| Titel: | Theorie der Dampfmaschine unter Zugrundelegung der Pambour'schen Annahme betreffs des expandirenden Dampfes und der Wiebe'schen Coefficienten für die Navier'sche Formel; von H. Haedicke, Marine-Ingenieur in Kiel. | 
| Autor: | H. Haedicke | 
| Fundstelle: | Band 198, Jahrgang 1870, Nr. I., S. 1 | 
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                        I.
                        Theorie der Dampfmaschine unter Zugrundelegung
                           								der Pambour'schen Annahme
                           								betreffs des expandirenden Dampfes und der Wiebe'schen Coefficienten für die Navier'sche Formel; von H. Haedicke, Marine-Ingenieur
                           								in Kiel.
                        (Schluß der Abhandlung in Bd. CXCVI S. 377, erstes
                           								Juniheft 1870.)
                        Mit Abbildungen.
                        Haedicke, Theorie der Dampfmaschine.
                        
                     
                        
                           C. Die
                                 										verdampfte Wassermenge.
                           
                              1. Verdampftes Wasser pro
                                 										Hub.
                              Unter Anwendung unserer früheren Bezeichnungen und mit Berücksichtigung des
                                 										schädlichen Raumes berechnet sich das Volumen Dampf pro Hub, v, gemessen bei dem als constant
                                 										angenommenen Druck p vor Eintritt der Expansion
                              v = πD²/4 (H ε + η)
                              oder, wenn wir für den schädlichen Raum die Zahl ρ einführen, welche angibt, den wievielsten
                                 										Theil des Hubes derselbe repräsentirt, wenn er in der Form eines Cylinders mit
                                 										dem Durchmesser D gedacht wird, d.h. wenn η = H/ρ:
                              4)    v =
                                 											πD²/4 H (ε + 1/ρ)
                              Bezeichnet ferner γ das Gewicht der
                                 										Kubikeinheit Wasser, μ = m/(n + p) das specifische
                                 										Volumen des Dampfes von der Spannung p, dann ist
                                 										obiger Ausdruck mit γ/μ = (γ . (n + p))/m zu multipliciren, um aus demselben das Gewicht w des pro Hub
                                 										verdampften Wassers zu erhalten.
                              Ziehen wir alsdann sämmtliche Konstanten zu der einen C₁ zusammen, und setzen wir für ρ, da es nur auf Vergleichsrechnungen ankommt, = 0,05, für n, wie früher, 0,25, so entsteht schließlich die
                                 										Formel
                              IV)   w = C₁D²H (ε + 0,05) (p + 0,25)
                              für das Gewicht in Pfunden oder Kilogrammen des pro Hub verdampften Wassers, wo D und H in Fußen oder
                                 										Metern, p in Atmosphären einzusetzen sind. Die
                                 										Konstante C₁ berechnet sich alsdann zu:
                              
                                 
                                    C₁ =
                                    
                                       
                                       
                                    für rhein. Maaß:für engl. Maaß:für franz. Maaß:
                                    0,02430,02450,393
                                    
                                 
                              
                           
                              2. Verdampftes Wasser pro
                                 										Pferd und Stunde.
                              Die eben entwickelte Formel würde anzuwenden seyn zur Berechnung der Speisepumpe.
                                 										Der Werth derselben wird mit der entwickelten Leistung variiren und ist daher
                                 										für den Ueberblick nur von geringer Bedeutung. Anders ist es mit dem nunmehr zu
                                 										betrachtenden Werthe des pro Pferd und Stunde
                                 										verdampften Wassers, welcher direct gestattet, scharfe Vergleiche
                                 										anzustellen.
                              Gehen wir auf den allgemeinen Ausdruck für den Wasserverbrauch pro Hub zurück, so erhalten wir zunächst mit Hülfe
                                 										desselben und unter Hinzuziehung des Werthes N für
                                 										die Umdrehungen pro Minute:
                              Der gesammte Wasserverbrauch in Gewichtseinheiten pro
                                 										Stunde
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 198, S. 2
                                 
