| Titel: | Mittheilungen aus dem Laboratorium für technische Waarenkunde und Mikroskopie des polytechnischen Institutes in Wien; von Prof. Dr. Julius Wiesner. | 
| Autor: | Julius Wiesner [GND] | 
| Fundstelle: | Band 190, Jahrgang 1868, Nr. LXVI., S. 233 | 
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                        LXVI.
                        Mittheilungen aus dem Laboratorium für technische
                           Waarenkunde und Mikroskopie des polytechnischen Institutes in Wien; von Prof. Dr.
                           Julius Wiesner.
                        (Schluß von S.
                              169 des vorhergehenden Heftes.)
                        Mit Abbildungen.
                        Mittheilungen aus dem Laboratorium für Mikroskopie in
                           Wien.
                        
                     
                        
                           3. Die mikroskopischen Kennzeichen
                                 mehrerer neuer Seidensorten; von I. Wiesner und
                                 Adolph Prasch.
                           Die Mittel, welche in Anwendung gebracht wurden, um die durch die Raupenseuche
                              hervorgerufene, für Handel und Industrie gleich fühlbare Calamität zu beseitigen,
                              bestehen in der Einfuhr japanesischer Grains (Eier) und gewöhnlicher Seide aus
                              Ostasien, in der Einfuhr anderer ostasiatischer Seidensorten, endlich in der
                              Acclimatisation von neuen Bombyx-Arten in Europa.
                           Wie die Resultate dieser Unternehmungen im Einzelnen auch ausgefallen sind, Thatsache
                              ist es, daß außer der gewöhnlichen Seide (von Bombyx
                                 mori) noch andere Seide im Handel vorkommt und in der Industrie verwendet
                              wird, welche namentlich im gefärbten Zustande und im gemischten Gewebe nicht sofort
                              sich in Betreff der Abstammung erkennen läßt. Da über die genannten Seidenarten
                              keine genaueren vergleichenden Untersuchungen vorliegen, haben wir es unternommen,
                              das der Waarensammlung des Polytechnicums angehörige, leider bis jetzt noch nicht
                              ganz vollständige einschlägige Material zu untersuchen.
                           Die von uns untersuchte Seide stammte von folgenden Spinnern ab:
                           1) von Bombyx Cynthia (Ailanthusspinner),
                           2) von Bombyx Yama-mai (chinesischer
                              Eichenspinner),
                           3) von Bombyx Mylitta (Tussah),
                           4) von Bombyx Selene,
                           5) von Bombyx Faidherbii.
                           Leider stand uns die Seide des sehr wichtigen Ricinusspinners Bombyx arrindia nicht zu Gebote.
                           Ueber eine der wichtigsten dieser Seidenarten, nämlich über die Seide der Bombyx Cynthia hat einer von uns bereits Beobachtungen
                              veröffentlicht.Wiesner, technische Mikroskopie, S. 186 Fig. 106
                                    B und S. 187. Nach diesen
                              Beobachtungen schwankt der Querdurchmesser  des einfachen Fadens zwischen 0,011–0,025 Millim.,
                              die Masse des Fadens erscheint nicht wie bei der echten Seide homogen, sondern
                              parallelfaserig, der Doppelfaden ist von einer körnigen Haut umgeben. In der damals
                              gegebenen Beschreibung galt es bloß die Seide des Ailanthusspinners von jener des
                              gemeinen Seidespinners zu unterscheiden. Jetzt, wo wir die Charakteristik noch
                              anderer verwandten Seidenarten zu geben haben, genügen diese Kennzeichen nicht. Es
                              muß gleich hervorgehoben werden, daß alle übrigen zu besprechenden Seidensorten
                              parallelfaserig sind, und daß sie alle mit einer feinkörnigen Hülle umgeben
                              sind.
                           Von großer Wichtigkeit ist für die Charakteristik der Seide, die Angabe der im
                              Mikroskope so leicht wahrnehmbaren Breite des einzelnen
                              Seidenfadens. Wir stellen die Resultate unserer Messungen hier übersichtlich
                              zusammen.
                           Seide von:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 190, S. 234
                              Seide
                                    von:; Bombyx Cynthia; Florettseide:; feine
                                 Seide:; Wattseide:; Bombyx Yama-mai;
                                 Florettseide:; feine Seide:; Wattseide:; Bombyx
                                    Mylitta; Florettseide:; feine Seide:; Wattseide:; Bombyx Faidherbii; Florettseide:; feine Seide:;
                                 Wattseide:; Bombyx Selene; Florettseide:; feine
                                 Seide:; Wattseide:; Bombyx mori*; Florettseide:;
                                 feine Seide:; Wattseide:
                              
