| Titel: | Ueber Explosionsversuche mit Dampfkesseln; von Prof. H. D. Thurston. | 
| Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. I., S. 1 | 
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                        I.
                        Ueber Explosionsversuche mit Dampfkesseln; von
                           								Prof. H. D.
                              								Thurston.
                        Aus dem Journal of the Franklin Institute, Februar 1872,
                              									S. 89.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									I.
                        Thurston, über Explosionsversuche mit Dampfkesseln.
                        
                     
                        
                           Das Publicum sowohl, als auch Ingenieure von Fach haben seit der frühesten
                              									Geschichtsperiode der Anwendung des Dampfes zu gemeinnützigen Zwecken, ein sehr
                              									gerechtfertigtes Mißtrauen in den Dampfkessel gesetzt, in welcher Form derselbe auch
                              									auftrat. Und in der That, je größer unsere Vertrautheit mit diesem mächtigen Organe
                              									der Dampfmaschine ist, um so mehr wissen wir die Gefahr zu würdigen, welche dessen
                              									Gebrauch begleitet. Wer je einmal mit der Beaufsichtigung von Schiffsdampfmaschinen
                              									beauftragt gewesen ist, dem wird die stete Besorgniß und Verantwortlichkeit, welche
                              									Tag und Nacht schwer auf ihm lag, so lange die Maschine arbeitete, nicht so leicht
                              									aus dem Gedächtnisse schwinden, selbst wenn er das größte Vertrauen in die Umsicht
                              									und den Eifer der Personen setzen dürfte, welchen der Dampfkessel anvertraut
                              									war.
                           Jene schrecklichen Unglücksfälle, wie derjenige welcher im verflossenen Sommer den
                              										„Westfield“ betraf, und die Epidemie von Explosionen,
                              									welche die wenigen letzten Monate so traurig kennzeichnen, haben die allgemeinen
                              									Besorgnisse von Neuem erweckt und verstärkt. Wir hoffen, daß diese Unfälle eine
                              									ernstere und einsichtsvollere Erforschung des fraglichen Gegenstandes und ein
                              									nachträgliches Gesetz zur Folge haben werden, welches die polizeiliche Aufsicht in
                              									den Vereinigten Staaten von Amerika wirksamer unterstützt, als es zur Verhütung
                              									gefährlicher Explosionen bis jetzt der Fall gewesen.
                           Schon während der letzten Jahre wurde eine Anzahl tüchtiger Ingenieure beauftragt,
                              									die näheren Umstände fast aller Dampfkessel-Explosionen in England zu
                              									erforschen und neuerdings sind auch in Amerika viele Fälle mit ähnlicher Sorgfalt
                              									und Einsicht untersucht worden.
                           
