| Titel: | Verfahren zur Fabrication von Gußstahl und homogenem Stabeisen; von John Gjers zu Middlesborough (England). | 
| Fundstelle: | Band 190, Jahrgang 1868, Nr. XXXV., S. 110 | 
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                        XXXV.
                        Verfahren zur Fabrication von Gußstahl und
                           homogenem Stabeisen; von John
                              Gjers zu Middlesborough (England).
                        Aus dem Mechanics' Magazine, August 1868, S.
                              129.
                        Gjers, Verf. zur Fabrication von Gußstahl und homogenem
                           Eisen.
                        
                     
                        
                           Bei der Behandlung von Pudddelstahl, Rohstahl und Puddeleisen zur Umwandlung in
                              Gußstahl und homogenes Eisen wird das Material gewöhnlich (mit bedeutenden Kosten)
                              zu Luppen gemacht und gezängt, um es möglichst von Schlacke zu befreien, dann wird
                              es zu Stäben oder Schienen verwalzt, in Stücke zerschnitten und darauf
                              umgeschmolzen.
                           Nach einem dem Genannten vor Kurzem patentirten Verfahren wird das zu verarbeitende
                              Roheisen oder gefeinte Eisen, sobald dasselbe durch die Wirkung der Schlacke oder
                              anderer Zuschläge zum „Steigen“ und Garen gebracht worden, aus
                              dem Puddelofen entfernt, bevor man zum Luppenmachen schreitet, und von Neuem
                              eingeschmolzen oder gleich in seinem teigigflüssigen Zustande erhalten; dadurch
                              scheidet es sich von der Schlacke ab und nimmt eine so gleichmäßige Beschaffenheit
                              an, daß es in die Zainformen abgestochen werden kann. Demnach schmilzt der Erfinder
                               Roheisen, gefeintes
                              Eisen oder wiedergekohltes Puddeleisen ein, behandelt es in gewöhnlicher Weise im
                              Puddelofen, und bringt es durch Zusatz von reicher, reiner Frischschlacke oder von
                              anderen, bei der Fabrication von Puddelstahl üblichen Zuschlägen, z. B. von
                              Braunstein und Kochsalz, zum Steigen und zum Garen, so wie bei der Darstellung von
                              Puddelstahl und Puddeleisen. In oder auch vor dem Stadium des Processes, welches der
                              englische Puddler mit „top boil“
                              bezeichnet,Nämlich kurz zuvor, ehe das Metall durch allmähliches Oeffnen des
                                    Essenregisters und Einschüren frischen Brennmaterials, wodurch man schnell
                                    die höchste Temperatur zu erreichen sucht, wieder
                                    einige Flüssigkeit erlangt und etwas zusammensinkt, indessen aufzukochen
                                    fortfährt und dann von Neuem dick wird, mit einem Worte, kurz vor dem Ende des Processes.H. jedenfalls noch vor dem Stadium, in welchem es zum Luppenmachen geeignet
                              ist, wird das Eisen mit dem Antheil von beigemengter Schlacke, welcher sich in
                              dieser Periode von ihm nicht abscheiden läßt, in einen Siemens'schen Regenerativ-Flammofen abgestochen. Auch kann man es
                              in den geöffneten Herd eines Gasflammofens abstechen, der entweder nach dem Siemens'schen Regenerativ- oder nach dem
                              Löthrohrflammen-Principe eingerichtet ist, bei welcher letzteren Einrichtung
                              Gas in Verbindung mit heißem Gebläsewinde als Brennmaterial benutzt wird. Die
                              wesentlichen Bedingungen, denen der hierzu anzuwendende Ofen entsprechen muß,
                              bestehen darin, daß derselbe eine Temperatur zu entwickeln vermag, welche hoch genug
                              ist, um Stahl oder homogenes Eisen zum Schmelzen zu bringen; ferner, daß die Flamme
                              sowohl in eine oxydirende als eine kohlende umgewandelt werden kann.
                           In diesem Flammofen läßt der Erfinder auf das flüssige Metall längere Zeit hindurch
                              eine neutrale, oder eine carbonisirende, oder auch eine oxydirende Flamme einwirken,
                              je nachdem der Rohstahl mehr oder weniger stark entkohlt werden muß; die Hitze muß
                              dabei so stark seyn, daß das Eisen vollkommen flüssig bleibt, bis sich die Schlacke,
                              welche dann an die Oberfläche steigt, gänzlich abgeschieden und das Metall den zur
                              Entstehung von Stahl oder homogenem Eisen erforderlichen Grad von Kohlung, bez.
                              Entkohlung erreicht hat, worauf es in Zainformen abgestochen wird. Oder man sticht
                              die Schlacke zuerst ab und schlägt dann nöthigenfalls zum Entkohlen des Eisens und
                              zum gleichzeitigen Schutze desselben vor Oxydation andere Substanzen zu, nämlich
                              Eisen- und Manganoxyd in Form von möglichst reinen oxydischen Erzen. (Dem
                              Metalle kann man eine bestimmte Gewichtsmenge Schmiedeeisen oder Roheisen, letzteres
                              in Form von Spiegeleisen oder manganhaltigem Roheisen zusetzen, um den nöthigen Grad
                              von Kohlung herbeizuführen.)
                           