                              Bei derselben Maschine drückt sich der Werth für die unter denselben Umständen
                                 										entwickelten Pferdestärken aus durch:
                              P = C
                                 										. H . D² . N (p₀ – a)
                              und hieraus ergibt sich:
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 198, S. 2
                                 
                              Setzen wir diesen Werth in den für w₁
                                 										erhaltenen Ausdruck ein, und vereinigen wir wieder sämmtliche vorkommende
                                 										Constanten in der einen C₂ so ist sie für die
                                 										gesammte Kraftentwickelung und Stunde:
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 198, S. 2
                                 
                              Mithin erhalten wir
                              das Gewicht des verdampften Wassers pro Pferd und
                                 										Stunde (in Pfunden resp. Kilogrammen):
                              
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 198, S. 3
                                 
                              Die Constante C₂ berechnet sich nunmehrBei Berechnung dieser Constanten C₂
                                       												thut man gut, die Größe C in ihrer
                                       												aufgelösten Form einzuführen. – Die hier erhaltenen Werthe für
                                       													C₂ sollten eigentlich in dem
                                       												Verhältnisse: Pfund rhein. zum Pfund englisch zum Kilogrm. stehen. Sie
                                       												sind jedoch unter Zugrundelegung der officiell gebräuchlichen Zahlen: 14
                                       												Pfd. rhein. pro Quadratzoll rhein., 15 Pfd.
                                       												engl. pro Quadratzoll engl., 10334 Kilogr.
                                       													pro Quadratmeter für eine Atm., und der
                                       												Werthe 480 Sec. Fußpfd. rhein., 550 Sec. Fußpfd. engl. und 75 Sec.
                                       												Kilogr. für eine Pferdestärke berechnet. Außerdem sind diese Werthe mit
                                       												1000 multiplicirt, dafür die in der nachfolgenden Tabelle enthaltenen
                                       												mit 1000 dividirt, um beide bequemer zu machen.
                                 									
                              
                                 
                                    C₂ =
                                    
                                       
                                       
                                    für rhein. Maaß:für engl. Maaß:für franz. Maaß:
                                    52,92057,00626,127
                                    
                                 
                              Diese Formel zeigt, daß der Wasserverbrauch pro Pferd
                                 										und Stunde auch bei gleichbleibender Kraftentwickelung noch abhängig ist von dem
                                 										Füllungsgrade.
                              Um nun diese wichtige Zahl, den Wasserverbrauch pro
                                 										Pferd und Stunde, welche so direct den Werth einer Dampfmaschinen-Anlage
                                 										erkennen läßt, in ihrem Steigen und Fallen besser verfolgen zu können, ist die
                                 										nachfolgende Tabelle berechnet.
                              Aus derselben läßt sich der Werth für
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 198, S. 3
                                 
                              für verschiedene Füllungsgrade (ε) und anfängliche Spannungen (p),
                                 										diese in Atm. ausgedrückt, entnehmen. Da es eben nur auf den Vergleich ankommt,
                                 										und weniger der absolut richtige Werth für jedes
                                 										einzige Verhältniß verlangt werden wird, so sind für die Größen ρ und a
                                 										beziehungsweise die Werthe 0,05 und 0,2 eingeführt worden. Der jedesmalige Werth
                                 										für μ ist der Zeuner'schen Tabelle für gesättigte Wasserdämpfe entnommen.
                              
                              Tabelle für den Wasserverbrauch pro Pferd und Stunde.
                              Die Werthe dieser Tabelle, mit den Constanten 52,920 (preuß.), 57,006 (engl.)
                                 										oder 26,127 (franz.) multiplicirt, ergeben sofort den Wasserverbrauch pro Pferd und Stunde für den betreffenden
                                 										Anfangsdruck (p) und Füllungsgrad (ε).
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 198, S. 4
                                 Werthe für den Füllungsgrad
                                    											ε; Anfangs-Spannung p in Atm.; num; log; Logarithmen der
                                    											Constanten; preuß. Maaß; engl. Maaß; franz. Maaß
                                 
