| Titel: | Ueber ein neues Verfahren zur fabrikmäßigen Darstellung von Chlor; von Henry Deacon | 
| Fundstelle: | Band 200, Jahrgang 1871, Nr. CX., S. 399 | 
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                        CX.
                        Ueber ein neues Verfahren zur
                           								fabrikmäßigen Darstellung von Chlor; von Henry Deacon
                           								Deacon's Verfahren zur
                                 										Chlorbereitung wurde im polytechn. Journal, 1870, Bd.
                                 										CXCVIII S. 540 in Kürze mitgetheilt. Die Bemerkung von F.
                                 											Hurter, Chemiker der Fabrik
                                 										von Gaskell Deacon und Comp. in Widnes (Lancashire), daß
                                 										in Folge seiner in Gemeinschaft mit Deacon fortgesetzten Versuche der neue
                                 										Chlorbereitungsproceß in kurzer Zeit den Manganproceß
                                 										verdrängen dürfte (man s. S. 125 in diesem Bande des polytechnischen Journals, zweites
                                 										Aprilheft 1871), veranlaßt uns, Deacon's Vortrag über sein Verfahren in der
                                 										letzten Versammlung der British
                                    											Association nach seinem ganzen wesentlichen Inhalte
                                 										nachzutragen.A. d. Red.
                           							
                        Aus dem Engineer vom
                              									4. November 1870, S. 316.
                        Mit einer
                           								Abbildung.
                        Deacon, über einen neuen
                           								Chlorbereitungsproceß.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich treten, wenn ein Gemisch von Chlorwasserstoffgas und
                              									Sauerstoff hinreichend erhitzt wird, Antheile des Wasserstoffes
                              									und Sauerstoffes mit einander in Verbindung und es wird eine
                              									entsprechende Menge Chlor frei, dessen Quantität man dadurch
                              									vermehren kann, daß man die heißen Gase über heiße poröse
                              									Substanzen streichen läßt. Indessen ist die Menge des auf diese
                              									Weise frei gewordenen Chlors im günstigsten Falle
                              									unbeträchtlich. Bei Anwendung des im Nachfolgenden zu
                              									erörternden Verfahrens erfolgen diese Reactionen bei weit
                              									niedrigeren Temperaturen und in so kräftiger Weise, daß
                              									sämmtliches Chlorwasserstoffgas zersetzt und dessen Chlor frei
                              									gemacht oder aus atmosphärischer Luft reiner Stickstoff erhalten
                              									werden kann, indem der ganze Sauerstoffgehalt derselben sich mit
                              									dem Wasserstoff der Chlorwasserstoffsäure verbindet. Dieses
                              									Verfahren besteht in der Anwendung irgend einer Substanz, über
                              									welche das heiße Gasgemisch geleitet wird, wobei diese Substanz
                              									selbst zwar unverändert bleibt, aber die Reaction
                              									zwischen den Gasen vermittelt. Kupfersalze besitzen dieses Vermögen in
                              									ausgezeichnetem Grade, namentlich eignet sich schwefelsaures
                              									Kupferoxyd (Kupfervitriol) zu diesem Zwecke so gut, daß ich
                              									dieses Salz ausschließlich anwende. Sämmtliche von mir bisher
                              									versuchte Kupferverbindungen erwiesen sich jedoch gleich
                              									wirksam; natürlich werden viele von ihnen durch Oxydation
                              									verändert oder zu Chlorid umgewandelt, aber die Veränderung
                              									erfolgt im Allgemeinen langsam, wohingegen ihre Activität eine
                              									continuirliche ist. Kupfervitriol aber bleibt bei diesem
                              									Versuche unverändert. Auch sämmtliche entsprechende Bleiverbindungen, mit Ausnahme von
                              									einer, sind activ, erfordern aber höhere Temperaturen. Die
                              									Ausnahme bildet das schwefelsaure Bleioxyd, welches also in
                              									merkwürdiger Weise mit der entsprechenden Kupferverbindung
                              									contrastirt. Auch erwiesen sich alle Manganverbindungen activ, freilich erst bei noch
                              									höherer Temperatur; es ist aber zweifelhaft, ob bei Anwendung
                              									derselben die Reaction jemals ganz vollständig vor sich geht;
