| Titel: | Ueber die Beziehungen zwischen Wasserstoff und Palladium; von Thomas Graham, königl. Münzmeister in London. | 
| Fundstelle: | Band 191, Jahrgang 1869, Nr. LXXXIV., S. 382 | 
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                        LXXXIV.
                        Ueber die Beziehungen zwischen Wasserstoff und
                           Palladium; von Thomas Graham, königl. Münzmeister in
                           London.
                        Vorgetragen in der Sitzung der Royal Society vom 14. Januar 1869. – Aus der Chemical News, vol. XIX p. 52; Januar 1869.
                        Graham, über die Beziehungen zwischen Wasserstoff und
                           Palladium.
                        
                     
                        
                           Schon öfters ist die auf chemische Gründe sich stützende Ansicht aufgestellt worden,
                              daß das Wasserstoffgas der Dampf eines höchst flüchtigen
                                 Metalles sey. Bei dieser Ansicht drängt sich der Gedanke von selbst auf,
                              daß das Palladium mit dem von ihm absorbirten Wasserstoffe eine Legirung jenes flüchtigen Metalles
                              bildet, in welcher die Flüchtigkeit des einen Elementes durch seine Vereinigung mit
                              dem anderen aufgehoben ist, und die ihr metallisches Ansehen beiden Bestandtheilen
                              in gleichem Maaße verdankt. Inwiefern diese Ansicht in den Eigenschaften der in Rede
                              stehenden zusammengesetzten Substanz ihre Stütze findet, wird aus der nachstehenden
                              Untersuchung der Eigenschaften jenes Elementes sich ergeben, welches, sobald es
                              seinen metallischen Charakter annimmt, füglich mit dem Namen „Hydrogenium“ bezeichnet werden kann.
                           