                           
                              
                              Der Vergleichung halber hier aufgeführt
                              
                           Zur weiteren Unterscheidung der Seidensorten wollen wir noch Rücksicht nehmen auf die
                              Farbe, auf Form und Structur des Fadens, endlich auf sein Verhalten im polarisirten
                              Lichte.
                           Jede Seide, seibst die gewöhnliche, besteht aus mehr oder weniger abgeplatteten Fäden, wie man sich durch die Einstellung
                              mit der Schraube, noch besser aber durch Querschnitte überzeugen kann.Wir fertigten die Querschnitte in der Weise an, daß wir die Seide strangweise
                                    in eine Gummilösung einlegten und nach dem Eintrocknen
                                    durchschnitten. Die  gewöhnliche Seide ist nur wenig abgeplattet, die übrigen
                              sehr stark. Der Seidenfaden ist ferner nie homogen, sondern ist stets der Länge der
                              Fäden Parallel gestreift. Diese Streifung wird nicht etwa dadurch hervorgerufen, daß
                              die Fäden von Sprungflächen durchsetzt sind, sondern wie der Querschnitt lehrt
                              dadurch, daß die von Seidenleim umschlossene Masse von zahlreichen feinen Röhren
                              durchzogen ist, welche im Mikroskope dunkel, erscheinend, entweder mit Luft oder
                              einer anderen sehr schwach lichtbrechenden Substanz gefüllt sind. An allen hier
                              besprochenen Seidensorten ist eine solche parallelfaserige Structur direct zu sehen.
                              Aber auch an der gewöhnlichen Seide ist dieselbe Structur vorhanden, wenn sie sich
                              auch nicht unmittelbar zeigen läßt. Schon früher hat einer von uns nachgewiesen, daß
                              die gewöhnliche Seide in verdünnter Chromsäure eine der Ailanthusspinnerseide
                              gleiche streifige Structur annimmt.Wiesner, technische Mikroskopie, S.
                                    186. Endlich ist hervorzuheben, daß alle von uns untersuchten
                              Seidensorten anisotrop sind. Die Intensität der im polarisirten Lichte an den Fäden
                              erscheinenden Farben ist aber bei verschiedenen Sorten eine verschiedene. Da das
                              Polarisationsphänomen bloß an dem Faden, nicht aber auf dem Querschnitte zu
                              beobachten ist, an dem der Länge nach vor uns liegenden Faden aber, der
                              parallelstreifigen Structur halber, verschieden lichtbrechende Medien übereinander
                              zu liegen kommen, was am Querschnitte nicht der Fall ist (denn hier liegen die
                              verschieden brechenden Medien neben einander), so scheint es uns, daß die Substanz
                              der Seide an und für sich nicht doppeltbrechend ist, sondern daß das
                              Polarisationsphänomen bloß dadurch hervorgerufen werde, daß verschiedene lichtbrechende Medien in jedem Faden wechselnd
                              nebeneinander zu liegen kommen.
                           Seide von Bombyx Cynthia. Faden bräunlich, etwas platt,
                              manchmal wie die Baumwollenfaser spiralig um die Achse gedreht. Polarisationsfarben
                              deutlich.
                           Seide von Bombyx Yama-mai. Faden gelblich oder
                              farblos, Platt. Polarisationsfarben wenig deutlich.
                           Seide von Bombyx Mylitta. Faden graubraun, sehr platt, äußerst variabel inder Dicke. Polarisationsfarben wenig
                              deutlich. Aeußerst charakteristisch für diese Seide ist das Auftreten von hellen,
                              den Rohfaden (Doppelfaden) schief und continuirlich durchsetzenden breiten Streifen,
                              welche dadurch hervorgerufen werden, daß die kreuzweise übereinander zu liegen
                              kommenden Fäden bei der gegenseitigen Berührung sich abplatteten.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 190, S. 236
                              Fig. 1 stellt einen Seidenfaden von Bombyx Mylitta dar; a, a
                                 abgeplatte Stellen.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 190, S. 236
                              Fig. 2 zeigt Querschnitte durch Seidenfäden: a durch den Rohfaden von gemeiner Seide; b durch einzelne Fäden von Bombyx Militta.
                              
