| Titel: | Untersuchungen zur Ermittelung der Gefährlichkeit des Dynamits beim Transport. | 
| Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. CXVIII., S. 490 | 
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                        CXVIII.
                        Untersuchungen zur Ermittelung der Gefährlichkeit
                           des Dynamits beim Transport.
                        Aus der schweizerischen polytechnischen
                                 Zeitschrift, 1869, Bd. XIV S. 89.
                        Mit Abbildungen.
                        Untersuchung des Robel'schen Dynamits dessen bezüglich
                           Gefährlichkeit beim Eisenbahntransport.
                        
                     
                        
                           Nachdem den Unterzeichneten am 26. April d. J. vom Präsidenten des schweizerischen
                              Schulrathes die Aufforderung zugegangen, auf Ansuchen des Hrn. Nationalraths v. Arx in Olten eine Untersuchung des Nobel'schen DynamitsWir verweisen auf Nobel's Abhandlung über das
                                    Dynamit im polytechn. Journal, 1868, Bd. CXC S. 124.A. d. Red. bezüglich dessen Gefährlichkeit beim Eisenbahntransport zu unternehmen, und
                              sich dieselben zur Uebernahme dieser Expertise bereit erklärt hatten, wurde theils
                              in einem Steinbruch in Dänikon, theils in der Eisenbahnwerkstätte in Olten, theils
                              in Zürich zu dem
                              gedachten Zweck eine Anzahl von Versuchen ausgeführt, über die im Folgenden Bericht
                              erstattet wird.
                           Es wurde zunächst von den Unterzeichneten, mit Bezug auf bereits anderweitig
                              vorliegende Versuche (polytechn. Journal Bd. CXCII S. 174) ein Programm für die
                              anzustellenden Versuche vereinbart, in dem alle die Umstände berücksichtigt waren,
                              welche möglicherweise eine Explosion des Dynamits ohne Anwendung von Zündkapseln zur
                              Folge haben können. Die Unterzeichneten glaubten aber außer der Feststellung der
                              unbeabsichtigten Explosionsgefahr die Frage nach der Kraft und Wirkungsweise der
                              Explosion mittelst Zünder in den Bereich der Versuche ziehen zu dürfen, um
                              gleichzeitig aus eigener Anschauung ein Urtheil über die Vorzüge, die das Dynamit
                              vor anderen Sprengmitteln hat, zu gewinnen. Es wurde daher vor ihren Augen unter der
                              Leitung des Hrn. Nationalraths v. Arx eine Anzahl von
                              Sprengungen ausgeführt, welche die außerordentliche Kraft und Wirksamkeit des
                              Dynamits auf das Evidenteste darlegten. Wenn gleich Resultate von Sprengungen mit
                              Dynamit mehrfach veröffentlicht sind, so glauben wir im Interesse aller der
                              Unternehmungen, bei denen Sprengungen nöthig sind, insbesondere der Tunnelbauten für
                              Eisenbahnzwecke zu handeln, wenn wir an dieser Stelle zunächst eine kurze
                              Zusammenstellung der Versuche geben, die zur Prüfung der Wirksamkeit des Dynamits
                              angestellt wurden, bevor wir die Versuche über die Explosionsgefahr des Dynamits
                              beim Transport anführen.
                           
                        
                           I. Versuche über die Wirkung des
                                 Dynamits bei Explosion durch Zündkapseln.
                           Bei den folgenden Versuchen erfolgte die Zündung stets durch Nobel'sche Zündkapseln; die Explosion erfolgte 2 – 4 Minuten
                              nachdem die Zündschnur am freien Ende angebrannt war.
                           
                              A. Sprengen von Felsen.
                              1. Im Steinbruch bei Dänikon (fester Jurakalk) war auf einer vertical abfallenden
                                 Felswand ein verticales Bohrloch geschlagen, 1,11 Meter tief und 3 Centimeter im
                                 Durchmesser.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 193, S. 491
                                 Die Entfernung des Bohrloches von der verticalen
                                    Felswand betrug 2,70 Meter, die Ladung im Bohrloch 2 1/2 Patronen; als
                                    Besatz wurde wie gewöhnlich Wasser angewendet. Der Felsriß durch die
                                    Explosion, etwa in der, in der beistehenden Figur gezeichneten Weise.
                                 
