| Titel: | Ueber eine eigenthümliche Veränderung, welche die Steinkohle beim Erhitzen erleidet; von Dr. E. Richters, Chemiker an der Bergschule zu Waldenburg. | 
| Autor: | E. Richters | 
| Fundstelle: | Band 190, Jahrgang 1868, Nr. CVI., S. 398 | 
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                        CVI.
                        Ueber eine eigenthümliche Veränderung, welche die
                           Steinkohle beim Erhitzen erleidet; von Dr. E. Richters, Chemiker an der Bergschule zu Waldenburg.
                        Richters, über eine Veränderung der Steinkohle beim Erhitzen
                           derselben.
                        
                     
                        
                           Durch die umfassenden und interessanten Untersuchungen von Fleck, Stein, Grundmann, Varrentrapp, Sauerwein u. A. angeregt, hat sich
                              in neuerer Zeit die Aufmerksamkeit der Chemiker in erhöhtem Maaße den Steinkohlen und den, ihre größere oder geringere
                              Verwendbarkeit für verschiedene technische Zwecke bestimmenden Verhältnissen
                              zugewandt. In Rücksicht auf diese Thatsache glaube ich für die nachfolgend
                              mitgetheilten Beobachtungen einiges Interesse in Anspruch nehmen zu dürfen.
                           Erhitzt man Steinkohlenpulver, welches unter dem Exsiccator bis zum Constantbleiben
                              des Gewichtes getrocknet wurde, in einem Trockenschranke bis auf
                              180–200° C., so bemerkt man schon nach kurzer Zeit eine deutliche Gewichtszunahme. Nach 12 stündigem Erhitzen beträgt
                              dieselbe bereits mehrere Procente vom ursprünglichen Gewichte der Kohle, nach 20
                              Stunden hat sie, soweit meine jetzigen Erfahrungen reichen, ihr Maximum erreicht,
                              ein weiteres Erhitzen hat dann eine Gewichtsabnahme zur Folge.
                           Die Kohle, welche an Gewicht zugenommen, hat mit der unveränderten, nicht erhitzten
                              kaum mehr als das Aussehen, welches unverändert geblieben ist, gemein. Sie
                              unterscheidet sich von letzterer:
                           1) durch das specifische Gewicht, welches erheblich zugenommen hat;
                           2) durch ihre chemische Zusammensetzung;
                           3) durch ihr Verhalten beim Glühen resp. Verkohken;
                           4) durch ihre viel größere Fähigkeit Wasser aus der Atmosphäre anzuziehen.
                           Was die unter 1 und 2 erwähnten Eigenschaften betrifft, so verweise ich auf die in
                              der beigefügten Tabelle mitgetheilten Zahlen.
                           Die erhitzte Kohle — als solche werde ich sie in Folgendem der Kürze halber
                              bezeichnen — gibt beim Glühen im Tiegel keine
                                 Kohks, selbst wenn die ursprüngliche Kohle zu der vorzüglich backenden
                              gehörte; sie zählt zu den Sandkohlen im eigentlichsten Sinne des Wortes. Die
                              Veränderungen, welche ihr Aussehen durch das Glühen erleidet, sind so unbedeutend,
                              daß sich die geglühte von der nicht geglühten Kohle kaum oder gar nicht
                              unterscheidet. Glüht man rasch, so tritt ein außerordentlich  starkes Aufbrausen ein, ähnlich
                              wie man es beim unvorsichtigen Erhitzen von Kieselsäure, welche durch Säuren aus
                              Silicaten ausgeschieden wurde, beobachtet. Die entweichenden Gase, welche eine Menge
