| Titel: | Ueber das Jodsilber in photographisch-chemischer Beziehung; von Dr. J. Schnauß. | 
| Fundstelle: | Band 198, Jahrgang 1870, Nr. LXXIX., S. 309 | 
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                        LXXIX.
                        Ueber das Jodsilber in
                           								photographisch-chemischer Beziehung; von Dr. J. Schnauß.
                        Schnauß, über das Jodsilber in photographisch-chemischer
                           								Beziehung.
                        
                     
                        
                           Es kann wohl kaum ein interessanteres Thema der photographischen Chemie geben, als
                              									die Entwickelung des anfangs unsichtbaren, aber nichts destoweniger vorhandenen,
                              									daher nur latenten Bildes einer Jodsilberschicht. Man
                              									behauptet nicht zu viel, wenn man sagt, daß dieser chemisch-photographische
                              									Proceß der Grundstein ist, auf welchem die ganze photographische Kunst erbaut wurde.
                              									Denn die bewunderungswürdige Vollendung des Lichtdruckes, sowie der übrigen
                              									ähnlichen Methoden zur Vervielfältigung der Photographien, als deren Basis das
                              									Kalibichromat mit einem organischen Bindemittel anzusehen ist und die unter den Namen des
                              									Kohle- und Pigmentdruckes bekannt sind, sie alle würden gänzlich werthlos
                              									ohne die photographischen Negative, resp. Glaspositive, deren Entstehung wir eben
                              									jenem wichtigen Entwickelungsproceß verdanken. Man möge daher entschuldigen, wenn
                              									ich hier etwas näher darauf eingehe, um so mehr, als die photographische Chemie ein
                              									von Seiten der Fachchemiker noch immer unverantwortlich vernachlässigtes Stiefkind
                              									ist. Man vergleiche nur z.B. die Angaben der chemischen Handbücher, besonders der
                              									vor einem Decennium erschienenen, über das Jodsilber, mit dem, was den
                              									wissenschaftlich gebildeten Photographen bereits darüber bekannt, leider aber meist
                              									nur in photographischen Fachschriften niedergelegt worden ist.
                           Stellt man Jodsilber dar, so ist vor Allem genau zu beachten, oh bei dessen Fällung
                              									durch ein Jodalkalimetall aus Silbersalpeter ersteres
                              									oder letzteres im Ueberschuß vorhanden war. Hiernach
                              									modificiren sich nicht allein die actinischen, sondern auch die rein physikalischen
                              									Eigenschaften desselben. Unter Actinismus versteht man neuerdings das Verhalten
                              									chemischer Körper gegen das Sonnenlicht. War das Jodkalium im Ueberschuß, so ist das
                              									Jodsilber gänzlich unactinisch und von Farbe fast weiß, sehr voluminös, besonders
                              									während des späteren Auswaschens schwillt es zu seinem doppelten Volumen an und
                              									setzt sich nur langsam zu Boden. Dagegen ist das mit etwas überschüssigem
                              									Silbersalpeter dargestellte Jodsilber von schön citronengelber Farbe, setzt sich
                              									rasch zu Boden und bräunt sich im Sonnenlichte bald. Zu diesen
                                 										Versuchen können die betreffenden Niederschläge vollständig mit destillirtem
                                 										Wasser ausgewaschen werden, ohne daß sie dadurch ihre genannten Eigenschaften
                                 										verlieren. Die Resultate bleiben dieselben, wenn man zur Fällung des
                              									Jodsilbers anstatt eines Jodalkalimetalles ein lösliches schweres Jodmetall, z.B.
                              									Jodcadmium nimmt. Es existiren daher offenbar zwei Modificationen des Jodsilbers,
                              									von denen die eine nicht actinisch, mit – AgJ, die
                              									andere als actinisch mit + AgJ zu bezeichnen wäre. Beide verdienten eine genaue
                              									quantitative Elementaranalyse, resp. eine Bestimmung ihres wahrscheinlich
                              									differirenden Atomgewichtes. Unterwirft man die beiden AgJ = Modificationen dem
                              									Einfluß einer reducirenden Substanz, mit anderen Worten, dem photographischen
                              									Entwickler, nämlich einer Pyrogallussäurelösung oder Eisenvitriollösung, so entsteht
                              									bei beiden keine Veränderung. Sowie man aber einen
                              									Tropfen Silberlösung der genannten Mischung beifügt, so schwärzen sich beide Niederschläge. Diesem Verhältniß gemäß sollte man
                              									annehmen, daß es zur Bewirkung der lichtempfindlichen Schicht gleichgültig sey, ob
                              									man + oder – AgJ dazu benutzt, wenn man nur nach der Belichtung dem
                              									Entwickler etwas Silberlösung hinzufügt oder die photographische Schicht nach der Belichtung, aber vor
                              									der Entwickelung in ein verdünntes Bad von AgO, NO⁵ taucht.
