| Titel: | Ueber die gepanzerten Hinterladungsgeschütze der französischen Marine, welche neuerlich aus der Geschützgießerei zu Ruelle hervorgegangen sind. | 
| Autor: | Darapsky | 
| Fundstelle: | Band 190, Jahrgang 1868, Nr. XXXI., S. 98 | 
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                        XXXI.
                        Ueber die gepanzerten Hinterladungsgeschütze der
                           französischen Marine, welche neuerlich aus der Geschützgießerei zu Ruelle hervorgegangen
                           sind.
                        Mit Abbildungen.
                        Ueber die gepanzerten Hinterladungsgeschütze der französischen
                           Marine, welche aus der Gießerei zu Ruelle hervorgehen.
                        
                     
                        
                           Wie Hrn. Treuille de Beaulieu das Verdienst gebührt, schon
                              frühzeitig den Werth künstlicher Metallconstructionen für großkalibrige, zur
                              Aufnahme starker Pulverladungen bestimmte Geschützrohre erkannt und demgemäß die Longrid'sche Drahtumwickelung (man s. polytechn. Journal
                              Bd. CLXIX S.
                                 95) sogleich nach ihrem Bekanntwerden, sowie die cerclage mit eingeschrumpften Stahlreifen seit 1859 zum Versuche gebracht
                              zu haben, so ist demselben, nach einem Artikel im Mechanics'
                                 Magazine vom 10. Mai 1867, auch die ehrende Anerkennung zu vindiciren, daß
                              er zeitig die Vorzüge des vor etwa zwölf Jahren vom Amerikaner Eastman construirten Schraubenverschlusses für Hinterladungsgeschütze
                              erkannte und dessen Einführung bewirkte, so daß auf der vorjährigen
                              Welt-Ausstellung zu Paris sämmtliche, in ihren Kaliberdurchmessern zwischen
                              16 und 42 Centimeter variirende Gußeisen-Geschützrohre der französischen
                              Marine nicht nur mit Stahlringen gepanzert, sondern auch
                              mit jenem Schraubenverschlußmodus ausgerüstet
                              erschienen.
                           Der Verfasser des Artikels im citirten Mechanics'
                                 Magazine, welcher die Schiffskanonen-Gießerei zu Ruelle besuchte,
                              berichtet über das Aufziehen der Stahlringe, dann über das Bohren und über das nach
                              bewerkstelligtem Einschneiden des Muttergewindes vom Schraubenverschlusse
                              (beziehungsweise genauem Einpassen des letzteren) erfolgende Einschneiden der Züge
                              in die Rohre nach dem Copirprincip, wobei von der betreffenden Maschine (man vergl.
                              polytechn. Journal Bd. CLXIX S. 85) successive drei Schneiden, eine für den rechten,
                              eine für den linken und eine für den Basistheil des Zugprofiles bestimmt, zur
                              Anwendung gebracht werden, endlich auch über die mit Stahl bekleidete, sonst aber
                              aus Kupfer bestehende Zündlochfütterung. Wir können die betreffenden Mittheilungen
                              füglich übergehen und entnehmen seinem Berichte das Nachfolgende über den
                              Verschluß-Mechanismus der Hinterladungs-Geschützrohre und namentlich
                              über die durch (unten folgende) Fig. 1 in Seitenansicht
                              dargestellte Verschlußschraube.
                           Diese Schraube wird durch einen Gußstahl-Cylinder von dem Geschützkaliber
                              entsprechender Größe gebildet, in dessen Mantelflächenschicht Schraubengewinde
                              eingeschnitten sind, welche, da die zum gewöhnlichen  Aufschrauben von fünfzehn bis
                              sechzehn derselben erforderliche Zeit während der Geschützbedienung nicht gestattet
                              werden kann, der Schraubenspindel-Peripherie nach in sechs gleiche Theile
                              getheilt und überspringend in je dreien derselben wieder abgehobelt worden sind, so
                              daß sie in Verbindung mit der entsprechend behandelten Schraubenmutter des Rohres
                              ein System bilden, welches zum leichten und sicheren Verschluß des Rohres dient,
                              wenn man die Verschlußschraube vermittelst der Handhabe A (Fig. 1) so in dasselbe einführt, daß
                              ihre Zugfelder dabei mit den glattgehobelten Flächen der Schraubenmutter in
                              Berührung kommen, und hiernach dieser Verschlußschraube vermittelst der Kurbel B eine solche Drehung um ihre Achse gibt, daß sämmtliche
                              Schraubentheile beider Verschlußstücke ineinander greifen, wodurch naturgemäß ein
                              fester Rohrverschluß entsteht, der durch das umgekehrte Verfahren sich ebenso leicht
                              und sicher wieder öffnen läßt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 190, S. 99
                              