                           Die Dichtigkeit (das spec. Gewicht) des Palladiums wird
                              durch Verschlucken seines 800- bis 900fachen Volums Wasserstoffgas merklich
                              vermindert; doch läßt sich die Größe dieser Veränderung nach der gewöhnlichen
                              Methode durch Eintauchen in Wasser nicht genau bestimmen, indem dann eine
                              ununterbrochene, offenbar durch den Contact mit der Flüssigkeit veranlaßte
                              Entwickelung von kleinen Wasserstoffgasbläschen stattfindet. Indessen verändern sich
                              die linearen Dimensionen des mit dem Gase beladenen
                              Palladiums so bedeutend, daß sich die Differenz leicht durch Messung bestimmen und
                              sonnt die Dichtigkeit berechnen läßt. Palladium in Drahtform läßt sich leicht mit
                              Wasserstoff beladen, wenn man dieses Gas auf der Oberfläche des Metalles in einem,
                              verdünnte Schwefelsäure enthaltenden Galvanometer entwickelt.M. s. S. 210 in diesem Bande des polytechn.
                                    Journals (erstes Februarheft 1869). Die Länge des Drahtes sowohl vor als nach einer Absorption läßt sich in
                              beiden Fällen auf die Art finden, daß man ihn jedesmal mittelst desselben mäßigen
                              Gewichtes, welches eine bleibende Ausdehnung nicht hervorbringen kann, auf einem
                              flachen getheilten Maaßstabe aufspannt. Der bei den nachstehenden Versuchen benutzte
                              Maaßstab war in Hundertstelzoll getheilt; mittelst eines Nonius ließen sich noch
                              Tausendstel ablesen. Auf diese Weise wurde die Entfernung zwischen zwei, auf der
                              Oberfläche des Drahtes in der Nähe seiner beiden Enden als Marken eingerissenen
                              seinen Querlinien bestimmt.
                           Erster Versuch. – Der zu demselben angewendete
                              Draht war aus geschweißtem Palladium gezogen worden und zeigte sich hart und
                              elastisch. Sein Durchmesser betrug 0,462 Millimeter; das sehr sorgfältig bestimmte
                              specifische Gewicht war 12,38. Der Draht wurde an jedem Ende zu einer Schlinge
                              zusammengedreht und die Marke in der Nähe einer jeden Schlinge gemacht. Diese
                              Schlingen wurden mit Lack überzogen, so daß die Gasabsorption des Drahtes auf die
                              gemessene Länge zwischen beiden Marken beschränkt blieb. Um den Draht anzuspannen
                              und geradezurichten, wurde die eine Schlinge befestigt und die andere mit einer über
                              eine Rolle gehenden und ein Gewicht von 1,5 Kilogrm. tragenden Schnur verbunden;
                              dieses Gewicht war genügend, den Draht gerade zu spannen, ohne eine merkliche
                              Dehnung hervorzubringen. Die Absorption des Wasserstoffes durch den Draht wurde
                              dadurch bewirkt, daß derselbe als negative Elektrode einer kleinen, aus zwei Zellen
                              von je einem halben Liter Inhalt bestehenden Bunsen'schen
                              Batterie angewendet wurde. Die positive Elektrode bestand in einem dicken
                              Platindraht, welcher
                              neben dem Palladiumdraht (nach dessen ganzer Länge) in einem hohen, mit verdünnter
                              Schwefelsäure gefüllten Gefäße angebracht wird. An der Oberfläche des
                              Palladiumdrahtes sammelt sich demzufolge Wasserstoff an. Ich ließ diesen Vorgang
                              anderthalb Stunden währen, weil ich fand, daß eine längere Dauer desselben zu einer
                              weiteren Vermehrung des vom Drahte absorbirten Gasvolums nicht merklich beiträgt.
                              Hierauf ward der Draht wiederum gemessen und die Zunahme seiner Länge notirt.
                              Schließlich wurde der Draht mit einem feinen Tuche getrocknet, an den markirten
                              Querlinien abgeschnitten, und der mit Wasserstoff beladene Theil in einem langen
                              engen, mittelst eines Sprengel'schen Aspirators luftleer
                              erhaltenen Glasrohre erhitzt. Auf diese Weise wurde die ganze Menge des
                              verschluckten Wasserstoffes aufgefangen und gemessen; das Volum desselben wurde
                              durch Rechnung auf 760 Millimet. Barometerstand und 0° C. Temperatur
                              reducirt.
                           Die ursprüngliche Länge des exponirten Palladiumdrahtes betrug 609, 144 Millimet.
                              (23,982 Zoll engl.); sein Gewicht 1,6832 Grm. Er absorbirte das 936 fache seines
                              Volums an Wasserstoff, welcher 128 Kubikcentimeter maß und folglich 0,01147 Grm.
                              wog. Bei der schließlichen Austreibung des Gases aus dem Metalle stellte sich der
                              durch directe Wägung bestimmte Verlust zu 0,01164 Grm. heraus.
                           Nach der Absorption maß der Draht 618,923 Millimeter, somit hatte seine Länge um
                              9,779 Millimet. (0,385 Zoll engl.) zugenommen. Die Vergrößerung der
                              Lineardimensionen entspricht einer Zunahme von 100 auf 101,605; die Vergrößerung des
                              kubischen Inhaltes unter der Annahme daß die Ausdehnung in allen Richtungen gleich
                              ist, von 100 auf 104,908. Gehen wir von der Voraussetzung aus, daß die beiden
                              Metalle ohne eine Volumveränderung sich mit einander verbanden, so würde die
                              Legirung dem Volum nach bestehen aus:
                           
                              
                                 Palladium
                                     100 Vol.
                                 oder
                                   95,32 Vol.
                                 
                              
                                 Hydrogenium
                                     4,908
                                 „
                                     4,68
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 104,908
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Die Expansion, welche das Palladium erleidet, stellt sich, wenn man sie als
                              Volumveränderung nur dieses einen Metalles betrachtet, als die größte heraus, welche
                              von irgend einer denkbaren physikalischen Kraft hervorgerufen wird, da sie
                              sechzehnmal stärker ist als die Ausdehnung des Palladiums beim Erhitzen von
                              0° bis 100° C. Die Dichtigkeit des Drahtes nach der Absorption ergibt
                              die Berechnung von 12,3 auf 11,79 vermindert. Ferner wie 100 sich verhält zu 4,91,
                              so verhält sich das Volum des Palladiums (0,1358 Kub. Centim.) zu dem Volum des
                              Hydrogeniums (0,006714
                              K. C.). Dividiren wir endlich das Gewicht des Hydrogeniums (0,01147 Grm.) durch sein
                              Volum in der Legirung (0,006714 K. C.), so finden wir für:
                           
                              
                                 die Dichtigkeit des
                                    Hydrogeniums     
                                 1,708.
                                 