                              
                              Für Maschinen ohne Condensation oder überhaupt mit einem anderen Gegendruck a₁ multiplicire man die Werthe dieser Tabelle
                                 										mit p₀ – 0,2 und dividire sie mit p₀ – a₁. Es gibt also zu gleicher Zeit der Ausdruck (p₀ – 0,2)/(p₀ – a₁) relativen
                                 										Werth der Maschine mit dem Gegendruck a₁, zu
                                 										dem der Condensationsmaschine gleicher Leistungsfähigkeit mit dem Gegendruck a = 0,2 an. Der Werth p₀ ist der in der ersten Abhandlung (Seite 384) mitgetheilten
                                 										Tabelle zu entnehmen.
                              1. Beispiel. Eine Maschine mit Condensation arbeite
                                 										mit einem anfänglichen Dampfdruck von 2 Atm. und einem Füllungsgrad = 0,7. Es
                                 										ist der Wasserverbrauch pro Pferd und Stunde zu
                                 										bestimmen (rhein. Maaß).
                              Auflösung. Die vorstehende Tabelle ergibt für die
                                 										Argumente p = 2, ε = 0,7 die Zahl 0,525. Diese mit 52,92 multiplicirt ergibt:
                                 										Wasserverbrauch pro Pferd und Stunde: 27,81 Pfd.
                              2. Beispiel. Dieselbe Kraftentwickelung soll von
                                 										obiger Maschine unter respective sonst gleichen Umständen bei einer Füllung =
                                 										0,2 geleistet werden. Wie viel Wasser wird alsdann verdampft?
                              Auflösung. Es ist zunächst der anfängliche Dampfdruck
                                 										zu berechnen, welcher bei dem Füllungsgrad von 0,2 denselben mittleren Druck
                                 										angibt, wie der oben angenommene anfängliche Dampfdruck p = 2 mit dem Füllungsgrad ε = 0,7.
                                 										Die Tabelle (Seite 384) für den mittleren Dampfdruck gibt für die Argumente p = 2, ε = 0,7
                                 										die Zahl p₀ = 1,87. Aus diesem mittleren
                                 										Druck berechnet sich mit dem Füllungsgrad 0,2 der anfängliche Dampfdruck (durch
                                 										Interpolation oder aus der Formel) p = 3,44, d.h. es
                                 										muß der Maschine der Dampf in der absoluten Spannung von 3,44 Atm. hinzugeführt
                                 										werden, damit sie bei einer Füllung von 0,2 dieselbe Arbeit leiste, wie mit der
                                 										anfänglichen Spannung von 2 Atm. und 0,7 Füllung. Nunmehr ist aus der letzten
                                 										Tabelle (Seite 4) für die Argumente ε = 0,2,
                                 											p = 3,44 die Zahl (durch Interpolation) zu
                                 										entnehmen. Sie beträgt: 0,30065. Diese mit 52,92 multiplicirt gibt:
                                 										Wasserverbrauch pro Pferd und Stunde: 15,91 Pfd.
                              Es wird also durch Anwendung von hoher Expansion bei derselben geleisteten Arbeit
                                 										nur 0,55mal so viel Wasser verdampft, also auch 0,55mal so viel Kohle verbraucht
                                 										als bei Anwendung von großer Füllung mit entsprechend niedrigerem
                                 										Dampfdruck.
                              3. Beispiel. Eine Hochdruckmaschine ohne Condensation
                                 										mit 4 Atm. absoluter Eintrittsspannung arbeite mit 0,2 Füllung. Wie viel Kohlen
                                 										verbraucht dieselbe pro Pferd und Stunde, wenn die
                                 										effective Heizkraft derselben zu 5000 Calorien angenommen wird, und von anderen
                                 										Verlusten abgesehen werden soll? (rhein. Maaß.)
                              
