| Titel: | Neue Methoden der Genußwasser-Analyse; von Dr. Alexander Müller. | 
| Fundstelle: | Band 198, Jahrgang 1870, Nr. XXXV., S. 161 | 
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                        XXXV.
                        Neue Methoden der Genußwasser-Analyse; von
                           								Dr. Alexander
                              								Müller.
                        Aus den Berichten der deutschen chemischen
                                 											Gesellschaft zu Berlin, 1870, Nr. 13.
                        Müller, über Genußwasser-Analyse.
                        
                     
                        
                           Man kennt bis jetzt keine Methode, den wichtigsten Bestandtheil des Genußwassers,
                              									nämlich die organische Substanz, mit einiger Sicherheit,
                              									weder der Qualität noch Quantität nach, zu bestimmen.
                           Bei der Qualität handelt es sich darum, ob die organische Substanz fähig ist, die
                              									Entwickelung niederer Organismen, wie sie bei Fäulnißprocessen ursächlich oder
                              									begleitend auftreten, zu begünstigen?
                           Fäulniß ist gegenwärtig im Allgemeinen als eine durch Organismen vermittelte
                              									Mineralisirung höherer organischer Gebilde auf nassem Wege aufzufassen.
                           Für den Proceß der menschlichen Verdauung und Blutbereitung ist diejenige Fäulniß am
                              									gefährlichsten, welche in eiweißartigen und diesen nahe stehenden organischen
                              									Verbindungen statt hat. Diese Stoffe zeichnen sich durch die Complicität ihrer
                              									Atomgruppirung aus, welche sich physicalisch am schärfsten durch ihre
                              									Diffusionsträgheit bekundet.Man s. Seite 6 ff. meiner Abhandlung: „Die Ziele und Mittel einer
                                       												gesundheitlichen und wirthschaftlichen Reinhaltung der Wohnungen,
                                       												besonders der städtischen.“ Dresden 1869, Schönfeld's Buchhandlung.
                           Ueber die Gegenwart solcher organischer Verbindungen sucht man gewöhnlich durch
                              									Ermittelung des Stickstoffgehaltes sich Auskunft zu verschaffen; nach meinem
                              									Dafürhalten aber hat man sich durch die Dialyse in folgender Weise darüber zu
                              									vergewissern:
                           Eine hinreichende Menge des frischen Wassers wird (am Besten im Vacuum mittelst der
                              										Bunsen'schen Wasserluftpumpe) concentrirt, der
                              									Rückstand dialysirt und die verbleibende colloïdale Substanz einem
                              									(mikroskopischen) Fäulnißversuch unterworfen.
                           Bei Einhaltung gewisser Vorsichtsmaßregeln wird man erwarten dürfen, die im frischen
                              									Wasser etwa vorhandenen Fäulnißorganismen (Fäulnißerreger) noch lebend bis auf den
                              									Dialysator zu bringen; in diesem Falle wird man die vorhandene oder künstlich
                              									zugesetzte colloïdale Substanz ohne äußere Infection in Fäulniß übergehen
                              									sehen.
                           Sind solche Fäulnißerreger nicht vorhanden, sey es daß sie bei der Concentration des Wassers
                              									getödtet worden sind, sey es daß das untersuchte Wasser überhaupt frei davon war, so
                              									kann die colloïdale Substanz durch Aussetzen an die atmosphärische Luft
                              									allmählich oder durch Infection mittelst fauliger Körper schnell in Fäulniß gebracht
                              									werden, wenn sie deren fähig ist.
                           Bei der Concentrirung des Wassers wird sich immer ein Bodensatz bilden von
                              									Erdcarbonaten und Gyps, in chemischer und mechanischer Verbindung mit organischer
                              									Substanz; man dialysirt die mineralischen Bestandtheile durch Hülfe von Salzsäure,
                              									die nach Befinden inner- oder außerhalb des Dialysators in Anwendung kommt,
                              									hinweg.
                           Oder man modificirt die Bildung des Bodensatzes durch einen der Verdampfung
                              									vorangehenden Zusatz von Alkalicarbonat, wie dieß für die Quantitätsbestimmung
                              									beschrieben werden wird.
                           Die Quantität der vorhandenen organischen Substanz hat man früher aus dem Glühverlust
                              									des möglichst entwässerten Eindampfungsrückstandes bestimmen zu können gemeint; man
                              									ist sich indeß ziemlich allgemein darüber klar geworden, daß selbst bei Abwesenheit
                              									von Nitraten und zerfließlichen Chlorüren der Glühverlust keineswegs in geradem
                              									Verhältniß zum Gehalt an organischer Substanz steht. Fast das Gleiche gilt von der
                              									Schätzung aus der Reductionsfähigkeit eines Wassers für gewisse kräftige
                              									Oxydationsmittel: Uebermangansäure u.s.w.
                           Als die gegenwärtig beste Methode muß die Bestimmung des organisch-gebundenen
                              									Kohlenstoffes gelten, wie sie von den Agriculturchemikern seit Langem benutzt wird,
                              									um den Humusgehalt der Ackererde festzustellen.
                           Trotz der entgegenstehenden Schwierigkeiten scheint mir eine mehr directe Methode
                              									kein Ding der Unmöglichkeit zu seyn. In Erwägung, daß es bei der Analyse natürlicher
                              									Wässer um gelöste organische Substanzen sich handelt, sowie daß die
                              									bedeutungsvolleren unter ihnen complexere Verbindungen von schwacher Affinität sind,
                              									welche sich leichter in Alkali als Säure lösen, verfahre ich bei ihrer quantitativen
                              									Bestimmung gegenwärtig in folgender Weise:
                           1) Das betreffende Wasser wird mit einem Ueberschuß von Alkalicarbonat zur Trockne
                              									verdampft, der Rückstand mit heißem Wasser digerirt und die Lösung filtrirt. Der
                              									Filterinhalt enthält die erdartigen Bestandtheile des Wassers, nebst Kieselsäure und
                              									Phosphorsäure.
                           2) Das Filtrat wird mit Salzsäure (Schwefelsäure) oder Salpetersäure genau
                              									neutralisirt und zur Trockne verdampft.
                           3) Der Rückstand wird bis zur Gewichtsconstanz bei 115–120°C.
                              									getrocknet.
                           
