| Titel: | Zur Nähnadel-Fabrication. | 
| Fundstelle: | Band 200, Jahrgang 1871, Nr. CXXV., S. 442 | 
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                        CXXV.
                        Zur
                           								Nähnadel-Fabrication.
                        Ueber Nähnadel-Fabrication.
                        
                     
                        
                           Für die Nähnadelfabrikanten in Deutschland mag der Bericht eines
                              									Engländers, W. Guise in Redditch,
                              									deßhalb von Interesse seyn, weil aus demselben, bei aller
                              									Herabsetzung des deutschen Fabricates, doch die Furcht vor der
                              									immer bedeutender werdenden Concurrenz deutlich hervorleuchtet
                              									und dabei dem deutschen Vorwärtsstreben und unseren
                              									Verbesserungen die Anerkennung nicht versagt werden kann. Der
                              									Bericht, welcher englischen Nadelfabrikanten an's Herz gelegt
                              									wird, sagt kurz etwa Folgendes:
                           
                              „Nadeln unter deutscher Etikette sind meist so
                                 										schlecht gearbeitet und zeigen so augenscheinliche Fehler,
                                 										daß man ganz klar erkennt: weder der Fabrikant, noch der
                                 										Arbeiter haben gewußt, was zu einer guten Nadel gehört. Da
                                 										stehen die Oehr-Oeffnungen nicht in der Mitte des
                                 										Schaftes, sie sind nicht rein ausgedrückt und haben scharfe
                                 										Kanten, welche den Faden zerschneiden; Nadeln derselben Art
                                 										zeigen sehr verschiedene Härte, die Köpfe sind vielfach
                                 										nicht geschliffen und die Oehre nicht polirt; die besten
                                 										preußischen Nadeln haben vergoldete Oehre, wie sie in
                                 										England nur an untergeordneten Nadelsorten, und ganz
                                 										ausnahmsweise nur an einigen der besten Sorten angebracht
                                 										werden. In England wird die geringere Art der Nähnadeln (Steel-London) entweder
                                 										durch Verwendung geringen Materiales und wenig sorgfältiger
                                 										Arbeit, oder als Ausschuß der besten Nadeln gewonnen
                                 										– leider geschieht das Letztere allzuhäufig und es
                                 										haben dann die Nadeln schon unverhältnißmäßig hohe
                                 										Herstellungskosten verursacht, sind also theuer; England
                                 										kann daher in diesen Sorten nicht mit Deutschland
                                 										concurriren. Dazu kommt, daß man zur Nähnadelfabrication in
                                 										Deutschland eine Anzahl Maschinen verwendet, welche in
                                 										England fast gar nicht bekannt sind. Für englische
                                 										Nadelfabrikanten bleibt es daher eine Hauptaufgabe, jede
                                 										Nadelsorte auch sicher herzustellen, ohne daß
                                 										Verschlechterungen und Verluste während der einzelnen
                                 										Arbeitsprocesse entstehen und theuere Nadeln als schlechte
                                 										billig verkauft werden müssen. Es sind hierfür wesentlich
                                 										zwei Hindernisse zu überwinden: einmal muß man ganz
                                 										gleichmäßigen Stahl beschaffen und dann muß man die richtige
                                 										Härte der Nadeln bei späterer Bearbeitung nicht wieder
                                 										verändern, also nicht durch späteres Erhitzen (beim Scheuern
                                 										und Poliren) den Stahl wieder nachlassen. Die neuesten
                                 										Verbesserungen in Zusammensetzung, Fabrication und
                                 										Behandlung des Stahles, wie sie durch wissenschaftliche
                                 										Forschungen mehr und mehr sicher gestellt werden, sollten
                                 										auch jedem Arbeiter bekannt werden, damit dieser nicht mehr
                                 										nach alter Regel, die nicht zuverlässig ist, sondern mit
                                 										vollem Verständniß arbeitet; so lange als ferner nicht die
                                 										Möglichkeit gegeben ist, den gehärteten und nachgelassenen
                                 										Stahl bei späterer Bearbeitung in gleichmäßiger Härte zu
                                 										belassen, so lange wird es für englische Fabrikanten
                                 										unmöglich seyn, gegen mächtige Rivalen sich erfolgreich zu
                                 										behaupten Die Arbeitslöhne sind in England auch noch etwa 20
                                 										Proc. höher als in Deutschland und wenn dafür in ersterem
                                 										Lande Stahl und Kohlen billiger zu beziehen sind, so ist das
                                 										nicht genügender Ersatz, denn der Preis der Nadeln bestimmt
                                 										sich hauptsächlich nach den Arbeiten, weniger nach dem
                                 										Rohmaterial. Endlich aber ist es nothwendig, daß sich
                                 										englische Fabrikanten auch begnügen lassen mit dem
                                 										geringeren Gewinn ihrer deutschen Concurrenten, daß sie
                                 										nicht großen Nutzen suchen in wenig Geschäften, sondern bei
                                 										kleinem Gewinn ihre Verbindungen erweitern und den Absatz
                                 										vermehren. England besaß bisher einen guten Ruf wegen der
                                 										Vorzüge seiner Nähnadeln; ob es denselben noch hat oder wie
                                 										lange es ihn behalten wird, das ist schon für Viele fraglich
                                 										– es mag daher durch lebendigen Fortschritt die
                                 										Industrie seiner „Nadelgegenden“ zu
                                 										heben sich bemühen.“