| Titel: | Die isopurpursauren Salze und ihre Anwendung in der Färberei; von Carl Zulkowsky, Assistent für chemische Technologie am k. k. Polytechnicum in Wien. | 
| Autor: | Carl Zulkowsky | 
| Fundstelle: | Band 190, Jahrgang 1868, Nr. XX., S. 49 | 
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                        XX.
                        Die isopurpursauren Salze und ihre Anwendung in
                           der Färberei; von Carl
                              Zulkowsky, Assistent für chemische Technologie am k. k. Polytechnicum in
                           Wien.
                        Zulkowsky, über die isopurpursauren Salze und ihre Anwendung in der
                           Färberei.
                        
                     
                        
                           Auf der letzten Welt-Ausstellung zu Paris hatte John Casthelaz (19, rue Sainte Croix de la
                                 Bretonnerie in Paris) einen Farbstoff unter dem Namen Grenat soluble ausgestellt. Derselbe soll das
                              Ammoniaksalz der Isopurpursäure seyn, welche bekanntlich bei der Einwirkung
                              löslicher Cyanmetalle auf Pikrinsäure gebildet wird. Ebenso bekannt ist es, daß
                              diese Reaction längere Zeit hindurch unrichtig interpretirt wurde, indem man die
                              hierbei auftretende dunkelrothe Färbung der Bildung von Pikraminsäure zuschrieb.
                           Erst die umfassenden Untersuchungen von Hlasiwetz
                              („über eine neue Zersetzungsweise der
                                 Trinitrophenylsäure“)Sitzungsberichte der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der
                                    kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien, Bd. XXXV. — Annalen der Chemie und Pharmacie. Bd. CX S. 289. und BaeyerKopp und Will's
                                    Jahresbericht für 1859, S. 458. haben dargethan, daß durch diese
                              Reaction Salze einer eigenthümlichen von der Pikraminsäure gänzlich verschiedenen
                              Säure gebildet werden.
                           Während nun Baeyer dieser Säure die Formel C16
                              H3
                              N5
                              O10 und den Namen
                              Pikrocyaminsäure beilegte, weil sie als Pikrinsäure betrachtet werden könne, in der
                              N O4 durch N Cy2 ersetzt ist,
                              gelangte Professor Hlasiwetz zu anderen Ergebnissen. Nach
                              ihm entspräche deren Zusammensetzung der Formel C16
                              H5
                              N5
                              O12 und sie wäre
                              sonach als eine mit der Purpursäure isomere Substanz zu betrachten, mit welcher sie
                              in der That eine große Aehnlichkeit besitzt.
                           Nachdem mir bekannt geworden, daß das isopurpursaure Ammoniak Eingang in der
                              bekannten Färberei der Gebrüder Chalamel in Puteaux
                              gefunden, sah ich mich veranlaßt das Verhalten dieses Farbstoffes zu der thierischen
                              Faser einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Ein kleiner Vorversuch und die von Casthelaz den Jurymitgliedern vorgewiesenen Stoffproben
                              belehrten mich, daß dieses Salz als ein schätzbares Farbmaterial zu betrachten ist,
                              und da ich ferner die Absicht hatte diesem Präparate auch in Wien eine Verbreitung
                              zu verschaffen, so war ich zuerst bemüht mich mit seiner Darstellung näher vertraut
                              zu machen.
                           
                           Das Kalisalz der Isopurpursäure bildet nothwendigerweise den Ausgangspunkt für die
                              Darstellung aller übrigen Salze und dieses wird nach mehrfachen Erfahrungen Hlasiwetz's am zweckmäßigsten auf folgende Weise
                              bereitet:
                           
                              „Es werden 2 Theile Liebig'sches Cyankalium in 4
                                 Theilen Wasser gelöst und in die auf etwa 60° C. erwärmte Flüssigkeit die
                                 heiße Lösung von 1 Theil Pikrinsäure in 9 Theilen Wasser unter stetem Umrühren
                                 eingetragen. Die Masse riecht stark nach Ammoniak und Blausäure, und wird beim
                                 Erkalten zu einem weichen Krystallbrei. Nach einigen Stunden wird sie durch
                                 Leinen abgeseiht, und dann zwischen Papier unter starkem Druck
                                 abgepreßt.