                           Eine Commission der erfahrensten und intelligentesten englischen Ingenieure hat
                              									ebenfalls vor Kurzem diesem Gegenstande ihre Aufmerksamkeit zugewendet, um zu
                              									bestimmen welches Gesetz zu empfehlen wäre, und in wie weit dasselbe voraussichtlich
                              									jener augenscheinlich so rasch wachsenden öffentlichen Gefahr abhelfen könnte. Die
                              									auf diesem Wege erlangten belehrenden Aufschlüsse erwiesen sich insofern als sehr
                              									nützlich, als sie zur Beseitigung mancher seltsamen und abenteuerlichen Theorien
                              									beitrugen. Nach Untersuchung vieler Hunderte von Dampfkessel-Explosionen kam
                              									man zu dem Schluß, daß diese Unfälle lediglich der Fahrlässigkeit oder Unwissenheit
                              									zuzuschreiben seyen, nie aber solchen Ursachen, welche nicht von Personen
                              									gewöhnlicher Intelligenz leicht begriffen werden können. Es scheint, daß die meisten
                              									Ursachen jetzt ergründet, daß sie nicht zahlreich sind und bei gehöriger Umsicht und
                              									Aufmerksamkeit leicht controllirt werden können. Immerhin bedarf es aber eines
                              									directen Beweises vorstehender Schlußfolgerungen, und ein solcher kann nur durch
                              									eine Reihe von Versuchen erzielt werden, bei denen man die Führung jenes Beweises
                              									direct im Auge hat. In diese Kategorie würde die Sprengung von Dampfkesseln gehören,
                              									wo möglich unter den Bedingungen einer wirklichen Explosion und unter sorgfältiger
                              									Beobachtung des Einflusses welchen die Aenderung dieser Bedingungen auf die
                              									Beschaffenheit und Stärke der resultirenden Wirkung ausüben würde.
                           In der bezeichneten Richtung ist bis jetzt verhältnißmäßig wenig geschehen. Vor mehr
                              									als 35 Jahren stellte eine Commission des Franklin
                                 										Institute in Philadelphia eine Reihe so ausgedehnter und genauer Versuche
                              									an, daß die Verbreitung ihrer BerichteDiese Berichte wurden aus dem Journal of the Franklin
                                       												Institute, vol. XVII, vollständig mitgetheilt im Jahrgang 1836 des
                                    											polytechn. Journals Bd. LXI S. 324
                                    											und 409, Bd. LXII S. 1 und 81. unter den Ingenieuren heutigen Tages eine öffentliche Wohlthat seyn würde.
                              									Diese Berichte, sowie auch die Abhandlung F. A. Paget
                              									über die Abnutzung der Dampfkessel,Aus dem Civil Engineer and Architect's Journal
                                    											mitgetheilt im polytechn. Journal, 1866, Bd. CLXXIX S. 89. und die kleine Schrift von E. B. Martin über
                              										Dampfkessel-ExplosionenRecords of Steam Boiler Explosions; E. B.Martin. London,
                                       												1871, E. a d F. N.Spon. sollten in der Bibliothek keines Ingenieurs fehlen.
                           Die Versuche der Commission des Franklin Institute waren
                              									in kleinem Maaßstabe und an Constructionen angestellt worden, welche von denen der
                              									meisten Dampfkessel sehr abweichen. Obgleich nun die erlangten Aufschlüsse von
                              									unschätzbarem Werth waren, so blieb es doch wünschenswerth, die Versuche zu
                              									wiederholen, jedoch an Kesseln von voller Größe, wie sie bei Dampfschiffen, Eisenbahnen und in
                              									Fabriken in Gebrauch sind. Und diese Versuche sind von Francis B. Stevens zu Hoboken in New Jersey (Vereinigte Staaten von
                              									Amerika) planmäßig entworfen und unter seiner Leitung ausgeführt worden.Der Verfasser dieser Abhandlung docirt an Stevens
                                    											' Institute of Technology, Hoboken, N. J. Der Entwurf war schon seit Monaten fertig und auf die Anfrage des Hrn. Stevens' genehmigten die vereinigten
                              									Eisenbahn-Gesellschaften zu New Jersey in vollkommener Anerkennung der
                              									Wichtigkeit einer solchen Untersuchung sowohl ihnen als auf dem Publicum gegenüber,
                              									die Summe von 10,000 Dollars, um Hrn. Stevens in den
                              									Stand zu setzen, eine Reihe von einleitenden Versuchen anzustellen. Zugleich luden
                              									sie andere Eisenbahn-Gesellschaften und Dampfkesselbesitzer ein, in dieser