                              Die gelöste Masse betrug bei etwas zu starkem senkrechtem
                                 Auswurf circa 6,5 Kubikmeter. Die Wirkung wäre
                                 voraussichtlich bedeutender gewesen, wäre nicht die Entfernung AB zu groß gegen die Tiefe des Bohrloches
                                 gewesen.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 193, S. 492
                                 2. Bei einem zweiten Versuch war die Tiefe des Bohrloches 1,32 Met.;
                                    Durchmesser 3 Centimeter, Ladung 3 1/2 Patronen (gleich 42 Centimeter Höhe);
                                    Wasserbesatz. Die Sprengung geschah etwa in der in der Figur gezeichneten
                                    Form MNOP. Das Material wurde 3 Meter tief
                                    gelöst und die gelöste Masse enthielt circa 71
                                    Kubikmeter.
                                 
                              
                           
                              B. Sprengen von freiliegenden Felsblöcken.
                              3. In einem Granitblock vom Gotthardt, vom nicht ganz einem Kubikmeter Inhalt,
                                 war ein Bohrloch von etwa 20 Centimeter gebohrt; es wurde zur Hälfte mit Dynamit
                                 gefüllt. Bei der Explosion zersprang der Block in viele kleine Stücke, welche
                                 weit herumgeworfen wurden.
                              4. In einem festen Kalksteinblock von 96 Centimeter Länge, 66 Centimeter Höhe und
                                 90 Centimeter Breite war eine muldenartige Vertiefung von 15 Centimeter Länge,
                                 12 Centimeter Tiefe und 2 Centimeter Breite angebracht. In diese Vertiefung
                                 wurde eine Dynamit-Patrone der Länge nach eingelegt und mit Lehm bedeckt.
                                 Bei der Explosion zersprang der Stein in drei größere und viele kleinere
                                 Stücke.
                              
                           
                              C. Sprengen von Gußeisen.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 193, S. 492
                                 5. Ein massiver Eisencylinder von sehr gutem gleichmäßigem Guß, dessen
                                    Dimensionen aus der beistehenden Figur ersichtlich sind und dessen Gewicht
                                    nahe 2500 Kilogr. betrug, war mit 2 Bohrlöchern A und B versehen, deren Durchmesser
                                    21,5 Centimeter betrug und von denen A eine
                                    Tiefe von 32 Centimeter, B von 30 Centimeter
                                    hatte. Die Dynamitladung in A wurde 9
                                    Centimeter, diejenige in B 20 Centimeter hoch
                                    genommen. – Wasserbesatz. –
                                 
                              Beide Löcher waren mit Zündern versehen, jedoch wurde nur
                                 A angezündet: die Explosion fand auch nur in A statt, der Cylinder zersprang in drei Stücke, wie
                                 in der Figur angedeutet. Das Stück C, dessen Gewicht
                                 etwa 600 Kilogrm. betrug, wurde 6 Meter weit fortgeschleudert.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 193, S. 493
                                 Bei der Sprengung durch das zweite Bohrloch wurden die Stücke E und F jedes etwa 6
                                    Meter weit geworfen, und G rückwärts tief in den
                                    Boden getrieben. Die beiden Bohrlöcher waren im unteren Theil, wie an den
                                    Bruchstücken ersichtlich, durch die Explosion auf 32 Millimeter, also um
                                    10,5 Millimeter im Durchmesser erweitert.
                                 
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 193, S. 493
                                 6. Ein zweiter massiver Cylinder von Gußeisen von der in der beistehenden
                                    Figur gezeichneten Form und den eingeschriebenen Maaßen, hatte in der Mitte
                                    ein 19,5 Centimeter tiefes und 24 Millimeter weites Bohrloch. Dasselbe wurde
                                    7,5 Centimeter hoch mit Dynamit gefüllt. – Wasserbesatz. – Bei
                                    der Explosion wurde das Wasser ausgeworfen, gleichwohl erhielt der Cylinder
                                    einige Risse. Beim Abschießen einer zweiten, der ersteren gleichen Ladung
                                    wurde derselbe in zwei große und mehrere kleine Stücke getrennt. Das
                                    Bohrloch war auch hier unten auf 35 Millimeter Durchmesser erweitert und um
                                    5 Millimeter vertieft.
                                 
                              
                           
                              D. Sprengen von Schmiedeeisen.
                              7. Ein Stück eines großen schmiedeeisernen Ambosses, etwa 200 Kilogr. schwer,
                                 hatte ein 18 Centimeter tiefes und 21 1/2 Millimeter weites Bohrloch. Die Ladung
                                 wurde 6 Centimeter hoch genommen, mit Wasserbesatz. Der Eisenblock zersprang
                                 beim Abschießen in zwei Stücke.
                              