                              Auflösung. Der Wasserverbrauch für p = 4 und ε = 0,2
                                 										ergibt sich pro Pferd und Stunde in der Größe von
                                 											W = 0,281. 52,92 multiplicirt mit dem
                                 										Coefficienten (p₀ – 0,2)/(p₀ – 1,07), wo p₀ der Tabelle für den mittleren Druck (S. 384) unter den
                                 										Argumenten p = 4 und ε = 0,2 zu entnehmen ist. Derselbe findet sich zu 2,19.
                              Mithin ist der Wasserverbrauch in Pfunden pro Pferd
                                 										und Stunde:
                              W = 0,281 . 52,92 . (2,19
                                 										– 0,2)/(2,19 – 1,07)
                              Nehmen wir nun die Anfangstemperatur des Speisewassers t = 15° C. an, so ergibt sich für die Wärmemenge in Calorien,
                                 										welche zu der Ueberführung des Wassers W von dieser
                                 										Temperatur t in Dampf verwendet worden ist:
                              = 0,281 . 52,92 . 1,99/1,12 (640 – 15) Cal.,
                              mithin ist das Gewicht der pro Pferd und Stunde
                                 										verbrannten Kohlen:
                              K = 0,281 . 1,99/1,12 . (52,92 .
                                 										625)/5000
                              K = 3,303 Pfund.
                              4. Beispiel. Es soll dieselbe Maschine bei denselben
                                 										Umdrehungen dieselbe Leistung ergeben. Es werde aber der mit der Spannung von 4
                                 										Atm. zutretende Dampf durch Drosseln auf die Eintrittsspannung von 2,5 Atm.
                                 										gebracht.
                              Wie viel Kohle pro Pferd und Stunde braucht die
                                 										Maschine unter den genannten Verhältnissen?
                              Auflösung. Zunächst ist derjenige Füllungsgrad zu
                                 										bestimmen, bei welchem die Maschine mit der Eintrittsspannung von p = 2,5 Atm. denselben mittleren Druck (p₀ = 2,19) empfängt.
                              Dieser Füllungsgrad wird entweder aus der Tabelle für den mittleren Druck (S.
                                 										384) durch Interpolation, oder aus der Formel 1 der ersten Abhandlung (Seite
                                 										383) zu ε₁ = 0,589 erhalten.
                              Nunmehr ergibt die vorstehende Tabelle für den Wasserverbrauch (Seite 4) für die
                                 										Argumente p = 2,5 und ε = 0,589 den Werth 0,4625. Diese Zahl wäre nun wieder auf oben
                                 										gezeigte Weise zunächst für den Gegendruck a₁
                                 										= 1,07 und dann auf den Kohlenverbrauch zu reduciren. Alle diese
                                 										Reductionszahlen bleiben aber dieselben, so daß es nur auf die beiden der
                                 										letzten Tabelle direct entnommenen Zahlen für den Wasserverbrauch pro Pferd und
                                 										Stunde ankommt.
                              Diese Stichzahl war im ersten Falle (p = 4; ε = 0,2) = 0,281, im zweiten Falle (p = 2,5; ε =
                                 										0,589) = 0,4625, mithin muß der Kohlenverbrauch im zweiten Falle 0,4625/0,281 =
                                 										1,64mal so viel betragen wie unter den erstgenannten Verhältnissen. Die Maschine
                                 										braucht mithin bei derselben Leistung wie zu Anfang 3,303 . 1,64 = 5,42 Pfd.
                                 										Kohle pro Pferd und Stunde.
                              Beträgt nun vielleicht der Cylinder-Durchmesser der betreffenden Maschine
                                 										1 Fuß, der Hub = 2,5 Fuß, und macht dieselbe pro
                                 										Minute 40 Umdrehungen, so würden die von derselben geleisteten theoretischen
                                 										Pferdestärken betragen:
                              P = 0,11 . 2,5 . 40 . (2,19
                                 										– 1,07)
                              P = 12,32.
                              Die Maschine würde also pro Stunde verbrauchen:
                              im ersten Falle (p = 4; ε = 0,2) 40,78
                              im zweiten Falle (p = 2,5; ε = 0,588) 66,88,
                              d.h. es entsteht ein ganz unmotivirter Verlust von circa 26 Pfd. Kohle pro
                                 										Stunde, welcher bei 10 Stunden täglicher Arbeitszeit und 300 Arbeitstagen im