                           Seide von Bombyx selene. Faden beinahe farblos mit einem
                              Stich in's Graubräunliche, platt, häufig um die Achse gedreht, sehr gleichmäßig in der Dicke. Polarisationsfarben ausgezeichnet schön,
                              beinahe so prachtvoll wie an echter Seide. Der Rohfaden ist mit einer auffällig
                              stark entwickelten Leimschichte überzogen.
                           Seide von Bombyx Faidherbii. Florettseide silberweiß,
                              feine Seide gelblich, Wattseide bräunlich. Faden platt, oft um seine Achse gedreht.
                              Polarisationsfarben deutlich.
                           Anschließend hieran theilen wir noch einige Beobachtungen über zwei Sammelproducte,
                              über die Wald- und Muschelseide mit. Erstere, auch wilde Seide genannt, besteht aus durch
                              Krempeln erhaltenen Fäden von Cocons, welche in den Wäldern von
                              Central-Amerika, Indien und China gesammelt und als Seidensurrogate verwendet
                              werden. Sie liegt uns in Proben aus St. Salvador, die in Paris ausgestellt waren,
                              vor. Der völlig farblose Rohfaden ist mit einer körnigen Leimschichte stellenweise
                              bedeckt; er zeigt eine sehr zarte Längsstreifung, seine Breite schwankt zwischen
                              0,003–0,014 Millim., meist nähert sie sich dem Werthe 0,007 Millim.
                              Polarisationsphänomen sehr deutlich.
                           Die Muschelseide, von Pinna.
                                 nobilis (Steckmuschel) herrührend, wird in einigen italienischen und
                              dalmatinischen Küstenorten gesammelt und für sich oder mit Seide gemengt zu Garnen
                              versponnen, die zur 
                              Verfertigung von Handschuhen, Geldbeuteln u. dgl. dienen. Die Fäden dieser
                              lichtbraunen Seide erscheinen im Mikroskope goldgelb, sie sind nicht oder nur sehr
                              wenig abgeplattet, von einer körnigen Schichte umgeben, zart der Länge nach
                              gestreift und haben einen Durchmesser von 0,017 bis 0,047, meist von nahezu 0,034
                              Millim. Polarisationsfarben kaum wahrnehmbar, mit Zuhülfenahme eines
                              Glimmerblättchens aber sehr gut erkennbar.
                           
