| Titel: | Neues Auflösungsmittel des Indigotins; von A. A. de Aguiar und Alex. Bayer. | 
| Fundstelle: | Band 200, Jahrgang 1871, Nr. XVII., S. 72 | 
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                        XVII.
                        Neues Auflösungsmittel des
                           								Indigotins; von A. A. de Aguiar und Alex. Bayer.Aus dem Jornal de sciencias
                                       											mathematicas, physicas e naturaes, in Uebersetzung
                                    										aus dem Portugiesischen durch H. Schneider und C. J. Bayer mitgetheilt in den Annalen der Chemie und
                                       										Pharmacie Bd. CLVII S. 366 (März 1871).
                           							
                        Aguiar und Bayer, neues Auflösungsmittel des
                           								Indigotins.
                        
                     
                        
                           Jeder, der sich mit der Reindarstellung des Indigotins
                              									beschäftigt hat, muß uns beistimmen, daß die bis jetzt
                              									angewandten Methoden kein befriedigendes Resultat geben, und
                              									zwar aus dem Grunde, weil keine recht geeignet ist, eine
                              									ordentliche Krystallisation zu liefern, ohne daß diese mit
                              									Zersetzungsproducten verunreinigt wäre. Trotz der Vorzüge welche
                              									die Methode von Fritzsche bietet, und
                              									wenn wir am Ende auch durch Sublimation erkennbare Krystalle
                              									erhalten, so sind diese Methoden doch nicht frei von dem oben
                              									erwähnten Uebelstand.
                           Man wird deßhalb leicht die Wichtigkeit eines Verfahrens
                              									einsehen, welches uns das reine Indigotin liefert, ohne daß man
                              									nöthig hat, zu so langwierigen Operationen seine Zuflucht zu
                              									nehmen. Durch eine Reihe von Versuchen, welche wir über das
                              									Indigotin angestellt haben, ist es uns gelungen, ein
                              									Lösungsmittel zu finden, welches das Indigotin in großer Menge
                              									aufnimmt und es in schönen Krystallen anschießen läßt, während
                              									die anderen Stoffe, mit welchen der Indigo des Handels
                              									verunreinigt ist, in Lösung bleiben.
                           
                           Eine der wichtigsten Eigenschaften des Indigotins ist, daß es von
                              									den gewöhnlichen Lösungsmitteln nicht aufgenommen wird. Weder
                              									Wasser, noch Alkohol, noch Aether, weder fette noch ätherische
                              									Oele oder verdünnte Säuren und Alkalien lösen es in der Kälte
                              									oder Wärme auf. Wenn concentrirte Schwefelsäure es löst, so ist
                              									es doch aus diesem Lösungsmittel nicht unverändert abscheidbar;
                              									und wenn Kreosot und Phenylsäure es bei ihrem Siedepunkte in
                              									geringer Quantität aufnehmen, so scheidet es sich aus diesen
                              									Flüssigkeiten nur in Flocken aus. Essigsäureanhydrid, dem man
                              									einen Tropfen concentrirter Schwefelsäure hinzufügt, ist das
                              									einzige Lösungsmittel, welches das Indigotin unverändert löst.
                              									Diese Lösung stellt eine tiefblaue Flüssigkeit dar, aus welcher
                              									sich das Indigotin bei Zusatz von Wasser unverändert
                              									abscheidet.
                           Dieser Weg war bis jetzt der einzige, welcher uns die
                              									ursprüngliche Substanz gleich lieferte, ohne daß es nöthig war,
                              									das Indigblau zuerst zu reduciren.
                           Das neue Auflösungsmittel, welches wir entdeckten, ist ein
                              									ziemlich gewöhnliches und bekanntes Product, eine organische
                              									Base, die sich bei der Zersetzung des Indigo's durch die Hitze
                              									bildet, oder besser, wenn Kalihydrat und Hitze gleichzeitig auf
                              									den Indigo wirken; es ist das Anilin.
                                 										Diese Flüssigkeit liefert uns das Indigotin aus käuflichem
                                 										Indigo rein, schon nach der ersten Krystallisation,
                              									wenn das Handelsproduct von guter Qualität war, oder nach der
                              									zweiten Krystallisation, wenn es weniger gut war. – Wir
                              									verfahren in folgender Weise.
                           Wir pulverisiren den käuflichen Indigo, übergießen ihn in einem
                              									Kolben mit reinem Anilin, und erhitzen die Flüssigkeit zum
                              									Kochen. Die organische Base löst fast augenblicklich den
                              									Farbstoff und verwandelt sich in eine tiefblaue Flüssigkeit, die
                              									der einer concentrirten Lösung von Indigo in Schwefelsäure
                              									ähnlich sieht. Wir filtriren durch Papier und behandeln den
                              									Rückstand auf gleiche Weise so oft, als sich das Anilin noch
                              									färbt; in dem Maaße als sich die Lösung abkühlt, innerhalb
                              									einiger Stunden, schießen die meisten Indigokrystalle an,
                              									während die Flüssigkeit eine schwarze Farbe annimmt, was uns
                              									eine vollständige Trennung von den fremden färbenden, das
                              									Indigotin begleitenden Stoffen anzeigt.
                           Zum Zwecke sehr genauer Untersuchungen lösen wir die erhaltenen
                              									Krystalle zum zweitenmale in Anilin, welche Lösung nach dem
                              									Erkalten das Indigotin so rein liefert, wie man es auf andere
                              									Weise nicht erhalten kann. Diese Krystalle geben wir auf ein
                              									Filter, waschen sie mit Alkohol, um sie vollständig von Anilin
                              									zu befreien, und trocknen sie bei 110° C.
                           
                           So dargestellt zeigt sich das Indigotin in seinem gewöhnlichen
                              									Habitus mit kupferrothem Reflex und sehr lebhaftem Glanz.
                           Chemisch rein ist es eine der schönsten Substanzen, welche die
                              									Chemie kennt, und wetteifert es durch sein Aussehen mit dem
                              									durch Sublimation erhaltenen Indigotin.
                           Wir suchten auch noch andere Flüssigkeiten, die das Anilin
                              									ersetzen könnten, sind jedoch zu keinem günstigen Resultate
                              									gekommen; wir hatten indessen dabei Gelegenheit zu bemerken, daß
                              									sowohl Benzol als auch Chloroform das Indigotin in geringer
                              									Menge beim Erwärmen auflösen und dieses beim Erkalten wieder in
                              									Form von Flocken fallen lassen.
                           Auch fanden wir, daß – wenn auch das Gegentheil behauptet
                              									wird – sowohl Alkohol als auch namentlich Aether bei der
                              									Siedehitze das Indigotin in geringer Menge zu lösen im Stande
                              									ist.