| Titel: | Untersuchungen über die Eigenschaften der trocknenden Oele; von Prof. F. Sacc. | 
| Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. XVIII., S. 71 | 
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                        XVIII.
                        Untersuchungen über die Eigenschaften der
                           								trocknenden Oele; von Prof. F.
                              									Sacc.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXXIII p. 1274; November
                              									1871.
                        Sacc, über die Eigenschaften der trocknenden Oele.
                        
                     
                        
                           Vor einem Jahre zeigte mir Chevreul seine ihn damals
                              									beschäftigenden Versuche über die Oxydation des auf Flächen von verschiedener
                              									Beschaffenheit aufgetragenen gekochten Leinöles. Diese
                              									Versuche erregten mein Interesse in hohem Grade, da ich seit dreißig Jahren Versuche
                              									über die Ursache der Umwandlung des Leinöles in Firniß verfolge.
                           Man nimmt allgemein an, daß die Verharzung der trocknenden Oele einzig von einer
                              									Sauerstoffabsorption herrühre; wenn dieß aber der Fall ist, weßhalb kocht man sie
                              									und weßhalb werden sie, wenn man sie zu stark kocht, kleberig und verwandeln sich
                              									dann in einen wahren Kautschuk. Um diese letzteren Fragen beantworten zu können,
                              									stellte ich die im Folgenden mitgetheilten Versuche an.
                           Zunächst wollte ich mich über die Verluste unterrichten, welche das Leinöl beim
                              									Kochen erleidet, und verfuhr zu diesem Zwecke in der nachstehenden Weise: In einen
                              									eisernen Topf goß ich 2500 Grm. rohes Leinöl, welche ich mit 30 Grm. Bleiglätte und
                              									30 Grm. Mennige zusammengerieben hatte; diese Bleioxyde waren vorher bei
                              									Rothglühhitze entwässert und in feines Pulver verwandelt worden. Das Ganze wurde auf
                              									einem schwachen Kohlenfeuer erhitzt und dabei ununterbrochen umgerührt. Nach zehn
                              									Minuten lang fortgesetztem Kochen ließ ich das Oel in geschlossenem Gefäße erkalten
                              									und wog es nach vierundzwanzig Stunden; es hatte nur 60 Grm. an Gewicht verloren,
                              									also so wenig daß wir das gekochte Leinöl als eine bloße isomere Modifikation des
                              									ungekochten Oeles betrachten dürfen. Im Verfolg dieses Gedankens unterwarf ich
                              									mehrere Proben dieses gekochten Oeles, nachdem dasselbe durch Papier filtrirt worden
                              									war, dem Eindampfen in einer silbernen Casserolle, und fand daß es Syrupconsistenz
                              									annimmt, nachdem es 5 Procent an seinem Gewicht verloren hat, und daß es sich in
                              									Kautschuk verwandelt, wenn es 12 Procent verloren hat.
                           
                           Das Trockenvermögen dieser verschiedenen Präparate anbelangend, welche auf dasselbe
                              									Bret von Tannenholz aufgestrichen wurden, fand ich nach vierundzwanzig Stunden das
                              									gekochte Leinöl in einen schönen, durchsichtigen Firniß verwandelt; das kleberig
                              									gewesene Oel dagegen hatte sich nach Verlauf von vierzehn Tagen nicht verharzt, und
                              									das kautschukähnlich gewesene war geblieben wie es war. Daraus läßt sich leicht
                              									schließen, daß durch Eindampfen des Leinöles dessen Eigenschaft zu trocknen,
                              									keineswegs erhöht wird. Man muß daher wieder mit de
                                 										Saufsure die Verharzung des Leinöles einer Sauerstoffabsorption
                              									zuschreiben, welche um so rascher erfolgen wird, je dünner die Oelschicht und je
                              									höher die umgebende Temperatur ist.
                           Um dieß nachzuweisen, wurden zwei tannene Breter von 1 Centimeter Stärke und 875
                              									Quadratcentimeter Oberfläche sorgfältig abgehobelt; das Bret Nr. 1 wog 466 Grm., Nr.
                              									2 wog 480 Grm.; nachdem sie mit Sorgfalt gefirnißt worden waren, wogen sie:
                           Nr. 1 = 473 Grm., Nr. 2 = 483 Grm.
                           Nachdem sie achtundvierzig Stunden in einem Saale verblieben waren, wo die Temperatur
                              									nicht unter + 15° C. sinkt, wog Nr. 1 nur noch 466 Grm. und Nr. 2 noch 481
                              									Grm., so daß sie keineswegs an Gewicht zugenommen, sondern daran verloren hatten,
                              									und zwar Nr. 1 um 7 Grm. und Nr. 2 um 2 Grm. Dieß erschien mir so auffallend, daß
                              									ich den Versuch wiederholte; ich trug eine zweite Oelschicht auf die Breter auf,
                              									wornach Nr. 1 nun 470 Grm., Nr. 2 aber 485 Grm. wog. Nach achtundvierzigstündigem
                              									Trocknen unter denselben Umständen wie vorher, wogen die Breter 466 und 481 Grm., so
                              									daß das Gewicht bei einem jeden derselben um weitere 4 Grm. abgenommen hatte. Da ich
                              									durch directe Versuche wußte, daß das gekochte Leinöl in Berührung mit der Luft an
                              									Gewicht zunimmt, indem es den Sauerstoff derselben fixirt, so konnte ich die
                              									Gewichtsabnahme der Breter nach dem Firnissen nur einer Verdrängung ihres
                              									hygroskopischen Wassers durch den Firniß zuschreiben und ich griff nun, um die
                              									Wahrheit zu finden, zu einem nicht porösen Körper.
                           Ich nahm zwei dünne Zinkbleche von je 988 Quadratcentimeter Oberfläche und überzog
                              									dieselben mit Firniß; sie wogen vor dem Firnissen:
                           Nr. 1 = 418 Grm.; Nr. 2 = 425 Grm.;
                           nach dem Firnissen:
                           Nr. 1 = 422 Grm.; Nr. 2 = 430 Grm.
                           Achtundvierzig Stunden später, nachdem der Firniß trocken geworden war, wogen
                              									sie:
                           Nr. 1 = 424 Grm.; Nr. 2 = 432 Grm.
                           