                           4) Der gewogene Rückstand wird durch Glühen, zuerst für sich, von aller organischen
                              									Substanz, und zuletzt mit Kaliumbichromat von aller Salpetersäure befreit und
                              									abermals gewogen.
                           Die durch das Alkalicarbonat abgeschiedenen Erden enthalten nur Spuren von
                              									organischer Substanz. Wenn die Menge des zugesetzten Alkalicarbonats, sowie der
                              									neutralisirenden Säure und der im Wasser vorhandenen Salpetersäure bekannt ist, so
                              									ergibt der Glühverlust nach Abzug der Salpetersäure den Gehalt des Wassers an
                              									organischer Trockensubstanz und der Glührückstand nach Abzug der darin enthaltenen
                              									Zusätze den Gehalt an Alkali, Chlor und Schwefelsäure (nebst Spuren von Thonerde
                              									u.s.w.).
                           Der nöthige Zusatz von Alkalicarbonat wird nach der Härte des Wassers bemessen, die
                              									neutralisirende Säure aber nach dem ungefähr ermittelten Salpetersäuregehalt
                              									gewählt. Beim Verdampfen und Filtriren ist die Bunsen'sche Wasserluftpumpe von wesentlichem Nutzen.
                           Ausführlicheres soll später mitgetheilt werden; hier nur noch die Bemerkung, daß die
                              									Wägung des durch Alkalicarbonat abgeschiedenen und dann weißgeglühten Niederschlages
                              									die Erhebungen ergänzt, deren es zur Bestimmung des Gesammtgehaltes an allen
                              									Bestandtheilen, ausschließlich der Kohlensäure und des Ammoniaks, bedarf.