| Titel: | Zur Talg-Industrie; von Dr. H. Vohl in Cöln. | 
| Autor: | Hermann Vohl | 
| Fundstelle: | Band 198, Jahrgang 1870, Nr. VIII., S. 30 | 
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                        VIII.
                        Zur Talg-Industrie; von Dr. H. Vohl in Cöln.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. I.
                        Vohl, über Talgschmelzereien.
                        
                     
                        
                           Die thierischen Fette finden außer der Benutzung als Nahrungsmittel auch in der
                              									Technik eine vielfache und ausgedehnte Verwendung. Die Seife- und
                              									Lichterfabrication, sowie die Darstellung von Schmiermaterialien und die Kosmetik
                              									erfordern große Quantitäten thierischer Fette, bei deren Gewinnung, je nachdem sie
                              									eine Verwendung finden sollen, mehr oder minder große Sorgfalt verwendet wird. Auf
                              									welche Weise aber auch immer die Gewinnung d.h. das Auslassen des rohen Fettes
                              									stattfindet, es werden sich stets mehr oder minder unangenehm riechende Gase und
                              									Dämpfe entwickeln, welche für die Umgegend höchst belästigend werden und außerdem
                              									die Gesundheit des Arbeiters schädigen können. Aus diesem Grunde erheischt das
                              									Talgschmelzen in sanitäts-polizeilicher Hinsicht die größte Beachtung und
                              									eine strenge Ueberwachung von Seiten der betreffenden Behörde.
                           Im Königreich Preußen sind deßhalb die Talgschmelzereien einer Concession bedürftig, ebenso gehören in Frankreich dieselben zu
                              									denjenigen gewerblichen Anlagen welche der ersten Classe
                                 										concessionbedürftiger Anlagen zugezählt sind. Es werden dadurch die
                              									Unternehmer angehalten diejenigen Einrichtungen und Vorkehrungen zu treffen, welche
                              									die Umgebung und den Arbeiter vor diesen Unzuträglichsten möglichst schützen.
                           Nichtsdestoweniger geben die Talgschmelzereien stets zu wohlbegründeten Klagen
                              									Veranlassung, weil es den mit der Ueberwachung betrauten Beamten meistentheils an
                              									den Kenntnissen mangelt, die sie allein befähigen können ein richtiges Urtheil
                              									bezüglich der Zweckmäßigkeit der inneren Einrichtungen zu fällen, welche die
                              									besprochenen Uebelstände beseitigen sollen.
                           Es bleibt demnach die innere Einrichtung dem Ermessen und dem guten Willen resp. der
                              									Willkür des Unternehmers vollständig überlassen, welcher theils aus Unkenntniß,
                              									theils aus schlecht angebrachter Sparsamkeit die Anlage nach der primitivsten Form
                              									und nach seinem Gutdünken ausführt.
                           Ist eine derartig mangelhaft eingerichtete Anlage einmal im Betrieb, so ist die
                              									nothwendige Abänderung der Apparate etc. mit großen Unannehmlichkeiten und Störungen
                              									und mit nicht unerheblichen Geldopfern verknüpft.
                           Auch können durch derartige Anlagen die benachbarten Gebäude und Grundstücke gänzlich
                              									entwerthet und zu vielen Benutzungen unbrauchbar gemacht werden.
                           Es erhellt daraus, daß die Sanitäts-Medicinalpolizei bei der Errichtung und
                              									dem Betriebe von Talgschmelzereien mit großer Vorsicht und Strenge verfahren
                              									muß.
                           Bezüglich des Auslassens der animalischen Fette aus den Fettgeweben ist zu bemerken,
                              									daß bis jetzt hauptsächlich zwei verschiedene Methoden in Anwendung kommen:
                           1) das sogenannte Griebenverfahren (procédé des cretons) und
                           2) das Ausschmelzen auf Säure.
                           Das erstere Verfahren, wobei die Grieben verwendet werden
                              									welche man zur Fütterung von Hunden und Schweinen sowie zum Düngen benutzt, sollte
                              										nie in Städten oder in unmittelbarer Nähe bewohnter
                                 										Gebäude geduldet werden, weil selbst bei der größten Vorsicht und den
                              									besten Einrichtungen die Verbreitung eines pestilenzialischen Gestankes nicht zu
                              									vermeiden ist. Außerdem ist zu bemerken, daß kleinere Talgschmelzereien welche das
                              									Griebenverfahren anwenden und in der Woche nur einmal oder höchstens zweimal
                              									schmelzen, bei weitem belästigender für die Nachbarschaft sind, wie solche die
                              									täglich schmelzen und wo also ein Aufspeichern des rohen
                                 										Fettes nicht stattfindet.
                           Wird der Rohstoff, wie man ihn aus den Schlächtereien erhält, mehrere Tage
                              									aufbewahrt, so gehen das ihm anhaftende Blut, Muskelgewebe etc. in Fäulniß über und
                              									diese geben alsdann beim Schmelzen zu furchtbar stinkenden Exhalationen
                              									Veranlassung.
                           In den Sommermonaten ist dieser Uebelstand am größten. Auch reichen die besten
                              									Vorkehrungen (Verbrennen der Gase) zu seiner Beseitigung nicht aus, da das
                              									Einbringen des Rohstoffes in den Kessel und das Ablassen des ausgeschmolzenen Talges
                              									einen unerträglichen Gestank verursachen, den man nicht auffangen oder auf
                              									praktische Weise zur Verbrennung bringen kann.
                           