                              
                           
                              Die rothbraune, bronzeartige rohe Krystallmasse wird hierauf mit wenig Wasser
                                 zerrieben, in einer Schale erhitzt, auf ein Filter gebracht und mit kaltem
                                 Wasser nachgewaschen. Hierauf wird sie neuerdings abgepreßt, mit viel Wasser in
                                 einem Kolben siedend gelöst, durch ein warm gehaltenes Filter filtrirt und
                                 krystallisiren gelassen.
                              
                           
                              Das dunkelpurpurne Filtrat überzieht sich bald mit einer metallgrünen Haut und
                                 setzt kleine braunrothe schuppige Krystalle an, welche das auffallende Licht
                                 grün reflectiren.“
                              
                           Da für die Zwecke der Färberei die Darstellung eines chemisch reinen Präparates
                              jedenfalls nicht nothwendig erscheint, so begnügte ich mich damit, den Krystallbrei
                              auf einem Papierfilter durch Abtropfenlassen und geringes Nachspülen mit kaltem
                              Wasser von der Mutterlauge zu befreien. Die zwischen Papier abgepreßte Krystallmasse
                              wurde in kochend heißem Wasser gelöst, mit Salmiak versetzt und die Flüssigkeit
                              durch Abdampfen so weit eingeengt, bis dieselbe beim Erkalten zu einem Krystallbrei
                              erstarrte. Die herauskrystallisirte Masse wurde wie das Kalisalz von der Mutterlauge
                              durch Abfiltriren und 2–3maliges Nachspülen mit kaltem Wasser gereinigt.
                           In dieser Weise dargestellt und nachher getrocknet, wird das Ammoniaksalz als braune
                              Masse erhalten, welche noch immer etwas nach Blausäure riecht und aus mikroskopisch
                              kleinen Krystallen besteht.
                           Die Mutterlaugen, welche bei der Darstellung des Kali- und des Ammoniaksalzes
                              resultirten, wurden versuchsweise unter Zusatz von Salmiak eingedampft, um zu sehen
                              ob und wie viel noch etwa zu gewinnen sey.
                           Die Bildung des isopurpursauren Kalis läßt sich durch folgende Gleichung
                              ausdrücken:
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 190, S. 51
                              
                           Der Theorie nach müßten aus 100 Theilen Pikrinsäure 133,2 Thle. Kalisalz und 124
                              Theile Ammoniaksalz resultiren.
                           Es wurde für diesen Versuch 1 Pfund reine krystallisirte Pikrinsäure in Arbeit
                              genommen und bei der ersten Krystallisation 60 Proc. von isopurpursaurem Ammoniak,
                              also kaum die Hälfte jener Menge erhalten, welche obige Gleichung ergab. Aus den
                              Mutterlaugen konnten nur 2,3 Proc. gewonnen werden; das äußere Aussehen der
                              nachträglich herauskrystallisirten Masse verrieth sofort, daß selbe stark mit
                              anderen fremden Substanzen verunreinigt sey.
                           Diese auffallende Thatsache läßt sich in zweifacher Weise erklären. Entweder die
                              Reaction zwischen Pikrinsäure und Cyankalium verläuft nicht so glatt wie es in
                              obiger Gleichung angedeutet wurde, oder es finden bei der Concentration der mit
                              einem Salmiaküberschusse versetzten Rohlauge des Kalisalzes Zersetzungen statt.
                           Eine wiederholte Darstellung dieses Präparates — diesen Annahmen entsprechend
                              abgeändert — würde den wahren Grund wohl bald zu Tage gefördert haben, allein
                              ich war nicht mehr in der Lage diesen Versuch wiederholen zu können.
                           Die Mutterlauge von der zweiten Krystallisation war nicht mehr dunkelroth, wie es die
                              Lösungen der Isopurpurate sind, sondern braungelb, ein Zeichen daß dieselbe nur sehr
                              geringe Mengen von isopurpursaurem Ammoniak enthalten konnte.
                           Diese geringe Ausbeute ließe sich wohl durch das Verhalten der Isopurpurate zu den
                              Säuren und Alkalien erklären.
                           Professor Hlasiwetz fand, daß die Isopurpursäure gerade so
                              wie die Harnpurpursäure nicht isolirbar sey, und daß sowohl die unorganischen als
                              auch die organischen Säuren weiter gehende Zersetzungen bewirken, wobei die rothe
                              Farbe in eine braungelbe unter Entwickelung eines stechenden, an Essigsäure
                              erinnernden Geruches übergeht. Es scheiden sich gleichzeitig braune amorphe Flocken
                              aus, wie sie als Zersetzungsproducte von Cyanverbindungen häufig auftreten.
