| Titel: | Ueber Fortschritte der Hydrotechnik; von J. A. v. Wagner. | 
| Fundstelle: | Band 190, Jahrgang 1868, Nr. VII., S. 18 | 
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                        VII.
                        Ueber Fortschritte der Hydrotechnik; von J. A. v.
                              Wagner.
                        Aus dem Oberlausitzer Gewerbeblatt, 1868, Nr.
                              17.
                        Mit Abbildungen.
                        v. Wagner, über Fortschritte der Hydrotechnik.
                        
                     
                        
                           II.Fortsetzung von Bd. CLXXXIX S. 451.
                           In der Baupraxis ist von jeher die Erhaltung fester Ufer und einer normalen Lage der
                              Sohle eines natürlichen Wasserlaufes der Gegenstand vieler
                              Befestigungs-Versuche gewesen. Außer den in Cement gemauerten Ufern hat sich jedoch die Mehrzahl der hierzu dienenden Mittel
                              nicht als zuverlässig bewährt. Die beste Vernätherung auf Böschungen, sogar
                              Abpflasterungen etc. bleiben der Zerstörung ausgesetzt, sobald die Sohle an
                              einzelnen Stellen sich vertiefte und dadurch die Ufer unterwaschen wurden. Im
                              Großherzogthum Baden, woselbst die meisten Flüsse in
                              rationellster Weise regulirt worden sind, hat man daher das Hauptaugenmerk mehr auf
                              die Befestigung der Sohle und weniger auf die der
                              Böschungen gerichtet, indem man richtig von der Ansicht ausgieng, daß, wenn die
                              normale Sohllage erhalten wird, die Ufer von selbst wenig oder gar nicht werden
                              angegriffen werden. Diese Fixirung der Sohle geschieht in Baden auf die Weise, daß
                              in einem Fluß (Fig. 1) von Zeit zu Zeit Querschwellen
                              (A) aus trockenem Bruchsteinmauerwerk eingebaut
                              werden, wie eine solche in Fig. 2 im Querprofile
                              dargestellt ist. Diese Schwellen werden beiderseitig etwas (circa 2 Fuß) in die Böschung eingelassen. In Baden sind die Querschwellen
                              meistens 50 Fuß von einander entfernt; jede derselben ist 12 Fuß breit und 3 Fuß
                              tief eingelassen. Bei starken Gefällen hat man (Fig.
                                 3) an die Schwelle
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 190, S. 19
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 190, S. 19
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 190, S. 19
                              
                           außerdem noch eine Art Widerlagsschwelle angebaut, welche
                              ebenso breit, aber 1 Fuß weniger hoch ist. Dem Bestreben des Wassers, die Sohle
                              auszukolken, womit auch stets Uferabbrüche verbunden sind, wird durch diese
                              Schwellen ein Ziel gesetzt. Schwerere Sinkstoffe lagern sich vor jeder Schwelle ab,
                              lassen die Sohle somit den gehörigen Widerstand leisten und erhalten dem Ufer einen
                              festen Fußpunkt. Alle so befestigten, regulirten Flüsse und Bäche Badens, welche ich
                              Gelegenheit hatte zu sehen, zeigten nirgends eine Beschädigung der Ufer oder Sohle;
                              das Querprofil der Flüsse war überall in seiner normalen Gestalt erhalten. Seit
                              einigen Jahren sind auch an Flüssen in Sachsen mit dem Einbau von Querschwellen zum
                              Schutze der Ufer und Fixirung der Sohle günstige Erfahrungen gemacht worden. Die
                              Herstellung der Querschwellen durch Faschinen oder Flechtzäune u. dergl. ist in Baden aufgegeben worden, da
                              letztere einer fortwährenden Reparatur bedürftig sind und dadurch theurer werden,
                              als die steinernen. Allerdings ist das Gefälle der badenschen Flüsse, z. B. der Elz,
                              Dreisam, Wutach etc. meist ein beträchtliches
                              (durchschnittlich 12 Zoll auf 100 Ellen), daher die Wahl der steinernen Schwellen vollkommen gerechtfertigt. Bei schwachen Gefällen aber, wie sie die Gewässer der sächsischen Ebenen
                              haben, dürften Faschinenschwellen, oder doch wenigstens weit schmälere
                              Steinschwellen völlig ausreichend seyn. An der Wutach
                              haben die Querschwellen keine Widerschlagsschwelle, sondern werden durch dicht
                              hinter der Schwelle eingestoßene Grundpfähle, welche durch einen Holm verbunden  sind, gestützt. Die
                              Arbeitslöhne betragen für Herstellung von 1000 Kubikfuß Querschwelle 40 Gulden oder
                              circa 23 Thlr.
                           Was die Vorländer solcher canalisirter Flüsse anlangt, so
                              geht man in Baden gegenwärtig damit um, dieselben tiefer,
                              als der Mittelwasserstand ist, zu legen. Seit einer Reihe von Jahren hat sich
                              herausgestellt, daß die Vegetation auf den Vorländern eine immer kümmerlichere,
                              ertragslosere wird, daß man daher darauf Bedacht nehmen muß, sie zwischen den
                              kleinen und mittleren Wasserstand zu legen, um ihnen auf capillarem Wege mehr
                              Feuchtigkeit zuzuführen. Mittelbar hat dieß jedenfalls in den veränderten
                              klimatischen Verhältnissen seinen Grund. Seit einer Reihe von Jahren, fast eben so
                              lange, als man begann die Geburtsstätten aller natürlichen Wasserläufe, die Höhen,
                              zu entholzen, treten die Wässer in Extremen ein. Zum allergeringsten Theil des
                              Jahres ist Mittelwasserstand, es wird daher die Vegetationskrume der Vorländer
                              seltener als früher das nöthige Wasser zugeführt erhalten.
                           So lange daher diese mißlichen klimatischen Verhältnisse bleiben, die auch den
                              Triebwerken der Industriellen, welche von einer Wasserkraft abhängen, sehr fühlbar
                              sind, so lange kein Gesetz zum Wieder-Bepflanzen von Sammelgebieten dieselben
                              allmählich wieder verbessert, dürfte es wohl überall — ausgenommen bei stark
                              humosem Boden — gerathen seyn, die Höhe der Vorländer zwischen dem kleinsten
                              und mittleren Wasserstand zu wählen.