                              									Angelegenheit gemeinschaftlich mit ihnen vorzugehen und stellten ihre Werkstätten
                              									und Remisen für jede Anordnung welche sich im Verlauf des Unternehmens als nöthig
                              									oder wünschenswerth darstellen würde, zur Verfügung.
                           Verschiedene alte Kessel waren kürzlich aus den Dampfern der vereinigten
                              									Gesellschaften herausgenommen worden. Diese wurden nun hydraulischem Drucke
                              									ausgesetzt, bis der Bruch erfolgte, dann wieder reparirt und so jeder mehreremale
                              									gesprengt, um auf diese Weise die schwächsten Stellen zu entdecken. Letztere wurden
                              									von Neuem verstärkt, so daß man schließlich stärkere Kessel hatte, als wie sie
                              									herausgenommen worden waren. Die Stellen, an welchen der Bruch erfolgte, und die
                              									Beschaffenheit des Bruches wurden bei jedem Versuche sorgfältig notirt. Hierauf
                              									erfolgte die Aufstellung der Kessel am Eingang des Hafens von New-York
                              									innerhalb einer großen zu ihrer Aufnahme hergerichteten Einfriedigung, eine
                              									schwierige Arbeit, welche aber mit Geschicklichkeit und ohne Unfall ausgeführt
                              									wurde. So wurden vier alte Schiffsdampfkessel nebst fünf neuen zu diesem Zweck
                              									gebauten Dampfkesseln ohne irgendwelche Beschädigung für die Versuche verfügbar.
                           Endlich am 22. und 23. November 1871 wurden die zu beschreibenden Versuche
                              									angestellt. Eine große Anzahl von Ingenieuren etc. war eingeladen worden, den
                              									Versuchen beizuwohnen. Der erste in Angriff genommene Kessel war ein gewöhnlicher
                              									Kessel mit wiederkehrendem Feuerzug, Fig. 15. Der cylindrische
                              									Theil desselben hatte einen Durchmesser von 6 Fuß 6 Zoll und eine Länge von 20 Fuß 4
                              									Zoll. Die Wanddicke betrug 1/4 Zoll, die ganze Länge des Kessels 28 Fuß. Der
                              									Schornstein hatte 4 Fuß äußeren und 32 Zoll lichten Durchmesser, und eine Höhe von
                              									10 1/2 Fuß. Die beiden Oefen waren 7 Fuß lang und hatten flache Gewölbe. Es waren
                              									zehn untere Feuerzüge vorhanden, zwei von 16 und acht von 9 Zoll Durchmesser, und alle von 15 Fuß 9
                              									Zoll Länge; ferner zwölf obere Züge von 8 1/2 Zoll Durchmesser und 22 Fuß Länge. Die
                              									Totaloberfläche des Rostes betrug 38 1/2 Quadratfuß, die Heizfläche 1350 Quadratfuß.
                              									Die Wasserräume waren 4 Zoll weit, und die Platten mittelst
                              									Schrauben-Stehbolzen in Zwischenräumen von 7 zu 7 Zoll gesteift.
                           Dieser Kessel war im Jahre 1858 von Fletcher, Harrison und
                              										Comp. zu New-York für den Dampfer
                              										„Joseph Belknap“ gebaut worden und 13 Jahre im Dienst
                              									gewesen. Das letzte Certificat des Inspectors hatte 40 Pfund Dampfdruck gestattet.
                              									Der obere Theil des Kessels schien in gutem Zustande zu seyn. Die Gurtnähte an der
                              									unteren Seite des cylindrischen Theiles hatten nachgegeben und waren alle
                              									ausgebessert worden, ehe der Kessel aus dem Schiff genommen wurde. Die Wasserkammern
                              									zeigten sich bedeutend zerfressen. Im verflossenen September war der Kessel in
                              									Gegenwart mehrerer als Zeugen eingeladener Ingenieure dem hydraulischen Drucke
                              									unterworfen worden. Bei einem Drucke von 66 Pfund per
                              									Quadratzoll hatte er nachgegeben, indem die Stehbolzen durchgezogen worden waren. Er
                              									wurde reparirt, sodann ohne Bruch bis auf 82 Pfund Druck probirt und später einem
                              									Dampfdruck von 60 Pfund per Quadratzoll ausgesetzt.
                           Bei dem Schlußversuch am 22. November wurde ein starkes Holzfeuer in dem Ofen
                              									angemacht, während das Wasser 12 Zoll über den Feuercanälen stand. Als der
                              									Dampfdruck 50 Pfd. zu übersteigen begann, zogen sich alle Anwesenden nach den
                              									ungefähr 250 Fuß von der Umfassung entfernten Manometern, deren Zuverlässigkeit
                              									bereits erprobt worden war, zurück. Es wurden folgende Dampfspannungen und Zeiten
                              									notirt:
                           
