| Titel: | Zur Kenntniß der ungarischen Maisbrennerei; von Dr. W. Schultze. | 
| Autor: | W. Schultze | 
| Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. XIX., S. 83 | 
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                        XIX.
                        Zur Kenntniß der ungarischen Maisbrennerei; von
                           Dr. W. Schultze.
                        Schultze, über ungarische Maisbrennerei.
                        
                     
                        
                           Es war mit vor kurzer Zeit ein Einblick in das Betriebsjournal und in den Betrieb
                              einer der großartigsten Maisbrennereien Ungarns gestattet. Da die Kenntniß der
                              Maisbrennerei in Deutschland in Folge des bei uns erst seit etwa anderthalb Jahren
                              für sie erwachten Interesses eine noch sehr geringe ist, so werden die Daten und
                              Beobachtungen, welche ich bei jener Gelegenheit sammelte, jedenfalls in den
                              betheiligten industriellen Kreisen Interesse finden; deßwegen mache ich für deutsche
                              Leser folgende Mittheilungen.
                           Ich bemerke im voraus, daß alle hier folgenden Gewichtsangaben in Zollpfunden und
                              alle Spiritusprocente in preußischen Quartprocenten ausgedrückt sind.
                           Das Betriebsjournal stellt folgende Bilanz auf zwischen dem verbrauchten Rohmaterial
                              und dem daraus gewonnenen Spiritus:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 193, S. 83
                              Monat; Es wurden verbraucht:; Mais;
                                 Gersten; Roggen; Mithin Gesammtmaterial:; Daraus wurde Spiritus gewonnen:;
                                 Mithin Ertrag aus 100 Pfd. Gesammtmaterial:; Juni; Juli; August; Septbr.;
                                 Octbr.; Novbr. Decbr.; Januar; Februar; März; April; Quartproc.
                              
                           
                           Es ergibt sich hieraus, daß der höchste Spiritusertrag vom Centner Gesammtmaterial
                              1259, der niedrigste 1136, der mittlere 1197 Quartprocente betragen hat.
                           Durchschnittlich 11 Grad Spiritus vom Wiener Centner Gesammtmaterial sieht man in
                              Ungarn als einen guten, zufriedenstellenden Ertrag an. 11 Grad vom Wiener Centner
                              entsprechen 1215 Quartprocenten vom Zollcentner.
                           Aus 1 Quart Gährraum wurden durch 16–18 stündige Gährdauer durchschnittlich
                              6,28 Quartprocente Alkohol gewonnen.
                           In 100 Quart Gährraum wurden 52,46 Pfd. Gesammtmaterial vermaischt.
                           Das Gesammtmaterial bestand aus:
                           
                              
                                 Hauptmaischmaterial
                                   86,13 Proc.    
                                 Mais
                                   71,60 Proc.
                                 
                              
                                 Hefenmaischmaterial
                                   13,87   „
                                 Gerste
                                   19,97   „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 Roggen
                                     8,43   „
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Das Hauptmaischmaterial besaß folgende Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Maismehl   
                                   83,15 Proc.
                                 
                              
                                 Gerste
                                   16,85   „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           während sich das Hefenmaischmaterial zusammensetzte aus:
                           
                              
                                 Roggenschrot   
                                   60,75 Proc.
                                 
                              
                                 Gerste
                                   39,25   „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Zu je 100 Pfd. des Hefenmaischmateriales wurden 127,8 Quart Einmaischwasser verwandt.
                              Zuckerbildungstemperatur der Hefenmaische = 52° R.
                           Die aufgeführte Gerste ist natürlich als Grünmalz verbraucht worden. Dabei hatte sich
                              in dieser Brennerei das Gewichtsverhältniß von Gerste zu Grünmalz wie 100: 145
                              festgestellt.
                           Der Roggen kam theils als Schrot zur Darstellung der Hefenmaische, theils als
                              Roggenmalz zur Verwendung. Die Brennerei war gezwungen, einen, wenn auch den
                              kleinsten Theil des Malzes aus Roggen zu erzeugen, weil die Malztennen nicht den
                              nöthigen Platz darboten, um darauf nach allen Regeln der Mälzerei das erforderliche
                              Quantum Gerstenmalz zu produciren. Roggenmalz beansprucht keine so lange Keimdauer,
                              wie Gerstenmalz. Deßhalb ist man im Stande, mit einer gegebenen Tenne in einer
                              gegebenen Zeit mehr Roggen- als Gerstenmalz darzustellen.
                           