                           
                              E. Sprengen unter Wasser.
                              8. Eine Patrone mit einem Zünder an ein Bret befestigt und in den Fluß (die Aare)
                                 gelegt. Durch das Bret wurde die Patrone unter Wasser schwimmend erhalten. Nach
                                 Anbrennen der Zündschnur erfolgte Explosion unter Wasser, in Folge dessen
                                 dasselbe in einem dicken Strahl in bedeutende Höhe geworfen wurde. Auf einer
                                 größeren Fläche erfolgte ein Herabregnen von Wasser, welches mehrere Secunden
                                 anhielt.
                              Die Gesammtheit der vorstehenden Versuche beweist, daß das Dynamit dem
                                 Schießpulver und anderen Sprengmitteln an Kraft bedeutend überlegen ist und die
                                 Wirkungen desselben nur mit denen des Nitroglycerins zu vergleichen sind. Die
                                 allgemeine Einführung des Dynamits für Sprengungen in Steinbrüchen, Bergwerken
                                 und bei Tunnelbohrungen wäre demnach, wenn man von den Gefahren, die
                                 möglicherweise der Transport und die Lagerung des Sprengmittels bedingen können,
                                 zunächst absieht, als ein Fortschritt zu betrachten, durch den in bedeutendem
                                 Maaße Zeit und Geld gespart wird.
                              
                           
                        
                           II. Versuche zur Ermittelung der
                                 Explosionsgefahr des Dynamits.
                           Es wurde zunächst eine chemische Untersuchung der
                                 Dynamitpatronen und Zünder ausgeführt.
                           Von dem Material, welches in den von Nobel in Hamburg
                              verfertigten Patronen unter dem Namen Dynamit enthalten ist, wurde eine Quantität
                              mit starkem Alkohol ausgezogen. Aus 100 Gewichtstheilen ließen sich 76,6 ausziehen;
                              23,4 Proc. betrug der nicht gelöste, getrocknete und geglühte Rückstand. Die 76,6
                              Proc. ausgezogene Substanzen sind anscheinend nur Nitroglycerin; der feste Theil
                              erwies sich als röthlich-weiße erdige Masse, aus der durch Salzsäure etwas
                              Eisenoxyd, Kalkerde und Thonerde ausgezogen werden konnte, während der Rückstand
                              sich als wesentlich aus Kieselsäure bestehend erwies. Die mikroskopische
                              Untersuchung ergab, daß die ganze mineralische Beimengung eine Art Kieselguhr ist,
                              in welcher die Kieselpanzer von Algenarten, namentlich von Süßwasseralgen die
                              Hauptmasse bilden.
                           Der Zündsatz in den kupfernen Zündkapseln des Hrn. Nobel
                              ist Knallquecksilber. Da somit, wie auch Nobel angibt,
                              der für die Explosion wirksame Theil des Dynamits Nitroglycerin ist, und die übrigen
                              Bestandtheile nur die leichte Explosionsfähigkeit des Nitroglycerins verhindern
                              sollen, so war für die folgenden Versuche darauf hingewiesen, diejenigen Umstände
                              besonders in Betracht zu ziehen, unter denen das reine Nitroglycerin explodiren
                              kann.
                           Wir glauben nichts Wesentliches unberücksichtigt gelassen zu haben, wenn untersucht
                              wurde, ob das Dynamit explodiren kann:
                           
                              a) durch bedeutende
                                 Temperaturänderungen;
                              b) durch Wirkung intensiven
                                 Lichtes;
                              c) durch Stoß;
                              d) durch Elektricität.
                              
                           Eine letzte Möglichkeit der Explosion nämlich:
                           
                              e) durch Selbstzersetzung des Dynamits,
                                 ist wohl in Betracht zu zu ziehen, kann aber natürlich experimentell nicht
                                 ermittelt werden.
                              