                              
                                 Zeit.
                                 Druck.
                                 Zeit.
                                 Druck.
                                 
                              
                                 2h00' Nachmittags
                                 58      Pfund.
                                 2h.25' Nachmittags
                                 91 1/2 Pfund.
                                 
                              
                                 2.05          
                                    											„
                                 68        „
                                 2.30          
                                    											„
                                 91        
                                    											„
                                 
                              
                                 2.10          
                                    											„
                                 78        „
                                 2.35          
                                    											„
                                 91 1/2   „
                                 
                              
                                 2.15          
                                    											„
                                 87        „
                                 2.40          
                                    											„
                                 91 1/2   „
                                 
                              
                                 2.20          
                                    											„
                                 91 1/2  „
                                 2.45          
                                    											„
                                 91        
                                    											„
                                 
                              
                                 2.23          
                                    											„
                                 93        „
                                 2.50          
                                    											„
                                 90        
                                    											„
                                 
                              
                           Der Druck stieg sehr rasch, bis er ungefähr 90 PfundDie äußerste Stärke dieses Kessels, als er noch neu war, hatte wahrscheinlich
                                    											ungefähr das Doppelte dieses Druckes betragen. erreichte, worauf
                              									sich an allen Theilen des Kessels Risse zeigten. Bei 93 Pfund entstand am unteren
                              									Theile des Schornsteines (bei A
                              									Fig. 15) ein
                              									sehr bedeutender Riß, und da die anderen kleineren Risse sich erweiterten, so
                              									strömte der Dampf rascher aus, als er erzeugt wurde. Der Druck verminderte sich
                              									allmählich, der Heizer löschte das Feuer aus, und das Experiment war zu Ende.
                           Der zweite Versuch wurde mit einem schmalen Dampfkessel Fig. 16 angestellt,
                              									welcher zu dem besonderen Zweck construirt worden war, die wahrscheinliche Stärke
                              									der durch Stehbolzen gesteiften Oberfläche des
                              									„Westfield“-Dampfkessels zu bestimmen. Er hatte die
                              									Gestalt eines flachen viereckigen Kastens, war 6 Fuß lang, 4 Fuß hoch und 4 Zoll
                              									breit. Seine Seitenwände waren 5/16 Zoll dick, aus dem besten
                              										„Feuerkasten-Flantschen-Eisen“ der Abbot Iron Company. Die Breite des Wasserraumes betrug 3
                              									3/8 Zoll. Die Nietbolzen längs der Ränder hatten 3/4 Zoll Durchmesser und standen 2
                              									Zoll von einander ab. In genauer Nachahmung der Anordnung und Construction
                              									derjenigen Wasserkammer des „Westfield“ welche sich zwischen
                              									der hinteren Verbindung und dem hinteren Ende des Kessels befand, wurden beide
                              									Seitenwände in Zwischenräumen von 8 3/4 Zoll und 9 3/16 Zoll durch
                              									Schrauben-Stehbolzen zusammengehalten, deren Enden leicht übergenietet waren.
                              									Dieser flache Kessel, welcher auf 138 Pfund Druck probirt worden war, wurde bis auf
                              									5/6 mit Wasser gefüllt, eingemauert und zu beiden Seiten dem Feuer ausgesetzt. Die
                              									steigende Dampfspannung ist in folgender Tabelle notirt:
                           
                              
                                 Zeit.
                                 Druck.
                                 Zeit.
                                 Druck.
                                 
                              
                                 3h18' Nachmittags
                                   0 Pfund.
                                 3h36' Nachmittags
                                   51 Pfund.
                                 
                              
                                 3.20          „
                                   4    „
                                 3.37          
                                    											„
                                   54    „
                                 
                              
                                 3.21          „
                                   5    „
                                 3.38          
                                    											„
                                   58    „
                                 
                              
                                 3.22          „
                                   7    „
                                 3.39          
                                    											„
                                   65    „
                                 
                              
                                 3.23          „
                                   9    „
                                 3.40          
                                    											„
                                   72    „
                                 
                              
                                 3.24          „
                                 11    „
                                 3.41          
                                    											„
                                   78    „
                                 
                              
                                 3.25          „
                                 13    „
                                 3.42          
                                    											„
                                   86    „
                                 
                              
                                 3.26          „
                                 15    „
                                 3.43          
                                    											„
                                   94    „
                                 
                              
                                 3.27          „
                                 18    „
                                 3.44          
                                    											„
                                 100    „
                                 
                              
                                 3.28          „
                                 20    „
                                 3.45          
                                    											„
                                 110    „
                                 
                              
                                 3.29          „
                                 23    „
                                 3.46          
                                    											„
                                 117    „
                                 
                              
                                 3.30          „
                                 27    „
                                 3.47          
                                    											„
                                 126    „
                                 
                              
                                 3.31          „
                                 30    „
                                 3.48          
                                    											„
                                 135    „
                                 
                              
                                 3.32          „
                                 34    „
                                 3.49          
                                    											„
                                 147    „
                                 
                              
                                 3.33          „
                                 38    „
                                 3.50          
                                    											„
                                 160    „
                                 
                              
                                 3.34          „
                                 44    „
                                 3.51          
                                    											„
                                 165    „
                                 
                              
                                 3.35          „
                                 49    „
                                 Explosion.
                                 