                              
                           Das specifische Gewicht des Hydrogeniums kommt somit nach diesem ersten Versuche
                              demjenigen des Magnesiums (= 1,743) sehr nahe.
                           Die Austreibung des Wasserstoffes aus dem Drahte ist stets von einer sehr großen
                              Zusammenziehung desselben begleitet. Als der Wasserstoff durch mäßige Hitze
                              ausgetrieben wurde, gieng der Draht nicht bloß auf seine ursprüngliche Länge zurück;
                              während er vor der Absorption 609,144 Millim. maß und nach derselben um 9,77 Millim.
                              länger geworden war, hatte er nach Austreibung des Wasserstoffes nur noch 599,444
                              Millim. Länge, war also um 9,70 Millim. kürzer geworden als er vor dem Versuche
                              gewesen. Die Verkürzung ist eine bleibende. Die Dichtigkeit des Palladiums nahm
                              nicht zu, sondern verminderte sich gleichzeitig ein wenig, nämlich von 12,38 auf
                              12,12; ein Beweis, daß die Contraction des Drahtes nur in der Längenrichtung
                              desselben stattfindet.
                           Wird ein so mit Wasserstoff chargirter Draht mit Magnesiapulver eingerieben (um die
                              Flamme leuchtend zu machen), so verbrennt er wie ein gewichster Faden, wenn er an
                              einer Lampenflamme angezündet wird.
                           Zweiter Versuch. – Ein anderes Stück desselben
                              Palladiumdrahtes wurde auf die gleiche Weise mit Wasserstoff chargirt. Die
                              erhaltenen Resultate waren nachstehende:
                           
                              
                                 Ursprüngliche Länge des Palladiumdrahtes
                                 488,976 Millim.
                                 
                              
                                 Länge desselben nach der Absorption von 867,15 Volumen
                                    Gas
                                 495,656     „
                                 
                              
                                 Lineare Verlängerung
                                     6,68      
                                    „
                                 
                              
                                     „              „        auf
                                    100
                                     1,3663   „
                                 
                              
                                 Kubische Ausdehnung auf 100
                                     4,154    
                                    „
                                 
                              
                                 Gewicht des Palladiumdrahtes
                                     1,0667 Grm.
                                 
                              
                                 Volum desselben
                                     0,08072 K. C.
                                 
                              
                                 Volum des verschluckten Wasserstoffgases
                                   75,2 K. C.
                                 
                              
                                 Gewicht desselben
                                     0,00684 Grm.
                                 
                              
                                 Volum des Hydrogeniums
                                     0,003601 K. C.
                                 
                              
                           Aus diesen Resultaten berechnet sich die Dichtigkeit des Hydrogeniums zu 1,898.
                           Dritter Versuch. – Der zu demselben verwendete
                              Palladiumdraht war neu und wurde vor dem Chargiren mit Wasserstoff durch Ausglühen
                              gut getempert; dann wurde er am negativen Pole zwei Stunden lang exponirt, wornach
                              er sich nicht weiter verlängerte.
                           
                           Es wurden folgende Resultate erhalten:
                           
                              
                                 Ursprüngliche Länge des Palladiumdrahtes
                                 556,185 Millim.
                                 
                              
                                 Länge desselben nach der Absorption von 888,303
                                    VolumenWasserstoffgas
                                 563,632     „
                                 
                              
                                 Lineare Verlängerung
                                     7,467
                                        „
                                 
                              
                                     „
                                               
                                    „          
                                    auf 100
                                     1,324
                                        „
                                 
                              
                                 Kubische Ausdehnung auf 100
                                     4,025
                                        „
                                 
                              
                                 Gewicht des Palladiumdrahtes
                                     1,1675 Grm.
                                 
                              
                                 Volum desselben
                                     0,0949 K. C.
                                 
                              
                                 Volum des verschluckten Wasserstoffgases
                                   84,3 K. C.
                                 
                              
                                 Gewicht desselben
                                     0,007553 Grm.
                                 
                              
                                 Volum des Hydrogeniums
                                     0,003820 K. C.
                                 
                              
                           Aus diesem Resultate berechnet sich die Dichtigkeit des Hydrogeniums zu 1,977.
                           Wir mußten bei dieser Erörterung annehmen, daß die beiden Metalle bei ihrer
                              Verbindung sich weder ausdehnen noch zusammenziehen, sondern ihr ursprüngliches
                              Volum behalten; Dr. Matthiessen hat nämlich gezeigt, daß bei der Bildung von Legirungen die
                              Metalle annähernd ihre ursprüngliche Dichtigkeit behalten.
                           Bei dem ersten der beschriebenen Versuche wurde wahrscheinlich das Maximum der
                              Absorption (935,67 Volume) erreicht. Mit irgend einer geringeren Wasserstoffmenge
                              läßt sich das Palladium durch Abkürzung der Dauer der Exposition chargiren (329
                              Volume Wasserstoff wurden binnen zwanzig Minuten absorbirt); man hat hierbei
                              Gelegenheit zu beobachten, ob die Dichtigkeit des Hydrogeniums constant bleibt, oder ob sie dem Verhältniß des in die Legirung
                              eintretenden Wasserstoffes entsprechend variirt. In der nachstehenden Uebersicht,
                              welche die bereits beschriebenen drei Versuche einschließt, sind nur die
                              wesentlichen Punkte angegeben:
                           
