| Titel: | Verfahren zum Versilbern des Glases mittelst invertirten Zuckers; von Adolph Martin. | 
| Fundstelle: | Band 191, Jahrgang 1869, Nr. VIII., S. 43 | 
| Download: | XML | 
                     
                        VIII.
                        Verfahren zum Versilbern des Glases mittelst
                           invertirten Zuckers; von Adolph Martin.
                        Aus den Annales de Chimie
                                 et de Physique, 4. série, t. XV p. 94; September 1868.
                        Martin's Verfahren zum Versilbern des Glases.
                        
                     
                        
                           Im Juni 1863 übergab ich der (französischen) Akademie durch Le
                                 Verrier's Vermittelung ein Verfahren zum Versilbern des Glases, welches
                              besonders für optische Instrumente und optische Versuche anwendbar ist.Polytechn. Journal Bd. CLXIX. S. 142. In Folge einer häufigen Ausführung dieses Verfahrens gelang es mir einige
                              demselben anhaftende Uebelstände zu beseitigen und ich gebe daher im Nachstehenden
                              eine Beschreibung desselben, wie ich es jetzt ausführe.
                           Man bereitet zunächst vier verschiedene Lösungen, welche, für sich allein aufbewahrt,
                              keine Veränderung erleiden, nämlich:
                           1) Eine Lösung von 40 Grammen krystallisirtem salpetersaurem Silberoxyd in 1 Liter
                              destillirtem Wasser;
                           2) reines, mit destillirtem Wasser verdünntes Ammoniak. Den nahezu richtigen
                              Concentrationsgrad dieser Lösung erhält man, wenn man 70 Kubikcentimeter reines
                              Ammoniak von 24° Baumé mit 1 Liter Wasser verdünnt; es ist jedoch
                              nothwendig, den Titre der Flüssigkeit genau zu stellen. Zu diesem Behufe setzt man
                              zu 15 K. C. der Silberlösung Nr. 1 vorsichtig von der zu prüfenden Ammoniaklösung
                              hinzu; es bildet sich anfänglich ein brauner Niederschlag, welcher dann schwarz wird
                              und bei Zusatz einer genügenden Ammoniakmenge endlich verschwindet. Ist der Titre
                              der Flüssigkeit richtig, so muß die Menge der Ammoniaklösung, welche erforderlich
                              war, damit der Silberniederschlag verschwand und die Lösung wieder klar wurde, genau
                              10 K. C. betragen.
                           