                           Daraus darf man folgern daß das Leinöl, indem es sich verharzt, die Hälfte seines
                              									Gewichtes Sauerstoff absorbirt. Bei zweimaliger Wiederholung gab dieser Versuch
                              									genau dieselben Ziffern.
                           Je dünner die aufgetragenen Oelschichten sind, desto schneller trocknen sie auch; das Aufstreichen dicker Schichten verursacht demnach
                              									Zeit- und Oelverlust, und der ganze Nutzen eines Zusatzes von Terpenthinöl zu
                              									den fetten Firnissen dürfte sich auf eine Vertheilung derselben beschränken, um ihre
                              									Oxydation zu erleichtern. Der Versuch ist leicht zu machen: man gießt in eine
                              									Casserolle mit flachem Boden gekochtes Leinöl; nach Verlauf von vierundzwanzig
                              									Stunden hat sich auf der Oberfläche desselben eine Schicht von Harz gebildet, welche
                              									nicht mehr zunimmt, ohne Zweifel weil sie für die Luft undurchdringlich ist. Aus
                              									demselben Grunde werden die Gemälde der Maler rissig, welche zu viel Farbe auf ihre
                              									Leinwand bingen.
                           Die Oxydation erfolgt um so lebhafter, je höher die umgebende Temperatur ist; bei +
                              									5° C. findet sie genau halb so rasch statt, als bei + 15° C.; dieß
                              									rechtfertigt die Praxis der Lackirer, welche die gefirnißten Möbel im Winter in
                              									geheizte Räume bringen und im Sommer sie der Sonne aussetzen.
                           ––––––––––
                           Paul Thenard machte zu diesen Mittheilungen nachstehende
                              									Bemerkung: In Burgund wird mit Bleiglätte behandeltes und überkochtes Leinöl sehr
                              									häufig zum Anstreichen leichter Wagen benutzt; ich habe dieses Verfahren im Jahre
                              									1853 dort eingeführt und seitdem hat sich dasselbe verbreitet.
                           Eine merkwürdige Eigenschaft dieses Anstriches besteht darin, daß derselbe, obgleich
                              									er niemals trocknet und immer einen Firniß bildet, doch keinen Staub anhaften
                              									läßt.
                           Im Jahre 1860 ließ ich ein Speisezimmer mit Eichenholz vertäfeln und in der
                              									angegebenen Weise anstreichen; diese Farbe oder vielmehr dieser Firniß ist niemals
                              									trocken geworden und doch genügt ein Strich mit der Bürste zur Beseitigung des auf
                              									ihm haftenden Staubes, und er bekommt dann wieder seinen vollen Glanz, so daß das
                              									Zimmer heute noch ebenso neu erscheint, wie am ersten Tage.
                           Der getäfelte Fußboden desselben Speisezimmers, welcher gleichfalls aus Eichenholz
                              									besteht, wurde zweimal mit Leinöl bestrichen, welches mit Bleiglätte behandelt, aber
                              									nicht überkocht worden war. Im Gegensatze zu dem
                              									Wandgetäfel ist dieser getäfelte Fußboden sehr trocken und bildet daher mit jenem
                              									einen auffallenden Contrast.