                           
                              
                              A. Temperaturänderungen.
                              Temperaturänderungen können entweder indirect oder direct eine Explosion
                                 herbeiführen. Da nämlich das Nitroglycerin nur mechanisch an der festen
                                 beigemischten Substanz haftet, so könnte dasselbe bei Temperaturerhöhung
                                 abtropfen und das Abgetropfte alsdann als reines Nitroglycerin durch Stoß oder
                                 dergleichen explodiren. Es wurden daher 4 Gramme Dynamit eine Stunde lang in
                                 geschlossenem Gefäß der Hitze des Wasserdampfes ausgesetzt. Es schied sich dabei
                                 nichts Tropfbares ab und konnte auch keine Aenderung in der Consistenz der
                                 Substanz bemerkt werden. Die angedeutete indirecte Gefahr bei Temperaturerhöhung
                                 ist also nicht vorhanden und es konnten daher die weiter folgenden Versuche,
                                 z.B. die Entzündung durch Stoß, auf Beobachtungen bei gewöhnlicher Temperatur
                                 beschränkt werden. Durch Erniedrigung der Temperatur erhält das Dynamit
                                 ebenfalls keine neuen gefährlichen Eigenschaften; es wird bei niederer
                                 Temperatur, wie constatirt wurde, hart, und soll alsdann nach anderen Angaben,
                                 welche bei der jetzigen Sommertemperatur nicht wohl geprüft werden konnten,
                                 seine Explosionsfähigkeit ganz verlieren.
                              Um festzustellen, ob Dynamit direct durch bedeutende Temperaturerhöhung
                                 explodirt, wurde eine halbe der gewöhnlichen Nobel'schen Patronen in ein auf einem Eisenblech sich befindendes
                                 Kohlenfeuer gelegt. Das Dynamit brannte, wie schon mehrfach von Anderen
                                 nachgewiesen, langsam ohne jede Explosion ab.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 193, S. 495
                                 Es wurde sodann eine kleine Messinghülse, die etwa 50 Millimeter lang und 11
                                    Millimeter weit war (s. die beistehende Figur), mit Dynamit gefüllt und nach
                                    der Füllung mit einer Schraube aus Messing fest verschraubt. In das
                                    Kohlenfeuer geworfen, explodirte dieselbe nach etwa einer Minute mit starkem
                                    Knall; sämmtliche Kohlen waren fortgeschleudert. Eine gleiche Messingpatrone
                                    wurde mit Dynamit gefüllt, aber statt mit einer Schraube mit einem Kork
                                    verschlossen. Es erfolgte, als dieselbe auf ein Kohlenfeuer gelegt war,
                                    ebenfalls Explosion, welche aber weniger heftig war als im ersten Fall.
                                 
                              Hieraus ergibt sich:
                              Offenes, nicht fest eingeschlossenes Dynamit explodirt im Feuer nicht, sondern
                                 brennt langsam ab, so daß selbst bei einer Feuersbrunst in Räumen in denen
                                 Dynamit lagert, eine Explosion nicht zu fürchten ist.
                              
                              Dynamit dagegen, welches in einem Gefäße mit einiger Widerstandsfähigkeit
                                 eingeschlossen ist, kann im Feuer mit Kraft explodiren.
                              
                           
                              B. Wirkung des Lichtes.
                              Nach den angestellten Versuchen übt das Sonnenlicht einen Einfluß auf das Dynamit
                                 nur in Folge der wärmenden Strahlen der Sonne aus. Es gilt daher für die Wirkung
                                 intensiver Sonnenstrahlen dasselbe, was oben über directe Erwärmung angegeben
                                 ist. – Als eine Quantität Dynamit in dem Brennpunkt eines größeren
                                 Hohlspiegels oder einer Linse den Sonnenstrahlen ausgesetzt wurde, brannte es
                                 ohne merkliche Explosion mit schwachem Puffen ab. Nach den Versuchen unter A wäre fest eingeschlossenes Dynamit jedenfalls in
                                 dem Brennpunkt des Spiegels zur Explosion gekommen. In der Praxis, beim
                                 Transport oder Lagern des Dynamits kann indessen eine so energische
                                 Concentration und Intensität der Sonnenstrahlen, wie die oben benutzte, kaum je
                                 vorkommen und es ist daher eine Explosion durch die Sonnenwärme veranlaßt nicht
                                 zu befürchten.
                              
                           
                              C. Wirkung des Stoßes.
                              Einer der Hauptvorzüge des Dynamits vor dem Nitroglycerin soll darin bestehen,
                                 daß dasselbe viel weniger leicht oder überhaupt nicht durch Stoß explodirt. Zum
                                 Beweise hierfür sind mehrfach Versuche angestellt (s. polytechn. Journal Bd.
                                    CXCII S. 174). Man ließ z.B. Kisten mit Dynamit gefüllt aus großer Höhe auf den
                                 Boden fallen; dieselben zerbrachen, ohne daß eine Explosion eintrat.
                              Wir haben zu ermitteln gesucht, ob Dynamit überhaupt durch Stoß explodiren kann,
                                 wie stark etwa der zur Explosion nöthige Stoß seyn muß, und welche Umstände eine
                                 Explosion durch Stoß begünstigen oder hindern.
                              