                                 
                              
                           
                           Bei einem Druck von etwas über 165 Pfund erfolgte eine heftige Explosion. Das
                              									Mauerwerk des Ofens flog nach allen Richtungen auseinander; ein Theil desselben
                              									wurde hoch in die Luft geschleudert und fiel zwischen den in der Nähe des Manometers
                              									befindlichen Zuschauern nieder. Die Seitenwände der explodirten Kammer waren mit
                              									ungeheurer Gewalt nach entgegengesetzten Richtungen geschleudert worden; die eine
                              									derselben riß ein Stück der hohen Einfriedigung ein, und fiel in beträchtlicher
                              									Entfernung in dem benachbarten Felde nieder; die andere traf einen in der Nähe
                              									befindlichen großen Kessel, schlug ein großes Loch hinein, prallte ab, und fiel
                              									nicht weit von demselben zu Boden. Beide Seitenwände zeigten sich beträchtlich
                              									gedehnt und 8 bis 9 Zoll tief schüsselförmig gebogen. Sämmtliche Stehbolzen waren,
                              									ohne zu brechen, und selbst ohne Zerstörung der Gewinde der äußeren oder inneren
                              									Schraube, herausgezogen. Letzteres ist zum Theil der großen Dehnung des Eisens,
                              									wodurch die Löcher erweitert wurden, theils einer Streckung des Metalles beim
                              									Herausziehen der Bolzen aus ihren Löchern zuzuschreiben.
                           Linien gleichmäßiger Dehnung schienen durch ein eigenthümliches System krummer Linien
                              									angedeutet, welche die Oxydschichte an der inneren Fläche jeder Platte durchzogen
                              									und beinahe das Aussehen der sogenannten magnetischen Curven hatten. Diese
                              									eigenthümlichen Gebilde umgaben sämmtliche Stehbolzenlöcher.
                           Der dritte Versuch fand am 23. November statt. Fig. 17 ist eine Ansicht
                              									des hierzu gewählten Kessels, welcher in die Kategorie der Röhrenkessel mit
                              									wiederkehrenden Feuerzügen gehörte. Er hatte keine unteren Feuerzüge; der Ofen und
                              									die Verbrennungskammer nahmen den ganzen unteren Theil ein. Die obere Kesseldecke
                              									war vollkommen flach und mit dem Boden durch sogenannte
                              										„Krähenfußstreben“ verbunden, welche einen Querschnitt von
                              									2 Zoll Breite und 1/2 Zoll Dicke hatten, und der Länge des Kessels nach in
                              									Zwischenräumen von 12 und der Quere nach von 17 Zoll angeordnet waren. Jede
                              									Strebestange diente zur Verstärkung einer Fläche von 204 Quadratzoll. Die
                              									Wasserkammern waren durch einzöllige, in Zwischenräumen von 12 und 8 Zollen
                              									angebrachte Stehbolzen verstärkt. Die horizontalen Streben lagen 28 und 12 Zoll
                              									auseinander, und hatten 1 1/3 Zoll Durchmesser. Das einfach vernietete Kesselblech
                              									bestand aus „Nr. 3 Eisen.“ Der Kessel enthielt 384 Siederöhren
                              									von 2 Zoll Durchmesser und 12 Fuß Länge. Die Dampftrommel befand sich in der Mitte
                              									des Kessels, hatte einen Durchmesser von 6 Fuß und eine Höhe von 8 Fuß 8 Zoll.
                           Dieser Kessel war im Jahre 1845 von T. F. Secor und Comp. gebaut worden und 25 Jahre im Betrieb gewesen. Als
                              									er herausgenommen wurde,
                              									gestattete das Certificat des Inspectors 30 Pfd. Dampfdruck. Im September war er der
                              									hydraulischen Probe unterworfen worden, wobei unter einem Drucke von 42 Pfd. per Quadratzoll eine Strebestange an der oberen Platte
                              									zerbrach. Bei 60 Pfd. Druck gaben 12 Streben nach, und gestatteten eine Entweichung
                              									des Wassers, welche jede weitere Steigerung des Druckes unmöglich machte. Die
                              									geborstenen Theile wurden sorgfältig reparirt und der Kessel abermals, und zwar
                              									diesesmal ohne Beschädigung, bis zu 59 Pfd. Druck probirt. Auch eine Dampfprobe bis
                              									zu 45 Pfd. Druck ließ ihn unbeschädigt. Bei dem Schlußversuch stand das Wasser 15
                              									Zoll über den Siederöhren und blieb bis an's Ende auf diesem Niveau. Wie bei den
                              									vorhergehenden Versuchen wurde das Feuer mit so viel Holz, als frei im Ofen brennen
                              									konnte, angemacht und folgende Spannungen tabellarisch notirt:
                           
                              
                                 Zeit.
                                 Druck.
                                 Zeit.
                                 Druck.
                                 