                              									bei der hohen Temperatur, welche die Mangansalze erfordern,
                              									erscheint es wahrscheinlich, daß das Chlor selbst auf das
                              									erzeugte Wasser einwirkt, so daß wiederum Chlorwasserstoffsäure
                              									entsteht und Sauerstoff frei wird. Zahlreiche Versuche haben den
                              									Beweis geliefert, daß man zu dem in Rede stehenden Zwecke nur
                              									Stücke von gewöhnlichen rothen Ziegelsteinen mit einer
                              									gesättigten Lösung von Kupfervitriol zu tränken und sie dann zu
                              									trocknen braucht. Mit den so vorbereiteten Ziegelstücken werden
                              									Röhren gefüllt und das heiße Gasgemisch
                              									(Chlorwasserstoff- und Sauerstoffgas) wird durch diese
                              									Röhren geleitet. Die Temperatur, bei welcher die Reaction am
                              									thätigsten ist, beträgt etwa 370 bis 400° C.; sie findet
                              									jedoch schon bei etwa 200° C. statt. Wird die Temperatur
                              									auf ungefähr 425° C. gesteigert, so beginnt die
                              									Verflüchtigung von Kupferchlorid; d.h. wenn auch ursprünglich
                              									kein Kupferchlorid angewendet wird, so bildet sich dieses Salz
                              									doch stets unter den angeführten Umständen und verflüchtigt
                              									sich, sobald die angegebene Temperatur erreicht wird. Diese
                              									Angaben der Temperatur sind nicht als genaue zu betrachten, da
                              									die Schwierigkeiten ihrer Beobachtung sehr bedeutend sind. Man
                              									kann sie jedoch innerhalb ziemlich enger Grenzen fixiren, zumal
                              									da die Reaction eben so sehr und wahrscheinlich noch mehr von
                              									der Temperatur des Gasgemisches, als von der Temperatur der
                              									dasselbe beeinflussenden Substanz abhängt. In dieser Weise
                              									vermag eine sehr geringe Menge von schwefelsaurem Kupferoxyd,
                              									welche sich am Ende des Processes als unverändert erweist, den
                              									ganzen Chlorgehalt einer sehr bedeutenden Menge von
                              									Chlorwasserstoffgas frei zu machen. Bei dem ersten lange
                              									fortgesetzten Versuche wurden durch ein Aequivalent Kupfer über
                              									300 Aequivalente Chlor entwickelt, und das Kupfersalz war dann
                              									noch ebenso wirksam wie beim Beginne des Versuches.
                           Es ergab sich, daß wenn man den Kupfersalzgehalt der Ziegelstücke
                              									über einen gewissen Punkt hinaus vermehrt, ihre
                              									Wirkungsfähigkeit dadurch keineswegs erhöht wird. Um die
                              									Richtigkeit dieser Beobachtung zu constatiren, wurden
                              									Ziegelstücke sorgfältig nach ihrer Größe sortirt und für sich
                              									allein (ohne mit Kupferlösung getränkt zu seyn) angewendet, und
                              									die aus dem erhitzten Gasgemisch ausgeschiedene geringe
                              									Chlormenge wurde notirt. Hierauf wurde ein bestimmtes Volum
                              									Kupfervitriollösung mit einer Anzahl gleich großer Ziegelstücke
                              									eingekocht, diese getrocknet, in demselben Apparate unter
                              									denselben Umständen zur Chlorentwickelung benutzt, und das
                              									hierbei erhaltene Resultat notirt. Alsdann wurden die
                              									Ziegelstücke nochmals mit Vitriollösung imprägnirt und der
                              									Versuch ward wiederholt; schließlich wurden Krystalle von
                              									schwefelsaurem Kupferoxyd selbst, von derselben Größe wie die
                              									Ziegelstücke, getrocknet und angewendet. Das Resultat war bei
                              									allen Versuchen das gleiche, d.h. in derselben Zeit war dieselbe
                              									Gewichtsmenge Chlor entwickelt worden. Bei dem mit reinen (nicht
                              									mit Vitriollösung getränkten) Ziegelstücken angestellten
                              									Laboratoriumversuche betrug die erzielbare Chlormenge nicht über
                              									drei Procent, während bei Anwendung von Kupfervitriol
                              									sämmtliches Chlor frei geworden war.