                           Die ätzenden Alkalien (Aetzbaryt) bewirken anfangs Niederschläge, welche die
                              neutralen Salze der Isopurpursäure darstellen, allein bald darauf, sehr schnell beim Erwärmen, werden die Lösungen
                              mißfarbig, endlich braun.
                           
                           Unter den Producten der Reaction zwischen Pikrinsäure und Cyankalium finden wir
                              kohlensaures Kali und Ammoniak, also Substanzen welche möglicherweise denselben
                              Effect wie die ätzenden Alkalien hervorbringen. Das kohlensaure Kali findet sich im
                              rohen Cyankalium noch obendrein in nicht unbedeutenden Mengen vor.
                           John Casthelaz's
                              Grenat soluble wird nicht aus der reinen krystallisirten
                              Pikrinsäure, sondern aus einer geringeren Sorte fabricirt. Das krystallisirte
                              Pigment kostet 22–24 Frcs., das flüssige hingegen 11–12 Frcs. per Kilogramm. Letzteres enthält einen Wassergehalt von
                              50 Proc. (?) Aus der reinen krystallisirten Pikrinsäure dargestellt, würde sich der
                              Preis bedeutend höher stellen.
                           Das Grenat soluble ist bestimmt, in vielen Fällen die
                              Orseille zu ersetzen; es ertheilt der Wolle alle Farbentöne von Granat bis
                              Kastanienbraun und läßt sich sehr leicht mit anderen Stoffen combiniren, wodurch
                              eine große Anzahl verschiedenartiger Farben erhalten werden kann. Nach casthelaz wird das Färben der Wolle und Seide unter
                              Zusatz einer organischen Säure, wie z. B. Essigsäure oder Weinsäure, vorgenommen;
                              Mineralsäuren sind hiervon ausgeschlossen. Für Seide muß das Färbebad anfangs kalt
                              oder höchstens lau seyn. Man erhält auf diese Weise verschiedene Farbentöne in Roth
                              und Braun, welche abhängig sind von der Concentration der Färbeflotte, der Natur der
                              Beize und der Färbedauer. Diese Farben sind ungemein feurig und ähneln im
                              Allgemeinen jenen welche man mit Orseille erhält, sollen aber gegen Luft und Licht
                              beständiger seyn.
                           In der Broschüre, welche John Casthelaz den Mitgliedern
                              der Jury auf der letzten Pariser Welt-Ausstellung zur Kenntnißnahme
                              überreichte und worin eine detaillirte Schilderung seiner Etablissements und der
                              darin befolgten Fabricationsmethoden enthalten war, wurde das Grenat soluble nirgends als das Ammoniaksalz der Isopurpursäure, sondern
                              nur als Isopurpurat schlechtweg angeführt; als ersteres wurde dasselbe von Crace Calvert in einem Vortrage bezeichnet, welchen derselbe in
                              der Société d'Encouragement gehalten hat.Polytechn. Journal Bd. CLXXXVII S. 244.
                           Es ist gewiß auffallend, warum gerade das Ammoniaksalz für die Zwecke der Färberei
                              tauglich befunden wurde; sollte denn nicht auch das Kalisalz denselben Effect
                              hervorbringen, dessen Darstellung doch weit einfacher ist?
                           Es ließe sich mit Rücksicht auf die ökonomischen Nachtheile dieser  Fabricationsmethode nur schwer
                              denken, daß bei der Wahl zwischen Kali und Ammoniak die färbenden Eigenschaften des
                              MurexidsMurexid ist die correspondirende Verbindung der Harnpurpursäure.
                              einen Einfluß hätten ausüben können.
                           Um sowohl hierüber als auch über das Verhalten der Isopurpurate zu der Thierfaser
                              Aufschluß zu erhalten, sah ich mich zu mehrfachen Versuchen genöthigt, deren
                              Resultate im Nachfolgenden angeführt werden sollen.
                           Zu diesen Arbeiten standen mir zur Verfügung:
                           1) chemisch reines isopurpursaures Kali;
                           2) das von mir erzeugte, nicht völlig gereinigte isopurpursaure Ammoniak;
                           3) das aus den Mutterlaugen abgeschiedene Präparat;
                           4) die Mutterlauge, welche von letzterem abgetrennt wurde.
                           Versuche mit reinen Isopurpuraten.