                              
                                 12h21' Nachmittags
                                 29 1/2 Pfund.
                                 12h31' Nachmittags
                                 48 1/2 Pfund.
                                 
                              
                                 12.23          „
                                 33 1/2    „
                                 12.32          
                                    											„
                                 50          „
                                 
                              
                                 12.25          „
                                 37 1/2    „
                                 12.33          
                                    											„
                                 52          „
                                 
                              
                                 12.27          „
                                 41          „
                                 12.34          
                                    											„
                                 53 1/2     „
                                 
                              
                                 12.29          „
                                 44 1/2    „
                                 Explosion.
                                 
                                 
                              
                           Als die Spannung 50 Pfd. per Quadratzoll erreicht hatte,
                              									vernahm man ein Geräusch, wie vom Bersten einer oder mehrerer Strebebänder, und bei
                              										53h2 Pfd. erfolgte die Explosion des Kessels
                              									mit furchtbarer Gewalt. Der ganze umschlossene Raum ward durch ungeheure Dampfmassen
                              									verdunkelt, die Luft mit fliegenden Fragmenten wie punktirt; das größte derselben,
                              									die Dampftrommel, erhob sich bis zu einer auf 200 bis 400 Fuß geschätzten Höhe und
                              									fiel in einer Entfernung von ungefähr 450 Fuß von ihrer ursprünglichen Stelle
                              									nieder. Das Getöse der Explosion glich dem Knall eines schweren Geschützes. Der
                              									Kessel war in viele Stücke zerrissen, und verhältnißmäßig wenige derselben sielen an
                              									den Ort, wo der Kessel gestanden, zurück.
                           Die nämliche Verbiegung der durch Stehbolzen verstärkten Flächen, welche bei den
                              									vorhergehenden Versuchen notirt worden war, wurde auch hier beobachtet, und die
                              									Schrauben-Stehbolzen zeigten sich ohne Bruch und ohne Abstreifung ihrer
                              									Gewinde aus ihren Löchern gezogen. Die Strebestangen waren meistens an den
                              									Anschweißungsstellen gebrochen.
                           Nachdem wir diese Versuche kurz beschrieben haben, wollen wir nun untersuchen, welche Stütze ihre
                              									Resultate für die bestehenden Ansichten sind, und in wie weit sie zur Erweiterung
                              									unserer Kenntnisse von den Ursachen und Bedingungen der Explosionen dienen. In dem
                              									ersten Versuch haben wir wahrscheinlich einen Beleg für das bei weitem am häufigsten
                              									vorkommende Verhalten der Dampfkessel, wenn sie einer übermäßigen Dampfspannung
                              									nachgeben. Der stufenweise sich steigernde Dampfdruck erzeugte einen Riß an der
                              									schwächsten Stelle des Kessels; dieser Riß dehnte sich nach den stärkeren Stellen
                              									hin aus, und wurde bald weit genug, um den Dampf eben so rasch entströmen zu lassen,
                              									als er erzeugt wurde. Da die Stärke des Metalles in der Richtung des Sprunges
                              									hinreichte, um einer ferneren Ausdehnung bei dem Maximum der erreichten Spannung zu
                              									widerstehen, so geschah sonst kein weiterer Schaden. Nach Ausbesserung der
                              									betreffenden Stelle wird der Kessel wahrscheinlich noch lange Zeit gute Dienste
                              									leisten können.
                           Wenn Dampfkessel in Folge ihrer schwachen Construction oder in Folge übermäßiger
                              									Spannung nachgeben, so geschieht dieses in der Regel auf die so eben erwähnte Weise.
                              									Die Explosion ist der ausnahmsweise Fall. Der Häufigkeit, womit alte Kessel überall,
                              									in der Regel aber in der Nähe der Strebestangen Dampf entweichen lassen, und der
                              									scheinbaren Sicherheit, womit sie nach vielfacher Ausbesserung noch im Betrieb
                              									erhalten werden, ist wahrscheinlich die unter den (amerikanischen) Ingenieuren
                              									leider sehr verbreitete Ansicht zuzuschreiben, daß der Dampfdruck allein die
                              									Explosion nicht veranlassen könne, und daß der Dampfkessel, wenn er nur eine
                              									genügende Menge Wasser enthalte, vollkommen sicher sey.
                           In dem zweiten und dritten Versuche haben wir eine Erläuterung der verhältnißmäßig
                              									seltenen Umstände, unter welchen Explosionen wirklich vorkommen. Beim zweiten
                              									Versuch handelte es sich um eine vollkommen neue Construction, bei welcher das
                              									Metall noch nirgends durch Corrosion geschwächt war. Da die Ränder längs der Niete
                              									überall gleichzeitig und sehr gleichmäßig nachgaben, so wurden beide Hälften
                              									vollständig getrennt, und mit der ganzen Kraft einer unverkennbaren Explosion weit
                              									hinweggeschleudert, obgleich Wasser in reichem Maaße vorhanden war, der Dampfdruck
                              									die bei Locomotiven häufig vorkommende Spannung nicht überstieg, und der Kessel
                              									selbst sehr kleine Dimensionen hatte.
                           Das Herausreißen der Stehbolzen, ohne Bruch und ohne Abstreifung der Gewinde, war
                              									einer der interessantesten Punkte des Experimentes.
                           Unter der sehr wahrscheinlichen Annahme, daß hier ein Beispiel durchschnittlich amerikanischer
                              									Praxis vorlag, erhalten wir für den gewöhnlichen Gebrauch die Formel:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 204, S. 9
                              