                           Allein dem ist nicht so, sondern nur das + AgJ verhält sich in diesem Fall als fähig,
                              									das latente Bild zu empfangen. Macht man diesen Versuch der Art, daß man eine mit
                              									gewöhnlichem Jodcollodium überzogene große Glasplatte in's Silberbad taucht
                              									(natürlich in der Dunkelkammer), so daß sie mit Jodsilber imprägnirt wird, übergießt
                              									die eine Hälfte derselben mit wässeriger Jodkaliumlösung so vorsichtig, daß auf die
                              									andere Hälfte nichts davon gelangt, und wäscht dann alles überschüssige Jodkalium
                              									von dieser Seite der Glasplatte ab, exponirt diese Platte im Inneren der Camera obscura dem Lichte, d.h. läßt ein optisches Bild
                              									darauf fallen, taucht sie sodann im Dunkelzimmer wieder einige Augenblicke in das
                              									Silberbad und entwickelt sie hierauf, so wird man, falls
                              									die Exposition in der Camera richtig getroffen wurde, bemerken, daß nur der mit +
                              									AgJ bedeckte Theil der Platte (der also nicht mit Jodkalium übergossene) ein
                              									wirklich genügendes Bild empfangen hat, während ein solches auf dem – AgJ kaum zu sehen ist. Eigentlich sollte auf
                              									letzterem gar kein Lichteindruck sichtbar seyn, doch erklärt sich dieß daraus, daß
                              									auch schon eine bloß mit nicht jodirtem Collodium
                              									überzogene und sodann in AgO, NO⁵-Lösung getauchte Platte nach dem
                              									Exponiren und Entwickeln ein schwaches Bild zeigt, was jedenfalls einer organischen
                              									lichtempfindlichen Silberverbindung des Pyroxylins (ähnlich dem Silberalbuminat)
                              									zuzuschreiben ist.
                           Wird ferner eine mit Jodcollodium überzogene Platte gesilbert, dem Lichte in der
                              									Camera exponirt, mit Jodkaliumlösung ganz übergossen,
                              									wieder vollständig abgewaschen, nochmals gesilbert und entwickelt, so zeigt sich ein
                              									vollständig kräftiges Bild.
                           Meine Versuche in dieser Richtung ergaben weiter das merkwürdige Resultat, daß, wie
                              									aus Obigem hervorgeht, Jodkaliumlösung das einmal auf dem + Jodsilber vorhandene
                              									latente Bild nicht wieder zerstört, und hierdurch ferner die schon belichtete Platte
                              									gegen weitere Lichteindrücke geschützt wird. Wenn man
                              									nämlich eine wie gewöhnlich präparirte lichtempfindliche Platte nach der Exposition,
                              									nachdem sie folglich schon das latente Bild empfangen hat, mit Jodkaliumlösung
                              									übergießt und wieder abwäscht, so kann man sie ohne Nachtheil sogar dem vollen Tageslichte aussetzen. Letztere Einwirkung, die
                              									doch so intensiv ist, bleibt vollständig unsichtbar oder findet vielmehr gar nicht
                              									statt, denn die so behandelte Platte, im Dunkelzimmer wieder in's Silberbad getaucht
                              										und entwickelt,
                              									zeigt nur das klare, im Inneren der Camera vor der
                              									Anwendung des Jodkaliums empfangene Bild.
                           Es haben nach mir nicht wenige tüchtige photographische Chemiker zur Ergründung des
                              									Vorganges bei Entwicklung des latenten Bildes auf Jodsilber Untersuchungen
                              									angestellt, aus denen sie aber oft sich widersprechende Theorien erbauten. Ich nenne
                              									hier als besonders verdient in dieser wie in anderen Richtungen der photographischen
                              									Chemie den Hrn. Dr. Vogel in Berlin, Dr. Reissig und den
                              									Amerikaner Carey Lea. Es scheint mir hier nicht am
                              									Platze, deren verschiedene Hypothesen zu entwickeln, denn schließlich bleibt man
                              									doch im Unklaren über die eigentliche Ursache der Anziehungskraft, welche das
                              									Jodsilber auf die fein zertheilten, durch den Entwickler aus dem salpetersauren
                              									Silber reducirten Silbermolecüle ausübt und somit das negative Bild hervorbringt.