                           Unter diesen schien mir ein besonderes Interesse darzubieten das Kali-,
                              Ammoniak-, Baryt- und Anilinsalz. Ich fand es zur Vornahme von
                              Färbeproben ganz überflüssig die drei letztgenannten Salze in fester Form zu
                              bereiten, sondern begnügte mich damit, 1 Gramm des reinen Kalisalzes in 1 Liter
                              Wasser aufzulösen und zu dieser Lösung eine äquivalente Menge von Salmiak,
                              beziehungsweise salzsaurem Anilin oder Chlorbaryum hinzuzufügen. Mit solchen
                              Lösungen wurden die verschiedenen Färbeversuche vorgenommen, welche ohne Zweifel
                              ganz denselben Effect wie die Lösungen der früher genannten Salze geben mußten.
                           Jedes dieser Färbebäder besaß somit dieselbe Concentration, und um mit denselben
                              vergleichende Prüfungen vornehmen zu können, wurden während der Färbeoperationen
                              alle mittelst eines Wasserbades auf derselben TemperaturFür Wolle 40–80° C., für Seide 30–80°
                                    C. erhalten. Die Stoffproben hatten immer dieselbe Größe; wie
                              überhaupt nichts unterlassen wurde, was beim Probefärben zur Erlangung verläßlicher
                              Resultate nothwendig erscheint.
                           Die Versuche führten nun zu folgenden nicht uninteressanten Ergebnissen:
                           Schafwolle, mit dem gewöhnlichen Sud der Färber (80 Th. Alaun und 20 Th. Weinstein)
                              stark angesotten (2 Stunden), nahm in den Färbeflotten aller vier Salze fast
                              momentan eine schöne kastanienbraune Farbe an; jede Stoffprobe besaß die gleiche
                              Nuance von gleicher Intensität.
                           
                           Ungebeizte Schafwolle erhielt in jedem Färbebad unter sonst gleichen Verhältnissen
                              eine granatrothe Farbe von ungleicher Intensität.
                           Das Kalisalz erwies sich am wenigsten wirksam; die mit demselben gefärbte Stoffprobe
                              besaß den lichtesten Farbeton, dann folgten der Reihe nach die Salze des Ammoniaks,
                              Baryts und Anilins. Dieser Versuch wurde wiederholt und hatte ganz denselben
                              Erfolg.
                           Ein anderes Mal wurde in den vier Färbebädern ungebeizte Schafwolle gleichzeitig bis
                              zu ein und derselben Nuance gefärbt. Das Anilinsalz hatte
                              derselben in der kürzesten Zeit den gewünschten Farbeton ertheilt, nach diesem
                              folgten in umgekehrter Ordnung die Verbindungen des Baryts, Ammoniaks und Kalis. In
                              den Lösungen der zwei letzten Salze mußten die Stoffproben besonders lange liegen
                              gelassen werden, bis die erforderliche Farbe erreicht ward.
                           Schwach mit Alaun und Weinstein angebeizte Wolle verhält sich ähnlich der
                              ungebeizten; auch hier erhielt die Wolle von dem Anilinsalze die satteste Färbung,
                              nur konnte man ein rascheres Anfallen der Farbe an die Faser bemerken.
                           Die größten Farbenunterschiede lassen sich beim Färben der Seide wahrnehmen. Seide,
                              welche in einem kalten und mit etwas Soda abgestumpften Alaunbade ungefähr 12
                              Stunden liegen gelassen und dann gut gespült wurde, nahm eine viel sattere Farbe an
                              als nicht gebeizte. Für die gebeizte Seide treten die Farbenunterschiede, welche
                              sich bei der Anwendung verschiedener isopurpursaurer Salze ergeben, besonders grell
                              hervor. Die Farbe, welche das Kalisalz ertheilt, ist fast rosenroth mit einem Stich
                              in Violett, die mit dem Ammoniaksalze erhaltene um weniges dunkler; dagegen gibt das
                              Barytsalz ein schönes volles Granatbraun, welches noch intensiver und prächtiger von
                              dem Anilinsalze gegeben wird.
                           An ungebeizter Seide erscheinen die Farben um vieles lichter, obgleich auch hier
                              dieselben Abstufungen, parallel den obigen, wahrgenommen werden können.
