| Titel: | Die Bedeutung des Vacuums für die Bierbrauerei; von Ferdin. Jicinsky in Prag. | 
| Autor: | Ferdinand Jicinsky | 
| Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. LXV., S. 250 | 
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                        LXV.
                        Die Bedeutung des Vacuums für die Bierbrauerei;
                           von Ferdin. Jicinsky in Prag.
                        Jicinsky, über die Bedeutung des Vacuums für die
                           Bierbrauerei.
                        
                     
                        
                           Wenn wir die vortheilhaften Mittel, mit welchen die große Industrie in der
                              Verarbeitung der Materialien sich zu einer ungeahnten Thätigkeit emporgeschwungen
                              hat, der Reihe nach durchmustern, so finden wir, daß bisher kein einziges derselben
                              in dem Brauwesen Eingang gefunden hat; dieser bedeutende Industriezweig ging an den
                              Fortschritten der Mechanik und Physik ziemlich gleichgültig vorüber, um sein Werk
                              mit jenen primitiven Koch- und Maischgefäßen fortzusetzen, welche in
                              Gemeinschaft mit einer ebenso primitiven Staffage das gesammte Takelwerk desselben
                              repräsentiren.
                           Wir brauchen bloß auf den Uebergang von den hölzernen auf die eisernen Kühlschiffe
                              zurückzudenken, um uns zu vergegenwärtigen, daß verhältnißmäßig geringe Neuerungen
                              einen nur kümmerlichen Eingang in das Brauwesen gefunden haben.
                           Die Hauptursache dieser Erscheinung dürfte wohl darin liegen, daß das Brauwesen sich
                              bisher fast ausschließlich in den Händen von Empirikern befand, welche ihr Handwerk
                              ausübten, ohne über das Geschehene sich Rechenschaft geben zu können, ohne ihrem
                              Fache eine praktische Erweiterung angedeihen zu lassen und sämmtliche Rathschläge
                              und Neuerungen, die von höherer Instanz herabgelangten, im Vorhinein mit
                              Hartnäckigkeit oder Mißtrauen zurückwiesen.
                           Auf die Frage, welches von den Mitteln der großen Industrie für das Brauwesen das
                              nützlichste werden könnte, wäre zunächst das Vacuum in Vorschlag zu bringen.
                           Zwei Punkte sind es, welche die Anwendung des Vacuums mit einem enormen Erfolge
                              begleiten und demselben überall, wo industrielle Thätigkeit herrscht, ein
                              unvergängliches Daseyn sichern: 1) eine rapid fortschreitende Verdunstungskälte; 2)
                              eine ebenso rasche Concentration der abgedunsteten Flüssigkeiten mit geringem
                              Wärmeaufwand.
                           Da nun Verdunstung und Abkühlung bei der Erzeugung einer gährungswürdigen Würze
                              wichtige Factoren sind, so liegt die Art und Weise der Anwendung des Vacuums im
                              Brauwesen auf der Hand.
                           Zu bemerken ist jedoch, daß wegen der Wirkungsweise des Vacuums nur große Massen
                              einer Würze mit Nutzen zu behandeln wären. In der nachfolgenden Rechnung will ich
                              zeigen, wie sich bei Anwendung des Vacuums die Verhältnisse gestalten müßten unter der
                              Voraussetzung, daß die Würze bei 100° C. zum Sieden kommt und bei derselben
                              Temperatur dem Vacuum unterworfen wird.
                           Daß auf den genauen Siedepunkt der Würze, der je nach dem Maischverfahren ein
                              verschiedener ist, stets aber über 100° C. hinaufreicht, sowie auf viele
                              Umstände, welche in der Praxis auftreten, bei einer rein theoretischen Berechnung
                              nicht Rücksicht genommen werden kann, versteht sich von selbst, da sonst die
                              Rechnung zu complicirt würde und es sich überdieß hier um kein specielles Resultat
                              handelt.
                           Nehmen wir an, es wären 800 Eimer einer kochenden elfgrädigen Würze von 100°
                              C. auf 4° C. abzukühlen, und nennen wir den abzudampfenden und den im Vacuum
                              zurückbleibenden Theil der Würze (die uns beide unbekannt sind) x und y, so hat die gesammte
                              Würze ein Gewicht von (x + y) = 300. 101 = 30300 Pfd., da ein Eimer dieser Würze 101 Pfd. wiegt. Die
                              Würze enthält beim Kochen 100 (x + y) Wärmeeinheiten; der auf 4° C. abgekühlte und
                              im Vacuum zurückbleibende Theil der Würze 4. x und der
                              abgedunstete Theil y enthält 550 y Wärmeeinheiten, da Wasserdampf per Pfund 550
                              Wärmegrade bindet.
                           Aus diesen Daten ergeben sich die Gleichungen:
                           (x + y) =
                              30300
                              Pfd.                
                              I
                           4 x = 100 (x + y) – 550 y          II
                           welche uns eine Gleichung mit zwei Unbekannten repräsentiren.
                              Durch Elimination des x und Substitution ergibt sich aus
                              der Gleichung I x = 30300 – y, aus der Gleichung II
                           4 (30300 – y) = 100 (30300
                              – y + y) – 550
                              y
                              