                           Das zweite Verfahren, das Schmelzen auf Säure, ist nicht
                              									mit den großen Uebelständen des Griebenschmelzens behaftet.
                           Nichtsdestoweniger ist auch in diesem Falle bei der Anlage und dem Betriebe auf die
                              									Beseitigung der sich entwickelnden stinkenden Exhalationen die größte Sorgfalt zu
                              									verwenden und ist das Verbrennen der sich beim Auslassen
                              									des Talges entbindenden Gase und Dämpfe unerläßlich.
                           Ein Apparat, welcher der Beseitigung dieser stinkenden Aushauchungen möglichst
                              									vollständig Rechnung trägt, ist in Figur 20 dargestellt.
                           A gußeiserner verbleiter Kessel, welcher mit einem
                              									Siebboden d, d versehen ist.
                           Der Hahn a dient zum Ablassen der mit thierischen Stoffen
                              									geschwängerten sauren Flüssigkeit; der Hahn b dient zum
                              									Ablassen des Talges.
                           Vermittelst der Feuerung bei q findet die Erwärmung
                              									statt.
                           B gußeiserner cylindrischer Aufsatz, welcher mit einer
                              									hermetisch schließenden Thür T versehen ist, die zum
                              									Eintragen des Talges dient. Der kuppelartige Deckel dieses Aufsatzes ist bei S, S mit einer Glimmerplatte geschlossen.
                           Die Thür T ist mit einer Sehluke versehen, welche
                              									ebenfalls mit einem Glimmerplättchen geschlossen ist.
                           Durch die Glimmerplatte bei S, S und die Sehluke der Thür
                              										T kann man den Vorgang im Inneren des Kessels
                              									beobachten, ohne daß man die Thür zu öffnen braucht.
                           Bei Nacht wird über der Glimmerplatte S, S eine
                              									künstliche Beleuchtung angebracht.
                           Der Glimmer ist dem Glase wegen seiner größeren Dauerhaftigkeit und Sicherheit
                              									vorzuziehen.
                           Die während dem Schmelzen in A sich entwickelnden Gase
                              									und Dampfe treten durch die Röhre w nach dem
                              									Condensationskasten D. Derselbe ist mit dem Deckel y geschlossen, welcher bei r,
                                 										r einen Sandverschluß hat. Im Inneren des Kastens befinden sich
                              									schiefliegende Bühnen, welche mit zerfallenem Kalk bestreut sind.
                           Dieser Condensationskasten besteht aus Holz, welches mit Theer oder Asphalt getränkt
                              									ist.
                           Die in diesem Apparat allenfalls angesammelten Flüssigkeiten
                              									fließen durch die Röhre h ab.
                           Die nicht condensirten Gase und Dämpfe gelangen nun durch die Röhre R nach dem verbleiten Condensator E, welcher mit Kohks gefüllt ist, die man mit Schwefelsäure getränkt
                              									hat.
                           
                           Die Röhre Z führt die sich ansammelnde Flüssigkeit nach
                              										K, wo sie zum Abfluß gelangt.
                           Die nicht condensirbaren Gase etc. werden durch die Röhre g nach dem Canale F geleitet, welcher unter
                              									dem Rost der Feuerung q in den Aschenfall G mündet, wo alsdann die Gase zur Verbrennung
                              									gelangen.
                           G ist mit einer eisernen Thür verschlossen, wodurch ein
                              									kräftiger Luftzug hergestellt wird, der alle Gase etc. aus dem Apparate saugt und
                              									dieselben zur Verbrennung bringt.
                           O ist der Fuchs, welcher zum Kamin führt und den Abzug
                              									der Feuergase bewirkt.
                           Cöln, im Juli 1870.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