                           Wenn das Färbebad mit einer organischen Säure wie z. B. Weinsäure oder Essigsäure
                              angesäuert wird, so verhalten sich alle isopurpursauren Salze gleich; man erhält mit
                              dem Kalisalze dieselbe Farbentiefe wie mit dem Salze des Anilins. Die in Freiheit
                              gesetzte Isopurpursäure besitzt eine größere Verwandtschaft zur thierischen Faser
                              als die meisten ihrer Verbindungen und stellt sich ungefähr dem Anilinsalze gleich,
                              während hingegen das Färbungsvermögen des Kalisalzes am geringsten ist, so daß mit
                              demselben niemals tiefe, satte Farbentöne erhalten werden können.
                           Das Ansäuern des Färbebades, wie es Casthelaz in seiner
                               Broschüre
                              vorschreibt, steht in gar keinem Einklänge mit dem was Hlasiwetz über die Einwirkung der Säuren auf die Isopurpurate angibt. Man
                              sollte meinen, daß der Säurezusatz von großem Nachtheile wäre, während nichts von
                              einem solchen zu bemerken ist.
                           Auf Grund dieser unerwarteten Thatsache darf man wohl mit Recht fragen: sollte die
                              Kraft, mit welcher die Isopurpursäure von der Faser zurückgehalten wird, dieselbe
                              nicht auch vor der Zersetzung bewahren?
                           Es wäre jedoch sehr wohl möglich, daß die Farben, welche man aus sauren Färbebädern
                              erhält, den Einwirkungen der Luft und des Lichtes geringeren Widerstand leisten als
                              jene, wo man ohne Beihülfe der Säuren zu Werke ging.
                           Versuche mit rohem isopurpursaurem
                                 Ammoniak.
                           Dieses Präparat, welches in der vorher geschilderten Weise dargestellt wurde,
                              ertheilt der thierischen Faser nicht jene Farbentöne wie das chemisch reine
                              Salz.
                           Die Farbenreihen, welche man mit dem einen und mit dem anderen Pigmente erhält,
                              unterscheiden sich von einander etwa so wie der Zinnober von dem Carmin oder wie
                              ungeseiftes Krapproth vom geseiften. Der gelbliche Ton, welchen die mit dem rohen
                              Präparate gefärbten Wollstoffe zeigen, rührt ohne Zweifel von beigemengten
                              Zersetzungsproducten der Isopurpursäure her; übrigens sind die Farben in ihrer Art
                              sehr schön zu nennen und nehmen sich auf Seide besonders prächtig aus.
                           In allem Uebrigen verhält sich der unreine Farbstoff genau so wie der reine.
                           Versuche mit den bei der Bereitung des
                                 Ammonpurpurates erhaltenen Rückständen.
                           Aus den Waschwässern und Mutterlaugen wurde das unter 3) angeführte Präparat durch
                              starke Concentration unter Zusatz von Salmiak als dunkelbraunes Pulver erhalten.
                              Durch den Salmiak wurde bewirkt:
                           1) die Ueberführung des in der Mutterlauge befindlichen isopurpursauren Kalis in die
                              Ammoniakverbindung;
                           2) eine Zersetzung des kohlensauren Kalis und Cyankaliums in Chlorkalium, wobei der
                              größte Theil des gebildeten kohlensauren Ammoniaks und Cyanammoniums wohl durch das
                              Eindampfen verflüchtigt wurde.
                           Dieses Pulver schien zum allergrößten Theil aus Zersetzungsproducten der
                              Isopurpursäure zu bestehen; die Lösung erschien gelbbraun und ertheilte der Wolle
                              eine schöne Zimmtfarbe. Die mit Alaun und  Weinstein gebeizte Wollfaser färbt sich sonderbarer Weise
                              nicht so satt als nicht gebeizte.
                           Der Seide ertheilt diese Lösung ein glänzendes Holzgelb, ähnlich der Farbe, welche
                              das Kirschholz durch eine gelbe Politur annimmt.
                           Fast dieselben Farbentöne erhält man mit der zuletzt erhaltenen Mutterlauge, welche
                              unter 4) angeführt ward; nur sind sie um ein Geringes gelber.
                           Das Auftreten dieser gelbfärbenden Substanzen brachte mich auf den Gedanken, ob sich
                              in den letztgenannten Rückständen nicht vielleicht Pikrinsäure vorfinde, welche der
                              Metamorphose entgangen wäre. Da die bei der Bereitung des Kalisalzes zuerst
                              erhaltene Mutterlauge äußerst stark nach Blausäure roch, also jedenfalls einen
                              Ueberschuß von Cyankalium verrieth, so war eine solche Annahme wohl etwas gewagt,
                              allein es schien doch der Mühe werth diese Prüfung vorzunehmen.
