| Titel: | Baines' Verfahren zur Wiederherstellung abgefahrener Bahnschienen. | 
| Fundstelle: | Band 200, Jahrgang 1871, Nr. LXXVII., S. 277 | 
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                        LXXVII.
                        Baines' Verfahren zur Wiederherstellung abgefahrener
                           								Bahnschienen.
                        Baines' Verfahren zur Wiederherstellung
                           								abgefahrener Bahnschienen.
                        
                     
                        
                           Die enormen Betriebskosten der Eisenbahnen, welche selbst bei den
                              									gut verwalteten und ökonomisch betriebenen, in der Berechnung
                              									des Reingewinnes als ein ungemein hoher Procentsatz der
                              									Brutto-Einnahmen erscheinen, veranlassen überall die
                              									Directionen der Bahnen ihr Hauptaugenmerk auf sparsamsten
                              									Betrieb und billigste Unterhaltung zu lenken. Die Realisirung
                              									solchen richtigen Bestrebens zeigt sich in verschiedener Art und
                              									verleitet nicht selten zu Ausschreitungen nach der einen oder
                              									anderen Richtung, während die richtige Lösung der Aufgabe ein
                              									gleichzeitiger Gebrauch der beiden zu Gebote stehenden
                              									Hauptmittel, nämlich Beschaffung rationeller Einrichtungen mit
                              									Zuziehung der stets auftretenden brauchbaren Neuerungen, und
                              									zweitens, Anlegung möglichster Sparsamkeit nach allen Richtungen
                              									hin, seyn sollte.
                           
