| Titel: | Ueber das Erhitzen größerer Mengen von Flüssigkeiten über ihren Siedepunkt; von A. Oppenheim. | 
| Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. XXXI., S. 133 | 
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                        XXXI.
                        Ueber das Erhitzen größerer Mengen von
                           Flüssigkeiten über ihren Siedepunkt; von A. Oppenheim.
                        Aus den Berichten der deutschen chemischen
                                 Gesellschaft zu Berlin, 1869, Nr. 3.
                        Mit einer Abbildung.
                        Oppenheim, Apparat zum Erhitzen von Flüssigkeiten über ihren
                           Siedepunkt.
                        
                     
                        
                           Die Nothwendigkeit in geschlossenen Gefäßen zu operiren, ist heute unumgänglich.
                              Viele der wichtigsten Reactionen treten erst oberhalb des Siedepunktes der
                              Reagentien ein. Andere Substanzen zersetzen sich, wenn man sie in offenen Gefäßen
                              erhitzt oder verlieren an Werth wie concentrirte Lösungen von Jodwasserstoff, von
                              Ammoniak oder anderen Gasen. Wenn nur kleine Mengen in Angriff genommen werden, so
                              dienen zugeschmolzene Röhren, um diese Uebelstände zu umgehen. Wo es sich aber um
                              die Darstellung größerer Quantitäten handelt, ist man in deutschen und englischen
                              Laboratorien bisher auf die Anwendung kostspieliger metallener Digestoren oder
                              zugekorkter Flaschen (Sodawasserflaschen) angewiesen. Die Schwierigkeit, solche
                              Flaschen sicher zu verschließen, darin entstandene Gase aufzufangen, mehr als Alles
                              aber die Schwierigkeit, sie zu offnen, ohne bei vorhandenem innerem Druck von ihrem
                              Inhalt zu verlieren, haben ihre Anwendung auf seltenere Fälle beschränkt.
                           Ein einfacher Apparat, welcher seit Jahren in französischen Laboratorien in Gebrauch
                              ist, umgeht diese Schwierigkeiten vollständig. Derselbe empfiehlt sich auf das
                              Wärmste durch seine verhältnißmäßige Sicherheit und Wohlfeilheit, und durch die
                              Einfachheit der für ihn erforderlichen Manipulationen. Nur mit Mühe wird er von
                              denen entbehrt, die sich an seinen Gebrauch gewöhnt haben.
                           Er besteht aus birnförmigen Kolben (matras), aus sehr
                              starkem, zähem, gutgekühltem Glase von verschiedenem Volum. Es sind deren vier
                              Größen in Gebrauch, von denen die kleinste etwa 100 Grm., die größte etwa 1000 Grm.
                              Wasser faßt. Der Kolben läuft in. einen langen Hals aus. Ich will die ungefähren
                              Dimensionen der größten Art anführen. Der Hals derselben ist annähernd 1 Meter oder
                              3 Fuß lang, bei einem Durchmesser von etwa 3 Decimeter (oder 1 Zoll). Der Bauch ist
                              in der Mitte etwa 10 Decimeter weit und etwa 16 Decimeter lang. Das Glas ist am
                              Boden des Gefäßes bis 6 Millimeter, am Halse bis 4 Millimeter dick. Es ist weich
                              genug, um leicht ausgezogen zu werden. Ein Kolben von den angeführten Dimensionen
                              kann 5-6 Mal dienen, bevor er zu kurzhalsig wird, um ferner ausgezogen zu werden. Daß ein
                              solcher Apparat mehr Vorsicht verlangt, als Glasröhren, ist selbstverständlich. Vor
                              Allem darf keine Reaction darin vorgenommen werden, bei welcher größere Mengen von
                              Gasen auftreten. Hierüber hat man sich durch Vorversuche in Röhren zu
                              unterrichten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 193, S. 134
                              Nur wenn die entstehenden Gase an Menge unbedeutend oder sehr leicht
                                 condensirbar, oder von der umgebenden Flüssigkeit absorbirbar sind, ist der
                                 Gebrauch der Kolben zulässig. Bei der Erzeugung von Allylengas aus Brompropylen
                                 und Natriumäthylat läßt sich nur auf diesem Wege eine theoretische Ausbeute
                                 erzielen. Ein Kolben von den angeführten Dimensionen dient bequem dazu, um 40
                                 Gramme Brompropylen C³ H⁶ Br² auf eingegeben, welche die
                                 beistehende Figur wiedergibt; sie nämlich in der Mitte verdickt, wodurch das
                                 Kautschukrohr fest aufsitzt. Das letztere wird mit einer Bunsen'schen Klemmschraube zugeklemmt und dann die seine Spitze in dem
                                 Kautschukrohr abgebrochen.
                              
                           In den meisten Fällen ist es sicherer, den Kolben vor der Lampe zu öffnen, nachdem
                              derselbe völlig erkaltet und mit Handtüchern umwickelt ist. Die Art der Erwärmung
                              ergibt sich aus der Figur. Der Kolben A wird in eine
                              eiserne, oben offene Hülle B gesteckt und seine Spitze
                              durch einen aufgesetzten durchbohrten Kork geschützt. Ein Wasserbad, ein großer
                              eiserner Topf, welcher sechs solcher Hüllen faßt, oder ein Oelbad E von kleineren Dimensionen mit eingesenktem Thermometer
                              T wird auf einem Gasofen erhitzt. Der ganze Apparat
                              steht unter einem Schornstein in einer Nische, deren Rückwand und Seitenwände aus
                              Mauerwerk bestehen.
                           
                           Die Vorderwand bildet ein eisernes Rouleaux C, C, C mit
                              Gegengewichten D, welches heruntergezogen wird, wenn man
                              den Apparat erhitzt.
                           Bei Explosionen werden die Trümmer in den Schornstein geschleudert oder von der
                              eisernen Hülle zurückgehalten, ohne die Umstehenden verletzen zu können. Die
                              beschriebene Einrichtung rührt im Wesentlichen von Hrn. Wurtz her, in dessen vortrefflichem Laboratorium täglich acht oder mehr
                              solcher Kolben erhitzt werden. Als bester Schutz gegen die Gefahr bewährt es sich
                              dieselbe nicht zu vergessen. Wenn Grund zu Befürchtungen vorliegt, wird beim Oeffnen
                              des Kolbens der Kopf durch starke engmaschige Drahtmarken geschützt, welche ihn bis
                              über die Ohren bedecken. Während offene Gefäße und zugeschmolzene Röhren häufig
                              Unglücksfälle veranlaßt haben, ist ein solcher durch verschlossene Kolben so weit
                              mit bekannt noch nicht veranlaßt worden. Möchten diese Zeilen dazu beitragen, der
                              bewährten Methode auch in Deutschland Eingang zu verschaffen.Die beschriebenen Glaskolben sind in der Glashandlung von Hrn. Baudet
                                    Rue St. André des Arts in Paris
                                    vorräthig. Der Preis der größten derselben stellt sich auf circa 1 Franc 50 Centimes.
                              
                           Ein Hauptvortheil dieser Kolben besteht darin, große Oberflächen der reagirenden
                              Substanzen miteinander in Berührung zu bringen. Es geschieht das für kleine Mengen
                              Substanz bekanntlich durch waagerechte Luftbäder. Da man bei diesen schwer eine
                              gleichmäßige Temperatur erzeugt, so dürfte es sich empfehlen, statt derselben
                              waagerecht stehende Oelbäder anzuwenden. Es würde dazu genügen, die Bunsen'schen Luftbäder mit doppelten Wänden zu versehen,
                              zwischen denen das Oel enthalten ist.