                                 										Jahr zu der nicht zu unterschätzenden Quantität von 780 Ctr. anwächst, während
                                 										die ganze Maschine überhaupt nur circa 1223 Ctr. pro Jahr braucht.
                              Bei der in obigen Beispielen angenommenen kleinen (12pferdigen) Maschine frappirt
                                 										der durch unrichtige Verwendung des Dampfes entstandene Verlust mehr durch den
                                 										Vergleich mit dem wirklich nothwendigen Verbrauch, als durch die absolute Größe.
                                 										Anders stellt es sich bei den mächtigen Maschinen unserer Seedampfschiffe, und
                                 										wollen wir daher ein ferneres Beispiel (der Praxis entnommen) hinzufügen.
                              Die Maschinen einiger unserer Corvetten (mittlere Größen der gesammten
                                 										vorhandenen Ausführungen) leisten bei nicht einmal zu starker Anspannung etwa
                                 										1000 Pferdestärken. Sie sind mit Kondensation versehen, und haben Kessel welche
                                 										bequem Dampf in der absoluten Spannung von 2,5 Atm. liefern. Unsere Tabelle für
                                 										den mittleren Dampfdruck (Seite 384) zeigt, daß man bei denselben Umdrehungen
                                 										annähernd dieselbe Arbeit erhalten kann mit einem anfänglichen Dampfdruck von
                                 										2,5 Atm. und 0,2 Füllung, oder aber mit 1,5 Atm. und 0,6 Füllung. Gehen wir mit
                                 										diesen Zahlen in die vorstehende Tabelle für den Wasserverbrauch pro Pferd und Stunde (Seite 4), so erhalten wir für
                                 										den ersten Fall (hohe Expansion) die Zahl 0,52, für den zweiten Fall (hohe
                                 										Füllung) hingegen den Werth 0,52. Beide stehen in dem Verhältniß von 1 : 0,615
                                 										zu einander, so daß also durch Anwendung hoher Expansion 38,5 Proc. gespart
                                 										werden können, wenn man den Verbrauch bei hoher Füllung zu Grunde legt. Unter
                                 										der Annahme obiger Leistung und der in dem letzten Beispiel benutzten Zahlen für
                                 										Verdampfungskraft der Kohlen, sowie der Temperatur von 40° C. für das
                                 										Speisewasser, erhalten wir circa 3,1 Pfd. Kohle pro Pferd und Stunde (ohne Berücksichtigung der
                                 										durch Ausblasen des Salzwassers etc. entstandenen Verluste), was bei einer Reise
                                 										von 200 Stunden einen Gesammt-Kohlenverbrauch von 310 Tonnen (à 2000 Pfd.) ausmacht. Von diesen können
                                 										durch Anwendung von hoher Expansion 38,5 Proc., also circa 119 Tonnen gespart werden. Da nun die Tonne Kohlen im Auslands
                                 										oft genug mit 25 Thaler und darüber bezahlt wird, so ergibt sich bei einer
                                 										einzigen Reise eines solchen Schiffes unter Dampf die Summe von 2975 Thlrn.,
                                 										welche durch entsprechende Handhabung der Maschine gespart resp. vergeudet
                                 										werden können.
                              Diese Beispiele dürften zur Genüge zeigen, wie gerechtfertigt das in der Neuzeit
                                 										immer mehr und mehr hervortretende Streben der Maschinenconstructeure ist, den
                                 										Dampf unter hoher Eintrittsspannung und geringer Füllung arbeiten zu lassen, und
                                 										wie sehr es andererseits geboten erscheint, bei großen Maschinen mit
                                 										verstellbaren Expansionsvorrichtungen, deren Anwendung dem leitenden
                                 										Maschinisten anheimgestellt werden muß, diejenigen Führer zu entfernen, welche
                                 										sich nicht gewöhnen können, hohen Dampf im Kessel zu halten und ungedrosselt zur
                                 										Maschine zu lassen. Eine Erhöhung des Gehaltes bei wirklich tüchtigen und
                                 										einsichtsvollen Maschinenführern dürfte sich daher in vielen Fällen auch aus
                                 										anderen Gründen mehrfach belohnen, und die Ersparniß bei der Bezahlung der oft
                                 										genug noch schlecht gestellten Maschinisten bringt nicht selten den zehnfachen
                                 										Nachtheil in der oben entwickelten Weise mit sich.
                              