                              
                                 Anzahl der Volume desverschluckten
                                    Wasserstoffes.
                                 Lineare Ausdehnungin Millimetern.
                                 Dichtigkeit desHydrogeniums.
                                 
                              
                                 
                                 von
                                 zu
                                 
                                 
                              
                                 329
                                 496,189
                                 498,552
                                 2,055
                                 
                              
                                 462
                                 493,040
                                 496,520
                                 1,930
                                 
                              
                                 487
                                 370,358
                                 373,126
                                 1,927
                                 
                              
                                 745
                                 305,538
                                 511,303
                                 1,917
                                 
                              
                                 867
                                 488,976
                                 495,656
                                 1,898
                                 
                              
                                 888
                                 556,185
                                 563,652
                                 1,977
                                 
                              
                                 936
                                 609,144
                                 618,923
                                 1,708
                                 
                              
                           Wollten Wir nur den ersten und den letzten Versuch in Vergleich ziehen, so würde sich
                              ergeben, daß das Hydrogenium merklich dichter wird, wenn es in der Legirung bloß in
                              geringer Menge zugegen ist. Der letzte der in vorstehender Uebersicht angeführten Versuche
                              ist aber vielleicht ein ausnahmsweise, denn alle übrigen ergeben eine ziemliche
                              Gleichförmigkeit der Dichte. Nach sämmtlichen Versuchen, mit Ausnahme des letzten,
                              ist die mittlere Dichtigkeit des Hydrogeniums 1,952 oder beinahe 2,0. Diese
                              Gleichförmigkeit spricht zu Gunsten der zur Bestimmung der Dichte des Hydrogeniums
                              befolgten Methode.
                           Als Theile von demselben Palladiumdrahte wiederholt mit Wasserstoffgas chargirt, und
                              von demselben durch Erhitzen wieder befreit wurden, ergab sich, daß die
                              Zusammenziehung des Metalles stets fortdauerte. Auf die nachstehenden, durch
                              wandelbare Wasserstoffmengen verursachten Verlängerungen folgten nach dem Austreiben
                              des Wasserstoffes die verzeichneten Verkürzungen:
                           
                              
                                 
                                 
                                 Verlängerung.
                                 Verkürzung.
                                 
                              
                                 Versuch
                                 I.
                                      9,770 Millim.
                                     9,70 Millim.
                                 
                              
                                 „
                                 II.
                                      5,765
                                     6,20
                                 
                              
                                 „
                                 III.
                                      2,360
                                     3,14
                                 
                              
                                 „
                                 IV.
                                      3,482
                                     4,95
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                   23,99
                                 
                              
                           Der ursprünglich 609,144 Millim. lange Palladiumdraht hatte demnach durch viermaliges
                              Austreiben des Wasserstoffgases eine bleibende Verkürzung um 23,99 Millim., also
                              eine Verminderung seiner ursprünglichen Länge um 5,9 Proc. erlitten. Wie man sieht,
                              sind die Verkürzungen im Ganzen bedeutender, als die ihnen vorangehenden, durch den
                              Wasserstoff bewirkten Verlängerungen, namentlich wenn vom Drahte viel weniger
                              Wasserstoff absorbirt worden ist. Mit einem anderen Drahtstücke wurde die
                              Contraction durch öfters wiederholtes Austreiben des Wasserstoffes bis zu 15 Proc.
                              getrieben. Das specifische Gewicht des Drahtes nach seiner Contraction war 12,12;
                              eine allgemeine Verdichtung des Metalles hatte somit Nicht stattgefunden. Der Draht
                              zieht sich nur in der Richtung seiner Längsachse zusammen.
                           Bei den im Vorstehenden beschriebenen Versuchen wurde der Wasserstoff aus dem
                              Palladium dadurch ausgetrieben, daß man dasselbe in einem mittelst eines Sprengel'schen Aspirators evacuirten Glasrohre zur
                              mäßigen Rothgluth erhitzte; das Gas wurde jedoch auch auf andere Weise entfernt,
                              indem man nämlich den chargirten Draht als positive Elektrode anwandte, so daß sich
                              auf seiner Oberfläche Sauerstoff entwickelte. Unter diesen Umständen bildet sich ein
                              dünnes Häutchen von Palladiumoxyd auf dem Drahte, durch welches jedoch die
                              Extraction und Oxydation des Wasserstoffes nicht beeinträchtigt wird. Die Länge des
                              Drahtes betrug in diesem Falle:
                           
                           
                              
                                 
                                 
                                 Differenz:
                                 
                              
                                 vor der Absorption
                                 443,25 Millim.
                                 