                           in welcher d den Abstand der
                              									Stehbolzen, t die Dicke der Platten, P die Dampfspannung und f
                              									den Sicherheitscoefficienten bedeutet, welcher letztere unter keinen Umständen
                              									weniger als 6 seyn darf. Aus obiger Formel ergibt sich:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 204, S. 9
                              
                           Die Einheiten des Maaßes sind Pfund und Zoll.
                           Fairbairn fand auf empirischem Wege, daß der Durchmesser
                              									von Schrauben-Stehbolzen das Doppelte der Dicke der Kesselplatten seyn
                              									sollte, um ihre tensile Stärke gleich der Kraft zu machen, welche sie aus der
                              									Kesselwand zu ziehen strebt. Diese Stehbolzen sollten 7/8 Zoll Durchmesser haben;
                              									wegen der Corrosion könnte noch 1/4 Zoll zugegeben werden. Was den Abstand der
                              									Stehbolzen bei einem derartigen auf 40 Pfd. Druck berechneten Kessel anbelangt, so
                              									ist derselbe, wenn wir 6 als Sicherheitscoefficienten annehmen:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 204, S. 9
                              
                           Fairbairn hat gezeigt, daß durch ein geeignetes
                              									Uebernieten der Enden die Stärke der Stehbolzen um 14 Proc. vermehrt wird.
                           Bei dem dritten, sowie bei dem zweiten Versuch ist es wahrscheinlich, daß die
                              									schwächsten Stellen sich gleichförmig über einen großen Theil des Kessels verbreitet
                              									hatten, entweder als schwächere Metallstrecken, oder als bedeutend corrodirte
                              									Flächen. Sobald die Strebebänder nachgaben. Platzte der Kessel an vielen Stellen auf
                              									einmal.
                           Es wurde die Frage aufgestellt, ob keine Ueberhitzung des
                              										Wassers stattgefunden haben könne, ein Fall den
                              									zuerst Deluc beobachtet hat, und der seither durch Downy, Dufour und Andere untersucht worden ist, und ob
                              									die Heftigkeit der fraglichen Explosion nicht diesem Umstande zuzuschreiben sey.
                              									Wenn man sich indessen vergegenwärtigt, daß jene Experimentatoren es schwierig
                              									fanden, diese Bedingung bei metallenen Gefäßen mit kleinen Wassermengen einzuführen,
                              									und daß der Betrag dieses Ueberhitzens mit kleinen Quantitäten Wassers sehr gering
                              									ausfällt und in weit geringerem Grade wächst, als das Wasserquantum zunimmt, so
                              									dürfte es sehr zweifelhaft seyn, ob es möglich wäre, einen solchen Zustand im
                              									vorliegenden Falle herbeizuführen, wo Tonnen von Wasser den Inhalt eines plumpen Kessels bildeten und
                              									außerdem eine beständige Circulation durch das an dem einen Ende befindliche Feuer
                              									unterhalten wurde. Jedenfalls mußte die Quantität der auf diese Weise
                              									aufgespeicherten Wärme sehr gering gewesen seyn, selbst wenn ein solcher Ueberschuß
                              									vorhanden gewesen wäre. Wüßte man genau die Höhe, auf welche die Dampftrommel
                              									emporgeschleudert wurde, so könnte man leicht mit Sicherheit bestimmen, ob der bei
                              									53 1/2 Pfund Druck befreite Dampf hinreichte, die genannte Wirkung
                              									hervorzubringen.
                           Aus dem Resultate der Stevens'schen Versuche lassen sich
                              									nun folgende Schlußfolgerungen ziehen:
                           1) Tiefer Wasserstand, obgleich unzweifelhaft eine der Ursachen, ist jedoch nicht die
                              									einzige Ursache heftiger Explosionen, wie so häufig angenommen wird; es kann auch
                              									bei einem mit Wasser gut versorgten Dampfkessel eine sehr heftige Explosion