                                 I. Stoß des Dynamits, wenn
                                       dasselbe fest in einer Kapsel eingeschlossen war.
                                 Da voraussichtlich fest eingeschlossenes Dynamit am leichtesten durch Stoß
                                    zur Explosion zu bringen war, so wurde eine Anzahl Patronen von Messingrohr
                                    angefertigt, von der Form, wie dieselbe bereits oben bei den Versuchen unter
                                    A gezeichnet ist. Die Länge betrug
                                    durchschnittlich 50 Millimet., der Durchmesser 11 Millimet.; dieselben
                                    faßten etwa 3 – 3 1/2 Gramme Dynamit. Ein Theil der Patronen hatte
                                    eine Wandstärke von 1 Millimet., der andere von nur 0,5 Millimet. Der
                                    Verschluß der
                                    gefüllten Patronen geschah entweder durch Einschrauben einer Schraube von
                                    Messing, oder durch Zustöpseln mit einem Kork.
                                 Um die Patronen einem energischen Stoß auszusetzen, wurden dieselben mittelst
                                    einer Windbüchse gegen eine senkrechte Felswand im Steinbruch in Dänikon
                                    geschossen. Die auf einem Block befestigte Windbüchse wurde mittelst einer
                                    Schnur abgezogen. Die Entfernung ihrer Mündung von der Felswand war 13,2
                                    Meter und die Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses, welche in Zürich mit
                                    einem Hipp'schen Chronoskop bestimmt wurde,
                                    betrug im Mittel 40 Meter.
                                 Es wurden folgende fünf Versuche gemacht:
                                 1. Eine dickwandige Patrone mit Dynamit gefüllt und mit einem Messingstöpsel
                                    verschraubt, wurde abgeschossen. Beim Anschlagen an den Felsen fand keine
                                    Explosion statt. Die wieder aufgefundene Patrone war verstaucht und zeigte
                                    mehrere starke Eindrücke.
                                 2. Eine gleiche dickwandige Patrone mit Dynamit und mit einer Nobel'schen Zündkapsel gefüllt, explodirte beim
                                    Anschlagen an den Felsen.
                                 3. Eine dünnwandige Patrone mit Dynamit gefüllt und mit einem Kork
                                    zugestöpselt, explodirte beim Anschlagen an den Fels. Ein zerrissenes Stück
                                    der Patronenwandung wurde aufgefunden.
                                 4. Derselbe Versuch nochmals wiederholt, gab gleichfalls Explosion.
                                 5. Eine dickwandige Patrone mit Messingstöpsel verschraubt, traf zweimal den
                                    Fels nicht, sondern einen darunter befindlichen Schutthaufen. Beim dritten
                                    Schuß mit der gleichen Patrone wurde der Fels getroffen, ohne daß Explosion
                                    erfolgte.
                                 Die Schußkraft der Windbüchse, welche während der Versuche nicht ausgeladen
                                    war, war bei den letzten Versuchen wesentlich geringer als bei den
                                    ersten.
                                 Der Versuch Nr. 2 ließ mit Bestimmtheit eine Explosion erwarten und war für
                                    die Untersuchung eigentlich unnöthig; es sollte durch denselben auch nur
                                    constatirt werden, daß der Stoß gegen den Felsen stark genug war, um beim
                                    Knallquecksilber, welches sich in den Zündkapseln befindet, Explosion
                                    hervorzurufen.
                                 Aus den übrigen Versuchen aber, bei denen sich nur Dynamit in den Patronen
                                    befand, muß der Schluß gezogen werden:
                                 Daß völlig fest eingeschlossenes Dynamit durch einen hinreichend starken Stoß
                                    explodiren kann. Die Intensität des Stoßes muß aber eine ziemlich bedeutende
                                    seyn, wie daraus folgt, daß die dickwandigen Patronen, welche in Folge ihres
                                    Gewichtes eine geringere Fluggeschwindigkeit hatten, nicht
                                    explodirten, trotzdem daß dieselben durch den Stoß stark beschädigt
                                    wurden.
                                 
