| Titel: | Ueber die Immediatanalyse der verschiedenen Kohlensorten; von Berthelot. | 
| Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. XXXIX., S. 155 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XXXIX.
                        Ueber die Immediatanalyse der verschiedenen
                           Kohlensorten; von Berthelot.
                        Berthelot, über die Immediatanalyse der verschiedenen
                           Kohlensorten.
                        
                     
                        
                           Die von Berthelot vorgeschlagene Methode besteht darin,
                              daß man die Kohle bei niedriger Temperatur oxydirt und die entstandenen Producte
                              untersucht. Der Diamant wird dabei nicht merklich oxydirt. Die verschiedenen Sorten
                              von amorpher Kohle werden vollständig in gelblich braune, in Wasser lösliche
                              Humussäuren verwandelt, deren Eigenschaften je nach den Kohlen, aus welchen sie
                              entstanden sind, variiren. Die verschiedenen Sorten von wirklichem Graphit werden in
                              GraphitoxydeDer Verf. zieht diese Bezeichnung dem Namen
                                    „Graphitsäure“ von Brodie vor, weil diese Körper keine Salze bilden. verwandelt, deren Eigenschaften ebenfalls beträchtlich variiren und von der
                              Natur der Graphite abhängen; alle sind jedoch einerseits durch ihre Unlöslichkeit
                              und andererseits hauptsächlich dadurch charakterisirt, daß sie sich beim Erhitzen
                              heftig und unter Entzündung zersetzen.
                           Um zu diesen Resultaten zu gelangen, verfährt man auf folgende Weise: Die fein
                              gepulverte Kohle wird mit dem fünffachen Gewicht fein gepulvertem chlorsauren Kali
                              gemischt; dann fügt man nach und nach rauchende Salpetersäure hinzu, bis eine Art
                              von Brei entsteht. Man überläßt darauf das Ganze einige Stunden sich selbst und
                              erwärmt schließlich 3 oder 4 Tage ununterbrochen auf 50 bis 60° C. Nach
                              Verlauf dieser Zeit verdünnt man mit Wasser und wäscht mit lauwarmem Wasser durch
                              Decantation. Gewöhnlich ist es nöthig, dieselbe Reihe von Operationen 4, 5 oder 6
                              Mal oder noch häufiger zu wiederholen, wenn man die amorphen Kohlen ganz in Lösung
                              bringen oder die Graphite ganz in Graphitoxyde verwandeln will. Man kann auf diese
                              Weise sehr scharf die drei Hauptgruppen von Kohlen unterscheiden und sogar in einem
                              Gemenge neben einander erkennen. Hat man z.B. ein Gemenge von Diamant, Graphit und
                              amorpher Kohle, so wird letztere nach einer hinreichenden Wiederholung der oben beschriebenen
                              Operationen vollständig in Lösung gehen, mit Zurücklassung eines Gemenges von
                              Graphitoxyden und Diamant. Diese können durch Lösungsmittel nicht von einander
                              getrennt werden. Man trocknet das Gemenge und erhitzt es in einer an einer Seite
                              verschlossenen Röhre. Das Graphitoxyd wird zerstört und hinterläßt Pyrographitoxyd,
                              welches, von Neuem mit chlorsaurem Kali und Salpetersäure oxydirt, lösliche Producte
                              und eine weit geringere Menge von Graphitoxyd liefert. Letzteres wird wieder
                              erhitzt, das Pyrographitoxyd abermals oxydirt, und so fort. Nach drei- bis
                              viermaliger Wiederholung dieses Processes ist alles Graphitoxyd verschwunden, und es
                              bleibt nur Diamantpulver zurück.
                           Graphitoxyde. – Man kann drei wesentlich
                              verschiedene Graphitsorten unterscheiden: 1) den natürlichen Graphit, 2) den Graphit
                              des Gußeisens und 3) den elektrischen Graphit, welcher bei der Umwandlung
                              verschiedener Kohlenvarietäten durch den elektrischen Flammenbogen entsteht. Diese
                              drei Graphite bilden jeder ein besonderes Graphitoxyd, Hydrographitoxyd und
                              Pyrographitoxyd.
                           1) Natürlicher Graphit. Das davon sich ableitende
                              Graphitoxyd bildet im feuchten Zustande blaßgelbe, glimmerartige Flitterchen,
                              unlöslich in allen neutralen, alkalischen oder sauren Lösungsmitteln. Es verändert
                              sich bei fortgesetzten Oxydationsversuchen nicht weiter und enthält weder Chlor noch
                              Stickstoff. Beim Trocknen, selbst bei gewöhnlicher Temperatur, häuft es sich zu
                              braunen, amorphen, zähen Platten zusammen, in welchen die ursprüngliche Structur
                              verschwunden ist. Erhitzt man es in diesem Zustande von Neuem mit Salpetersäure und
                              chlorsaurem Kali, so nimmt es sein früheres Aussehen wieder an, wird aber beim
                              Trocknen wieder braun und amorph. Bei mehrstündigem Erhitzen mit 80 Th.