                                 
                              
                                 nach der Absorption des Wasserstoffes
                                 449,90 Millim.
                                 + 6,65 Mill.
                                 
                              
                                 nach dem Austreiben des letzteren
                                 437,31 Millim.
                                 – 5,94 Mill.
                                 
                              
                           Somit ist die Mitwirkung einer höheren Temperatur zur Entstehung der Verkürzung nicht
                              erforderlich. Aus diesem Versuche ergibt sich auch, daß ein starker
                              Wasserstoffgehalt durch Exposition des Drahtes am positiven Pole vollständig
                              entfernt werden kann (im vorliegenden Falle waren dazu vier Stunden erforderlich,
                              und der Draht gab dann beim Erhitzen im Vacuum kein Wasserstoffgas mehr ab).
                           Der Draht, welcher wiederholt mit Wasserstoff chargirt worden war, wurde nochmals zur
                              Absorption eines Maximums von Wasserstoff benutzt, um zu ermitteln ob er in Folge
                              der früheren bedeutenden Verkürzung sich nun durch den Wasserstoff leichter und mehr
                              verlängert oder nicht. Selbst nach mehrmaligem Chargiren des verkürzten Drahtes
                              wurde jedoch eine Extra-Verlängerung nicht beobachtet und die Ausdehnung
                              blieb in dem gewöhnlichen Verhältnisse zu der Menge des absorbirten Wasserstoffes.
                              Die Dichtigkeit des Drahtes wurde schließlich zu 12,18 gefunden.
                           Es wurde ferner beobachtet, daß der durch Erhitzen verkürzte Draht noch in anderer
                              Beziehung eine Veränderung erlitten hatte Wenn nämlich das Gas durch Erhitzen
                              ausgetrieben wird, so verliert das Metall einen großen Theil seines
                              Absorptionsvermögens für Wasserstoff. Der letztgedachte Draht, wurde, nachdem er
                              bereits sechsmal in der angegebenen Weise behandelt worden, wiederum zwei Stunden
                              lang mit Wasserstoff chargirt, wobei er nur 320 Volume, und bei einem nochmaligen
                              Versuche 330,5 Vol. des Gases verschluckte. Demnach war das Absorptionsvermögen des
                              Palladiums auf ungefähr den dritten Theil seines Maximums reducirt worden.
                           Der verkürzte Draht läßt sich jedoch in dieser Beziehung verbessern, indem man ihn
                              mittelst Hindurchleitens eines von einer Batterie erzeugten elektrischen Stromes zu
                              voller Rothgluth erhitzt. Das Absorptionsvermögen wurde dadurch bei einem Versuche
                              auf 425 Volume, bei einem zweiten auf 422,5 Vol. erhöht.
                           Bei wiederholtem Austreiben des Wasserstoffes spaltet sich der Draht der Länge nach,
                              nimmt eine fadige Structur an und verliert seinen Zusammenhang in hohem Grade;
                              namentlich war dieß der Fall, wenn der Wasserstoff durch Elektrolyse in einer sauren
                              Flüssigkeit ausgezogen worden, wobei ein ziemlich bedeutender Theil des Palladiums
                              von der Säure gelöst wurde. Indessen erhielt das Metall sein volles
                              Absorptionsvermögen wieder, da es nun über 900 Vol. Gas condensirte.
                           
                           Ferner wurde der Einfluß bloßen Temperns des Palladiumdrahtes (durch Erhitzen in
                              einem Porzellanrohre bis zur vollen Rothgluth) auf dessen Länge ermittelt. Der zu
                              dem Versuche benutzte Draht war vor dem Ausglühen 556,075 Millim., nach dieser
                              Operation 555,875 Millim. lang; folglich hatte eine geringe Verkürzung von 0,2
                              Millim. stattgefunden. Bei einem zweiten, mit einem gleich langen Stücke neuen
                              Drahtes ausgeführten Glühversuche dagegen ließ sich eine Veränderung in der
                              Längendimension nicht beobachten. Uebrigens wird Palladiumdraht durch solches
                              Tempern in seinen physikalischen Eigenschaften nur sehr wenig verändert, da er seine
                              ursprüngliche Härte und Elasticität zum größten Theile beibehält.
                           