                        
                           4) Die Verunreinigungen der
                                 Bierhefe; von Emil Ostersetzer.
                           Es ist ein naheliegender Gedanke, die gewöhnliche billige, oft röllig werthlose
                              Bierhefe in ein Product umzuwandeln, welches im Aussehen und in den Eigenschaften
                              der werthvollen Preßhefe gleich oder nahe kommt. Bekanntlich sind auch zahlreiche
                              Versuche in dieser Richtung gemacht worden, die jedoch nicht zu den gewünschten
                              Resultaten führten
                           Um eine rationelle Methode für die Reinigung der Bierhefe zu finden, scheint es vor
                              allem Anderen nothwendig die Verunreinigungen dieses Productes möglichst genau
                              kennen zu lernen. Auf Anregung des Hrn. Prof. Wiesner
                              habe ich mich unter dessen Leitung mit der mikroskopischen Untersuchung der Bierhefe
                              beschäftigt, welche ergab, daß die Hefenzellen, wie übrigens vorauszusehen war, sich
                              völlig so wie die der reinsten Preßhefe verhalten, und daß die Verunreinigungen der
                              Bierhefe lediglich in mechanischen Beimengungen zu suchen sind. Diese lassen sich
                              aber, ihrer Resistenz gegen chemische Agentien wegen, nicht auf chemische, sondern
                              nur auf mechanische Weise beseitigen. Hier bleibt aber kaum ein anderer Weg als der
                              des Waschens und Schlämmens mittelst Wasser offen, durch welche Operation die
                              Beseitigung der Verunreinigungen wegen der geringen Differenz zwischen der Dichte
                              der Hefe und jener vielen Beimengungen nicht nur unvollständig vollzogen, sondern
                              auch das Vermögen der Hefe, den Zucker zu spalten, beträchtlich verringert wird.
                           Die Hoffnung eine Reinigung der Bierhefe vornehmen zu können, ist mithin eine sehr
                              geringe. Trotz dieses keineswegs erfreulichen Resultates dürfte es doch nicht ohne
                              Werth und Interesse seyn, manche Einzelheiten der von mir angestellten einschlägigen
                              Beobachtungen kennen zu lernen, weßhalb ich hier die wichtigeren derselben
                              zusammenstelle.
                           Jede Bierhefe enthält ausnahmslos größere oder kleinere Quantitäten von Gewebsresten
                              des Gerstenkornes und des Hopfenzapfens. Vom ersteren sind Gewebsschichten des
                              stärkeführenden Parenchyms zu finden; besonders gut erhalten sind die Zellen der
                              sogenannten Kleberschichte  und epidermoidale Gewebsfragmente des Gerstenkornes.
                              Blatt- und Stengeltheile des Hopfenzapfens treten häufig auf. Erstere sind an
                              den merkwürdigen wellenförmig contourirten Oberhautzellen und einer Art
                              sternförmigen Parenchyms leicht kenntlich. Von häufig vorkommenden
                              Hopfenbestandtheilen sind noch hervorzuheben die leicht erkennbaren Hopfendrüsen und
                              die beiden 0,5 Centim. langen Griffel der Hopfenblüthe, welche leicht an den
                              dichtgedrängt stehenden kolbenförmigen Haaren, womit sie überdeckt erscheinen, zu
                              erkennen sind. Hin und wieder begegnet man auch kegelförmig gestalteten Haaren, die
                              theils vom Gerstenkorne, theils von der Hopfenfrucht herrühren. — Außer
                              diesen organisirten Beimengungen findet sich in allen Bierhefen noch eine formlose
                              organische, aus kleinen braunen, in Alkohol und Alkalien auflöslichen Klümpchen
                              bestehend. Dieser Körper dürfte wohl ausgeschiedenes Hopfenharz seyn.
                           In einigen Bierhefen fanden sich Stärkekörnchen vor, die in Form und Größe mit jenen
                              des Gerstenkornes übereinstimmten. Auffallend war, daß diese Stärkekörner durch Jod
                              sich noch intensiv bläuten, also noch viel Granulose enthielten, trotzdem sie
                              wahrscheinlich den ganzen Brauproceß durchmachten.
                           In einer frischen Bierhefe aus einer großen Wiener Brauerei, die ich in zahlreichen
                              Proben untersuchte, fand ich eine beträchtliche Menge todter, aber wohlerhaltener
                              Insecten von 1,1–1,5 Millim. Länge. Der Hinterleib war deutlich geringelt,
                              maß 0,5 Millim. und zeigte an einzelnen Individuen einen stachelförmigen Ansatz.
                              Einige der Thierchen waren geflügelt, andere nicht. Nach einiger Zeit gehen die in
                              der Bierhefe liegenden Thierchen eine Veränderung ein, indem die weichen
                              Körpertheile zu Grunde gehen und nur ein Chitinskelett zurückbleibt.
                           Der ausgezeichnete Entomologe, Hr. Dr. A. Brauer in Wien, untersuchte die Thierchen und fand, daß
                              sie dem Genus Aphis (Blattlaus) angehören. Die Species
                              ließ sich nicht ermitteln. Die ungeflügelten Thierchen sind Weibchen. Das Ergebniß
                              dieser Untersuchung führte darauf nachzusehen, ob der zur Bierbereitung dienende
                              Hopfen nicht die Quelle dieser eigenthümlichen Verunreinigung ist. In der That fand
                              ich, daß der Hopfen der betreffenden Brauerei mit Wasser durchgewaschen nach einiger
                              Zeit einen Bodensatz gab, in welchem zahlreiche Individuen dieser Aphis-Art (höchstwahrscheinlich Aphis lupuli Schk.) zu finden waren. Das Bier der
                              Brauerei war frei von dieser Verunreinigung, wie ich mich durch Filtriren größerer
                              Mengen desselben überzeugte.