                           Der Gang der Arbeiten war nun kurz folgender:
                           Das fein gemahlene Maismehl wird in Portionen von 9520 Pfd. in großen Bottichen in
                              mit schwefliger Säure geschwängertem Wasser 20–24
                              Stunden weichen gelassen. Das schwefligsaure Wasser bedeckt das Maismehl etwa
                              3–3 Zoll. Geruch und Geschmack ließen erkennen, daß der Gehalt des
                              Weichwassers an schwefliger Säure ein nur geringer war. Die gelbe Farbe des
                              Maismehles wird durch dieses Weichen intensiver; die harten Partikelchen desselben
                              fühlen sich weich und butterartig an.
                           Verlängert man in der Meinung, des Guten nicht genug thun zu können, die Weichdauer
                              auf 36–48 Stunden, so geräth das weichende Maismehl in stinkende Fäulniß und
                              gibt geringere Alkoholausbeuten.
                           Im Anfang der Einweichungsmethode stellte man die schweflige Säure dar durch
                              Reduction der Schwefelsäure mittelst Holzkohle oder Sägespänen. Die Reduction wurde
                              in eisernen oder thönernen Retorten ausgeführt. Die frei gewordene schweflige Säure
                              leitete man durch Bleiröhren in einen mit Wasser gefüllten, luftdicht geschlossenen
                              hölzernen Bottich, aus welchem man dann das Gaswasser nach Bedarf entnahm.
                           Diese Art der Gewinnung des schwefligsauren Wassers war eine recht umständliche,
                              theure und für die Arbeiter gefährliche. Sie ist deßwegen auch leicht, rasch und
                              beinahe vollständig verdrängt worden durch die Hatschek'schen Schwefelverbrennungsöfen.Beschrieben nach beigegebener Abbildung im polytechn. Journal, 1868, Bd.
                                    CLXXXVIII S. 246. In diesen Oefen wird gediegener Schwefel verbrannt; die entstandene
                              schweflige Säure steigt in einer Colonne empor und wird hier von regenförmig
                              vertheiltem Wasser absorbirt. Die wässerige Lösung fließt aus dem unteren Theile der
                              Colonne in das Gaswasserreservoir ab. Diese Methode ist billig, einfach und
                              bequem.
                           Nach vollendeter Einweichung wird das Maismehl in große, oblonge, eiserne Kästen mit
                              halbkreisförmigen Böden befördert, mit Wasser bis zur fließenden Breiartigkeit
                              verdünnt und dann durch Dampf auf 70° R. erhitzt. Ein in jedem Kasten, der
                              Maiskocher genannt wird, befindliches, durch eine Dampfmaschine betriebenes Rührwerk
                              bewerkstelligt die Mischung zwischen Festem und Flüssigem. Der Zweck dieses Kochens
                              ist: die weitere Ausschließung des Maismehles und Verkleisterung des
                              Stärkemehles.
                           Ist der Gehalt des Weichwassers an schwefliger Säure von vornherein ein nur geringer;
                              geht schon bei der Einweichung des Mehles in offenen Gefäßen ein bedeutender Theil des Gases
                              wirkungslos verloren: so werden durch das Maiskochen die letzten Spuren der
                              schwefligen Säure vollends in die Luft gejagt. Der gekochte Maisbrei besitzt einen
                              aromatischen Geruch. In der fertigen, verzuckerten Maische und in der gährenden
                              Maische ist deßhalb keine schweflige Säure mehr enthalten. Unvermeidlich ist es, daß
                              bei der Bereitung und Benutzung des Gaswassers sich ein Theil der schwefligen Säure
                              zu Schwefelsäure oxydirt. Diese – ob frei, oder gebunden an Basen, will ich
                              hier nicht erörtern – begleitet natürlich den Mais durch alle Stadien der
