| Titel: | Der continuirlich arbeitende Glasofen und Glashafen des Hrn. Friedr. Siemens zu Dresden; von Dr. Herm. Wedding zu Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. LI., S. 190 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LI.
                        Der continuirlich arbeitende Glasofen und
                           								Glashafen des Hrn. Friedr.
                              									Siemens zu Dresden; von Dr. Herm. Wedding zu Berlin.
                        Aus den Verhandlungen des Vereines zur Beförderung des
                                 										Gewerbfleißes in Preußen, 1871 S. 316.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									IV.
                        Wedding, über den continuirlich arbeitende Glasofen und Glashafen
                           								von Siemens in Dresden.
                        
                     
                        
                           Das allgemein übliche Verfahren bei der Glasfabrication ist in großen Umrissen
                              									folgendes: Die Materialien, aus denen das Glas gebildet werden soll, werden zu einem
                              									Theile in Häfen eingetragen, deren mehrere in einem Ofen stehen. Bei ganz oder bis
                              									auf eine kleine Oeffnung geschlossenen Arbeitslöchern wird die Masse bis zu ruhigem
                              									Flusse eingeschmolzen; dann werden zur Füllung der Häfen in jeden noch zwei oder
                              									mehrere Portionen des Glassatzes nachgegeben und diese ebenfalls geschmolzen, wobei
                              									der Ofen allmählich seine höchste Temperatur erreicht (Heißfeuern). Der Inhalt wird nun behufs gleichmäßiger Vermischung
                              									umgerührt, nochmals bei geschlossenen Arbeitslöchern stark erhitzt (Läutern), um die Masse so dünnflüssig zu machen, daß von
                              									ihr noch eingeschlossene Gasblasen entweichen können, und dann bei ermäßigtem Zuge
                              									wieder erkalten gelassen (Kaltschüren), bis die Masse die
                              									zur weiteren Verarbeitung nöthige Consistenz hat.
                           
                           Dieses Verfahren hat mehrere, übrigens längst anerkannte Mängel, welche wesentlich
                              									auf folgenden Punkten beruhen:
                           1) Die Wärmemenge welche zum Schmelzen des Glases, d.h. zur
                              									Bildung der Glasmasse aufgewendet wird, ist eine sehr große und die Temperatur eine
                              									weit über den Schmelzpunkt gesteigerte, weil die zu schmelzenden, kalt eingesetzten
                              									Stoffe in einer großen Masse aufgehäuft die Hitze nur sehr langsam auf sich
                              									einwirken lassen. Die Wärme wird nämlich nur von den Hafenwänden aus nach Innen
                              									abgegeben: es bildet sich zuerst außen eine geflossene Masse, welche ein sehr
                              									schlechter Wärmeleiter ist und das Schmelzen der Masse im Inneren verzögert.
                           2) Auch das Läutern erfordert eine übermäßig hohe Temperatur,
                              									weil die im Hafen befindliche verhältnißmäßig hohe Glassäule das Entweichen der in
                              									den unteren Theilen eingeschlossenen Gasblasen nur gestattet, wenn die Masse äußerst
                              									dünnflüssig ist.
                           3) Die für diese ersten Operationen aufgewendete Wärme geht in
                              									der Periode des Kaltschürens zum größten Theile wieder verloren. Der Betrieb bedarf
                              									daher einen im Vergleich zu der erforderlichen Wärmemenge ungemein hohen
                              									Brennmaterialverbrauch.
                           4) In Folge der hohen Hitzegrade während des Schmelzens und
                              									Läuterns, und in Folge des darauf folgenden erheblichen Temperaturwechsels leidet
                              									das Material der Häfen und des Ofens stärker, als es bei einer gleichmäßigeren und
                              									geringen Erhitzung der Fall seyn würde.
                           5) Die intermittirende Arbeit ist nicht geeignet, die zur
                              									Bedienung des Ofens nöthigen Arbeitskräfte vollständig auszunutzen.
                           Die genannten Mängel haben schon seit langer Zeit zu Versuchen eines continuirlichen Schmelzens geführt. Diese Versuche haben
                              									sich in zwei Richtungen bewegt: Man hat einerseits die Häfen ganz abgeworfen und den
                              									Herd eines Flammofens an die Stelle gesetzt. So hat Donzel in Lyon bereits im Anfang der vierziger Jahre gearbeitet; aber er,
                              									wie die übrigen, scheiterten daran, daß in einem ungetheilten Herde eine hinreichend geläuterte Glasmasse nicht
                              									herzustellen war. Andererseits hat man die Häfen beibehalten, dieselben entweder
                              									durch eine nicht bis auf den Boden reichende Scheidewand in zwei Abtheilungen
                              									getrennt, deren eine die rohen Materialien, deren zweite die fertige Glasmasse
                              									enthalten sollte, oder aber die in einem höher stehenden Hafen geschmolzene Masse
                              									beständig in einen tiefer liegenden abfließen lassen. In den beiden letzteren Fällen
                              									fehlt das so nothwendige Zwischenglied des Läuterns ganz, und beide Einrichtungen
                              									haben sich daher nur für das Verarbeiten bereits einmal geschmolzener Glasbrocken bewährt, mithin eine sehr
                              									beschränkte Anwendung gefunden.
                           Hr. Siemens zu Dresden hat nunmehr einen (ihm patentirten)
                              									Ofen construirt, welcher auf Grund der richtigen Erfahrung, daß das specifische Gewicht der Glasmasse in dem Maaße wächst, als
                                 										die Schmelzung derselben vorschreitet, die geeignete Lösung des Problemes,
                              									die angeführten Uebelstände der gegenwärtig üblichen Glasschmelzmethode zu
                              									beseitigen, bietet.Wir verweisen auf den Bericht von Hrn. B. Friehling über den Siemens'schen
                                    											Glasschmelzofen mit continuirlichem Betriebe, im polytechn. Journal Bd. CCIII S. 14 (erstes Januarheft
                                    											1872). A. d. Red.
                              								
