| Titel: | Ueber das Xylindeïn, einen aus abgestorbenem Holze dargestellten neuen Farbstoff; von A. Rommier. | 
| Fundstelle: | Band 188, Jahrgang 1868, Nr. CXXI., S. 493 | 
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                        CXXI.
                        Ueber das Xylindeïn, einen aus abgestorbenem
                           								Holze dargestellten neuen Farbstoff; von A. Rommier.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXVI p. 108; Januar
                              									1868.
                        Rommier, über einen Farbstoff im abgestorbenem Holze.
                        
                     
                        
                           Im Walde von Fontainebleau, seltener in anderen Waldungen, trifft man zuweilen Stücke
                              									von abgestorbenem Holze, welche durch ihre oft sehr lebhafte grünlichblaue Färbung
                              									auffallen.
                           Fordos hat dieses Holz näher untersucht und in demselben
                              									eine Substanz gefunden, welche nach seiner Angabe eine dunkelgrüne Farbe besitzt,
                              									amorph ist, von Schwefelsäure und Salpetersäure gelöst und aus diesen Lösungen durch
                              									Wasser in unverändertem Zustande niedergeschlagen wird. Durch ätzende und
                              									kohlensaure Alkalien wird dieser Körper gelblichgrün gefärbt und die durch
                              									Behandlung mit diesen Reagentien entstandene Verbindung wird, im Gegensatz zu der
                              									mit Säuren erhaltenen, in Chloroform löslich, bleibt aber in Wasser unlöslich. Bei
                              									Behandlung mit einer Säure wird indessen der Farbstoff isolirt und nimmt seine
                              									ursprünglichen Eigenschaften wieder an. Fordos hat dieser
                              									Substanz den Namen Xylochloërinsäure (acide xylochloérique) gegeben.
                           Da ich Fontainebleau oft besuche, so war ich im Stande mir ungefähr 20 Pfund von
                              									solchem abgestorbenem Holze zu verschaffen und dasselbe zum Gegenstand eingehender
                              									Untersuchungen zu machen, in deren Verlauf ich einen neuen Körper auffand, welcher
                              									einige Beachtung verdienen dürfte. Dieser Körper besitzt, gleich der von Fordos entdeckten Substanz, starre Aggregatform, ist
                              									amorph und dunkelgrün gefärbt; hingegen wird er in hydratischem Zustande von Wasser
                              									sehr leicht gelöst, und dieses nimmt davon eine prächtig grünblaue Färbung an. Aus
                              									der Lösung wird er durch Säuren, mit Ausnahme der Essigsäure, welche nur eine mehr
                              									blaue Farbe hervorbringt, mit grüner Färbung niedergeschlagen; ebenso durch
                              									Chlornatrium.
                           Der Unterschied zwischen dieser neuen Substanz und der Xylochloërinsäure tritt
                              									indessen weit deutlicher hervor bei der Behandlung mit ätzenden und kohlensauren
                              									Alkalien. Die erstere nimmt nämlich, indem sie in der Lauge in Lösung geht, sobald
                              									das Alkali nicht vorherrscht, sofort eine grüne Färbung an, welche sogleich in
                              									Gelblichgrün übergeht, wenn überschüssiges Alkali vorhanden ist; der von Fordos aufgefundene Körper dagegen wird von den
                              									Alkalilösungen gar nicht angegriffen und färbt sich gelblichgrün.
                           
