| Titel: | Ueber Vorsichtsmaßregeln gegen den schädlichen Einfluß des Quecksilbers auf die Arbeiter in den Spiegelbelegereien; von A. Merget, Professor der Physik an der Universität zu Lyon. | 
| Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. XVI., S. 51 | 
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                        XVI.
                        Ueber Vorsichtsmaßregeln gegen den schädlichen
                           								Einfluß des Quecksilbers auf die Arbeiter in den Spiegelbelegereien; von A. Merget, Professor der Physik
                           								an der Universität zu Lyon.
                        Merget, über Schutzmittel für die Quecksilber-Arbeiter in
                           								Spiegelfabriken.
                        
                     
                        
                           In seiner Abhandlung „über die Diffusion der Quecksilberdämpfe“
                              									(mitgetheilt aus den Comptes rendus im polytechn.
                              									Journal Bd. CCIII S. 385, erstes Märzheft
                              									1872) führt Merget schließlich das Hauptresultat der
                              									Beobachtungen an, welche er in einer großen Spiegelfabrik zu sammeln Gelegenheit
                              									hatte; er sagt:
                           
                              „Das Atelier, in welchem dort das Belegen der Spiegelscheiben vorgenommen
                                 										wird, ist ein sehr geräumiges und gut ventilirtes; dessenungeachtet constatirte
                                 										ich, daß in diesem Belegsaale die Atmosphäre vom Fußboden bis zur Decke zu jeder
                                 										Zeit mit Quecksilberdämpfen gesättigt ist; ferner daß Haut, Bart, Haare und
                                 										sämmtliche Theile der Kleidungsstücke bei den Arbeitern, obschon dieselben
                                 										täglich nur vier Stunden in diesem Saale sich aufhalten, stark mit condensirtem
                                 										Quecksilber imprägnirt sind, so daß diese Leute selbst außerhalb des Ateliers
                                 										dem Einflusse der verderblichen Ausdünstungen dieses Metalles ausgesetzt
                                 										bleiben. In meiner ausführlichen Abhandlung gebe ich
                                 										das Mittel an, sie dieser permanenten Vergiftung zu entziehen.“
                              
                           Seine ausführliche Abhandlung ist nun in den Annales de Chimie
                                    										et de Physique, 4. série, t. XXV p. 121 (Januar 1872) erschienen; er bemerkt darin über
                              									den fraglichen Gegenstand Folgendes:
                           
                              „Um den verderblichen Einfluß der Quecksilberdämpfe zu neutralisiren,
                                 										besteht das directeste Mittel darin, ihnen die Dämpfe einer anderen flüchtigen
                                 										Substanz entgegenzusetzen, welche die Quecksilberdämpfe zu fixiren vermag, indem
                                 										sie mit denselben eine unschädliche Verbindung eingeht. Nach den Arbeiten der
                                 										holländischen Chemiker, welche von Boussingault
                                 										bestätigt und weiter verfolgt wurden,Die Resultate von Boussingault's Versuchen
                                       												über die große Empfindlichkeit des lebenden Chlorophylls (der
                                       												Laubblätter von Pflanzen) gegen Quecksilberdampf, und über
                                       												Unschädlichmachen der Quecksilberdämpfe durch die Verdunstung des
                                       												Schwefels bei gewöhnlicher Temperatur (durch Anwendung genügend großer,
                                       												mit Schwefelblüthe überzogener Flächen), sind mitgetheilt in Dr. Pappenheim's
                                       												Abhandlung „über Beseitigung des schädlichen Einflusses der
                                          													Quecksilberdämpfe in den Spiegelbelegereien,“ im
                                       												polytechn. Journal, 1869, Bd. CXCIV S. 494. ist der Schwefel geeignet, diese neutralisirende Wirkung auszuüben; bei
                                 										Wiederholung jener Versuche erkannte ich aber, daß sein Schutzvermögen,
                                 										hinsichtlich der
                                 										Pflanzen, bei weitem nicht den ihm zugeschriebenen absoluten Werth hat, indem
                                 										derselbe der Ausdehnung der verdampfenden Fläche untergeordnet ist, welche für
                                 										den Schwefel ohne Vergleich größer seyn muß als für das Quecksilber.
                              