                           Der Proceß wird möglichst so geleitet, daß das Metall aus dem Puddel- in den
                              Flammofen in einem Stadium des Zurgarekommens transportirt wird, in welchem es,
                              nachdem es flüssig geworden und dieß bis zur Erreichung des erforderlichen Grades
                              von Entkohlung geblieben ist, ohne Zusatz von Schmiedeeisen oder Eisenstein den für
                              den speciellen Fall erforderlichen Kohlenstoffgehalt besitzt. Bei gehöriger
                              Beobachtung der erforderlichen Vorsichtsmaßregeln, so daß im Puddelofen beim Steigen
                              des Eisens eine genügende Menge guter Schlacke zugegen ist, zeigt sich das Metall
                              gewöhnlich zur Stahlbereitung rein genug. Im letzten Stadium, während es noch so
                              flüssig ist, daß es abgestochen werden kann, und gerade dann, wenn es starr zu
                              werden oder zur Gare zu kommen beginnt, enthält es ungefähr noch 2 Proc. zu viel
                              Kohlenstoff. Dieser Ueberschuß an Kohle wird durch eine drei- bis
                              vierstündige Behandlung des in flüssigem Zustande befindlichen Eisens im Flammofen
                              mit einer neutralen oder schwach oxydirenden Flamme unter einer oxydirenden
                              Schlackendecke allmählich beseitigt, und sobald der richtige Entkohlungsgrad
                              erreicht worden — wovon man sich durch eine Spießprobe überzeugt —
                              sticht man es in Zainformen ab. — Um den Stahl oder das homogene Eisen
                              weicher und reiner zu machen, schlägt man in den meisten Fällen vor dem Abstechen
                              eine geringe Quantität von gutem Braunstein zu.
                           Den gemachten Erfahrungen zufolge ist es vortheilhaft, die Entkohlung des Metalles
                              etwas weiter zu treiben, als der darzustellenden Qualität von Stahl oder homogenem
                              Stabeisen entspricht, und das erhaltene Product durch Zusatz von etwa 1 Procent (der
                              ganzen Metallmasse) Spiegeleisen wieder zu kohlen. Der (überschüssige) Kohlenstoff
                              kann in manchen Fällen durch Zusatz von Schmiedeeisen, welches weniger Kohlenstoff
                              enthält als der darzustellende Stahl, weggenommen werden; man benutzt dazu mit
                              Vortheil abgenutzte Schienen, auch Deule oder Luppen, welche in erhitztem Zustande
                              dem aus dem Puddelofen abgestochenen flüssigen Metalle zugesetzt und mit demselben
                              verschmolzen werden. — Zuweilen wird Gußstahl oder homogenes Eisen durch
                              Zusatz von gewöhnlichen Puddelluppen zu dem aus dem Puddelofen abgestochenen Eisen
                              fabricirt, zu welchem Zwecke es erfahrungsgemäß vortheilhaft ist, die Charge des
                              Puddelofens, unmittelbar bevor sie zur Gare kommt, etwa zur Hälfte in den zum
                              Umschmelzen bestimmten Flamm- oder Stahlofen abzustechen, während der Rest
                              der Charge im Puddelofen bis zur völlig eingetretenen Gare und möglichst
                              vollständigen Abscheidung der Schlacken durchgearbeitet und dann schaufelweise oder
                              in Form von größeren Klumpen dem vorher aus dem Puddelofen auf  den Herd des zum Umschmelzen
                              bestimmten Flammofens abgestochenen Eisen zugesetzt wird.
                           Nachdem nun die ganze Charge dieses Metallgemisches in dem Flammofen eingeschmolzen
                              und in erforderlichem Grade gekohlt worden ist, wird sie in Zainformen abgestochen.
                              Man kann auch vier oder noch mehr Puddelöfen mit einem solchen Stahl- oder
                              Umschmelzflammofen verbinden und dann die gesammten Chargen der ersteren auf die
                              oben erörterte Weise im Stahlofen zu Stahl oder homogenem Stabeisen umwandeln. Oder
                              man sticht den Rohstahl aus dem Puddelofen in dem bezeichneten Stadium des
                              Processes, namentlich wenn man beabsichtigt die weitere Behandlung des Materiales in
                              Schmelztiegeln vorzunehmen, in Formen ab, so daß es dünne Scheiben bildet, welche
                              dann zu Stücken zerschlagen und in den Tiegeln mit Zuschlag von Stabeisen (Abfällen)
                              oder zu diesem Zwecke geeigneten Eisensteinsorten umgeschmolzen und in Stahl
                              umgewandelt werden.