                           Von concentrirter Schwefelsäure, Salpetersäure und Chlorwasserstoffsäure wird der von
                              									mir aufgefundene Körper gleich der Xylochloërinsäure aufgelöst, dabei findet aber
                              									auch eine rasche Veränderung desselben statt.
                           Mit Kalk und Magnesia verbindet sich die neue Substanz zu einem grünen, in Wasser,
                              									Alkohol etc. ganz unlöslichen Lacke. Sie wird weder im hydratischen, noch im
                              									wasserfreien Zustande von concentrirtem Alkohol, Aether, Holzgeist,
                              									Schwefelkohlenstoff und Benzin gelöst; dem Chloroform dagegen ertheilt sie, wenn sie
                              									hydratisch ist, eine schwach bläuliche Färbung — eine Erscheinung, welche
                              									Anlaß geben könnte, sie mit der Xylochloërinsäure zu verwechseln.
                           Vom größten Interesse dürfte hingegen die Thatsache seyn, daß sich der neuentdeckte
                              									Körper gleich dem Indigo in Alkohol von 85 Proc. Tr. bei
                              									Gegenwart von Kali und Traubenzucker reducirt, und daß die anfänglich bräunlich
                              									gefärbte Lösung in Berührung mit Luft grün wird, während die Substanz sich in
                              									gallertartiger Form absetzt — ein Verhalten, auf welches sich ein Verfahren
                              									zur Reindarstellung des Productes begründen läßt.
                           Auch fixirt sich die Substanz sehr leicht und ohne Beize auf Seide und Wolle, und
                              									ertheilt beiden eine bei künstlichem Lichte sehr lebhaft erscheinende, schön
                              									grünblaue Farbe. Bei der Anwendung der neuen Substanz zum Färben muß man die
                              									wässerige oder ammoniakalische Lösung derselben zunächst mit Essigsäure versetzen,
                              									dann den zu färbenden Stoff in dieses Bad bringen, letzteres langsam und allmählich
                              									auf 80° C. erwärmen, den Stoff dann herausnehmen und schließlich mit Wasser,
                              									welches mit etwas Salzsäure versetzt worden, auswaschen.
                           Die im Vorstehenden angegebenen Eigenschaften scheinen charakteristisch genug zu
                              									seyn, um die Annahme zu gestatten, daß die von mir untersuchte Substanz von Fordos' Xylochloërinsäure wesentlich verschieden und mit
                              									einem besonderen Namen zu bezeichnen ist. Da dieselbe aus Holz dargestellt wird und
                              									in einigen ihrer Eigenschaften Aehnlichkeit mit Indigo zeigt, so schlage ich vor sie
                              										Xylindeïn zu nennen.
                           Zur Darstellung dieser Substanz verfährt man in folgender Weise:
                           Das Holz wird getrocknet, in feines Pulver verwandelt und wiederholt mit einer Lösung
                              									von 1 Thl. Kali oder Natron in 100 Thln. Wasser behandelt; der Rückstand wird in
                              									Leinwand geschlagen und ausgepreßt; die filtrirten Flüssigkeiten werden mit
                              									Chlorwasserstoffsäure versetzt, worauf ein voluminöser Niederschlag entsteht, den
                              									man mit schwach angesäuertem Wasser auswäscht.
                           
                           Ein Kilogramm des gefärbten Holzes gibt im Durchschnitt 60 bis 80 Grm. trockenen
                              									Niederschlag; dieser wird in einer Lösung von 20 Grm. Kali in 1 Liter Wasser gelöst,
                              									und diese Lösung mit 2 Liter Alkohol von 85 Proc. Tr. und mit ½ Liter einer
                              									gesättigten, von Kalk- und Magnesiasalzen freien Kochsalzlösung versetzt,
                              									worauf das Xylindeïn sich niederschlägt, während die dasselbe begleitenden
                              									Humuskörper zum größeren Theile in dem chlornatriumhaltigen Alkohol gelöst
                              									zurückbleiben.
                           In diesem Zustande ist indessen das Xylindeïn noch keineswegs rein; die angegebene
                              									Behandlung muß drei- bis viermal, überhaupt so lange wiederholt werden, bis
                              									die alkoholische Lösung keine braune Substanzen mehr enthält.
                           Man wäscht dann den Niederschlag aus, löst ihn wieder in Wasser auf, fällt ihn daraus
                              									mit Chlorwasserstoffsäure, und trocknet ihn unter der Luftpumpe.
                           Die Analyse ergab folgende Zusammensetzung des Xylindeïns:
                           
                              
                                 Kohlenstoff
                                 50,23
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                 5,33
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                 2,63
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 40,81
                                 
                              
                                 Eisen und Kalk
                                 Spuren.
                                 
                              
                           Nach meiner Ansicht dürfte dieser Körper vorläufig in die Kategorie der zu dem Genus
                              									Indigo gehörenden, gleichfalls noch nicht genau bestimmten Farbstoffe einzureihen
                              									seyn.
                           Wenden wir uns nun zu dem Ursprünge dieser Substanz. Unterzieht man das Holz, in
                              									welchem sich dieselbe gebildet hat, einer mikroskopischen Untersuchung, so erkennt
                              									man zwischen den übrigens verschiedenartig gefärbten Fasern eiförmige, grüngefärbte,
                              									rosenkranzähnlich aneinander gereihte Sporen, welche sich auf Zusatz von Chloroform
                              									von einander trennen und dann verschwinden, worauf das Holz eine gleichförmig grüne
                              									Färbung annimmt.
                           Demzufolge könnte man annehmen, daß jene Färbung mittelbar oder unmittelbar durch
                              									einen besonderen Pilz hervorgerufen wird. Ich muß jedoch die Entscheidung dieser
                              									Frage den Botanikern überlassen.
                           Am häufigsten findet sich diese Erscheinung bei der Eiche; indessen beobachtet man
                              									sie auch bei der Birke, der Weißbuche und der Rothbuche.