                              
                                 II. Wirkung des Stoßes, wenn das
                                       Dynamit nicht fest eingeschlossen ist.
                                 8 Gramme Dynamit wurden in Olten auf dem Hofe einer Maschinenbauanstalt auf
                                    eine Platte von Gußeisen gelegt; auf dasselbe ließ man einen Eisencylinder
                                    von 550 Kilogr. Gewicht aus 1 Meter Höhe fallen. Es erfolgte Explosion mit
                                    starkem Knall. Aehnliche Versuche in kleinerem Maaßstabe wurden in Zürich in
                                    folgender Weise angestellt. Ein cylindrischer Klotz von Schmiedeeisen 11,5
                                    Kilogr. schwer, hieng vertical an einer über eine Rolle laufenden Schnur.
                                    Durch Aufziehen zu bestimmter Höhe und Loslassen der Schnur konnten durch
                                    den Klotz auf verschiedene Unterlagen Stöße von verschiedener Intensität
                                    ausgeübt werden.
                                 Als Unterlagen wurden eine Gußeisenplatte, eine Sandsteinplatte und ein
                                    starkes Bret von Buchenholz benutzt.
                                 Die Resultate waren die folgenden:
                                 
                                    a. Gußeisenplatte als Unterlage.
                                    
                                       1) I Grm. Dynamit wurde auf die Platte gelegt.
                                          Fallhöhe des Eisencylinders 1 Meter. Es fand Explosion statt.
                                       2) 2 Grm. Dynamit. Fallhöhe 50 Centimet. Explosion
                                          mit starkem Knall.
                                       3) 2 Grm. Dynamit. Fallhöhe 50 Centimet. Keine
                                          Explosion.
                                       4) Dasselbe Material, welches durch den Stoß stark
                                          zusammengequetscht war, wurde mit einem Messer wieder aufgelockert.
                                          Fallhöhe 20 Centimet. Explosion.
                                       5) 2 Grm. Dynamit. Fallhöhe 12 1/2 Centimet.
                                          Explosion.
                                       6)    „            „            
                                          „      
                                          6   Centimet. Keine Explosion.
                                       7)    „            „            
                                          „      
                                          7          „        
                                          „          
                                          „
                                       8) Dasselbe Material aufgelockert. Fallhöhe 7
                                          Centimet. Keine Explosion.
                                       9) Dasselbe Material aufgelockert. Fallhöhe 8
                                          Centimet. Explosion.
                                       
                                    
                                 
                                    b. Sandsteinplatte als Unterlage.
                                    In jedem der folgenden Versuche wurden etwa 2 Grm. Dynamit benutzt.
                                    
                                       10) Fallhöhe 1,20 Meter. Explosion.
                                       11)      „       
                                          50 Centimet. Keine Explosion.
                                       12) Dasselbe Material. Fallhöhe 50 Centimet. Keine
                                          Explosion.
                                       13) Dasselbe Material. Fallhöhe 1 Meter. Keine
                                          Explosion.
                                       14) Dasselbe Material aufgelockert. Fallhöhe 1 Meter.
                                          Keine Explosion.
                                       
                                    
                                 
                                    c. Bret von Buchenholz (40 Millimeter dick) als
                                          Unterlage.
                                    
                                       15) 1 Grm. Dynamit. Fallhöhe 1 Meter. Keine
                                          Explosion.
                                       16) Dasselbe Material aufgelockert. Fallhöhe 1 Met.
                                          Keine Explosion.
                                       17) 1 1/2 Grm. schon gequetschtes Material. Fallhöhe
                                          1 Met. Keine Explosion.
                                       18) Dasselbe Material mit 25 Centimet. Fallhöhe;
                                          wiederholt geklopft. Keine Explosion.
                                       19) Deßgleichen mit 50 Centimet. Fallhöhe; wiederholt
                                          geklopft. Keine Explosion.
                                       
                                    Aus den sämmtlichen Stoßversuchen folgt:
                                    Offenes Dynamit kann durch Stoß explodiren, wenn es sich beim Stoß
                                       zwischen zwei sehr harten Körpern, wie Eisen, befindet; für die
                                       Explosion ist aber nothwendig, daß die Intensität des Stoßes nicht unter
                                       eine gewisse Grenze sinkt. Erfolgt der Stoß zwischen Stein und Eisen, so
                                       gelingt es nur in den seltensten Fällen eine Explosion hervorzurufen,
                                       und erfolgt der Stoß zwischen Holz und Eisen, so tritt überhaupt,
                                       wenigstens in den Grenzen der Versuche, keine Explosion ein.
                                    Zu ganz dem gleichen Resultate führten Versuche mit kleinen Quantitäten
                                       Dynamit, auf welche kräftige Hammerschläge geführt wurden. Kleine Mengen
                                       Dynamit, deren Volumen zwischen der Größe eines Stecknadelknopfes und
                                       einer Erbse variirte, konnten auf einem eisernen Amboß mit einem
                                       Hammerschlage sicher zur Explosion gebracht werden. Auf einem
                                       Sandstein-, Cement- oder Holzboden gelang es nie mit einem
                                       Hammerschlage Explosion hervorzurufen. Es konnte auf einem Stein-
                                       und Holzboden sogar eine Quantität Dynamit anhaltend mit einem Hammer
                                       geschlagen, oder unter energischem Drucke mit demselben oder einem
                                       anderen eisernen Instrumente gerieben werden, ohne daß Explosion
                                       erfolgte.
                                    
