| Titel: | Steuermechanismus für Dampfmaschinen; von Rudolph Hengstenberg, Ingenieur in Pesth. | 
| Fundstelle: | Band 191, Jahrgang 1869, Nr. XXXIII., S. 177 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XXXIII.
                        Steuermechanismus für Dampfmaschinen; von Rudolph
                              Hengstenberg, Ingenieur in Pesth.
                        Patentirt in Preußen,
                              Oesterreich und Ungarn.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              V.
                        Hengstenberg's Steuermechanismus für Dampfmaschinen.
                        
                     
                        
                           Der auf Tab. V in Fig. 1–11 skizzirte und durch
                              nachfolgende Beschreibung zu erläuternde Steuermechanismus macht wesentlich nach
                              zwei Richtungen hin Anspruch auf Eigenthümlichkeit; erstens in Bezug auf die
                              Entlastung des Schiebers vom Dampfdrucke, und zweitens durch die Anwendung eines
                              Universalventiles, d.h. eines solchen, welches gleichzeitig Expansionsventil,
                              Drosselventil und Dampfabsperrventil ist.
                           Die Entlastung basirt im Allgemeinen auf folgender Construction: dieser Schieber gleitet dampfdicht zwischen Schieberspiegel
                                 und einer mit der Dampfleitung verbundenen Fläche; die Dampfcirculation erfolgt
                                 im Inneren des Hohlschiebers, so daß die Dampfkammer fortfällt; die Dimensionen
                                 sind so berechnet, daß die Dampfdrücke sich aufheben; der zur Abdichtung
                                 erforderliche Druck des Schiebers gegen beide Spiegel wird durch mechanische
                                 Mittel hervorgebracht und zwar der Art, daß man denselben in engen Grenzen
                                 justiren kann.
                           Die beigegebenen Zeichnungen umfassen verschiedene Anwendungen des nämlichen Systemes
                              und zwar in Verbindung mit dem erwähnten Universalventil, welches man vorläufig als
                              einfaches Expansionsventil betrachten möge.
                           Fig. 1 und
                              2 zeigen
                              den Steuerapparat für eincylindrige Expansions-Dampfmaschinen. Der Dampf
                              strömt bei α in das Rohr A und bei geöffnetem Ventil B durch die
                              Oeffnung β in den Hohlschieber, welcher als
                              übermantelter Muschelschieber angesehen werden kann. Der Schieber besteht aus zwei
                              Theilen: dem eigentlichen Schieber D und dem
                              Gegenschieber E. An ihrer Verbindungsstelle sind die
                              Stücke röhrenförmig und durch eine Schraubenmutter F
                              verbunden. Schieber und Gegenschieber gleiten zwischen den Spiegeln x,
                                 x und y, y, und die Dampfvertheilung ist wie
                              gewöhnlich. Die Höhe k ist so groß, daß die Oeffnung β nie mit der Atmosphäre correspondiren kann.
                           Betrachten wir die Druckverhältnisse im Inneren des Schiebers, so haben wir nach der
                              einen Richtung einen Druck proportional der Fläche k
                              × b₁; nach der anderen proportional 2 (e × b), wo b und b₁ die inneren
                              Schieberbreiten, k die lichte Höhe beim Gegenspiegel und
                              e die beim Cylinderspiegel ist. Construirt man den
                              Schieber so, daß die Gleichung stattfindet: 2e . b = k . b₁, so hat man vollständige Druckausgleichung.
                              Dieses läßt sich aber sehr gut einrichten, da alle vier Größen nur ein Minimum
                              betragen. Vorausgesetzt war hierbei eine Nichtcondensationsmaschine; im anderen
                              Falle, wo eine Fläche g. b den Atmosphärenüberdruck
                              auszuhalten hat, muß dieses Moment mit in Rechnung gezogen und ein bestimmtes Vacuum
                              der Rechnung und Construction untergelegt werden. Der zur Abdichtung der
                              Schieberflächen gegen die Spiegel erforderliche Druck wird durch Anziehen der Mutter
                              F bewirkt; am besten wendet man ein
                              Differentialgewinde (also das von D von dem von E etwas verschieden) an, wodurch man im Stande ist, den
                              Druck ganz genau auf das zur Dichtung erforderliche Maaß zu beschränken. –
                              Das Rohrstück A ist als Rahmen ausgebildet, welcher den
                              Schieber umschließt, und an den Cylinder festgeschraubt. Der Schieber erhält seine