                        
                           2. Zähigkeit (Tenacität).
                           Neuer, dem zuletzt erwähnten gleicher Palladiumdraht, von welchem 100 Millimet.
                              0,1987 Gramme wogen, zerriß bei zwei mit verschiedenen Stücken desselben
                              angestellten Versuchen bei einer Belastung von 10 und von 10,17 Kilogrm. Zwei andere
                              mit Wasserstoff gesättigte Stücke von demselben Drahte zerrissen bei 8,18 und 8,27
                              Kilogr. Belastung. Daraus ergeben sich folgende Werthe:
                           
                              
                                 Zähigkeit des Palladiumdrahtes
                                 100,00
                                 
                              
                                        
                                    „      der
                                    Palladium-Wasserstoff-Legirung
                                   81,29.
                                 
                              
                           Somit wird die Zugfestigkeit des Palladiums durch die Verbindung mit dem Wasserstoff
                              vermindert, jedoch nicht in bedeutendem Grade. Es fragt sich, ob der der Legirung
                              noch bleibende Festigkeitsgrad mit irgend einer anderen Ansicht als mit derjenigen
                              vereinbar ist, daß der zweite Bestandtheil an sich selbst einen Grad von
                              Zugfestigkeit besitzt, wie ein solcher sich nur bei Metallen findet.
                           
                        
                           3. Elektrisches
                                 Leitungsvermögen.
                           Hr. Becker, mit dieser Art von Untersuchungen sehr
                              vertraut, prüfte einen Palladiumdraht vor und nach dem Chargiren mit Wasserstoff im
                              Vergleich zu einem Neusilberdrahte von gleicher Stärke und gleicher Länge bei
                              10,5° C. auf sein Leitungsvermögen. Für dasselbe wurden, das Leitungsvermögen
                              des reinen Kupfers = 100 gesetzt, folgende Werthe gefunden:
                           
                              
                                 Reines Kupfer
                                 100,00 
                                 
                              
                                 Palladium
                                 8,10 
                                 
                              
                                 Legirung von 80 Kupfer + 20 Nickel
                                 6,63 
                                 
                              
                                 Palladium + Wasserstoff
                                 5,99.
                                 
                              
                           Legirungen besitzen gewöhnlich ein geringeres Leitungsvermögen als ihre einzelnen
                              Bestandtheile. Das Leitungsvermögen der aus Palladium und Wasserstoff bestehenden
                              Legirung ist um 25 Proc. geringer als dasjenige des reinen Palladiums, jedoch immer
                              noch so bedeutend, daß es für den metallischen Charakter des zweiten Bestandtheiles
                              spricht. – Dr. Matthiessen hat die obigen Resultate bestätigt.
                           