                           oder 121200 – 4 y = 3030000
                              – 550 y
                              
                           546 y = 2908800. Daher
                           y = 2908800/546 = 5327,47255
                           Das ist die Anzahl Pfunde des voll der Würze zu verdampfenden Antheiles.
                           Der Quotient aus dem Gesammtgewichte der Würze und dem Gewicht des abgedampften
                              Antheiles ergibt uns bis zu welchem Punkte die Würze eingedampft werden müßte, um
                              eine Abkühlung auf 4° C. zu bewirten.
                           30300/5327,47255 = 5,08750.
                           Der abgedampfte Theil beträgt somit noch weniger als 1/5 von dem ganzen Gewichte der Würze. In
                              der Praxis dürfte selbst in dem ungünstigsten Falle die Verdampfung kaum über 1/5
                              der Würze herabgehen.
                           Die Verdampfung auf den Kühlschiffen beträgt nach den Ergebnissen der Praxis
                              10–15 Proc. vom Wassergehalte der Würze. Im Vacuum würde dieselbe nach der
                              theoretischen Berechnung höchstens 20–25 Proc. Wasser erheischen, ein
                              Resultat, welches im Vergleiche mit der langwierigen Wirkungsweise der Kühlschiffe
                              als ein günstiges zu bezeichnen ist.
                           Das Kühlverfahren mit dem Vacuum wäre etwa in folgender Weise durchzuführen:
                           Die Würze wird wie gewöhnlich gehopft und bis zur verlangten Grädigkeit eingedampft,
                              hierauf über der Pfanne, welche die ganze erste Würze fassen muß, das Vacuum
                              hergestellt. Die so eingeleitete Verdunstung wird mit Hülfe der Pumpen so lange in
                              Gang erhalten, bis die verlangte Temperatur der Würze erreicht ist, was theilweise
                              durch Wasserstands- und Beobachtungsgläser, durch Kniethermometer oder nach
                              der aus der Praxis sich ergebenden Anzahl Kolbengänge erkannt wird. Durch die
                              massenhafte Verdunstung hat aber die Flüssigkeit ihre ursprüngliche Grädigkeit
                              überschritten und um diese abermals zu erreichen, muß in einem nicht starken und
                              ruhigen Strahl weiches kaltes Wasser von 4° C. Temperatur zum vollständigen
                              Ersatz der abgedunsteten Wassermenge in die Würze geleitet werden. Die Zugabe kalten
                              weichen Wassers zur Würze ist ganz unschädlich und in diesem Falle deßhalb
                              nothwendig, weil die Würze nach gewöhnlicher Methode gehopft wurde um sie lange
                              genug mit Hopfen verkochen zu können und vorerst ohne Vacuum eine vollkommene
                              Hopfenextraction zu bewirken.
                           Zur Winterszeit dürfte es wohl nicht schwer seyn, kaltes Wasser von 4° C. zu
                              bekommen. Im Sommer aber, wo das Wasser oft eine Temperatur von 26° C. zeigt,
                              müßte in die Leitungsröhre die Kühlschlange behufs Kühlung des Zugusses
                              eingeschaltet werden.
                           Nach dieser Operation ist die Würze bei geschlossener Braupfanne der Ruhe zu