                              Führung bei 1, 2, 3 und 4 (s. Fig. 2). An der
                              Verbindungsstelle von D und E wird die Abdichtung entweder durch einen dreieckigen federnden und
                              aufgeschnittenen Ring oder einfacher durch eine dünne Kupferhülse (wie in Fig. 3)
                              bewirkt, welche in Folge des größeren Ausdehnungscoefficienten sich fest gegen die
                              Wandungen preßt.
                           Ein Hauptvortheil dieser Entlastungsart ist der, daß sie ihren Zweck unzweifelhaft
                              erfüllt, während die Wirkungsweise der meisten bis jetzt gebräuchlichen Systeme auf
                              Grundsätzen basirt, welche in der Theorie ganz richtig sind, in der Praxis aber oft
                              illusorisch werden. Da der Schieber ganz frei liegt, so kann er, was sehr wesentlich
                              ist, leicht geschmiert werden. Ein an der oberen und unteren Kante angeschraubter
                              Lederwischer erhält den Spiegel stets blank. – Die Anwendung der Schraube
                              gewährt den Vortheil, daß man der Abnutzung bedeutend Rechnung tragen kann. Macht
                              man die Endflächen von Bronze, so können diese allmählich abgeschliffen und dann
                              durch neue ersetzt werden. – Wesentlicher aber als Alles dieses möchte die
                              ungemein leichte Montirung und Demontirung des Mechanismus seyn. Lüftet man die
                              Mutter F etwas und löst die Steuerstange vom
                              Schieberrahmen, so kann man ohne Weiteres den Schieber nach oben und unten
                              herausziehen. Zur Montirung schiebt man ihn in seinen Rahmen und zieht die Mutter
                              an.
                           Die Figuren
                                 3–6 zeigen einige Modificationen des Entlastungsschiebers. Man kann, wie in
                              Fig. 3,
                              die Theile D und E
                              perspectivartig in einander stecken und das Justiren durch mehrere äußere Schrauben
                              mit rechtem und linkem Gewinde bewirken. Ferner kann man den Schieber, wie in Fig. 4 und 5, aus einem
                              Stücke machen und die Gegenschieberfläche wie in Fig. 4 oder Fig. 6
                              andrücken. – Statt des einfachen übermantelten Muschelschiebers lassen sich
                              auch die anderen Grundschieber, z.B. der Penn'sche
                              benutzen und deren Vorzüge mit den erwähnten Vortheilen vereinigen.
                           Fig. 7 zeigt
                              einen Steuermechanismus nach dem patentirten Systeme für Woolf'sche Dampfmaschinen. Hier ist die Gegenschieberfläche nicht eben,
                              sondern röhrenförmig. Der Schieber gleitet auf dem Schieberspiegel und mit dem Muffe
                              auf einer feststehenden Röhre A. Der Dampf tritt bei α ein, und bei geöffnetem Ventile B durch die Oeffnung β in den Schieber. Der innere Raum γ, führt dem kleinen Cylinder frischen Dampf zu. Die verbundenen
                              Räume δ und δ₁ dienen zur Communication des großen und kleinen Cylinders.
                              Die langen Räume ε und ε₁, communiciren durch die Canäle c und c₁, und das Rohr G steht mit dem Condensator in Verbindung. Es liegt in
                              der Natur der Sache, daß bei einer Woolf'schen Maschine
                              von gänzlicher Entlastung nicht die Rede seyn kann, und hat man für die
                              Schieberdimensionen hier einen Mittelwerth zu nehmen. Um ein einfaches Beispiel zu
                              wählen, sey das Cylinder-Verhältniß = 1 : 3, die totale Expansion 9 fach,
                              also die im kleinen Cylinder 3 fach, die Admissionsspannung 3 Atm. Ueberdruck, die
                              Condensatorspannung = 1/10 Atm.; die Breiten der Schieberöffnungen seyen gleich und
                              ihre Höhen nach der Figur bezüglich y, x, x, x, y, – so ist für den Fall des
                              Gleichgewichtes:
                           a) bei der geringsten Expansion zwischen großem und
                              kleinem Cylinder = 1/3, bei Beginn des Kolbenhubes:
                           
                                        2 .
                              9/10 y = 3x + 2 . 1/3 . 3x = 5x
                              
                           y/x =
                              2,8
                           b) bei der stärksten Expansion = 1/9, zu Ende des
                              Kolbenhubes:
                           2 . 9/10 y = 3x + 2 . 1/9 . 3x
                              
                           y/x = ca . 2.
                           