                        
                           4. Magnetismus.
                           Faraday gibt als Resultat aller seiner Versuche an, daß
                              Palladium zwar schwach, aber wirklich magnetisch ist, und er stellte dieses Metall
                              an die Spitze der jetzt als paramagnetisch bezeichneten
                              Metalle. Indessen fand er, daß dieser schwache Magnetismus des Palladiums sich nicht
                              auch auf dessen Salze erstreckt. Bei Wiederholung solcher Versuche wurde ein
                              Hufeisen-Elektromagnet aus weichem Eisen von beiläufig 15 Centim. (6 Zoll
                              engl.) Höhe benutzt, welcher, wenn er durch vier große Bunsen'sche Elemente erregt wurde, 60 Kilogrm. tragen konnte (also ein
                              Inductionsmagnet von sehr mäßiger Kraft). Das Instrument kam mit seinen Polen
                              aufwärts gerichtet zur Anwendung; jeder derselben war mit einem kleinen
                              quadratischen Stücke von weichem Eisen versehen, welches seitlich, einem kleinen
                              Amboß ähnlich, in eine Spitze endigte. Das zu untersuchende Palladium wurde zwischen
                              diesen Spitzen in einem aus Papier bestehenden und an drei feinen Coconfäden von 3
                              Decimet. Länge befestigten Bügel aufgehängt, und das Ganze mit einer Glasglocke
                              bedeckt. An dem Papiere ward ein Glasfaden befestigt, welcher sich als Index auf
                              einem in Grade getheilten, an die Glasglocke angeklebten Papierkreise bewegte. Als
                              das Metall, ein längliches Stück von galvanisch niedergeschlagenem Palladium von
                              etwa 8 Millim. Länge und 3 Millim. Breite, in aequatorealer Lage (d.h. mit seinen
                              Enden von den Polen des Elektromagneten abgewendet) zur Ruhe gekommen war, wurde der
                              Magnet durch Verbindung mit der elektrischen Batterie erregt. Das Palladium wurde um
                              nur 10° von seiner aequatorealen Lage abgelenkt, indem der Magnetismus der
                              Torsion des seidenen Aufhängfadens entgegenwirke. Dasselbe Palladiumstück wurde,
                              nachdem es 604,6 Volume Wasserstoff absorbirt hatte, durch den Elektromagneten um
                              48° von seiner Aequatoreallage abgelenkt, worauf es zur Ruhe kam. Als dann
                              das Gas ausgetrieben und das Palladium wieder in aequatoreale Lage zwischen den
                              Polen gebracht worden, wurde es nicht im Geringsten abgelenkt. Somit wird der
                              schwache natürliche Magnetismus des Palladiums durch seine Absorption von
                              Wasserstoff deutlich verstärkt. Ferner wurde ein solches galvanoplastisch
                              dargestelltes Palladiumstückchen in eine Nickellösung von 1,082 spec. Gewicht,
                              welche bekanntlich magnetisch ist, eingetaucht, worauf eine Ablenkung von 35°,
                              also geringer als bei wasserstoffhaltigem Palladium, beobachtet wurde. Dasselbe
                              Palladiumstück wurde dann sorgfältig gewaschen und mit einer Lösung von
                              schwefelsaurem Eisenoxydul von 1,048 spec. Gew. imprägnirt, von welcher das Metall
                              2,30 Proc. seines Gewichtes zurückhielt; hierauf ergab sich eine Ablenkung des
                              Palladiums von 50°, welche also fast ebenso stark war, als die von der
                              Wasserstoff-Legirung verursachte. Nachdem das Metall mit einer stärkeren
                              Lösung desselben Salzes (von 1,17 spec. Gew.) getränkt worden war, betrug die
                              Ablenkung 90° und das Palladium war achsial gerichtet.
                           Palladium in Drahtform, sowie als Folie gab, in denselben Apparat gebracht, dessen
                              mäßige Empfindlichkeit unter diesen Umständen eher ein Vortheil war, keine
                              Ablenkung; als es aber dann mit Wasserstoff chargirt wurde, gab es stets eine
                              Ablenkung von beiläufig 20°. Dieses Resultat blieb unverändert, als das
                              Metall vor dem Versuche zur Entfernung jeder etwa vorhandenen Spur von Eisen mit
                              Salzsäure gewaschen wurde. Als Palladium, welches aus dem Cyanid reducirt, sowie
                              solches welches durch Unterphosphorigsäure gefällt war, in einem Glasröhrchen in den
                              Apparat gebracht wurde, zeigte es keinen merklichen Magnetismus, erlangte aber
                              solchen stets, nachdem es Wasserstoffgas absorbirt hatte.
                           Aus diesen Thatsachen geht hervor, daß das Hydrogenium magnetisch ist, eine
                              Eigenschaft, welche ausschließlich auf die Metalle und deren Verbindungen beschränkt
                              ist. Dieser Magnetismus ist dagegen beim Wasserstoffgas nicht zu bemerken, welchem
                              sowohl von Faraday als von E. Becquerel seine Stelle am Ende der Reihe der diamagnetischen Substanzen angewiesen wurde. Man kann diesem Gase seinen
                              Platz auf der Grenze zwischen der paramagnetischen und diamagnetischen Gruppe
                              anweisen. Der Magnetismus erlischt aber bei Einwirkung von Wärme so leicht, daß die
                              magnetischen Eigenschaften eines Metalles wohl gänzlich verschwinden können, wenn
                              dasselbe geschmolzen oder verflüchtigt wird, wie es sich beim Wasserstoff in Gasform
                              zeigt. Da das Palladium in der Reihe der paramagnetischen Metalle hoch steht, so muß
                              das Hydrogenium aus derselben ausgeschieden werden und seine Stelle in der Gruppe
                              der eigentlich magnetischen Körper, neben Eisen, Nickel, Kobalt, Chrom und Mangan
                              einnehmen.
                           