                           Der Kopf des Verschlußschrauben-Cylinders ist mit einem frei um seine Achse
                              beweglichen Stahlring C (Fig.
                                 1) versehen, der die central durchlochte Scheibe D (Fig. 2) trägt, welche aus möglichst
                              weichem und zähem Stahl verfertigt, sich beim Schusse an die Rohrwandungen
                              anzupressen und so die Gasdichtheit des Rohrverschlusses zu sichern hat. —
                              Ring und Kopfscheibe können, wenn sie durch den Gebrauch beim Schießen etc. sich
                              angegriffen zeigen sollten, leicht gewechselt werden und ebenso lassen sie sich
                              vermittelst eines Bolzens, der sie noch außer der betreffenden Fuge mit einander
                              verbindet und durch einen Schraubenschlüssel zu handhaben ist, den jedesmaligen
                              Umständen entsprechend adjustiren.
                           Selbstverständlich kann ein solches Verschlußstück, welches z. B. für ein Kanonenrohr
                              von 9½ engl. Zoll Kaliberdurchmesser 3½ Centner  wiegt, nicht ohne mechanische
                              Hülfsmittel gehandhabt werden; die betreffende Vorrichtung besteht bei den neuesten
                              Geschützen dieser Art in einem Sattel von Bronze, welcher das aus dem Rohre
                              zurückgezogene Verschlußstück in sich aufnehmend mit seinem Rahmen vermittelst eines
                              (nach der Mündung hin gesehen rechts) am Rohrbodenstück angebrachten Scharniers mit
                              Leichtigkeit nach rechts hin zum Freimachen der hinteren Rohröffnung, sowie nach
                              links hin zum Führen des Verschlußstückes vor dieselbe, geführt werden kann; dabei
                              greifen Vorsprünge des Rahmens in entsprechende Vertiefungen der
                              Verschlußcylinder-Schraube ein, damit letztere stets in der zum Einführen in
                              das Rohr geeigneten Lage bleibt, so daß sie, ihre Achse in die verlängerte Rohrachse
                              gerichtet, nur mit ihren Handhaben rasch bis zur gegebenen Grenze vorgestoßen und
                              hierauf nach rechts gedreht zu werden braucht, ohne bei diesem Rohrverschluß ein
                              vorheriges zeitraubendes Probiren nöthig zu machen. Zum Einführen des im oben
                              angegebenen Falle nahezu drei Centner wiegenden Geschosses und der zugehörigen
                              Kartusche in das Rohr, dient eine am unteren Theile des Bodenstückes von letzterem
                              befestigte Platte, welche die Munition wie mit einem Schlitten und ohne jede
                              Berührung derselben mit den Muttergewinden der Verschlußschraube über letztere hin
                              in den Ladungsraum des Rohres einführen läßt und hierzu einfach mit der Hand geführt
                              wird.
                           Auf den ersten Blick dürfte hinsichtlich dieses in der französischen Marine jetzt
                              eingeführten Verschlußsystemes die Frage aufgeworfen werden, ob es der Gewalt des
                              Schusses nicht gelingen sollte, den mit Schraubengewinde-Bahnen versehenen
                              Cylinder des Verschlusses soweit zurückzudrehen, daß sich letzterer dadurch von
                              selbst öffnet, eine Frage, die in Frankreich um so ernster ventilirt werden mußte,
                              als auf dem „Montebello“ bei den ersten betreffenden Versuchen
                              wirlich ein Rückwärts-Herausgeschossenwerden des Verschlußcylinders aus dem
                              Rohre vorgekommen war und es sich hierbei nur noch darum fragen konnte, ob dieser
                              Umstand der mangelhaften Bedienung, d. h. dem Vergessen des Umdrehens vom
                              Verschlußcylinder nach seiner Einführung in das Rohr zugeschrieben werden müsse oder
                              nicht. — Zahlreiche hiernach abgegebene Schüsse und nach denselben
                              angestellte Untersuchungen haben aber zur Evidenz erwiesen, daß schon ein
                              theilweises Eingreifen der Schraubengewindefelder von Verschlußcylinder und Rohr
                              ineinander, der Gewalt des Schusses zu widerstehen vermag und letztere die nach
                              ihrem Einsetzen in das Rohr gehörig umgedrehte Verschlußcylinderschraube gar nicht
                              von ihrer Stelle rückt. — Um jedoch auch in letzterer Beziehung für die Folge
                              ganz sicher zu gehen, beziehungsweise als Merkmal für das Gefaßthaben der
                              Schraubentheile,  hat
                              man an der Stirnfläche des Rohrbodenstückes noch eine Fallklinke angebracht, welche
                              in die Verschlußkurbel B (Fig. 1) einfallen muß,
                              sobald dieselbe so weit herumgeführt worden ist, daß die Gewinde von Schraube und
                              Mutter des Verschlusses vollständig ineinandergreifen; um endlich noch ein
                              vorheriges Abfeuern des Geschützes absolut unmöglich zu machen, öffnet sich auch
                              erst mit dem Einfallen der erwähnten Verschlußklinke die bis dahin mit einer Platte
                              verschlossene Oese des Rohrbodenstückes, durch welche hindurch die nach dem
                              Zündloche hin zu legende Stoppine geführt werden muß.
                           Stade, im August 1868.
                           
                              Darapsky,Major der Artillerie.