                           Weitere Versuche haben dargethan, daß bei derselben Temperatur
                              									dieselbe Oberfläche von Kupferverbindungen in derselben Zeit
                              									dieselbe Chlormenge gibt, vorausgesetzt natürlich, daß eine
                              									genügende Quantität des heißen Gemisches von Sauerstoff
                              									(beziehungsweise atmosphärischer Luft) und Chlorwasserstoffgas
                              									zugegen ist. Die Wahrheit dieses Gesetzes für Kupferverbindungen
                              									ist innerhalb sehr weiter Grenzen nachgewiesen worden. Die
                              									Geschwindigkeit des Gasstromes und die Zusammensetzung des
                              									Gasgemisches wurden mannichfach abgeändert. Man mag die
                              									Geschwindigkeit des Gasstromes verringern, bis die Menge des
                              									entwickelten Chlors den ganzen Chlorgehalt des
                              									Chlorwasserstoffgases repräsentirt, oder man mag dieselbe
                              									verstärken, bis die entwickelte Chlormenge nur einen kleinen
                              									Procentsatz der durch die Röhren streichenden Gasmenge ausmacht,
                              									so ist das Gesammtgewicht des mittelst desselben Apparates bei
                              									derselben Temperatur und in derselben Zeit entwickelten Chlors
                              									doch constant. Natürlich fallen die Resultate abweichend aus,
                              									wenn das Gasgemisch noch andere Gase enthält, welche eine
                              									chemische Wirkung ausüben; aber durch Wasserdampf, Stickstoff,
                              									Kohlensäure und Schwefelsäure wird das erwähnte Gesetz nicht
                              									modificirt. Bei meinen Versuchen habe ich als Sauerstoffquelle
                              									fast immer die Atmosphäre benutzt; es war daher stets Stickstoff
                              										zugegen und der Wasserdampf mußte als eines der Producte der
                              									Reaction ebenfalls stets zugegen seyn. Während die Gewichtsmenge
                              									des Chlors constant bleibt, variirt der Betrag der geleisteten
                              									Arbeit nochwendig mit der Menge des durch den Apparat geströmten
                              									Chlorwasserstoffgases. Ist der Strom so langsam, daß die
                              									Reaction vollständig stattfindet, so werden 100 Proc.
                              									Chlorwasserstoffgas zersetzt werden; wenn aber die doppelte
                              									Menge dieses Gases in derselben Zeit den Apparat durchströmt, so
                              									wird nur die Hälfte desselben zersetzt, es werden also nur 50
                              									Proc. Chlor frei werden, und ähnlich für andere
                              									Gewichtsmengen.
                           Bei Laboratoriumversuchen benutzte ich ein gewöhnliches gläsernes
                              									Verbrennungsrohr. Dasselbe kommt in eine aus Eisenblech
                              									aufgebogene Rinne zu liegen, deren Boden man mit Eisenbohrspänen
                              									bedeckt. Zum Erhitzen des Rohres dient eine Reihe von Bunsen'schen Gasbrennern. Die Wärme
                              									wird durch das Metall der Rinne und durch die Bohrspäne
                              									verbreitet, wodurch man eine ziemlich gleichmäßige Temperatur
                              									erzielt. Die zum Füllen des Rohres verwendeten kleinen
                              									Ziegelstückchen haben ungefähr die Größe kleiner Pfefferkörner
                              									oder großer Senfkörner. Ein constanter Strom von
                              									Chlorwasserstoff wird mittelst eines Glockenapparates (wie sie
                              									zur Wasserstoffgas-Entwickelung gebräuchlich sind) aus
                              									einem Stücke Chlorammonium und concentrirter Schwefelsäure
                              									entwickelt; der Druck des entwickelten Gases verdrängt die
                              									angewendete Säure, verhindert Materialverlust und liefert das
                              									Gas unter Pressung. Den Luftstrom erhielt ich durch die
                              									umgekehrte Wirkung der Sprengel'schen
                              									Wasserluftpumpe, welche in meinem Laboratorium zum Filtriren
                              									benutzt wird.