                        
                           5. Verhalten in höherer
                                 Temperatur.
                           Bei der leichten Durchdringbarkeit des erhitzten Palladiums für Wasserstoffgas ist
                              anzunehmen, daß dieses Element vom Metalle selbst bei Hellrothglühhitze
                              zurückgehalten wird. Denn das Hindurchdringen des Hydrogeniums durch das Palladium ist der
                              Cementirung zu vergleichen, somit ein Molecularproceß, zu dessen Zustandekommen Zeit
                              erfordert wird. Die ersten Versuche, den Wasserstoff auf seinem Wege durch das
                              rothglühende Metall zu fixiren, bestanden darin, Wasserstoffgas durch ein äußerlich
                              im Vacuum befindliches Palladiumrohr hindurchzuleiten und dann rasch einen Strom von
                              Kohlensäuregas in das Rohr zu leiten, in welchem man dasselbe erkalten ließ. Als
                              darauf das Metall nach der gewöhnlichen Methode untersucht wurde, konnte in ihm kein
                              Wasserstoff gefunden werden. Die kurzdauernde Einwirkung der Kohlensäure scheint
                              hinlänglich gewesen zu seyn, das Gas zu verdrängen. Als aber Palladiumfolie in einer
                              Wasserstoffgasflamme zur Rothgluth erhitzt und durch Eintauchen in Wasser plötzlich
                              abgekühlt wurde, fand sich, daß das Metall eine geringe Wasserstoffmenge verschluckt
                              hatte. Ein Metallvolum von 0,062 K. C. gab 0,080 K. C. Wasserstoffgas ab; demnach
                              betrug die Menge des absorbirten Wasserstoffgases, kalt gemessen, das 1,306 fache
                              vom Volum des Metalles, was bei Rothglühhitze dem drei- bis vierfachen Volum
                              des Metalles entspricht. Auch Platin gab, auf dieselbe Weise behandelt.
                              Wasserstoffgas ab, freilich nur in sehr geringer Menge (0,06 vom Volum des
                              Metalles). Es ergibt sich aus diesen Versuchen, daß die Durchdringung der beiden
                              Metalle von Wasserstoff auf Absorption beruht und daß es nicht nöthig ist zur
                              Erklärung dieser Erscheinung eine poröse Structur oder dergleichen anzunehmen.
                           Das Hydrogenium unterscheidet sich auch hinsichtlich seiner chemischen Eigenschaften von gewöhnlichem Wasserstoff. Die
                              Palladiumlegirung fällt aus einer Lösung von Quecksilberchlorid metallisches
                              Quecksilber und Calomel, ohne daß sich Wasserstoffgas entwickelt; das Hydrogenium
                              zersetzt also das Quecksilberchlorid, was der Wasserstoff nicht thut. Dieß erklärt,
                              weßhalb Stanislaus Meunier den im Meteoreisen absorbirt
                              enthaltenen Wasserstoff durch Behandlung des ersteren mit Quecksilberchloridlösung
                              nicht auffinden konnte, da dieser Wasserstoff gleich dem Eisen selbst verzehrt
                              wurde, indem er Quecksilber ausfällte. – Hydrogenium in Verbindung mit
                              Palladium vereinigt sich mit Chlor und Jod im Dunkeln, reducirt Eisenoxydsalze zu
                              Oxydulsalzen, verwandelt Kaliumeisencyanid in Kaliumeisencyanür und besitzt stark
                              desoxydirende Eigenschaften. Es ist die active Form des Wasserstoffes, wie Ozon die
                              active Form des Sauerstoffes ist.
                           Aus den im Vorstehenden mitgetheilten Untersuchungen ergeben sich folgende Schlußfolgerungen:
                           In dem mit Wasserstoff gesättigten Palladium existirt eine Verbindung von Hydrogenium und Palladium,
                              in einem Verhältnisse welches gleichen Aequivalenten beider Körper nahe kommt.
                           Beide Substanzen sind starr, metallisch und von weißer Farbe.
                           Die erwähnte Legirung enthält ungefähr 20 Volume Palladium mit 1 Volum Hydrogenium
                              verbunden.
                           Die Dichtigkeit des Hydrogeniums ist beiläufig 2, etwas größer als die des
                              Magnesiums, mit welchem das Hydrogenium einige Analogie besitzen dürfte.
                           Das Hydrogenium gehört zu den magnetischen Metallen. Diese Thatsache hat
                              möglicherweise Bedeutung für das Vorkommen von Hydrogenium im Meteoreisen, in
                              Gemeinschaft mit gewissen anderen magnetischen Metallen.