                                 
                              
                           
                              D. Wirkung der Elektricität auf Dynamit.
                              Um festzustellen, ob Dynamit bei einem Gewitter und wenn dasselbe vom Blitz
                                 getroffen wird, besondere Gefahr bedingt, ließ man durch Dynamit elektrische
                                 Funken schlagen.
                              
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 193, S. 500
                                 Ein Glasrohr, etwa 60 Millimet. lang und 18 Millimet. im Durchmesser, wurde
                                    an einem Ende mit einem Kork fest verschlossen, durch den zwei einander nahe
                                    stehende Kupferdrähte isolirt geführt wurden. Nachdem die Röhre dann etwa 25
                                    Millimet. hoch mit Dynamit gefüllt war, wurde das andere Ende ebenfalls mit
                                    einem Kork fest verschlossen. Eine große Leydner Flasche wurde dann durch
                                    die Patrone hindurch entladen, so daß der Funke zwischen den beiden Drähten
                                    durch das Dynamit gehen mußte. Es erfolgte keine Explosion und es war
                                    überhaupt keine Aenderung an der Patrone nach der Entladung sichtbar.
                                    Derselbe Versuch wurde noch zweimal mit dem gleichen Erfolg wiederholt.
                                 
                              Durch eine gleiche Patrone ließ man sodann die Entladungsfunken eines
                                 Inductionsapparates gehen. Nachdem mehrere Funken durch das Dynamit gegangen
                                 waren, wurde ein schwaches Puffen vernommen. Es zeigte sich, daß der vordere
                                 Kork aus der Glasröhre, welche selbst unbeschädigt geblieben, herausgeschleudert
                                 war; ein Theil des Dynamits war außerdem abgebrannt, der größere Theil befand
                                 sich noch unverändert in der Glasröhre.
                              Dasselbe Resultat ergab sich bei einem zweiten Versuch. Starke elektrische Funken
                                 rufen also keine explosive Zersetzung des Dynamits hervor; nur wenn durch
                                 mehrere Funken eine starke Erwärmung eintritt, geht eine langsame theilweise
                                 Verbrennung vor sich. Daß der starke Entladungsfunke einer Leydner Flasche
                                 durchaus keine Wirkung hatte, dürfte seinen Grund darin haben, daß das Dynamit
                                 Elektricität von großer Spannung hinreichend leitet, so daß ein continuirlicher
                                 Uebergang der Elektricität ohne Funken stattfindet.
                              Es wurde schließlich auch noch versucht, ob eine Explosion einträte, wenn durch
                                 das Dynamit ein dünner Draht gezogen ist, der durch einen elektrischen Strom zum
                                 Glühen gebracht wird. In einer der oben angewandten ähnlichen Glaspatrone wurden
                                 zwischen die beiden Kupferdrähte ein dünner Eisendraht gezogen, der sich also
                                 innerhalb des Dynamits befand. Beim Glühen desselben durch einen hinreichend
                                 starken Strom, wurde dasselbe beobachtet, wie bei Benutzung der
                                 Inductionsfunken. Der eine Kork wurde mit schwachem Puffen aus der Glasröhre
                                 herausgeworfen, ein Theil des Dynamits war verbrannt, der größere Theil
                                 unversehrt. Der Strom war hinreichend stark gewesen um den Eisendraht
                                 durchzubrennen.
                              