                           
                        
                           D. Der
                                 										vortheilhafteste Füllungsgrad.
                           Wenn aus obiger Tabelle (S. 4) hervorgeht, daß es überhaupt vortheilhaft ist,
                              									möglichst zu expandiren, so hat dieß doch seine Grenzen; denn es muß am Ende des
                              									Hubes stets noch derjenige Druck vorhanden seyn, welcher mindestens gerade den
                              									Gegendruck zu überwinden im Stande ist, wenn anders man nicht Nachtheile im Gange
                              									der Maschine haben will.
                           Im Allgemeinen ist nun der Druck des Dampfes am Ende des Hubes durch die Gleichung
                              									gegeben:
                           p₁ = ε (n + p)
                              									– n.
                           Es würde daher, wenn bei dem anfänglichen Druck p der
                              									Enddruck p₁ stattfinden soll, der Füllungsgrad
                              									die Größe haben müssen:
                           ε = (n + p₁)/(n
                              									+ p)
                           Wir erhalten somit:
                           
                           a) Für Maschinen ohne Condensation:
                           ε₁ = (n + 1,07)/(n + p)
                           b) Für Maschinen mit Condensation:
                           ε₂ = (n + 0,2)/(n + p)
                           Hieraus berechnet sich die nachfolgende
                           Tabelle für den vortheilhaftesten
                                 										Füllungsgrad.
                           
                              
                                 p in
                                    											Atmosphären
                                 0,5
                                 0,75
                                 1
                                 1,5
                                 2
                                 2,5
                                 3
                                 3,5
                                 4
                                 
                              
                                 ε₁ (ohne
                                    											Cond.)
                                 –
                                 –
                                 –
                                 0,75
                                 0,59
                                 0,48
                                 0,406
                                 0,35
                                 0,31
                                 
                              
                                 ε₂ (mit
                                    											Cond.)
                                 0,6
                                 0,45
                                 0,36
                                 0,26
                                  0,2
                                 0,16
                                 0,14
                                 0,12
                                 0,11
                                 
                              
                           Es ist hierbei zu bemerken, daß man diesen vortheilhaftesten Füllungsgrad auch nach
                              									anderen Rücksichten bestimmt hat. Die hier vorgelegte Methode setzt voraus, daß es
                              									sich darum handelt, die vorhandene Dampfmenge bei gegebener Eintrittsspannung am
                              									besten auszunutzen.
                           Diese Tabelle ist absichtlich ohne Berücksichtigung der
                              									mitexpandirenden Räume (Dampfcanäle etc.) berechnet. Es fällt daher eigentlich die
                              									Endspannung etwas höher aus, so daß bei der praktischen Anwendung die Sicherheit
                              									gegen eine zu geringe Endspannung größer ist. Man sehe übrigens S. 381–383
                              									der ersten Abhandlung.
                           Nach diesen angenommenen und durch die vorstehende Tabelle ausgedrückten Grundsätzen
                              									ist es also unzulässig, einer Condensationsmaschine mit 1 Atm. Ueberdruck (p = 2) nur 0,15 Füllung zu geben, weil alsdann der Dampf
                              									am Ende des Hubes eine geringere Spannung haben würde, als in demjenigen Raum
                              									herrscht, in welchen er nach beendeter Expansion strömen soll. Es würde dann 1) der
                              									Kolben gegen Ende des Hubes eine negative Pressung erfahren, nur durch die lebendige
                              									Kraft der bewegten Massen vorwärtsgehen, die Geschwindigkeit derselben also vom
                              									Motor aus verlangsamt werden; 2) würde der Dampf im Ausströmungsrohr zu Beginn der
                              									Ausströmperioden in den Cylinder strömen, anstatt verdrängt zu werden.
                           Entsprechend stellt es sich bei einer Maschine ohne Condensation, z.B. in dem Falle,
                              									wo bei einer anfänglichen absoluten Spannung von 3 Atm. nur 0,1 Füllung gegeben
                              									wird. Es würde dieß vielleicht die äußerst zulässige Grenze seyn; der Dampf würde
                              									nur mit geringem Ueberdruck ausströmen, aber auch sehr vortheilhaft verwendet
                              									werden.
                           