                           Für Versuche gewöhnlicher Art kann die Mischung der Gase dadurch
                              									regulirt werden, daß man die beiden Gasentbindungsröhren in
                              									verdünnte Chlorwasserstoffsäure tauchen läßt und die aus jeder
                              									Röhre aufsteigenden Gasblasen zählt. Haben die Röhren gleichen
                              									Durchmesser und gleiche Form, und sind dieselben gleich tief in
                              									die Säure getaucht, so kann man die Mengungsverhältnisse beider
                              									Gase ziemlich genau bestimmen. Bei Anwendung eines
                              									Verbrennungsrohres von nicht ganz zwei Fuß Länge und ungefähr
                              									einem halben Zoll Weite findet die Reaction so vollständig
                              									statt, daß die resultirenden Gase, in einer Flasche aus weißem
                              									Glase von zwei Unzen Inhalt aufgefangen, die charakteristische
                              									Farbe des Chlors deutlich zeigen. Selbstverständlich kann das
                              									Chlor mit Hülfe der gewöhnlichen Reagentien leicht nachgewiesen
                              									und bestimmt werden, wenn seine Menge viel zu gering ist, um in
                              									einer so kleinen Quantität eine deutliche Farbe zu zeigen. Bei
                              									gehöriger Sorgfalt kann dieser Versuch fortgesetzt werden, bis
                              									die erhaltene Chlormenge das vielhundertfache Aequivalent
                              									des angewendeten Kupfers beträgt; nicht eine Spur von Kupfer
                              									verflüchtigt sich dabei, und schließlich findet man den
                              									Kupfervitriol ganz unzersetzt und frei von Kupferchlorid, so daß
                              									er offenbar noch auf unbestimmt lange Zeit seinen Dienst leisten
                              									kann. Wenn man aber den Versuch durch die Röhrenwandungen
                              									hindurch von Anfang an überwacht und ein Stück Jodstärkepapier
                              									benutzt, um das erste Auftreten von Chlor in den gewaschenen
                              									Gasen zu erkennen, so bemerkt man gleichzeitig mit dem
                              									Erscheinen der ersten Chlorantheile eine Veränderung der Farbe
                              									des erhitzten schwefelsauren Kupferoxydes. Dasselbe nimmt
                              									nämlich die Färbung des erhitzten Kupferchlorids an, welche
                              									während der Dauer des Versuches constant bleibt, aber mit dem
                              									Erkalten des Rohres wieder verschwindet. Die bekannte
                              									Eigenschaft des erhitzten Kupfervitriols, Chlorwasserstoffgas zu
                              									absorbiren, steht mit dieser Erscheinung offenbar in engem
                              									Zusammenhang.
                           Die ursprüngliche Idee des neuen Verfahrens ist mein Verdienst;
                              									aber alle Versuche, um dasselbe festzustellen und für die
                              									Fabrication im Großen anwendbar zu machen, wurden von mir seit
                              									beinahe drei Jahren in Gemeinschaft mit Dr. F. Hurter, dem Chemiker
                              									unserer Werke (in Widnes, Lancashire) und E. Darey, dem Betriebsdirigenten
                              									derselben, entworfen und ausgeführt.