                              überlassen, damit wenigstens ein Theil des Kühlgelägers sich absetze. Eine
                              vollständige Klärung der Würze tritt aber nur dann ein, wenn sie in dünnen
                              Schichten, also z.B. auf den Kühlschiffen ausgebreitet ist, während aus dicken
                              Schichten einer Würze nur ein Theil des Kühlgelägers sich abscheidet, das übrige
                              aber suspendirt bleibt. Die Würze nimmt dann nicht jenen charakteristischen Glanz
                              an, welcher dem Brauer die vollständige Klärung anzeigt, sondern behält ihre
                              rothbraune trübe Oberfläche. Derselbe Umstand, welcher dem Praktiker wohl bekannt
                              ist, müßte auch bei der angeführten Manipulation störend eintreffen und könnte
                              mechanisch nicht anders als durch eine gründliche Filtration der Würze vor dem Ablassen derselben
                              in den Zusammengußstock oder die Gährbottiche behoben werden. Da wir außerdem noch
                              die extrahirten Hopfenbestandtheile durch den Hopfenseiher abzuscheiden haben, so
                              müßte die Würze nach der Kühlung eigentlich zwei nach einander folgenden
                              Filtrationen unterzogen werden, was die Arbeit ebenfalls umständlich machen würde;
                              um auch diesem Uebelstande abzuhelfen, wäre folgende Abänderung des gewöhnlichen
                              Hopfenseihens zu adoptiren.
                           Ein kupferner, nur einige Zoll tiefer Hopfenseiher von genau demselben
                              Bodenflächeninhalte wie jener der Braupfanne, wird auf den Boden derselben versenkt,
                              bevor die Würze aus dem Grand in die Pfanne gelangt. Nach hinreichender Verkochung
                              ist das Feuer einzustellen und die Wärmezufuhr von Außen durch Oeffnen des
                              Schürloches und sämmtlicher Luftcanäle abzuschneiden, damit die Flüssigkeit ruhig
                              bleibt. Der Hopfen sammelt sich nun zum größten Theile in dem Hopfenseiher, und wird
                              derselbe etwa mit Ketten und Welle oder durch andere mechanische Hülfsmittel mit der
                              Vorsicht aus der Pfanne gehoben, daß die Würze Zeit hat durch die Oeffnungen des
                              Seihers und seitlich auszuweichen, so kann schließlich sämmtlicher Hopfen über die
                              Pfanne gebracht werden, während die anhaftende Würze abtropft.
                           Nach erfolgter Abkühlung ist die Würze langsam in die Gährbottiche abzulassen. Dabei
                              bliebe ein Theil des Kühlgelägers in der Braupfanne, ein anderer würde mitgerissen
                              um im Filter mit jenen Hopfenbestandtheilen aufgefangen zu werden, welche bei
                              eintretenden und zufälligen Differenzen zwischen Hopfenseiher und Pfanne in der
                              Würze zurückgeblieben sind.
                           Die beschriebene Manipulation scheint ziemlich complicirt, und es ist gut, wenn wir
                              ihren Zusammenhang in einzelnen Punkten markiren. Nachdem die gehopste Würze durch
                              das gewöhnliche Verfahren hinreichend concentrirt wurde, ist:
                           