                              Kohlenpartikelchen mit sich fortreißen, brennen mit nicht leuchtender, durchaus
                              nicht rußender Flamme. Glüht man im bedeckten Tiegel bis zum vollständigen Aufhören
                              jeder wahrnehmbaren Gasentwickelung, so hat ein weiteres Erhitzen, sofern es nicht
                              zu lange fortgesetzt wird, nur eine sehr geringe Gewichtsabnahme zur Folge.
                           Die bei der trockenen Destillation zuerst auftretenden Producte röthen das Lackmuspapier stark und dauernd. Die Kohle verhält sich also in
                              dieser Beziehung wie Holz oder die jüngeren Fossile Torf und Braunkohle; erst später
                              treten alkalisch reagirende Dämpfe auf. Eine Bildung und Abscheidung von Theer
                              findet durchaus nicht statt.
                           2 Grm. der erhitzten Kohle ließ ich auf einem offenen Uhrglase ausgebreitet, zunächst
                              14 dann 36 Stunden in der nicht sehr feuchten Atmosphäre des Laboratoriums stehen;
                              die Gewichtszunahme betrug in dem ersten Falle 3,3 Proc., in dem zweiten 4,8 Proc.
                              Wurde die Kohle darauf 15 Minuten im Trockenschrank bis auf 105° C. erhitzt,
                              so stellte sich beide Male das ursprüngliche Gewicht wieder ein. Dieselbe Kohle,
                              unter dem Exsiccator getrocknet, nahm während derselben Zeit und unter gleichen
                              Verhältnissen nur um 1,3 resp. 1,8 Proc. an Gewicht zu.
                           Vergleicht man die chemische Zusammensetzung der unter dem Exsiccator getrockneten
                              mit derjenigen der erhitzten Kohle, so zeigt sich, daß der Gehalt der letzteren an
                              Kohlenstoff und Wasserstoff bedeutend abgenommen, der an Sauerstoff (und
                              Stickstoff?) hingegen erheblich zugenommen hat.
                           Liegt es sonach außer allem Zweifel, daß ein Theil des Kohlenstoffes und
                              Wasserstoffes beim Erhitzen entwich, Sauerstoff aber aufgenommen wurde, so fragt es
                              sich weiter, ob die beiden erstgenannten Elemente mit einander chemisch verbunden
                              als Kohlenwasserstoff, oder oxydirt als Kohlensäure und Wasser frei wurden, ferner,
                              ob der Sauerstoff lediglich durch Flächenanziehung verdichtet, oder ob derselbe
                              chemisch gebunden wurde. Zur Beantwortung der ersten Frage wurden 2 Grm. Kohle (vom
                              21sten Flötz der Carl-Georg-Victor Grube bei Waldenburg) in ein V förmiges Rohr und letzteres auf solche Weise in einen
                              Trockenschrank gebracht, daß die beiden Enden des Rohres aus zwei in der Decke des
                              Trockenschrankes befindlichen Oeffnungen hervorragten. Der eine Schenkel wurde unter
                              Zwischenschaltung eines, Schwefelsäure, Natronkalk und Chlorcalcium enthaltenden
                              Trockenapparates mit einem Gasometer, der  andere mit einem Chlorcalcium- und
                              Natronkalk-Rohre in Verbindung gebracht; ich erhitzte darauf die Kohle 10
                              Stunden lang bei 190° C., während ein langsamer Luftstrom über dieselbe
                              hinweggeführt wurde; sie hatte nach dieser Zeit 4,21 Proc. an Gewicht zugenommen.
                              Nachstehend das Resultat des Versuches:
                           