                           Wir arbeiten jetzt nach der neuen Methode in großem Maaßstabe,
                              									überzeugen uns immer mehr von dem Werthe derselben, und glauben
                              									daß die Schwierigkeiten, mit denen wir bisher zu kämpfen hatten,
                              									bald zu Ende seyn werden.
                           Zu den ersten dieser Schwierigkeiten gehörte die Messung der
                              									Geschwindigkeit der Gase. Zur Ausführung derselben wurde
                              									hauptsächlich durch Dr. Hurter's Bemühungen ein sehr
                              									brauchbares Anemometer construirt. Dasselbe besteht in einer Uförmigen Röhre von ungefähr 1/8
                              									Zoll lichter Weite, von deren beiden Schenkeln jeder ungefähr 10
                              									Zoll lang ist; diese Röhre ist flach auf einer die Scala
                              									tragenden geneigten Ebene befestigt, welche mit einem
                              									horizontalen, mit Stellschrauben und einer Weingeistlibelle
                              									versehenen Gestell verbunden ist, daher sie sich beliebig heben
                              									oder senken läßt. Der verticale Lauf der Flüssigkeit ist daher
                              									über eine lange Diagonale verbreitet und die kurzen verticalen
                              									Abtheilungen werden zu langen horizontalen vergrößert. Die
                              									Empfindlichkeit des Instrumentes hängt von der im Rohre
                              									angewandten Flüssigkeit ab; dieselbe besteht hier in Aether,
                              									welcher sich für den Zweck bestens eignet. Der Meniscus tritt an
                              									der Oberfläche deutlich hervor, so daß sich die Grade mit
                              									Sicherheit ablesen lassen, und die Reibung zwischen dieser
                              									Flüssigkeit und dem Glase, sowie zwischen ihren eigenen Theilen
                              									ist so gering, daß ein Tausendtelzoll ohne Nonius deutlich
                              									abgeschätzt werden kann. Die durch die Anwendung fixer
                              									Abtheilungen auf einer variirenden Diagonale bedingten kleinen
                              									Fehler sind so unbedeutend, daß sie in der Praxis vernachlässigt
                              									werden können.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 200, S. 403
                              
                           Wir überzeugten uns von der großen Empfindlichkeit dieses
                              									Anemometers in folgender Weise. Der vorstehende Holzschnitt
                              									stellt die von uns angewendeten Glasflaschen A und B
                              									dar, welche mit Hülfe von concentrirter, mit Chlorwasserstoffgas
                              									gesättigter Schwefelsäure benutzt wurden, um das Gasgemisch
                              									durch den Experimentirapparat zu treiben. Die obere Flasche A ist mit der Säure gefüllt, die
                              									untere B enthält das Gasgemisch.
                              									Beide sind luftdicht mit einander verbunden. Die zwei Röhren f und d,
                              									wovon letztere einen Heber bildet, dienen um das Gasgemisch aus
                              										B durch das Rohr a in constantem Strom zu verdrängen.
                              									Mittelst des Rohres c wird das
                              									Anemometer mit dem Apparate verbunden. Wir beobachteten daß, so
                              									lange als die Säure aus d nicht
                              									tropfenweise hervortrat, der Druck in B, also die Geschwindigkeit der aus a hervortretenden Gase in dem Maaße
                              									allmählich abnahm, als die Säure in B stieg. Mit dem tropfenweisen Hervortreten der Säure
                              									war die Geschwindigkeit des Gasstromes aber constant. Dr. Hurter erkannte die Ursache davon darin, daß, wenn der
                              									Schwefelsäure-Faden von d bis
                              									zu der bereits in B befindlichen
                              									Säure hinabreicht, derselbe das Gewicht der im Rohre d enthaltenen Flüssigkeitssäule
                              									vermehrt, in Folge dessen sich A
                              									rascher entleert, somit also mehr Gas aus B verdrängt wird. Er half diesem Uebelstande
                              									dadurch ab, daß er das Ende des Rohres d in der bei x
                              									dargestellten Weise aufbog. Der Säurefaden wurde dann vom Rohre
                              									selbst getragen und die Säule im Heber war constant.