                           Unter allen Unterhaltungs-Ausgaben nimmt die der Schienen
                              									eine der hervorragendsten Stellungen ein, weßhalb sich denn seit
                              									Bestehen der Eisenbahnen die Gesammt-Ingenieurwelt mit
                              									diesem Gegenstande beschäftigt und namentlich darauf ausgeht,
                              									die Unterhaltungskosten durch Beschaffung möglichst dauerhafter
                              									Schienen herunter zu treiben. Es besteht dann die Aufgabe in
                              									einer vergleichenden Berechnung, welche sich immer und immer im
                              									finanziellen Ingenieurleben wiederholt, in welcher nämlich
                              									Anschaffungs- und Unterhaltungskosten von einander
                              									abhängige Variablen sind.
                           Im Engineering zeigt ein Artikel, wie
                              									man in Amerika mit Erfolg und jetzt auch in England
                              									versuchsweise die Unterhaltungsfrage der Schienen auf anderem
                              									Wege löst. Eine jede eiserne Schiene ist immer durch die Art
                              									ihrer Fabrication, durch den Walzproceß der einzelnen Theile des
                              									Packets und den des letzteren selbst, als ein Bündel mehr oder
                              									weniger solid mit einander verbundener Fasern anzusehen; wenn
                              									auch die Kopfplatte noch so dick und ihre Schweißung mit den
                              									inneren Platten noch so vollständig, wenn das
                              									Kopfplatten-Eisen sogar von feinkörniger Structur ist, so
                              									bleibt dem Kopf der Schiene immer noch ein langfaseriges Gefüge.
                              									Ein so gebildeter Körper kann durch die darüber laufenden Räder
                              									wohl nach der Längenrichtung hin, wegen der gegenseitigen
                              									Einwirkung der benachbarten Atome, nicht deformirt werden;
                              									dagegen läßt seine relativ geringe Breiten Dimension und die
                              									oben beschriebene Structur Quetschungen und Rutschungen nach der
                              									Querrichtung zu. Könnte man die Schienen mit Querfasern im Kopfe
                              									anfertigen, dann würden sie gewiß bei genügender Tragfähigkeit
                              									fast bis zur vollständigen Abnutzung des Kopfes gebraucht werden
                              									können. Auf der Great-Western-Bahn hat man mit
                              									bestem Erfolge, zur Vermeidung des Splitterns der Langschwellen,
                              									Querhölzer unter den Fuß der Schienen gelegt, was als ein Beweis
                              									der Richtigkeit obigen Schlusses angesehen werden kann. Es ist
                              									klar, daß Stahlschienen weit mehr diesen Bedingungen sich
                              									nähern; doch der allgemeinen Anwendung dieses Materiales stellt
                              									sich bis jetzt immer noch der hohe Preis entgegen und ist daher
                              									eine Verbesserung in der Unterhaltung eiserner Schienen, da diese noch vorerst sich einer
                              									allgemeinen Benutzung erfreuen, besonders willkommen zu
                              									heißen.
                           Hr. Baines kam in Amerika, wo eine
                              									Unmasse ausgeschossener Schienen sich aufhäuft, auf den
                              									Gedanken, den fehlerhaften Stellen, die sich meist ja nur auf
                              									einige Fuß Länge erstrecken und als Quetschungen im obigen Sinne
                              									auftreten, Pflaster aufzulegen. Zu diesem Zwecke kommt die
                              									Schiene mit einem aufgelegten Eisenstabe und zwar nur mit diesem
                              									Theile in einen eigens dazu construirten Schweißofen und nach
                              									erlangter Schweißhitze auf eine Walzenstraße,
                              									deren engstes Profil das der Schiene ist. Einer so reparirten
                              									Schiene kann wohl nicht auf ihrer ganzen Länge der Werth einer
                              									neuen beigelegt werden, aber gewiß ist das mit einem Pflaster
                              									versehene Stück ebenso gut, ja unter Umständen noch besser, als
                              									es ursprünglich war. Gegenwärtig erfreuen sich 6000 engl. Meilen
                              									Eisenbahnen der Wohlthat dieser Erfindung. Die
                              									Great-Western Bahn in Canada war die erste, welche diese
                              									Methode versuchte und nach drei Jahren legte sie auf eigene
                              									Kosten ein Werk dafür an, welches 300 engl. Meilen Bahnlänge
                              									versorgen sollte. Die Chicago-Nord-Western Bahn
                              									hat in dieser Weise drei Walzwerke errichtet, um die Schienen
                              									ihrer 1800 engl. Meilen Bahnlänge nach obiger Methode zu
                              									repariren. Noch viele andere amerikanische Linien benutzen
                              									ebenfalls die erprobten Vortheile der Baines'schen Erfindung. Kein Wunder daher, daß sich
                              									nun auch der englische Nachbar dieser neuen conservativen
                              									Unterhaltungsmethode bedient, da derselbe ebenfalls Bahnen
                              									besitzt, welche ungeheure Summen für die Auswechselung der
                              									Schienen verschlingen. Eine der englischen Bahnen soll zwei
                              									Millionen Pfund Sterling zur Erneuerung ihrer Schienen gebraucht
                              									haben, während die jährlichen Ausgaben für diesen Zweck bei der
                              									London- und North-Western Bahn fast 50000 Pfd.
                              									Sterl. betragen. Auf sehr frequentirten Theilen einer Bahn ist
                              									eine Ausgabe von 20 Shillingen pro
                              									Tag und Meile für die Erhaltung der Schienen nicht zu hoch
                              									gerechnet.
                           Es wurde deßhalb nun auch ein Experimental-Walzwerk in
                              									England (bei London) angelegt und hofft die Gesellschaft bei
                              									einer Capitalanlage von 3000 Pfd. Sterl. eine jährliche
                              									Ersparniß von 500 Pfd. Sterl. zu erzielen. Es wurden bis jetzt
                              									Versuchsschienen für die London-Chatham- und
                              									Dover-Bahn und andere Gesellschaften angefertigt, und
                              									ohne Zweifel wird die Methode sogar in diesem Lande, wo die
                              									Fabrication der neuen Schienen unter den günstigsten Umständen
                              									stattfindet, ein großes Feld zur Verbreitung finden, da ein
                              									Umwalzen der abgefahrenen Schienen immer noch den zehnfachen
                              									Betrag des Baines'schen
                              									Reparatur-Walzens erreicht. In Indien, wo Tausende von
                              									Tonnen ausgeschossener Schienen unbenutzt daliegen, wird sich
                              									die Methode ebenfalls einbürgern. (Engineering, September 1870, durch das Organ für die
                                    									Fortschritte des Eisenbahnwesens.)