                              
                                 Unter dem Exsiccator getrocknete Kohle:
                                 Erhitze Kohle:
                                 104,21 Gewichtstheile der erhitzten Kohle enthalten
                                    sonach:
                                 
                              
                                 86,82
                                 Proc.
                                 
                                    C
                                    
                                 82,19
                                 Proc.
                                 
                                    C
                                    
                                 85,65
                                 Proc.
                                 
                                    C
                                    
                                 
                              
                                 4,26
                                 Proc.
                                 
                                    H
                                    
                                 3,38
                                 Proc.
                                 
                                    H
                                    
                                 3,52
                                 Proc.
                                 
                                    H
                                    
                                 
                              
                                 6,40
                                 Proc.
                                 O(u. N)
                                 11,96
                                 Proc.
                                 O(und N)
                                 12,47
                                 Proc.
                                 O(und N)
                                 
                              
                                 2,52
                                 Proc.
                                 Asche.
                                 2,47
                                 Proc.
                                 Asche.
                                 2,57
                                 Proc.
                                 Asche.
                                 
                              
                           Die Kohle verlor demnach durch das Erhitzen 0,74 Proc. Wasserstoff und 1,17 Proc.
                              Kohlenstoff, nahm dagegen 6,07 Proc. Sauerstoff auf. Das im Chlorcalciumrohre
                              aufgefangene Wasser wog 0,118 Grm. = 0,66 Proc. Wasserstoff; die Gewichtszunahme des
                              Natronkalk-Rohres betrug 0,092 Grm., entsprechend 1,25 Proc. Kohlenstoff. Es
                              dürfte nach diesem Resultate kaum einem Zweifel unterliegen, daß bei dem Erhitzen
                              der Kohle eine vollständige Oxydation des entweichenden Wasserstoffes und
                              Kohlenstoffes zu Wasser und Kohlensäure stattfand.
                           Ist der aufgenommene Sauerstoff in der Kohle mechanisch verdichtet oder chemisch
                              gebunden? Es sprechen einzelne Erscheinungen für die erste, andere wiederum für die
                              zweite Annahme. Bringt man bei der Bestimmung des spec. Gewichtes die erhitzt
                              gewesene Kohle in Wasser, so entwickeln sich Luftbläschen in etwas reichlicherer
                              Menge als solches bei der gewöhnlichen Kohle der Fall ist; die stürmische
                              Gasentwickelung beim raschen Glühen der erhitzten Kohle scheint gleichfalls für die
                              erste Annahme zu sprechen. Dahingegen macht das ganze übrige Verhalten der Kohle
                              beim Erhitzen resp. Glühen, namentlich aber die stark saure Reaction der Producte
                              der trockenen Destillation, sowie die bedeutende Zunahme des spec. Gewichtes es
                              wahrscheinlich, daß in der That Sauerstoff chemisch gebunden wurde. Ich behalte mir
                              vor, weitere Untersuchungen über den Gegenstand anzustellen und gleichzeitig zu
                              ermitteln, ob vielleicht auch der Stickstoff der atmosphärischen Luft einigen
                              Antheil an der Veränderung hat, welche die Kohle beim Erhitzen erleidet.
                           Zu den auf der folgenden Tabelle aufgeführten Daten bemerke ich Folgendes:
                           Kohle a, b, c (4tes, 20tes und 24tes Flötz der
                              Carl-Georg-Victor-Grube bei Waldenburg) wurden gleichzeitig 12
                              Stunden lang erhitzt. Die bezüglichen Gewichtszunahmen betrugen 4,24 resp. 4,45 und
                              4,07 Proc.
                           
                           Kohle d, e und f (6tes, 3tes
                              und B-Flötz der Gustav-Grube bei
                              Waldenburg) wurden 20 Stunden erhitzt. Die Gewichtszunahme betrug 4,62 resp. 3,92
                              und 3,24 Proc. Nach weiterem 5 stündigem Erhitzen, nach welchem die Analyse
                              vorgenommen wurde, hatten die Kohlen an Gewicht abgenommen und zwar d um 0,67 Proc., e um 0,63
                              Proc., f um 0,77 Proc.
                           Als „Glührückstand“ ist in der Tabelle die beim Erhitzen bis zum
                              völligen Aufhören aller Gasentwickelung zurückbleibende Masse bezeichnet; es zeigt
                              sich constant, daß deren Sauerstoffgehalt zunimmt mit dem der erhitzten Kohle.
                           Das spec. Gewicht wurde im Pyknometer bei 19° C. bestimmt.
                           Tabelle.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 190, S. 401
                              Kohle.; Chemische Zusammensetzung
                                 der getrockneten Kohle.; C; H; O u. N;
                                 Asche; Chemische Zusammensetzung der erhitzten Kohle.; C; H; O u. N; Asche; Beim Glühen der erhitzten Kohle verbleiben
                                 Rückstand.; Zusammensetzung des Glührückstandes der erhitzten Kohle.; C; H; O u. N; Asche; Spec.
                                 Gewicht der getrockneten Kohle.; Spec. Gewicht der erhitzten Kohle.; Proc. a.; b.; c.; d.; e.; f