                           Das nächste Hinderniß war ein ziemlich bedeutendes und die
                              									Bewältigung desselben gelang erst in der letzten Zeit. Es betraf
                              									die Temperatur der Gase, deren genaue und rasche Bestimmung
                              									innerhalb enger Grenzen von Wichtigkeit war. Die gewöhnlichen
                              									Metallthermometer, welche aus einem von einem Messingrohre
                              									umgebenen Eisenrohre oder Eisenstabe bestehen, und mit einem
                              									mechanischen Indicator für die Ausdehnungs-Differenz
                              									zwischen den zwei Metallen versehen sind, erwiesen sich bei
                              									Temperaturen über 260° C. als unzuverlässig; das
                              									Messingrohr verlängert sich sowohl bleibend, als auch
                              									unregelmäßig. Neuerdings haben wir anstatt der Röhren massive
                              									Stäbe von Messing und von Eisen angewendet, wobei das Messing
                              									auf dem Eisen liegt (während die Anordnung bisher die umgekehrte
                              									war); bis zu etwa 538° C. lassen die Angaben dieser
                              									Instrumente nichts zu wünschen übrig. Somit wurde eine sehr
                              									bedeutende Schwierigkeit durch ganz einfache Mittel beseitigt.
                              									Nach unserer Ansicht entspringen die Fehler bei den gewöhnlichen
                              									Metallthermometern dieser Classe zum Theil aus einer bleibenden
                              									Aenderung im Durchmesser des Messingrohres, welche bei jeder
                              									bedeutenderen Temperaturänderung eintritt, und zum Theil aus
                              									einem Strecken des Rohres, wenn es durch das Erhitzen weich
                              									gemacht wird. Ein massiver Stab dagegen erhitzt sich durch
                              									seinen ganzen Querschnitt gleichmäßiger, und vermag einer
                              									Veränderung seiner Dimension in der Richtung des Durchmessers
                              									besser zu widerstehen, daher er durch bloßes Erhitzen und
                              									Abkühlen nicht verändert wird. Es findet bei ihm keine Spannung
                              									der Theilchen statt, daher streckt er sich nicht, und da zwei
                              									gleichgestaltete Stäbe mit einander verglichen werden, so
                              									gleichen sich die Fehler gegenseitig ziemlich aus.
                           Wir befürchteten eine weitere Schwierigkeit, welche sich aber als
                              									grundlos herausstellte. Natürlich ist dem Chlor viel Stickstoff
                              									beigemischt, welcher, wie wir vermutheten, bei der
                              									Chlorkalkfabrication der Sättigung des Kalkhydrates mit Chlor
                              									hinderlich seyn würde; es ist aber leicht, ein gutes Product
                              									darzustellen, – selbst wenn die Zersetzung des
                              									Gasgemisches eine nur sehr mäßige, und somit das erzeugte Chlor
                              									sehr verdünnt ist, – indem man dem zu sättigenden Kalke
                              									durch reihenweises Aufstellen der Behälter eine große Oberfläche
                              									ertheilt, und das chlorhaltige Gasgemisch zunächst mit beinahe
                              									gesättigtem Kalke in Berührung treten, dann aber über frisches
                              									Kalkhydrat streichen läßt. Die unzersetzt gebliebene
                              									Chlorwasserstoffsäure wird durch Waschen mit Wasser entfernt;
                              									die erhaltene wässerige Säure nimmt nur Spuren von Chlor auf, so
                              									daß alles erzeugte Chlor verwerthet werden kann.