                           
                              Dieß ging aus meinen Beobachtungen hinsichtlich der Pflanzen entschieden hervor;
                                 										aus anderen, allerdings nur mit kleinen Thieren gemachten Beobachtungen mußte
                                 										ich schließen, daß das gleichzeitige Einathmen der Schwefel- und
                                 										Quecksilberdämpfe den Thieren mehr schädlich als vortheilhaft ist.
                              
                           
                              Man bringe nämlich zwei Vögel, welche so gleich gewählt sind, als es möglich ist,
                                 										unter zwei Glocken von demselben Inhalt, die so angeordnet sind daß sie die
                                 										fortwährende Erneuerung der Luft gestatten, und welche über Quecksilberbäder von
                                 										gleicher Oberfläche gestürzt sind; wenn die Wände der einen dieser Glocke mit
                                 										Schwefelblüthe bepudert sind, so ist der Vogel welcher zuerst stirbt, gerade
                                 										derjenige der geschwefelten Glocke, in deren Innerem sich bald eckelhafte
                                 										Gerüche entwickeln, welche anzeigen daß sich Producte in Folge der Wirkung der
                                 										Schwefeldämpfe auf die durch die Respiration und Transpiration gelieferten
                                 										organischen Substanzen gebildet haben.
                              
                           
                              Diese Versuche müßten offenbar öfter als einmal wiederholt werden, und zwar mit
                                 										Thieren von großem Wuchs, bevor man aus denselben Schlüsse auf den Menschen
                                 										ziehen könnte; aber schon der Umstand daß man genöthigt ist dem Schwefel eine
                                 										sehr große Verdunstungsfläche zu geben, macht ihn in der gewöhnlichen Praxis
                                 										schwierig benutzbar, und wenigstens in dieser Hinsicht dürfte ihm das Chlor vorzuziehen seyn.
                              
                           
                              Man braucht nämlich nur sehr geringe Quantitäten von Chlorkalk in einem mit Quecksilberdämpfen inficirten Zimmer zu
                                 										verbreiten, damit letztere in Folge ihrer Verbindung mit dem Chlor verschwinden,
                                 										welches sie in Quecksilberchlorür oder Calomel überführt.
                              
                           
                              Dieser Calomel, welcher vollkommen unschädlich ist, wenn er in kleinen Dosen
                                 										durch die Verdauungswege absorbirt wird, wäre vielleicht ziemlich nachtheilig,
                                 										wenn er im Zustande eines unfühlbaren Pulvers durch die Athmungswege in den
                                 										menschlichen Körper gelangen würde; über diese wichtige Frage können nur
                                 										Versuche entscheiden.
                              
                           
                              Dieß hindert aber nicht, schon jetzt die eben bezeichneten Eigenschaften des
                                 										Chlors zu benutzen, um die Quecksilberarbeiter einigen der Vergiftungsursachen
                                 										zu entziehen. Bekanntlich ist bei diesen Arbeitern die Haut aller Körpertheile,
                                 										besonders aber diejenige der Hände, stark mit Quecksilber imprägnirt; nun habe
                                 										ich constatirt, daß dieses Metall nach wiederholten Waschungen mit bloßem Wasser
                                 										noch zurückbleibt, während es durch Waschungen mit schwach chlorhaltigem Wasser
                                 										schnell beseitigt wird; letzteres sollte man daher ausschließlich in den
                                 										Spiegelbelegereien zum Reinigen des Körpers anwenden.
                              
                           
                              Was die Kleider betrifft, so sollten die im Atelier benutzten niemals außerhalb
                                 										desselben getragen werden, weil sie ebenfalls innig mit Quecksilber durchdrungen
                                 										sind, und während der Ruhezeiten sollte man sie gesund machen, indem man sie
                                 										schwachen Chlorräucherungen aussetzt.
                              
                           
                              Dieß sind leicht zu treffende Vorsichtsmaßregeln, von denen ich glaube behaupten
                                 										zu können, daß sie vortreffliche Resultate geben würden.“