                           Dieser Ofen ist in Fig. 1 bis 4 abgebildet. Er ist
                              									bezüglich der Feuerung in der bekannten Art der Regeneratorgasöfen eingerichtet und
                              									erzeugt das Glas in einer einzigen Wanne, welche indessen
                              									durch Zwischenwände in den Schmelzraum
                              									A, den Läuterraum
                              									B und den Arbeits-
                              									oder Kühlraum
                              									C getheilt ist. Die Flamme streicht über die Glasmasse
                              									und erhitzt dieselbe nur von der Oberfläche aus. Die nach begonnener Schmelzung im
                              									Raume A befindliche Glasmasse wird von Zeit zu Zeit mit
                              									einer höchstens 40 Centimeter starken Schicht frischer Materialien bedeckt.
                              									Dieselben werden von der Flamme erhitzt, aber die schmelzenden Theile rinnen sofort
                              									nieder und sammeln sich mit fortschreitender Schmelzung nach dem specifischen
                              									Gewichte an. Boden und Seitenwände sind zum Schutze gegen die Hitze mit
                              									Luftkühlungen e, e', e'' versehen, in denen vermittelst
                              									der kleinen Schornsteine s, s' die nöthige Circulation
                              									erhalten wird. Diese Canäle haben auch noch den Vortheil, etwa durch die Fugen der
                              									Wanne gehendes Glas von dem Eintritt in die tiefer gelegenen Regeneratoren
                              									abzuhalten. Das am vollkommensten geschmolzene Glas befindet sich auf dem Boden des
                              									Raumes A und wird von dort durch die Canäle a, a aufsteigend in die Läuterungsräume geführt, wo es
                              									zuerst über eine gekühlte Brücke fließt. Hierbei kommt alles Glas zuvörderst an die
                              									Oberfläche, erhält hier von Neuem Hitze und gibt, da es keinen Druck über sich hat,
                              									leicht die eingeschlossenen Gasblasen ab. Das geläuterte Glas sinkt im Raume B wieder zu Boden. Vollkommen verarbeitungsfähig tritt
                              									das Glas nun unter der Scheidewand v hindurch in die
                              									letzte Abtheilung der Wanne C. Hier wird es nur noch
                              									schwach erhitzt und kann mit dem richtigen Grade der Abkühlung durch die Oeffnungen
                              										c, c entnommen und verarbeitet werden.
                           Die Flamme streicht, wie die Zeichnung zeigt, quer über die Wanne. Gas und Luft
                              									strömen einzeln durch die abwechselnd stehenden Oeffnungen 
                              									g und l, während der
                              									verbrannte Gasstrom durch die entgegengesetzt liegenden Oeffnungen in die Canäle G und L, die Regeneratoren
                              										R und A, und von dort
                              									zum Schornstein gelangt. Durch diese rechtwinkelig zur Längsachse des Ofens
                              									geleitete Feuerung ist es möglich, jedem Ofentheile eine bestimmte Temperatur zu
                              									ertheilen. Aus diesem Grunde ist auch die gekühlte Zwischenwand bis an die Firste
                              									der Wanne geführt und dadurch der am meisten Hitze brauchende Schmelzraum A ganz von den übrigen Ofentheilen getrennt, während die
                              									Zwischenwand v nicht bis an das Gewölbe der Wanne
                              									reicht, damit ein Theil der Flamme in den Arbeitsraum streichen und diesen
                              									hinreichend warm halten kann. Die Gas- und Luftcanäle g und l sind nach außen nur durch Thonglocken
                              									verschlossen, so daß man durch sie leicht das Innere des Ofens beobachten kann.
                           Der Erfinder bemerkt zu der beschriebenen Einrichtung des Ofens mit Recht
                              									Folgendes:
                           