                           Die Reaction des Gasgemisches ist selbst eine Wärmequelle. Vier
                              									Volume Chlorwasserstoffgas und ein Volum Sauerstoff geben zwei
                              									Vol. Wasser und zwei Vol. Chlor, somit werden fünf Vol. auf vier
                              									Vol. reducirt. Durch den Stickstoffgehalt der als
                              									Sauerstoffquelle benutzten atmosphärischen Luft wird das Volum
                              									auf beiläufig neun Raumtheile erhöht, welche auf acht Raumtheile
                              									reducirt werden. Es werden 10679 Wärmeeinheiten entwickelt, da
                              									nach Favre und Silbermann bei der Verbindung des Sauerstoffes mit dem
                              									Wasserstoffe 34462 Wärmeeinheiten frei werden, von denen 23783
                              									als erforderliche Verbindungswärme von Wasserstoff und Chlor
                              									abzuziehen sind. Jene Wärmemenge wird von dem vorhandenen Wasser
                              									und Stickstoff absorbirt, und dadurch wird die Temperatur
                              									allerdings erniedrigt, aber diese Wärmeentwickelung ist doch ein
                              									wesentliches Ersatzmittel der im Zersetzungsapparate durch
                              									Strahlung verloren gehenden Wärme.
                           Nehmen wir das Chlorwasserstoffgas, wie es mittelst des
                              									gewöhnlichen Flammofens entwickelt wird, so finden wir, daß
                              									unter normalen Verhältnissen die zum Freimachen der gesammten
                              									Chlormenge hinreichende Quantität atmosphärischer Luft zugegen
                              									ist, und da man jede gewünschte Verdünnung ohne Schwierigkeit
                              									bewerkstelligen kann, so ist man der Nothwendigkeit überhoben,
                              									das Gasgemisch fortwährend controlliren zu müssen.
                           Es fand sich bald, daß Gußeisen der Einwirkung des Chlors im
                              									Zersetzungsapparate sehr vollständig widersteht. Ein
                              									gewöhnliches eisernes Gasleitungsrohr wurde von den heißen
                              									Chlordämpfen vierzehn Tage lang durchströmt, ohne zu leiden;
                              									andere Röhren waren Monate lang in gleicher Weise der Einwirkung
                              									des Chlors ausgesetzt, ohne daß sie merklich angegriffen
                              									wurden.
                           Die Temperatur des Gasgemisches muß sorgfältig regulirt werden;
                              									bei zu starker Hitze sublimirt Chlorkupfer; bei zu niedriger
                              									Temperatur vermindert sich die Lebhaftigkeit der Reaction und
                              									hört endlich ganz auf. Wir benutzen einen aus Ziegelsteinen
                              									construirten, mittelst Umhüllung gegen Wärmeverlust durch
                              									Strahlung sorgfältig geschützten Regulator, welcher als
                              									Reservoir zur Absorbirung und Abgabe der Ueberhitze wirkt; wir
                              									sind mit Leichtigkeit im Stande, vierundzwanzig Stunden lang
                              									ohne besondere Aufmerksamkeit einen Gasstrom zu unterhalten,
                              									dessen Temperatur um höchstens 14° C. schwankt.
                           Von wirklichen Schwierigkeiten haben sich bis jetzt drei
                              									herausgestellt; diese sind:
                           
                           Erstens, das große Volum der Gase.
                              									Dieses erfordert große Apparate. Ein Fabrikant, welcher täglich
                              									40 Tonnen schwefelsaures Natron erzeugt, hat aber täglich mit
                              									etwa 1100000 Kubikfuß dieser Gase zu thun. Bei der Fabrication
                              									der zur Darstellung dieser 40 Tonnen Sulfat erforderlichen
                              									Schwefelsäure gelangen wenigstens 3400000 Kubikfuß Gase in die
                              									Säurekammern. Die Fabrikanten chemischer Producte sind daher
                              									gewöhnt, mit sehr großen Mengen von Gasen umzugehen und wir
                              									befürchten also in dieser Hinsicht keine ernstlichen
                              									Schwierigkeiten.
                           Zweitens, das vorläufige Erhitzen der
                              									Gase. Aus Ziegelsteinen construirte, von Außen geheizte Züge
                              									oder Canäle sind zu diesem Zwecke wegen der nicht zu
                              									vermeidenden zahlreichen Fugen und Verbindungsstellen, und wegen
                              									der durch diese bedingten Gefahr des Leckens zu verwerfen.