                           Hiermit hängen nun auch die Mimmalzahlen der Tabelle für die verdampfte Wassermenge
                              									(S. 4) zusammen, welche beim ersten Anblick befremdend erscheinen mögen.
                           Während im Allgemeinen die verdampfte Wassermenge pro
                              									Pferd und Stunde mit der Füllung abnimmt, finden wir in den Reihen für p = 0,5, 0,75 und 1 eine Zunahme von einem gewissen
                              									Füllungsgrade an. Es heißt dieß also: Wenn man z.B. einen anfänglichen Druck von 0,5
                              									Atm. hat, so ist eine geringere Füllung als 0,6 (mit Condensation) unvortheilhaft;
                              									es müssen demnach von hier ab rückwärts die Werthe für den Wasserverbrauch pro Pferd und Stunde steigen. – Diese
                              									Minimalzahlen fallen naturgemäß nicht genau mit den Werthen der Tabelle für den
                              									vortheilhaftesten Füllungsgrad zusammen, weil diese, wie schon bemerkt, ohne
                              									Berücksichtigung des schädlichen Raumes, jene mit derselben berechnet sind, und
                              									außerdem in den letzteren der genaue jedesmalige Werth für μ zu Grunde gelegt ist.
                           In der zu hohen Endspannung des gebrauchten Dampfes liegt übrigens ein großer Theil
                              									des Geheimnisses des Gesetzes, daß im Allgemeinen der geringste Füllungsgrad der
                              									vortheilhafteste ist, und es muß sich dasselbe Jedem, auch dem denkenden Laien,
                              									sofort aufdrängen, wenn er aus dem Dampfabgangsrohr den verwendeten Dampf mit einer
                              									großen, häufig zu findenden Vehemenz ausströmen sieht. Der Gedanke liegt zu nahe,
                              									daß in diesem mit so starker Spannung austretenden Dampfe noch eine Arbeit vorhanden
                              									sey, die durch richtige Anlage verwerthet werden kann. Oft liegt dieß freilich in
                              									einer nachträglichen Ueberbürdung der Maschine, welche mit geringerer Füllung die
                              									ihr zugemuthete, mit der Vergrößerung des Betriebes der sich erweiternden Fabrik
                              									vermehrte Arbeit einfach nicht mehr leisten will. Nicht selten ist es aber wohl auch
                              									ein Fehler des Constructeurs, welcher, vielleicht um Material zu sparen, kleine
                              									Dimensionen mit hoher Endspannung anstatt größerer Abmessungen mit geringer
                              									Endspannung zu wählen sich veranlaßt sah. Was hier der Abnehmer an Kosten für die
                              									neue Maschine spart, wird er häufig genug an Kohlen mehr als einmal zusetzen
                              									müssen.
                           Mit den nunmehr angegebenen Mitteln ist es aber leicht, sich zu berechnen, ob eine
                              									andere Anlage mit größeren Dimensionen durch Kohlenersparniß die Zinsen der
                              									Capitalvergrößerung deckt oder nicht.
                           
                        
                           E. Vom
                                 										negativen Füllungsgrad.
                           Betrachten wir die Formel 1 unserer ersten Abhandlung (S. 383), welche für gegebenen
                              									anfänglichen und mittleren Druck den Füllungsgrad angibt,
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 198, S. 11
                              
                           so sehen wir in derselben die Möglichkeit, den Füllungsgrad
                              									negativ werden zu lassen.
                           Es tritt dieser Fall da ein, wo
                           6(p – p₀)/4(p + 1) > 1
                           ist, also der angenommene Druck des Kesseldampfes gar nicht
                              									einmal im Cylinder vorhanden gewesen seyn darf, um schon den mittleren Druck,
                              									welcher unter den bestimmten Verhältnissen die gewünschte Arbeit liefert, zu
                              									erzeugen.
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 198, S. 11
                              