                              Verarbeitung bis in den Magen der schlempefressenden Ochsen.
                           Es ist eine nicht wegzuleugnende Thatsache, daß durch das Einweichungsverfahren eine
                              höhere Alkoholausbeute erzielt wird. Ob diese Wirkung aber einzig und allein durch
                              schweflige Säure zu erreichen sey, oder ob sie auch durch Salzsäure oder
                              Schwefelsäure hervorgebracht werden könne – das bleibt gegenwärtig noch ein
                              jedenfalls dankbarer Gegenstand künftiger Untersuchungen.
                           Was man indeß von der Fähigkeit des schwefligsauren Weichwassers: die
                              Milchsäure- und die Essigsäuregährungen in den Maischen zu verhindern und
                              eine Vergährung bis auf Null-Grad am Saccharometer zu bewirken, gesagt hat,
                              gehört vorläufig noch in das Reich der unbewiesenen Behauptungen.
                           Der auf 70° R. erhitzte Maisbrei bleibt 1–2 Stunden bei dieser
                              Temperatur stehen.
                           Während dieser Digestion des Maisbreies wird nun das nöthige Quantum Grünmalz auf's
                              Feinste zerquetscht und im Vormaischbottich oder Verzuckerungsgefäße mit kaltem
                              Wasser eingemaischt. Ist dieses geschehen, so läßt man den Maisbrei hinzufließen,
                              mischt mittelst der Maischmaschine Alles gut durcheinander, erhitzt mit Dampf auf
                              52° R., läßt es 2 Stunden stehen – und die Mais-Hauptmaische
                              ist fertig.
                           Nachdem die Hauptmaische auf einem großen, eisernen, schwimmenden Kühlschiffe rasch
                              gekühlt worden war, wurde sie in den Gährbottichen mit der in kräftigster Gährung
                              befindlichen Hefenmaische vermischt.
                           Jede zur Abstellung gelangende Maische betrug circa 25600
                              Quart und innerhalb 24 Stunden gelangten 7–8 solcher Maischquantitäten zur
                              Abstellung.
                           Die Anstellungstemperatur betrug meist 23–24° N.; die Concentration der
                              angestellten Maische 13–14 Proc. Sacch. Bg.
                           Natürlich gerieth die Maische bei dieser hohen Anstellungstemperatur und der geringen
                              Concentration rasch in eine sehr lebhafte Gährung; nach 16–16 Stunden bereits
                              war die Maische vergohren und wurde dann sofort destillirt. Die Vergährung sank in den meisten
                              Fällen auf 1–1 2/5 Proc. Sacch.; in ungünstigen Fällen blieb sie bei
                              2–2 2/5 Proc. Sacch. stehen. In den Bottichen, welche circa 10200 Quart faßten, erwärmte sich die Maische während der Gährung
                              auf 31–32° R.
                           Auf der Oberfläche der vergohrenen Maische sammelte sich stets eine starke Schicht
                              dunkelrothen Maisöles; dieses Oel fand keine Anwendung.
                           Der mit schwefliger Säure erzeugte Maisspiritus besitzt einen unangenehmen Geruch und
                              Geschmack. Trotzdem genießen ihn, mit Wasser zu Branntwein verdünnt, die
                              slowakischen und magyarischen Brennereiarbeiter recht gern. Uebrigens hat die
                              Raffination desselben nicht die Schwierigkeiten, welche man sich in Deutschland
                              davon vorstellt. Sie wird ohne Filtration durch Kohle, bloß durch Destillation in
                              hohen Colonnenapparaten bewerkstelligt.
                           Der mit schwefliger Säure erzeugte Spiritus kostet gewöhnlich 1–2 Kreuzer per Grad (1 Grad – 123,75 Quartproc.) weniger,
                              als der ohne diese Säure gewonnene Spiritus der ungarischen Preßhefenfabriken.
                           Die Maisschlempe dient als Viehfutter.