                           3) Eine Lösung von 40 Grm. reinem (geschmolzenem) Aetzkali in 1 Liter Wasser.
                           Das Aetzkali sowohl, wie das Ammoniak müssen von Kohlensäurefalz vollkommen frei
                              seyn.
                           4) Man löst 25 Grm. Zucker in 250 Grm. Wasser, setzt 3 Grm. gewöhnliche Salpetersäure
                              zu, erhitzt zum Sieden, kocht zehn Minuten lang, um die Inversion des Zuckers
                              herbeizuführen, und läßt dann erkalten; hierauf neutralisirt man die zuckerhaltige
                              Flüssigkeit mit einer geringen Menge der Kalilösung Nr. 3 beinahe vollständig, so
                              daß die erstere noch schwach sauer reagirt. Dann setzt man, zur Verhütung der
                              späteren Gährung, 50 K. C. Alkohol hinzu und verdünnt die Lösung mit Wasser auf 1/2
                              Liter, wenn sie im Winter, stärker jedoch, wenn sie im Sommer zum Versilbern benutzt
                              werden soll.
                           Zur Erläuterung des Verfahrens wollen wir die Versilberung eines Spiegels von 10
                              Centimeter Durchmesser beschreiben.
                           Man gießt auf die Oberfläche des mittelst eines Dachshaarpinsels von Staub befreiten
                              Glases einige Tropfen concentrirter Salpetersäure, reinigt die Fläche sorgfältig
                              mittelst eines Bäuschchens gekrempelter, von fremden Körpern freier Baumwolle, spült
                              das Glas mit Wasser ab und trocknet es mit einem feinen, ganz reinen Leinentuche.
                              Dann gießt man auf dieselbe Fläche ein Gemisch von etwa gleichen Raumtheilen der
                              Kalilösung Nr. 3 und Alkohol, und verbreitet dasselbe mit Zuhülfenahme von etwas
                              Baumwolle auf der Glasfläche (behufs deren Reinigung). Diese consistente Flüssigkeit
                              besitzt nämlich die Eigenschaft, das Glas zu benetzen, ohne von den Rändern
                              desselben zurückzutreten, wie andere Flüssigkeiten. Die so bedeckte Fläche des
                              Spiegels taucht man in eine, reines Wasser enthaltende Schale, indem man dafür
                              sorgt, daß zwischen jener Fläche und dem Boden der Schale mindestens 1/2 Centimeter
                              hoch Wasser steht, was sich leicht durch Stützen des Spiegels mit drei Holztheilchen
                              bewerkstelligen läßt, und ertheilt der Schale eine sanfte balancirende Bewegung, so
                              daß das Wasser die das Glas bedeckende alkalische Schicht auflöst.
                           In ein Fußglas von angemessener Größe gießt man dann der Reihe nach:
                           15 K. C. der Silberlösung Nr. 1;
                           15 K. C. des verdünnten Aetzammoniaks Nr. 2;
                           15 K. C. der Kalilösung Nr. 3;
                           15 K. C. der Lösung von invertirtem Zucker Nr. 4.
                           Dieses Gemisch gießt man dann auf einen kleinen Teller oder ein Schüsselchen, bringt
                              den inzwischen auf dem Wasser gebliebenen Spiegel rasch so hinein, daß er, wie vorhin im
                              Wasser, mindestens 1/2 Centimeter vom Boden entfernt bleibt, und bewegt die
                              Flüssigkeit sanft, aber ununterbrochen.
                           Sofern die Lösungen mit gehöriger Sorgfalt dargestellt worden sind, wird die auf den
                              Zusatz der ersten Portionen Ammoniak trübe gewordene Silberlösung wieder klar und
                              das Gemisch bleibt auch nach Zusatz der Kali- und der Zuckerlösung klar und
                              durchsichtig.
                           Das fertige Gemisch der vier Lösungen, das Versilberungsbad, muß sich nach Verlauf
                              von etwa einer halben Minute erst röthlichgelb, dann braungelb und darauf
                              tintenschwarz färben. Alsdann beginnt das Silber sich auf die Ränder des Tellers mit
                              der Farbe des Platins abzusetzen und nun fängt auch die Versilberung des Glases an,
                              indem das Silber auf ihm eine sehr regelmäßige Schicht, ohne auffallende Streifen
                              etc. bildet. Man bewegt jetzt noch von Zeit zu Zeit, und sobald die nun trübe und
                              graulich gewordene Flüssigkeit sich mit silberglänzenden Blättchen bedeckt, ist die
                              Operation beendigt. Man hebt den Spiegel heraus, wäscht ihn sorgfältig unter einem
                              reichlichen Wasserstrahle, übergießt seine Oberfläche rasch mit destillirtem Wasser,
                              stellt ihn hochkantig auf Fließpapier und läßt ihn trocknen. Seine Oberfläche
                              erscheint dann glänzend und nur wie mit einem leichten Schleier bedeckt, der sich
                              mit Hülfe eines Bällchens von Sämischleder, welches mit ein wenig von feinem
                              Englischroth versehen ist, entfernen läßt. Wenn indessen Kali
                                 und Ammoniak ganz kohlensäurefrei angewendet wurden und die Fläche gehörig
                                 gereinigt war, ist die Versilberung vollkommen glänzend und polirt unter diesem
                                 Schleier, und das Reiben mit dem Bällchen kann unterlassen werden.
                           Die Hauptfehler, welche durch ungenaues Titriren der Flüssigkelten entstehen können,
                              sind folgende:
                           Ist das Ammoniak zu concentrirt, so bleibt das fertige Silberbad klar und färbt sich
                              violett; das an der Grenzfläche zwischen dem Glase und der Flüssigkeit vor der
                              Ausscheidung des Silbers reflectirte weiße Licht ist dann violett gefärbt und die
                              Versilberung geht träge vor sich, fällt sehr dünn aus und erscheint bei
                              durchfallendem Lichte matt und gelblich.
                           Ist das Ammoniak richtig titrirt worden, so zeigt das reflectirte Bild bräunlichen
                              Ton; die Silberschicht erzeugt sich nach etwa fünf Minuten und erscheint bei
                              durchfallendem Lichte bläulich, bei auffallendem schön glänzend.
                           Bei auffallendem Lichte grünlich erscheinende Töne mit bleibenden marmorartigen
                              Flecken, rühren von einer unzulänglichen Reinigung des Glases her.
                           