                              									eintreten. Letzteres wird schon in kleinem Maaßstabe durch die oben erwähnten
                              									Versuche der Commission des Franklin Institute
                              									bestätigt.
                           2) Ein im Allgemeinen als mäßig bezeichneter Dampfdruck kann bei einem schwachen,
                              									eine reichliche Quantität Wasser enthaltenden Dampfkessel, dessen Feuercanäle alle
                              									gut verwahrt sind, eine sehr heftige Explosion hervorrufen. Diese Thatsache ist
                              									unseres Wissens bisher noch nie durch directen Versuch nachgewiesen worden.
                           3) Ein Dampfkessel kann bei einer Dampfspannung explodiren, welche geringer ist, als
                              									der Druck, dem er bei der hydraulischen Prüfung mit dem besten Erfolge Widerstand
                              									geleistet hat. Der letzte Dampfkessel war bis auf 59 Pfund Druck probirt worden und
                              									explodirte nachher bei 53 1/2 Pfund.
                           Diese schon früher von einigen Ingenieuren behauptete, aber im Allgemeinen
                              									bezweifelte Thatsache ist null direct bewiesen.Mehrere Fälle dieser Art, wiewohl sie nicht jedesmal von einer Explosion
                                    											begleitet waren, sind dem Verfasser bekannt. Bei zwei Dampfkesseln der
                                    											Detroit-Wasserwerke, welche die hydraulische Probe mit 38° C.
                                    											warmem Wasser bis zu 200 Pfund ausgehalten, brachen bei der ersten
                                    											Dampfprobe sämmtliche Strebestangen unter beziehungsweise 110 und 115 Pfund
                                    											Dampfdruck. Der Kessel des Dampfers „Algonguin“ hatte
                                    											die hydraulische Probe mit 150 Pfund Druck und kaltem Wasser bestanden; bei
                                    											der Dampfprobe brach eine Strebestange bei 100 Pfund. Ein ähnlicher Fall
                                    											ereignete sich vor einigen Jahren in New-York, wobei der Dampfkessel
                                    											unter traurigen Umständen explodirte. Diese Unfälle haben wahrscheinlich
                                    											ihren Grund in der Formveränderung des Dampfkessels bei sich ändernder
                                    											Temperatur, wodurch irgend ein ohnedieß bereits geschwächter Theil einer
                                    											unnatürlichen Spannung ausgesetzt wird. Es ist schließlich zu bemerken, daß man sich auf angeschweißte
                              									Strebestangen, sowie auf Schrauben-Stehbolzen welche an ihren Enden nicht mit
                              									Muttern versehen oder ganz gut übergenietet sind, durchaus nicht sicher verlassen
                              									kann.
                           
                           Diese höchst interessante und wichtige Reihe von Versuchen wird beim Wiedereintritt
                              									der warmen Jahreszeit fortgesetzt werden, und es ist zu hoffen daß der Congreß sich
                              									veranlaßt sehen wird, Vorkehrungen zu ihrer weiteren Ausdehnung zu treffen.
                           Bei den bevorstehenden Versuchen beabsichtigt Hr. Stevens
                              									die Bedingungen der Explosion bei niedrigem Wasserstand zu ermitteln, ferner zu
                              									untersuchen, welche Wirkung ein plötzliches Oeffnen des Sicherheitsventiles auf
                              									einen bereits stark gespannten Dampfkessel ausübt, endlich zur Kontrolle derjenigen
                              									Versuche, welche die Explosion als eine Folge übermäßiger Spannung zu beweisen
                              									scheinen. Dampf von hohem Drucke in einen verhältnißmäßig schwachen Dampfkessel zu
                              									leiten, welcher kein Wasser enthält. Er hat überhaupt die Absicht, dieses weite Feld
                              									der Untersuchung so vollständig zu erforschen, als es Zeit und Mittel gestatten.
                           
                        
                     
                  
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