatur findet sie rascher statt; die wichtigste Thatsache
                              									ist aber: bei Temperaturen zwischen 100 und 200° C. und noch höheren
                                 										Graden, und bei gleichzeitiger Gegenwart von Wasserdampf, erfolgt diese
                                 										Sauerstoffabsorption oder die Wiederbelebung des Kupferchlorürs beinahe
                                 										augenblicklich.
                           Dieß läßt sich sehr gut nachweisen mittelst eines Kolbens, welcher einige Gramme
                              									Kupferchlorür enthält und mit einer graduirten Glasglocke in Verbindung steht.
                              									Diesen Kolben erhitzt man und bringt mittelst einer passenden Vorrichtung einige
                              									Tropfen Wasser auf die Substanz, indem man während dieser kurzen Zeit die
                              									Communication mit der äußeren Luft bestehen läßt. Die Sauerstoffabsorption findet
                              									augenblicklich statt und das Sperrwasser steigt in der Glocke auf. Sobald dann im
                              									Apparate die Temperatur und der Druck, welche beim Beginn des Versuches stattfanden,
                              									wiederhergestellt sind, so läßt sich nachweisen, daß der Sauerstoff gänzlich
                              									absorbirt ist, wenn die erforderliche Substanzmenge angewendet ward. Auf diese Weise
                              									läßt sich das Kupferchlorür binnen wenigen Minuten wieder oxydiren, und zwar bei
                              									einer Temperatur, welche von der zur Desoxydirung angewendeten nur wenig abweicht,
                              									was in Hinsicht auf einen möglichst ununterbrochenen Betrieb ein bedeutender
                              									technischer Vortheil ist.
                           Gießt man nun auf das zwischen 100 und 200° C. erhitzte Kupferchlorür bei
                              									Luftzutritt tropfenweise gewöhnliche käufliche Chlorwasserstoffsäure, so wird nur
                              									Wasserdampf frei; wenn der Zusatz der Säure langsam genug geschieht, die Oberfläche
                              									der Substanz genügend erneuert und hinlänglicher Luftzutritt gestattet wird, so ist
                              									der Chlorwasserstoffsäuregeruch kaum zu bemerken und binnen sehr kurzer Zeit
                              									verwandelt sich das Chlorür in wasserfreies Chlorid Cu
                                 										Cl, welches beim Erhitzen in einem verschlossenen Gefäße sofort Chlor
                              									entwickelt. Die gleichzeitige Absorption von Sauerstoff und Chlorwasserstoffsäure
                              									ist eine in technischer Beziehung so wichtige, als in wissenschaftlicher Hinsicht
                              									interessante Erscheinung, insofern die Gewinnung des Chlors der
                              									Chlorwasserstoffsäure hier, und zwar  in durchaus unmittelbarer Weise, durch die atmosphärische
                              									Luft vermittelt wird.
                           Bei Anwendung von gasförmiger Chlorwasserstoffsäure findet derselbe Vorgang statt,
                              									und zwar weit vollkommener, vorausgesetzt daß das Gas, wie dieß fast stets der Fall
                              									ist, eine gewisse Menge Wasserdampf enthält und genügender Luftzutritt besteht.
                           Damit das Kupferchlorür Sauerstoff absorbiren kann, ist die Gegenwart von Wasser
                              									erforderlich.
                           Bei Anwendung hoher Temperaturen geht sowohl die Oxydirung als auch die Chlorirung
                              									sehr rasch vor sich, und man erzielt auch den bedeutenden Vortheil, daß man trockene
                              									Producte erhält, ein wichtiger Umstand, da vorhandener Wasserdampf oft sehr störend
                              									ist und die Apparate leicht angreift.
                           Ich benutze sowohl zur Zersetzung als zur Wiederbelebung rotirende gußeiserne, im
                              									Inneren mit einem geeigneten Futter versehene Retorten, deren Material durch dieses
                              									Futter gegen zerstörende Wirkungen der Beschickung wie der Producte hinlänglich
                              									geschützt wird. — Die angegebenen Reactionen wurden mit solchen
                              									Materialmengen erhalten, daß bei jeder Operation mehrere Kubikmeter Sauerstoff, bez.
                              									Chlor resultirten.
                           Bei der Ausführung dieses Verfahrens in großem Maaßstabe kann man rechnen, daß 100
                              									Kilogr. Kupferchlorür, zur Erleichterung der Manipulationen mit einer zweckmäßigen
                              									Menge indifferenter Substanz gemengt, 3 bis 3½ Kubikmet. Sauerstoff und 6 bis
                              									7 Kubikmet. Chlor zu geben vermögen. Da man nun binnen 24 Stunden mindestens vier
                              									bis fünf Operationen auszuführen vermag, so wird man mit 100 Kilogr. Rohmaterial
                              									innerhalb dieser Zeit 15 bis 18 Kubikmet. Sauerstoff oder 200 bis 300 Kilogr.
                              									Chlorkalk darstellen können.
                           Der Preis des Rohmaterials beträgt nicht über 1 Fr. per
                              									Kilogr. und der Verlust hat sich stets als sehr gering herausgestellt, was auch
                              									einleuchtend ist, da die Beschickung aus den Retorten gar nicht herauskommt, sondern
                              									in denselben sämmtliche Operationen durchzumachen hat.