| Titel: | Verfahren zur Gewinnung von Benzol (Kohlenbenzin) und seinen Homologen aus Steinkohlenleuchtgas, von Friedr. Engelhorn, Heinrich Caro und Carl Clemm in Mannheim. | 
| Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. XC., S. 333 | 
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                        XC.
                        Verfahren zur Gewinnung von Benzol (Kohlenbenzin)
                           und seinen Homologen aus Steinkohlenleuchtgas, von Friedr. Engelhorn, Heinrich Caro und Carl Clemm in Mannheim.
                        Clemm, Verf. zur Gewinnung von Benzol aus
                           Steinkohlenleuchtgas.
                        
                     
                        
                           
                              „Bekanntlich enthalten die Producte der trockenen Destillation der
                                 Steinkohlen schwankende Mengen von Benzol und dessen Homologen (wie Toluol,
                                 Xylol, Cumol etc.). Die Quelle des jetzt im Handel vorkommenden Benzols war
                                 bisher stets der bei der Destillation der Steinkohlen erhaltene Theer, obgleich
                                 bekanntlich das Benzol sich auch durch Abkühlen oder Comprimiren des Leuchtgases
                                 oder durch Behandlung dieses letzteren mit verschiedenen Reagentien, namentlich
                                 mit Salpetersäure, Schwefelsäure, Chlor oder Brom, erhalten läßt.“
                              
                           
                              „Da sich in der Industrie das dringende Bedürfniß nach einer vermehrten
                                 Production von Benzol und seinen Homologen geltend machte, so stellten wir uns
                                 die Aufgabe, ein praktisches Verfahren zu ermitteln, um aus dem
                                 Steinkohlenleuchtgase die beträchtlichen Quantitäten dieser Producte zu
                                 gewinnen, welche sich darin mitgerissen befinden. Unseren Untersuchungen zufolge
                                 besteht das beste Mittel zu diesem Zwecke in der Anwendung von Substanzen,
                                 welche das Benzol und seine Homologen aufzulösen vermögen, ohne deren chemische
                                 Eigenschaften zu verändern; dahin gehören alle Steinkohlentheeröle (namentlich
                                 diejenigen deren Siedepunkt höher liegt als der des Benzols und Toluols), das
                                 Petroleum, die Schieferöle, die fetten Oele etc.“
                              
                           
                              „Das Verfahren zur Gewinnung jener Hydrocarbüre aus dem Leuchtgase
                                 mittelst der soeben bezeichneten Substanzen besteht einfach darin, daß man das
                                 Steinkohlengas mit diesen Lösungsmitteln in möglichst innige Berührung bringt;
                                 die Abscheidung geschieht hernach durch fractionirte Destillation. Nachdem diese
                                 Scheidung bewerkstelligt ist, kann das Lösungsmittel von Neuem zur Gewinnung von
                                 Benzol dienen, von welchem sich auf diese Weise beträchtliche Quantitäten
                                 extrahiren lassen.“
                              
                           
                              „Durch das auf dieses Verfahren von uns (in mehreren deutschen Staaten,
                                 Frankreich und England) genommene Patent reserviren wir uns also die Abscheidung
                                 des Benzols und seiner Homologen aus Steinkohlengas durch Anwendung aller zu
                                 diesem Zwecke geeigneten Lösungsmittel, und die Darstellung der auf diese Weise
                                 extrahirten Hydrocarbüre.“
                              
                           
                           Zur Würdigung der ganzen Wichtigkeit dieses Patentes muß man berücksichtigen, daß die
                              einzige Quelle zur Benzolgewinnung der Theer der mit Steinkohlen betriebenen
                              Gasanstalten ist. Die Menge des in diesem Nebenproducte enthaltenen Benzols beträgt
                              beinahe ein Procent. Da nun 100 Kilogr. Steinkohlen bei
                              der Leuchtgasfabrication im Durchschnitt 5 Procent Theer geben, so folgt, daß 100
                              Kilogr. Steinkohlen nur den hundertsten Theil von 5 Kilogr., also 5 Gramme Benzol
                              liefern. Wenden wir dieses Ausbringen auf die Fabrication der Pariser Gascompagnie
                              an, so finden wir, daß die 1000 bis 1200 Tonnen Kohle, welche in den Werken dieser
                              Gesellschaft täglich zersetzt werden, nur 600 Kilogr. Benzol erzeugen, welche in den
                              gewonnenen 60,000 Kilogr. Theer zurückgehalten werden.
                           Demnach muß das den genannten Chemikern patentirte Verfahren in der Benzolfabrication
                              eine vollständige Umwälzung bewirken. Es war zwar schon längst bekannt, daß das
                              Leuchtgas eine gewisse Menge von Benzol enthält, welches als Dampf von ihm
                              mitgerissen worden; bis jetzt hatte man sich von der Wichtigkeit dieser Thatsache
                              aber Nichts träumen lassen und es hat sogar, wie wir glauben, niemals Jemand daran
                              gedacht, jenes Benzol zu gewinnen, zu welchem Zwecke die Genannten das Gas durch
                              eine Schicht von Schweröl streichen lassen und dann das von dem letzteren
                              aufgenommene Benzol durch eine zweckentsprechende Destillation abscheiden. Die Menge
                              des Benzols, welche man durch diese Behandlung gewinnt, beträgt das zehnfache
                              Gewicht von der im Theer zurückgebliebenen, d.h. die Pariser Gesellschaft vermag bei
                              Anwendung des in Rede stehenden Verfahrens täglich 6000 Kilogr. Benzol, anstatt 600
                              Kilogr. zu gewinnen. Wir haben somit eine neue und außerordentlich reiche Quelle von
                              Benzol, an welche man bisher kaum dachte.
                           Wir müssen aber beifügen, daß dieses Benzol bei der Verbrennung des Gases auch eine
                              reiche Lichtquelle und es daher sehr fraglich ist, ob das Gas, wenn ihm sein Gehalt
                              an Benzoldämpfen entzogen wird, noch die gleiche Leuchtkraft besitzt. Sollte dieser
                              Umstand zu einem Hindernisse der Benzolgewinnung auf dem hier besprochenen Wege
                              werden, so ließe sich demselben vielleicht mit Vortheil dadurch abhelfen, daß man
                              die Benzoldämpfe durch die Dämpfe von Petroleumessenz ersetzt. Dieß könnte ohne
                              Schwierigkeit in der Art geschehen, daß man das Gas zunächst in einen Apparat
                              leitet, worin es mit Schweröl in Berührung kommt, welches sich darin continuirlich
                              im Zustande eines feinen Regens (durch Anwendung eines Zerstäubers) verbreitet.
                              Nachdem auf diese Weise dem Gase sein Benzolgehalt entzogen worden, müßte es
                              unmittelbar in einen zweiten Apparat treten, in welchem es sich mit Dampf von
                              Petroleumessenz sättigt,
                              indem letzteres gleich dem Schweröle in Form eines feinen Regens in den Apparat
                              gelangt. Unserer Ansicht nach würden auf diese Weise je 100 Kilogr. extrahirtes
                              Benzol durch je 100 Kil. Petroleumäther ersetzt werden können. Die Billigkeit des
                              letzteren und der hohe Preis des ersteren lassen dieses Verfahren als vortheilhaft
                              erscheinen. (Moniteur scientifique)