                           Wir führen gegenwärtig Versuche mit einem Systeme von gußeisernen
                              									Röhren ab, und haben bei Anwendung großer Oberflächen mit
                              									mäßiger Erhitzung alle Aussicht auf günstigen Erfolg.
                           Die dritte Schwierigkeit, welche uns
                              									aufgestoßen ist, wird dadurch bedingt, daß sich mit der
                              									Chlorwasserstoffsäure aus dem Flammofen etwas Eisen
                              									verflüchtigt, höchst wahrscheinlich in Form von
                              									Chlorverbindungen. Eigenthümlich ist der Umstand, daß sie sich
                              									erst dann absetzen, wenn sie die Kupfersalze erreichen. Bis vor
                              									Kurzem glaubten wir, daß hier lediglich eine Condensation in
                              									einem kälteren Theile des Apparates stattfand, dieß ist jedoch
                              									nicht der Fall.
                           Die daraus erwachsende Schwierigkeit besteht darin, daß die
                              									Röhren sich allmählich verstopfen, so daß der vordere Theil des
                              									Apparates gereinigt werden muß. Wir fanden, daß das von uns für
                              									Eisenchlorid gehaltene Sublimat verschwindet, wenn die
                              									Kupfersalze hinlänglich heiß sind, und durch Eisenoxyd ersetzt
                              									wird, welches die Röhren ebenso verstopft. Wir halten es nunmehr
                              									für erwiesen, daß diese Ablagerung im ersteren Falle durch die
                              									Gegenwart von Chlor bedingt wird; denn ihre Bildung findet nur
                              									statt, wenn freies Chlor zugegen ist und dann tritt sie bald
                              									ein. Das Eisenoxyd rührt ohne Zweifel von einer in Gegenwart von
                              									Sauerstoff, Chlor und Feuchtigkeit bei höherer Temperatur
                              									stattfindenden Zersetzung jener Substanz her. Das Mittel zur
                              									Beseitigung dieses Uebelstandes, mit dessen Prüfung wir
                              									gegenwärtig beschäftigt sind, besteht in der Anwendung
                              									verticaler, über einem leeren Raume angebrachter
                              									Reinigungsröhren; wir benutzen dazu aufeinander gesetzte
                              									Drainröhren. Der Absatz ist hierbei stets pulverförmig und
                              									beeinträchtigt die Reaction der Kupfersalze durchaus nicht.
                              									Diese verticalen Canäle gestatten, daß der schwere Staub in den
                              									unter denselben befindlichen Raum hinabfällt,
                              									aus welchem er leicht entfernt werden kann; auch sind sie zur
                              									Reinigung vom oberen Theile aus leicht zugänglich. Bei Anwendung
                              									von Bleipfannen anstatt der eisernen Pfannen zur Zersetzung des
                              									Salzes würde die Anwendung von Eisen sehr beschränkt weiden und
                              									der besprochene Uebelstand wegfallen. Bei dieser Kombination der
                              									Apparate werden sie mit Hülfe des durch eine Esse
                              									hervorgebrachten Zuges angesogen, anstatt sie durch Druck zu
                              									entfernen. Die Farbe der resultirenden Gase gibt einen guten
                              									Anhaltpunkt zur Beurtheilung des Verlaufes der Zersetzung und
                              									das Verhältniß des in der Luft enthaltenen Chlorwasserstoffgases
                              									läßt sich leicht mittelst einer Handluftpumpe bestimmen, welche
                              									bei jedem Kolbenschube ein bekanntes Volum durch eine mit
                              									Lackmus gefärbte Normalalkalilösung treibt. Eine je größere
                              									Anzahl von Kolbenzügen zur Umwandlung der blauen Farbe der
                              									Alkalilösung in Roth erforderlich ist, desto mehr Luft und desto
                              									weniger Chlorwasserstoffgas ist zugegen, und umgekehrt.