                           Ich begann vorerst Versuche anzustellen, ob Pikrinsäure, combinirt mit
                              isopurpursaurem Kali, nicht die gleichen oder ähnliche Farbentöne ertheile, wie
                              solche mit den zwei genannten Rückständen erhalten werden. Zu diesem Zwecke wurde
                              Seide und Wolle mit Pikrinsäure satt gefärbt und nachher in ein Bad des Kalisalzes
                              gegeben; im ersten Moment schien es als ob sich eine der vorigen ähnliche Mischfarbe
                              fixiren wollte, allein binnen Kurzem trat eine Wandlung ein und die Zeugprobe
                              erhielt eine Farbe als ob mit reinem isopurpursaurem Kali gefärbt worden wäre; frei
                              von jeder gelben Beimischung. Ein Unterschied war nur in der Intensität
                              wahrzunehmen, denn der Farbeton besaß eine Tiefe wie sie nur etwa mit dem
                              Anilinsalze erzielt werden kann.
                           Der Versuch wurde ferner in der Weise abgeändert, daß die zu färbenden Wollen-
                              und Seidengewebe nicht vorher mit Pikrinsäure grundirt, sondern in ein Gemisch von
                              letzterer und isopurpursaurem Kali eingetragen wurden; der Effect war auch dießmal
                              ganz derselbe.
                           Diese auffallende Thatsache zeigt, daß die Pikrinsäure in diesem Falle weniger die
                              Rolle eines Farbstoffes als vielmehr die einer Säure spiele, welche darin zu
                              bestehen scheint dem isopurpursauren Kali die Basis zu entziehen, dagegen der frei
                              gewordenen Isopurpursäure den Platz innerhalb der Faser zu überlassen. Dieser Fall
                              besitzt eine frappante Aehnlichkeit mit manchen chemischen Processen; die Wollfaser
                              tritt hier gleichsam als Basis auf.
                           Es ergibt sich daraus mit Gewißheit, daß der gelbe Farbeton der Rückstände keineswegs
                              einem Gehalte an Pikrinsäure, sondern den Zersetzungsproducten der Isopurpursäure
                              zuzuschreiben sey, sonst müßten  sich dieselben ähnlich den Gemischen von Pikrinsäure und
                              isopurpursaurem Kali verhalten.
                           Diesen Ergebnissen zufolge stellt sich die Darstellung des isopurpursauren Ammoniaks
                              im krystallisirten Zustande als nicht vortheilhaft heraus. Das Kalisalz leistet
                              dasselbe, wenn man ein Ansäuern der Färbeflotte für zweckmäßig erachtet. Etwas
                              Anderes wäre es, wenn ein Farbenfabrikant es vorziehen wollte jenes Product in
                              Handel zu setzen, welches unmittelbar durch die Einwirkung des Cyankaliums auf
                              Pikrinsäure erhalten wird. Diese breiige Flüssigkeit enthält eine nicht unbedeutende
                              Menge von Cyankalium, riecht stark nach Blausäure und wäre aus
                              Gesundheitsrücksichten keinem Färber anzurathen. Wird aber diese Masse mit Salmiak
                              bis zum Ueberschusse versetzt, nöthigenfalls etwas verdünnt und längere Zeit unter
                              Zusatz des verdampfenden Wassers erhitzt, so entweicht das Cyan als Cyanammonium zum
                              größten Theil, so daß das Uebrigbleibende nur wenig mehr nach Blausäure riecht.
                           Für den Färber erscheint es aber wieder zweckmäßiger sich des krystallisirten
                              isopurpursauren Kalis zu bedienen, einerseits um Uebervortheilungen zu entgehen,
                              andererseits weil ihm dasselbe den größten Spielraum bei der Färbemanipulation
                              gestattet. Er kann:
                           1) durch starkes Anbeizen der Wolle das dunkelste Kastanienbraun erhalten;
                           2) ohne Zuhülfenahme irgend eines Agens die helleren Töne in Granat erzeugen;
                           3) durch Ansäuern der Färbeflotte, noch zweckmäßiger durch Hinzugabe von etwas
                              salzsaurem Anilin, das dunkelste Granatbraun erzielen. Die Menge des erforderlichen
                              Anilinsalzes ist gering und beträgt für 1 Theil isopurpursaures Kali nur 0,424
                              Theile.