                              „Die Eigenschaft der Glasmasse, ihr specifisches Gewicht mit dem
                                 										fortschreitenden Schmelzzustande zu vergrößern, bildet zwar das diesem
                                 										Schmelzverfahren zu Grunde liegende Princip; derselbe Umstand ist aber auch die
                                 										Ursache aller Schwierigkeiten, welche sich dem Erfolge entgegenstellen, weil in
                                 										den Theilen der Wanne, in denen das Glas umgekehrt, d.h. von unten nach oben
                                 										steigt, eine Stagnation des specifisch schwereren Glases und folglich eine
                                 										allmähliche Entglasung desselben befördert wird.“
                              
                           Um keinen praktischen Nachtheil aus diesem Umstande wachsen zu lassen, muß man vor
                              									allen Dingen die aufsteigenden Passagen a bis auf das
                              									geringste zulässige Maaß verengen; auch ist es vortheilhaft, den Arbeitsraum C nach unten zusammen zu ziehen oder ihn sehr flach zu
                              									machen (26 Centimeter ist die Höhe der Glasmasse in der Zeichnung).
                           Sollte dennoch im Arbeitsraume mit der Zeit eine Entglasung eintreten, so muß der
                              									Glasschmelzer ein Stückchen Holz auf den Boden bringen, um ein lebhaftes Aufwallen
                              									der Glasmasse hervorzurufen.
                           Hr. Siemens hat dasselbe Princip auch auf Häfen angewendet, obwohl dabei offenbar viele Vorzüge,
                              									welche der Wannenofen bietet, verloren gehen.
                           Fig. 5 bis
                              										8 zeigen
                              									einen solchen Hafen in den verschiedenen Durchschnitten. Auch hier ist A der Schmelz-, B der
                              									Läuterungs-, C der Arbeitsraum. Der letztere ist
                              									bedeckt. Der Raum A muß stets ganz oder nahezu voll
                              									gehalten werden. Das geschmolzene Glas geht durch den Canal a in den Läuterraum B, sinkt hier wieder zu
                              									Boden und tritt durch den Verbindungscanal b in den
                              									Arbeitsraum C. Die Höhe des Glasspiegels nimmt in Folge
                              									des zunehmenden specifischen Gewichtes in den drei Abtheilungen ab. Uebrigens ist
                              									noch zu bemerken, daß in B sich ansammelnde, nicht
                              									vollständig in Glas übergegangene Bestandtheile von Zeit zu Zeit abgezogen werden
                              									müssen.
                           Der Erfinder hat den Wannenofen auf seiner Flaschenfabrik zu Dresden bereits seit
                              									1870 in Betrieb und gefunden, daß die Leistung desselben stärker als die eines
                              									daselbst arbeitenden zwölfhafigen Ofens gewöhnlicher Art ist. Die Mehrproduction
                              									beträgt auf gleichen Brennmaterialaufwand bezogen über 50 Proc., die Production ist
                              										pro Monat 180,000 bis 200,000 Flaschen.
                           Der Wannenofen erfordert 4 Mann zur Bedienung, während der zwölfhafige Ofen 5
                              									Arbeiter erfordert. Die Glasmacher können dabei in zwölfstündigen Schichten
                              									regelmäßig abwechseln, während bei dem gewöhnlichen Ofen 1/3 der Zeit verloren
                              									geht.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