                           Nehmen wir z.B. diesen anfänglichen Druck als einmal im Cylinder vorhanden, von der
                              									Größe p an, und gehen wir zu unserem Spannungsdiagramm
                              									zurück (s. Fig. 1), so muß doch unter allen Umständen
                              									das Herabsinken der Spannung bei der Expansion durch eine Curve dargestellt werden
                              									können, welche in der Unendlichkeit die Abscisse tangirt; denn erst in der
                              									Unendlichkeit wird die Spannung = 0 seyn. Das durch diese Curve und die
                              									entsprechenden, um den Hub H von einander entfernten
                              									Ordinaten mit der Abscisse abgegrenzte Flächenstück gibt aber, wie wir gesehen
                              									haben, die Arbeit pro Flächeneinheit und Hub an. Sie
                              									stellt, durch h dividirt, den mittleren Druck dar. Ist
                              									dieser größer als er gegebene, so darf nicht einmal die Spannung p, ganz abgesehen von einem Füllungsgrad, in dem
                              									Cylinder entstehen. Um trotzdem die Curve mit der Spannung p beginnen zu können, müssen wir uns den Anfangspunkt derselben um die in
                              									diesem Fall negativ erscheinende Größe ε nach
                              									links, außerhalb des eigentlichen Diagrammes, verschoben denken, um in der alsdann
                              									durch die beiden ursprünglichen Ordinaten eingeschlossenen Fläche die gewünschte
                              									Arbeit repräsentirt zu erhalten.
                           Die diesem Fall entsprechenden (Indicator-) Diagramme der Praxis zeigen auch
                              									ganz die gleiche, mit der scharfen Ecke beginnende Form. Der Dampfzutritt ist durch
                              									die entsprechende Oeffnung so gering gemacht, daß das Forteilen des Kolbens dem Dampf nicht gestattet,
                              									auch nur in zwei auf einander folgenden Momenten dieselbe Spannung zu behalten, und
                              									die Curve sinkt sofort mit der rückgängigen Bewegung des Kolbens herab.
                           Von den nachstehenden beiden, der Praxis entnommenen und zu derselben Maschine
                              									gehörenden Diagrammen zeigt das erste (Fig. 2) die
                              									gewöhnliche, normale Form, wo dem Dampf Zeit gelassen wurde, seine Spannung während
                              									des ersten Theiles des Kolbenweges beizubehalten.
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 198, S. 12
                              
                           
                              
                              Fig. 3., Bd. 198, S. 12
                              
                           Das zweite hingegen (Fig. 3)
                              									gibt deutlich diese abgerissene Form an, wie wir sie eben erklärt haben.Es mag vielleicht befremdend erscheinen, wenn in jetziger Zeit, wo man immer
                                    											mehr und mehr von den im Eingange dieser Abhandlung angegebenen
                                    											Voraussetzungen abgeht, noch eine neue Theorie für dieselben aufgestellt
                                    											wird. Es lag aber nicht in der Absicht des Verfassers, neue, geistreiche
                                    											Theorien überflüssig oder ihnen auch nur Concurrenz zu machen, sondern es
                                    											war, wie schon mehrmals erwähnt, das Bestreben desselben, die complicirten Gesetze der Abnahme der
                                       												Dampfspannung für den praktischen Gebrauch in leichtfaßliche Formen
                                    											zu bringen, welche geeignet sind, schnelle und
                                       												übersichtliche Rechnungen zur Construction von Dampfmaschinen anstellen
                                       												zu können, oder auch beim Unterricht als Anhalt zu dienen. Durch
                                    											die Einfachheit der entwickelten Formeln dürfte dieses Ziel als erreicht zu
                                    											betrachten seyn, und dieß um so eher, als ihnen gegenüber bis jetzt nur
                                    											Formeln stehen, welche eine freie Operation mit den Hauptgrößen (anfängliche
                                    											Spannung, mittlerer Druck, Füllungsgrad) nicht zulassenzulassen. Ohne neue Gesetze aufzustellen, sollten wenigstens die
                                    											Beziehungen der genannten drei Größen unter Beobachtung einer praktisch
                                    											ausreichenden Genauigkeit vereinfacht werden.Von diesem Gesichtspunkt aus bittet der Verfasser die vorliegende Arbeit zu
                                    											beurtheilen und zu benutzen.