                           Ist das Ammoniak zu schwach, so trübt sich die Flüssigkeit auf Zusatz der
                              Kalilösung.
                           Befolgt man die oben angegebenen Regeln beim Titriren genau, so stellt sich keiner
                              von diesen Fehlern ein.
                           Ein Gehalt des Ammoniaks oder des Kalis an Kohlensäuresalz veranlaßt, sobald derselbe
                              bedeutend ist, einen weißen Niederschlag, welcher sich sehr rasch färbt, wenn man
                              die Zuckerlösung zugießt, und die Reduction findet dann mehr in dem Bade als auf der
                              Glasfläche statt. Selbst bei Gegenwart von nur geringen Mengen Kohlensäuresalz
                              zeigen sich auf der Versilberung matte Flecken, ein Fehler, der auch durch das
                              Poliren mit dem Lederbällchen niemals ganz beseitigt werden kann.
                           Auch der Concentrationsgrad der Zuckerlösung ist von Wichtigkeit. Ist dieselbe zu
                              schwach, so erfolgt ihre Wirkung nur langsam und unvollständig; indessen läßt sich
                              die Menge dieser Flüssigkeit während der Operation selbst leicht vermehren. Ist
                              dieselbe zu stark, so tritt ihre Wirkung zu stürmisch ein, findet hauptsächlich in
                              der Flüssigkeit statt und läßt sich nur schwierig reguliren. Es ist immer zu rathen,
                              einen vorläufigen Versuch anzustellen, weil der Concentrationsgrad des
                              Reductionsmittels der äußeren Temperatur entsprechen muß.
                           Das im Vorstehenden angegebene Verfahren läßt sich bei allen Spiegeln anwenden,
                              welche nicht über 25 Centimeter Durchmesser haben, bei der Herstellung größerer
                              Stücke aber ist man genöthigt langsamer zu Werke zu gehen; die Flüssigkeit kann sich
                              von den Rändern des Glases zurückziehen und an das Silberbad Wasser abgeben, wodurch
                              die Versilberung stellenweise matt und nicht anhaftend ausfällt. Dieses Bad hat Zeit
                              gehabt sich mit Silberpartikelchen zu bedecken, welche kleine Löcher in der
                              Silberschicht verursachen, was besonders bei der Anfertigung von Objectiven zur
                              Beobachtung der Sonne, wie solche Léon Foucault
                              dargestellt hatPolytechn. Journal Bd. CLXXXIII S. 330., nachtheilig ist. In diesem Falle muß der Proceß regelmäßig und mit einer
                              gewissen Langsamkeit vor sich gehen. Man kann für diesen Fall eine etwas schwieriger
                              zu titrirende Flüssigkeit bereiten, welche aber dem zu erreichenden Zwecke
                              vollkommen entspricht. Foucault befolgte die nachstehende
                              Methode, welche von der oben angegebenen nur durch die Vertheilung des Wassers in
                              den Lösungen abweicht; auch bringt er das Silber erst zuletzt in das Bad, was hier
                              ein Vortheil ist.
                           Man bereitet eine erste Lösung von:
                           
                           
                              
                                 
                                 Aetznatron
                                     6 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 Ammoniak von 20°
                                    Baumé    
                                   12 K. C.
                                 
                              
                                 
                                 Wasser
                                 800 K. C.
                                 
                              
                                 eine zweite von:
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 salpetersaurem Silberoxyd
                                   14 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 Wasser
                                 100   „
                                 
                              
                                 
                                 Ammoniak von 20°
                                    Baumé    
                                   20   „
                                 
                              
                                 und eine dritte von:
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 Zucker
                                     5 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 Wasser      
                                   50   „
                                 
                              
                           Man invertirt den Zucker und neutralisirt wie oben angegeben.
                           Die sorgfältig gereinigte Oberfläche wird mit einem aus gleichen Raumtheilen
                              Zuckersyrup und Wasser bestehenden Gemische mit Hülfe eines in feine Leinwand
                              eingeschlossenen Baumwollenbäuschchens überzogen, dann mit den oben angegebenen
                              Vorsichtsmaßregeln in das (je nach der erforderlichen Größe) aus Steingut,
                              Porzellan, versilbertem Kupfer oder Gutta-percha bestehende Becken getaucht,
                              in welches man die Natronammoniaklösung gegossen hat.
                           Das Glas wird in diesem Becken durch Keile so gehalten, daß zwischen ihm und dem
                              Gefäßboden eine möglichst starke Flüssigkeitsschicht bleibt. Man bewegt die
                              Flüssigkeit und setzt nach Verlauf einer Viertelstunde die beiden anderen
                              Flüssigkeiten hinzu, nachdem dieselben unmittelbar vorher zusammengemischt worden
                              sind.
                           Die anzuwendende Zuckermenge muß, der äußeren Temperatur entsprechend, verschieden
                              seyn; man erkennt bei einem vorläufigen Probeversuch, daß das richtige Verhältniß
                              getroffen ist, daran, daß das fertige Bad erst nach drei bis fünf Minuten eine
                              rothbraune Färbung annimmt.
                           Halbversilberung. – Für gewisse Experimente
                              wendete Foucault die von ihm erfundene sogen. Halbversilberung (demi-argenture) an. Er benutzte dazu sein älteres Verfahren; man
                              kann diese Art von Versilberung aber auch nach einer der beiden im Vorstehenden
                              beschriebenen Methoden ausführen, wenn man die Operation in dem Augenblicke
                              unterbricht, in welchem das Silber auf dem Glase zum Vorschein zu kommen beginnt.
                              Man nimmt das Glas aus dem Bade, wäscht es gut mit destillirtem Wasser, und läßt es
                              trocknen; den Polirballen darf man aber dann nicht anwenden. Die entstandene Schicht
                              ist halb so durchsichtig als wenn gar nicht versilbert worden wäre; aber das
                              Reflexionsvermögen des Glases ist schon so groß geworden, daß ein solches Glas zur
                              gleichzeitigen Beobachtung von zwei verschiedenen Objecten – des einen
                              mittelst Reflexion, des anderen mittelst Transmission – benutzt werden kann,
                              was für viele optische Versuche und astronomische Untersuchungen von großem Werthe
                              ist.