                           
                        
                           
                           Schlußfolgerungen aus den gesammten
                                 Versuchen.
                           Die mitgetheilten Versuche gewähren einen ziemlich klaren Einblick, so weit sich ein
                              solcher durch Versuche überall gewinnen läßt, über die Explosionsgefahren, denen das
                              Dynamit im Allgemeinen und speciell beim Transport ausgesetzt ist, und berechtigen
                              zu den folgenden Schlüssen:
                           Temperaturänderungen, starke Hitze, selbst directes Feuer bedingen keine
                              Explosionsgefahr des Dynamits, wenn letzteres sich nicht in Räumen von bedeutender
                              Widerstandsfähigkeit fest eingeschlossen befindet. Auf Bahnen oder in Lagerräumen
                              kann dasselbe daher ohne Gefahr von Funken getroffen werden oder dem Feuer
                              ausgesetzt seyn, wenn nur die Vorschrift inne gehalten wird, daß das Material nicht
                              in metallenen oder sonst sehr festen Behältern hermetisch eingeschlossen ist.
                           Ebensowenig wie Feuer, rufen intensive concentrirte Sonnenstrahlen bei nicht fest
                              eingeschlossenem Dynamit eine Explosion hervor.
                           Gefahr der Explosion durch Stoß ist entschieden vorhanden, wenn das Dynamit mit
                              starker Intensität zwischen zwei metallenen Körpern gestoßen wird. Ob ein solcher
                              Stoß beim Transport vorkommen kann, muß dahingestellt bleiben. Die einmaligen oder
                              wiederholten Stöße, denen in Kisten verpacktes Dynamit beim Ein- und Umladen,
                              bei der Fahrt auf Bahnen oder Rollwagen unter gewöhnlichen Umständen ausgesetzt ist,
                              dürften kaum je im Stande seyn eine Explosion zu erzeugen. Zu bemerken ist dabei
                              nur, daß natürlich die kupfernen Zünder, welche durch Stoß explodiren können, aber
                              in Folge der geringen Menge Zündsatz keine große Gefahr bedingen, nie mit dem
                              Dynamit in einer Kiste zusammen transportirt werden dürfen; eine Vorsicht, die wohl
                              immer eingehalten wird.
                           Gewitter und Blitzschläge endlich bringen keine besondere und wesentliche Gefahr für
                              das Dynamit. Soweit man aus den Versuchen im Kleinen auf die großen elektrischen
                              Entladungen bei Gewittern schließen kann, wird nicht fest eingeschlossenes Dynamit,
                              wenn dasselbe von einem Blitz getroffen wird, ohne Explosion abbrennen. Befindet
                              sich das Dynamit in einem festen, völlig verschlossenen Behälter, und tritt durch
                              den Blitz eine hinreichende Temperaturerhöhung ein, so kann natürlich auch Explosion
                              erfolgen.
                           Außer den durch Versuche zu ermittelnden Explosionsgefahren bleibt schließlich noch
                              diejenige zu berücksichtigen, welche oben unter e
                              angeführt wurde, nämlich die Selbstzersetzung mit Explosion. Wie bei manchem anderen
                              Körper tritt beim Nitroglycerin zuweilen eine plötzliche Selbstzersetzung ein, d.h.
                              eine Explosion ohne nachweisbare Ursache. Da der Hauptbestandtheil des Dynamits
                              Nitroglycerin ist, so liegt die Besorgniß nahe, daß auch das Dynamit der Gefahr der
                              Selbstzersetzung unterliegt. Es ist indessen den Unterzeichneten nicht bekannt, daß
                              seit der Anwendung des Dynamits ein Fall von spontaner Explosion vorgekommen sey. Es
                              scheint demnach, als ob der Umstand, daß im Dynamit das Nitroglycerin mit einer
                              festen Substanz gemischt ist, eine explosive Selbstzersetzung verhindere, und wenn
                              eine spontane Zersetzung überhaupt erfolgt, dieselbe langsam und allmählich vor sich
                              geht. Jedenfalls darf ebensowenig wie eine explosive Selbstzersetzung des Dynamits
                              bestritten werden kann, dieselbe behauptet, und als Explosionsgefahr beim Transport
                              hingestellt werden, so lange keine entschiedenen derartigen Fälle beobachtet
                              sind.
                           Indem die Unterzeichneten ihr Gutachten über die Explosionsgefahr des Dynamits beim
                              Transport auf die vorstehenden Schlußfolgerungen beschränken, glauben sie nach
                              denselben doch mit Bestimmtheit aussprechen zu dürfen, daß beim Transport unter
                              geeigneten, oben angedeuteten Vorsichtsmaßregeln, das Dynamit in jeder Hinsicht viel
                              weniger der Gefahr einer Explosion ausgesetzt ist, als das früher an Stelle
                              desselben benutzte und versandte Nitroglycerin.
                           Zürich, den 27. Juni 1869.
                           Dr. P. Bolley, Prof.,Carl Pestalozzi,Dr. A. Kundt,
                              Prof.