                              Jodwasserstoffsäure von 2,0 spec. Gewicht auf 280° wird das Graphitoxyd in
                              eine neue Verbindung verwandelt, welche der Verfasser Hydrographitoxyd nennt. Diese enthält mehr Wasserstoff, ist braun, amorph,
                              zusammenhängend, und unlöslich in allen Lösungsmitteln. Es unterscheidet sich vom
                              Graphitoxyd dadurch, daß es beim Erhitzen sich nicht unter Entflammung zersetzt.
                              Durch chlorsaures Kali und Salpetersäure wird es wieder in Graphitoxyd übergeführt.
                              Wird das Graphitoxyd in sehr kleinen Mengen vorsichtig auf ungefähr 250°
                              erhitzt, so geht es in Pyrographitoxyd über. Dieses ist ein schwarzes, leichtes,
                              flockiges Pulver, welches noch Wasserstoff und Sauerstoff enthält.
                           2) Graphit aus Gußeisen. Das daraus erhaltene Graphitoxyd
                              bildet grünlich gelbe Schuppen, weniger gut ausgebildet, als die aus natürlichem Graphit, welche
                              sich beim Trocknen nicht zusammenhäufen und ihre gelbe oder grünlich gelbe Farbe
                              beibehalten. Dadurch unterscheidet es sich scharf von dem Oxyd aus natürlichem
                              Graphit. Mit Jodwasserstoffsäure liefert es ein braunes Hydrooxyd, welches beim
                              Erhitzen sich unter Aufschwellen zersetzt und dabei zugleich eine beträchtliche
                              Menge von Jod entwickelt; dieses Hydrooxyd liefert bei erneuerter Oxydation wieder
                              dasselbe Oxyd, aus welchem es entstanden ist. Beim Erhitzen zersetzt sich das Oxyd
                              aus Gußeisen unter lebhafterem Verbrennen und stärkerem Aufschwellen als das aus
                              natürlichem Graphit, und das entsprechende Pyrographitoxyd löst sich bei erneuerter
                              Oxydation weit vollständiger auf.
                           3) Elektrischer Graphit. Das daraus gebildete Oxyd ist ein
                              kastanienbraunes Pulver, welches sich beim Trocknen nicht merklich zusammenhäuft.
                              Das Hydrooxyd wird beim Erhitzen ohne Aufschwellen zersetzt und gibt bei der
                              Oxydation wieder das kastanienbraune, pulverige Oxyd. Das Pyrooxyd ist ein schweres,
                              nicht flockiges Pulver; bei erneuerter Oxydation verschwindet es fast
                              vollständig.
                           Durch Erhitzen des Pyrographitoxyds aus natürlichem Graphit mit 80 Th.
                              Jodwasserstoffsäure auf 280° erhielt der Verfasser einen Wasserstoff, welcher
                              6 Proc. Sumpfgas beigemischt enthielt. Es war jedoch nicht die ganze Menge der
                              angewendeten Substanz in Sumpfgas verwandelt. Ein beträchtlicher Theil blieb als ein
                              schwarzes, kohliges Pulver zurück, welches beim Erhitzen eine kleine Menge eines
                              brennbaren Dampfes, wie es scheint, Aceton, entwickelt und von Salpetersäure und
                              chlorsaurem Kali fast ganz in lösliche Producte verwandelt wird. Die
                              Pyrographitoxyde aus Gußeisen und elektrischem Graphit verhielten sich vollkommen
                              ähnlich.
                           Die Untersuchung verschiedener Kohlensorten zeigte dem Verfasser, daß die Kohks, die
                              metallische Kohle welche sich beim Durchleiten von Kohlenwasserstoffen durch eine
                              glühende Porzellanröhre abscheidet, die verschiedenen Sorten von Gaskohle
                              (sogenannter künstlicher Graphit), die verschiedenen Anthracitsorten, der Ruß, die
                              Thierkohle und die kohlige Substanz im Meteorstein von Orgueil sämmtlich mit der
                              gewöhnlichen Holzkohle zu einer und derselben Gruppe gehören. Sie lösen sich beim
                              Behandeln mit chlorsaurem Kali und Salpetersäure sämmtlich auf, ohne Bildung von
                              Graphitoxyden und ohne Zurücklassung von Diamant; nur einige Kohkssorten und der Ruß
                              lieferten eine Spur von Graphitoxyden.