                              									Besonders merkwürdig bleibt es, daß diese Kraft bei den verschiedenen Trockenplatten oft monatelang nach der Lichteinwirkung
                              									bis zur Entwickelung vorhanden bleibt. Diese Trockenplatten aber übertreffen
                              									sämmtlich nie die Collodiumplatten an Empfindlichkeit,
                              									die bei der Exposition in der Camera obscura mit einer
                              									Schicht wässeriger Silberlösung bedeckt sind, daher denn meine vor 18 Jahren im
                              									photographischen Archiv veröffentlichte Angabe hierüber noch jetzt vollständig zu
                              									Recht besteht, nur muß dieselbe auch richtig verstanden und wiedergegeben
                              									werden.
                           Das Jodsilber löst sich in bedeutender Menge – bis zu gleichen Aequivalenten
                              									– in Silbersalpeterlösung auf. Ist der letztere neutral, enthält er keinen
                              									Ueberschuß von Salpetersäure, so zeigt sich das hieraus gewonnene
                              									Haloïddoppelsalz AgO, NO⁵ + AgJ sehr lichtempfindlich, es schwärzt
                              									sich am Tageslichte viel schneller als Jodsilber oder salpetersaures Silber für
                              									sich. Anders dagegen, wenn letzteres Salz noch sauer ist,
                              									– was seinen Grund natürlicherweise darin findet, daß die freie NO⁵
                              									das durch das Licht reducirte Silber sofort wieder auflöst. Daraus entspringen die
                              									verschiedenen Ansichten über die Lichtempfindlichkeit dieses interessanten
                              									Doppelsalzes.
                           Wie äußerst hartnäckig das Jodsilber dem salpetersauren Silber anhängt, zeigt
                              									folgendes Beispiel. In dem sogenannten negativen Silberbade, worin die mit
                              									Jodcollodium überzogenen Platten eingetaucht und dadurch lichtempfindlich gemacht
                              									werden, löst sich mit der Zeit, je nach dessen Concentration, eine ziemliche
                              									Quantität Jodsilber auf. Die ersten, in ein neues Bad eingetauchten Collodiumplatten
                              									erleiden dadurch oft einen Nachtheil, daß ihnen viel von dem anfangs innerhalb des
                              									Collodiumhäutchens gebildeten Jodsilbers wieder entzogen wird, so daß viele Photographen vorziehen,
                              									ein neues negatives Silberbad sogleich mit Jodsilber zu sättigen.
                           Wird mit der Zeit ein solches Bad unbrauchbar und man will das Silber daraus
                              									gewinnen, so fällt man solches entweder als Chlorsilber oder als metallisches
                              									Silber. In beiden Fällen jedoch fällt zugleich mit diesen Niederschlägen alles im
                              									salpetersauren Silber gelöst gewesene Jodsilber mit nieder. Gesetzt, man hätte
                              									metallisches Silber aus dem Bade ausgefällt und löst dieses nach gehörigem
                              									Auswaschen wieder in Salpetersäure auf, so löst sich dabei zugleich das mitgefällt
                              									gewesene Jodsilber gleichfalls auf und man erhält beim Abdampfen einen stark
                              									jodsilberhaltigen Silbersalpeter. Aehnlich verhält es sich bei der Fällung des
                              									Silbers als Chlorsilber. Mit letzterem fällt auch alles gelöst gewesene Jodsilber
                              									mit nieder – wird selbst beim Schmelzen des Chlorsilbers nicht völlig
                              									zersetzt – und mischt sich unter das reducirte Silber, bei dessen Auflösung
                              									es sich ebenfalls wieder mit auflöst. Nur durch sehr starkes Verdünnen des negativen
                              									Silberbades mit destillirtem Wasser vor der Fällung läßt sich der größte Theil des
                              									Jodsilbers ausscheiden. Doch wird dadurch die Operation sehr umständlich. (Archiv der
                                    											Pharmacie.)