                           Macht man y/x = 3, so hat man
                              einen geringsten Ueberdruck auf die Enden des Schiebers
                           = 2.9/10 – 5/3 = 0,14 Atm. ( = 2 Pfd. per Quadratzoll)
                           oder wenn b die Canalbreite: =
                              2b . 2y = 4b . y Pfd. auf Andrücken des
                              Schiebers. Sollte sich dieses als zu viel oder zu wenig herausstellen, so wird durch
                              die Schraube der Druck entsprechend verringert oder vergrößert.
                           Dieser Atmosphärenüberdruck auf die extremen Enden des langen Schiebers, während in
                              der Mitte die Schraube den Druck bewirkt, hat eine gleichmäßige Abdichtung des
                              Schiebers zur Folge. Gegen Abkühlung ist der Schieber, wie Fig. 7 zeigt, theilweise
                              mit einem Mantel und schlechtem Wärmeleiter umgeben. Da die Schraube F ziemlich im Schwerpunkte des Schiebers liegt, so ist
                              sie als Angriffspunkt der Bewegung benutzt und mit einem mit der Schieberstange
                              verbundenen Rahmen versehen worden. Rahmen und Mutter sind im Querschnitte (s. Fig. 8) theils
                              rund, theils achtkantig gebildet. Will man daher die Mutter anziehen, so hat man nur
                              den Keil zu lösen, und den oberen Theil der Steuerstange als Schraubenschlüssel zu
                              benutzen, indem man nach einer gewissen zulässigen Drehung den Rahmen zur Seite
                              zieht und wieder über die Mutter legt.
                           Die zweite oben erwähnte Eigenthümlichkeit meines Steuermechanismus liegt in der
                              Anwendung eines Expansionsventiles, welches gleichzeitig Drossel- und
                              Absperrventil ist. Dasselbe ist am besten aus der Einrichtung Fig. 7 ersichtlich. Das
                              Doppelsitz-Röhrenventil B wird als
                              Expansionsventil vom Regulator aus und von der Steuerwelle H, welche im Hohlgestelle C gelagert ist,
                              dadurch bewegt, daß das Herzstück mit H rotirt, vom
                              Regulator aus aber durch den Hebel J nach Maaßgabe der
                              Arbeit verschoben wird. Wegen der verschiedenen Querschnittsform des Herzstückes
                              werden bekanntlich die Momente des Oeffnens und Schließens des Ventiles andere, der
                              erforderlichen Expansion entsprechende.
                           Dieses ist nichts Neues. Eine neue Eigenschaft erhält aber das Ventil durch folgende
                              einfache Einrichtung: Die Steuerstange k besteht aus
                              zwei Theilen, deren Enden mit Rechts- resp. Linksgewinde versehen und durch
                              eine als Handrädchen ausgebildete, dem Maschinisten handlich gelegene Mutter
                              verbunden sind. Nähere oder entferne ich mittelst dieses
                                 Rädchens die Enden, so wird der Hub des Ventiles geringer oder größer, ohne daß
                                 die Phasen des Oeffnens und Schließens andere als die der Regulatorstellung entsprechenden
                                 werden. Demnach bin ich im Stande, den Dampf von Hand zu drosseln und
                              behufs Stillstellens der Maschine den Ventilhub auf Null zu bringen, d.h. den Dampf
                              ganz abzusperren.
                           Es möge hier noch eine Anwendung des Entlastungsprincipes für Dampfhämmer Erwähnung finden. Fig. 9, 10 und 11 zeigen den
                              betreffenden Steuermechanismus. Der Schieber A, von Hand
                              bewegt, gleitet zwischen den Spiegeln x – x und y – y. Der Dampf tritt in der Pfeilrichtung ein. Der Spiegel
                              x, x wird durch die Stellschrauben i gegen den Schieber gedrückt. Die Brille B hat eine rectanguläre Oeffnung und führt sich in der
                              Büchse C, abgedichtet durch eine Kupfermanschette. Der
                              Schieber ist vollständig entlastet, welches sich mit
                              Berücksichtigung der eingeschriebenen Maaße wie folgt ergibt: Auf Andrücken des
                              Schiebers gegen den Cylinderspiegel hat man einen Druck auf die Fläche: hb₁ – 2e . b₁ = b₁ (h – 2e) = b₁f. Entgegengesetzt
                              hat man einen Druck auf die Fläche: 2e . b – 2eb₁
                              – 2e (b – b₁). Macht man demnach b₁f = 2e
                              (b – b₁),
                              so ist der Schieber vollkommen entlastet und man hat zur Bewegung nur die Reibung
                              des mechanischen zur Dichtung erforderlichen Druckes zu überwinden.
                           Pesth, 20. December 1868.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