                           Durch bloßes Erhitzen im Wasserstoffstrom bei Weißgluth kann man nicht von der einen
                              Kohlengruppe zur anderen gelangen; auch Chlor verwandelt bei Weißgluth weder die
                              Holzkohle in Graphit, noch den Graphit in amorphe Kohle. Jod ist gleichfalls bei
                              Weißgluth ohne Wirkung auf Kohks. Entzündet man aber eine dünne Stange Gaskohle im
                              Sauerstoff, und löscht, sobald die Spitze in vollem Glühen ist, rasch durch
                              Eintauchen in Wasser aus, so zeigt sich bei nachheriger Untersuchung, daß die
                              äußerste Spitze eine kleine Menge Graphit enthält. Dasselbe findet bei
                              unvollständigen Verbrennungen statt, und darauf ist es zurückzuführen, daß die Kohks
                              und der Ruß Spuren von Graphitoxyden liefern. Sehr interessant ist der Einfluß der
                              Elektricität. Bei der Herstellung des elektrischen Lichtes überzieht sich die Kohle,
                              welche als negativer Pol dient, mit einer schwammigen Masse, welche bei der
                              Oxydation in Graphitoxyd verwandelt wird. Dieses Oxyd, und demnach auch der
                              elektrische Graphit selbst, ist indeß, wie oben erwähnt, nicht identisch mit dem
                              natürlichen Graphit oder dem aus Gußeisen. Der Diamant verwandelt sich bekanntlich
                              im elektrischen Flammenbogen in eine Art Kohks. Diese sind identisch mit dem
                              elektrischen Graphit aus Gaskohle.
                           Der Verfasser hat ferner die aus ihren verschiedenen Verbindungen abgeschiedene Kohle
                              in derselben Weise untersucht. Die Kohle, welche beim Durchleiten von
                              Kohlenwasserstoffen durch eine rothglühende Röhre abgeschieden wird, ist amorphe
                              Kohle, welche da, wo sie an den Gefäßwänden sitzt, metallisch glänzt. Sie löst sich
                              bei der Oxydation ganz auf; nur erfordert der metallische Theil eine häufiger
                              wiederholte Behandlung. Die bei der Zersetzung von Sumpfgas durch den elektrischen
                              Funken abgeschiedene Kohle besteht aus amorpher Kohle mit einer kleinen Menge
                              Graphit. Bei der Zersetzung von Sumpfgas mittelst Chlor entsteht nur amorphe Kohle.
                              Erhitzt man Benzol, Naphtalin und verschiedene andere Kohlenwasserstoffe mit einer
                              zur vollständigen Sättigung ungenügenden Menge Jodwasserstoffsäure, so entsteht eine
                              besondere Art von kohliger Substanz, die sich bei der Oxydation unter Bildung einer
                              braungelben Verbindung leicht löst, welche Verbindung leicht Emulsion bildet, durch
                              Salze leicht gefällt wird und den Graphitoxyden nahe steht. Die Kohle aus Benzol
                              bewahrt diese Eigenschaft, selbst wenn man sie im Wasserstoff bei Weißglühhitze
                              glüht; sie liefert auch dann kein Graphitoxyd. Behandelt man diese Benzolkohle mit
                              concentrirter Salpetersäure, und verdünnt nachher mit Wasser, so erhält man neben
                              einer gelöst bleibenden Substanz ein braunes Harz, welches die Elemente der
                              Salpetersäure enthält, und beim Behandeln mit Jodwasserstoffsäure bei 280°
                              gasförmige Kohlenwasserstoffe in reichlicher Menge und eine kleine Quantität
                              flüssiger Kohlenwasserstoffe liefert. Durch Erhitzen von Jodäthyl in einer
                              rothglühenden Röhre erhält man eine Kohle, welche eine ansehnliche Menge von Graphit
                              enthält, der bei der Oxydation ein ähnliches Oxyd wie der elektrische Graphit liefert. Aus dem
                              Chlorkohlenstoff CCl⁴ bildet sich bei Rothglühhitze amorphe Kohle mit einer
                              sehr geringen Menge Graphit; dagegen enthält die auf dieselbe Weise aus
                              Schwefelkohlenstoff erhaltene Kohle viel Graphit. Das Cyan liefert bei der
                              Zersetzung durch den elektrischen Funken mit einer Spur Graphit fast nur amorphe
                              Kohle. Beim Erhitzen von kohlensaurem Natron mit Phosphor entsteht eine schwarze,
                              leichte Kohle, welche von Jodwasserstoffsäure bei 280° nicht angegriffen wird
                              und ein Gemenge von amorpher Kohle mit Graphit ist. Die Kohle, welche sich beim
                              Erhitzen von kohlensaurem Natron mit Natrium bildet, besteht größtentheils aus
                              Graphit. Die Varietät des krystallisirten Bors, welcher Deville den Namen Diamantbor gegeben hat, hinterläßt beim Glühen in
                              trockenem Chlorgas Graphit. Der in dem Roheisen gebundene Kohlenstoff ist ein
                              Gemenge von amorpher Kohle mit etwas Graphit. (Comptes
                                    rendus, t. LXVIII p. 183, 259, 334, 392, 445;
                                 Zeitschrift für Chemie, 1869 S. 217.)