                              1) aus der zur Ruhe gekommenen Würze der Hopfen durch Entfernung
                                 des Hopfenseihers abzuscheiden;
                              2) das Vacuum herzustellen und die Würze bis zur verlangten
                                 Temperatur abzukühlen;
                              3) der Nachguß kalten Wassers einzuleiten bis die ursprüngliche
                                 Grädigkeit eingetreten ist;
                              4) die Würze unter mäßigem Luftzutritt und bei sonst
                                 geschlossener Pfanne in die Gährgefäße langsam durch das Filter zu
                                 befördern.
                              
                           Was die Benutzung des Vacuums zur Würzeconcentration anbelangt, so ist vorerst zu erwägen, daß das Vacuum in
                              dieser Richtung nicht nur auf eine raschere Verkochung, sondern hauptsächlich auf
                              Brennmaterial-Ersparniß abzielen würde, und es müßte nur durch praktische Versuche
                              ermittelt werden, ob dieser Zweck andererseits einer ökonomischen Hopfenextraction
                              nicht hinderlich ist und das Vacuum mit Vortheil sowohl auf das Bierkühlen als auf
                              die Würzeconcentration gleichzeitig ausgedehnt werden könnte. In diesem Falle wäre
                              das Brauverfahren nur mit dem Unterschiede von dem angeführten einzuleiten, daß nach
                              erfolgter Kühlung der Würze mit dem Vacuum kein Wasserzuschuß mehr nöthig wäre,
                              sondern die Verdunstung bei ihrem Abschlusse auch mit der richtigen Concentration
                              und Temperatur der Würze zusammentreffen müßte.
                           In Betreff des mechanischen Theiles können wir nur
                              Folgendes bemerken: Die Braupfanne müßte sich leicht in einen Vacuum-Apparat
                              umwandeln lassen und zwar durch einen glockenförmigen Deckel, welcher mit
                              Sicherheitsventilen versehen über der Braupfanne auf Ketten aufgehängt und im
                              Erforderungsfalle auf den glatten Rand der Pfanne luftdicht aufzuschrauben wäre.
                           Die Form der Braupfanne bliebe ungeändert. Als vortheilhaft könnten sich vielleicht
                              Braupfannen nach dem Muster der Vacuumpfannen in Zuckerfabriken erweisen. Sehr
                              geeignet scheint auch die Form der englischen Braupfannen für die Zwecke der Vacuums
                              zu seyn; jedoch könnte hierbei das Hopfenseihen eben wegen der eigenthümlichen Form
                              der Pfanne nicht in jener Modification auftreten wie wir es vorhin beschrieben
                              haben, und müßte daher wie gewöhnlich verfahren werden.
                           Erforderlich ist auch eine solche Einmauerung der Pfanne, daß kein rascher
                              Temperatur-Austausch zwischen der Würze und der äußeren Luft die Kühlung
                              erschwere. Die Nothwendigkeit von Beobachtungsgläsern und Kniethermometern an der
                              Braupfanne ist bereits erwähnt worden. Damit der Wasserzuschuß nach der Abkühlung
                              bei geschlossener Pfanne geschehen kann, müßte in dieselbe eine mit Hahn versehene
                              Wasserzuleitungsröhre einmünden, in welche sich die Kühlschlange leicht einschalten
                              ließe. Die Kühlschlange selbst wäre dann am besten auf einem Gestell, womöglich
                              etwas über der Braupfanne anzubringen. Alles übrige Geräth, wie Maischbottich,
                              Grand, der Pfaffe etc. bleibt hinsichtlich der Form und Lage ungeändert.
                           Nach der Theorie ergeben sich aus der Benutzung des Vacuums für die Bierbrauerei
                              folgende Vortheile:
                           1) Eine rasche Kühlung der Würze in der Braupfanne; Raumersparniß durch Beseitigung
                              der Kühlschiffe, welche wegen ihrer Flächenausdehnung eine bedeutende
                              Raumverschwendung veranlassen.
                           2) Einfache Manipulation, indem die Würze aus der Pfanne gleich in die Gährbottiche
                              gelangt.
                           
                           3) Beseitigung jeder Säuerungsgefahr der Würze, da dieselbe bis zu ihrer Abkühlung
                              von der Luft ausgeschlossen bleibt.
                           4) Verminderung des Eisverbrauches und
                           5) Ersparniß an Brennmaterial, falls das Vacuum auch zur Concentration der Würze
                              angewendet werden könnte.
                           Schwierig wäre es aber, die Abkühlung der Würze mit der richtigen Concentration in
                              Einklang zu bringen, ein Nachtheil, welcher in denjenigen Staaten an Bedeutung
                              verliert, wo sich die Besteuerung nicht an die Würze kehrt und dieselbe daher nicht
                              nach unwandelbaren Normen regulirt werden muß, sondern dem Gutdünken des Bräuers
                              überlassen ist.
                           Ich übergebe hiermit nach reiflicher Erwägung der Anwendbarkeit und Wirkungsweise des
                              Vacuums in der Bierbrauerei meinen Vorschlag dem Urtheile der Braukundigen mit der
                              Schlußbemerkung, daß nach der Begutachtung zweier bekannten
                              Bräuerei-Ingenieure in Prag eine Anwendung des Vacuums in dem hier
                              ausgesprochenen Sinne möglich und vielleicht auch nützlich wäre.
                           Der Beweis für oder gegen die Anwendbarkeit desselben muß der Mechanik und Praxis
                              anheimgestellt werden.