| Titel: | Ueber Färben des Leders mit Theerfarbstoffen: von Ferdinand Springmühl. | 
| Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. LXXXV., S. 329 | 
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                        LXXXV.
                        Ueber Färben des Leders mit Theerfarbstoffen: von
                           									Ferdinand
                              								Springmühl.
                        Springmühl, über Färben des Leders mit
                           								Theer-Farbstoffen.
                        
                     
                        
                           In der Musterzeitung, 1872 Nr. 1–3, macht F. Springmühl darauf aufmerksam, daß die Verwendung von Anilinfarben zum
                              									Färben des Leders noch weit mehr Beachtung verdiene, als ihnen bisher im Allgemeinen
                              									zu Theil geworden, und berichtet über die Versuche welche er über diesen Gegenstand
                              									angestellt hat. Das Verfahren ist folgendes. Nachdem das Leder, welches für zarte
                              									und helle Farben besonders ausgesucht wird, durch Wasser von anhaftendem Alaun
                              									sorgfältig befreit und durch Eigelb eingefettet ist, wird es auf einer glatten,
                              									etwas schräg stehenden hölzernen Tafel ausgearbeitet, so daß alle Theile des
                              									feuchten Leders ganz eng an der Platte haften. Darauf wird mit einer Bürste, wenn
                              									erforderlich, zuerst die Beize und alsdann die Lösung des Farbstoffes in Wasser
                              									aufgetragen. Freie Säuren und Alkalien sind bei den Anilinfarben, wie beim Färben
                              									des Leders überhaupt, als Beizen ganz ausgeschlossen und sorgfältig zu vermeiden,
                              									neutrale Salze hingegen hier und da zu empfehlen. Durch selbst sehr geringe Mengen
                              									Säure reißt das Leder wie Papier, durch Laugen wird es spröde und brüchig. Von
                              									Beizmitteln dürften chromsaures Kali, Alaun (jedoch nur sehr verdünnt) und besonders
                              									die Ammoniaksalze bei den Theerfarben in Anwendung kommen. In Bezug auf die
                              									Nothwendigkeit und Nützlichkeit des Beizens ist die Güte des Leders, seine Dicke und
                              									Gleichmäßigkeit von großem Einfluß, wie überhaupt die verschiedenen Eigenschaften
                              									desselben das Gelingen des Färbeprocesses oftmals bedingen. Die französischen
                              									Lammfelle sind wohl die besten.
                           Roth. – Für Roth wird wasserlösliches Fuchsin je
                              									nach der zu erzielenden Farbenhöhe, welche durch Zusatz geringer Mengen Pikrinsäure
                              									gesteigert werden kann, in mehr oder weniger Wasser bei 26 bis 30° C. gelöst
                              									und in dieser Temperatur ohne Beize mit der Bürste aufgetragen, wodurch, wenn das
                              									Leder alaunfrei ist, eine vollkommen gleichmäßige Farbe erzielt wird, die dem
                              									nachherigen Waschen wie auch der Luft ziemlich gut widersteht. Spritlösliches
                              									Fuchsin läßt sich ebenfalls anwenden, doch erhält man minder gleichmäßige und gute
                              									Resultate; Beizen beeinflussen das Fuchsin meist sehr ungünstig, geringe Mengen
                              									chromsauren Kalis können jedoch angewendet werden. Die nach verschiedenen Methoden
                              									dargestellten Anilinrothe aus verschiedenen Fabriken zeigten in Bezug auf ihre Anwendbarkeit geringe
                              									Unterschiede, doch muß man stets den reinsten und besten Farbstoff auswählen.
                           Violett. – Für Violett ist nur in Wasser lösliches
                              									Anilinviolett geeignet, das mit geringen Mengen schwefelsaurer Thonerde versetzt,
                              									und dann wie das Fuchsin aufgetragen und gut abgespült wird. Durch Zusatz von Blau
                              									oder Roth wendet man die Nüance der einen oder anderen Seite zu. Die vielfach
                              									verschiedenen Violette des Handels geben ebenso mannichfaltige Farben, was besonders
                              									bei Rothviolett oder Blauviolett, weniger bei der reinen Farbe der Fall ist. Bei
                              									spritlöslicher Farbe wird das Leder statt violett oft rein blau oder roth, während
                              									der violette Farbstoff, ohne zu färben, fortgespült wird. Die
                              									Jod-Violettfarben erzeugen die schönsten Nüancen, widerstehen jedoch dem
                              									Licht und der Luft nur sehr kurze Zeit. Sie dringen größtentheils sehr leicht und
                              									schnell in das Leder ein, so daß man durch schnelles Operiren ein Durchschlagen
                              									vermeiden muß.
                           Blau. – Umgekehrt ist es bei den blauen
                              									Farbstoffen, welche meist zu wenig eindringen und daher nicht so leicht gleichmäßig
                              									erhalten werden. Man suche ein recht reines und sehr intensives Blau zu erhalten und
                              									durch Uebergießen mit Wasser von 30° C. den Punkt der Verdünnung zu treffen,
                              									welcher geeignet erscheint, eine ziemlich helle Farbe zu erzeugen, und bringe die
                              									dunklen Nüancen durch öfteres Auftragen hervor. Je nach der Art des Anilinblau ist
                              									Beizen des Leders durch Ammoniaksalz, Alaun etc. zu empfehlen. Man kann das
                              									geeignete Beizmittel für jede blaue Farbe des Handels durch Versuche im Kleinen
                              									leicht finden; in der Regel genügt eine geringe Menge chromsaures Kali.
                              									Alkali-Blau in seinen vielfachen Variationen hat Springmühl mit dem ausgezeichnetsten Erfolge angewendet und besonders auf
                              									zartem und feinem Leder die prächtigsten Töne erhalten. Dem Alkaliblau kann man eine
                              									ganz geringe Menge Schwefelsäure zusetzen, um die Farbe leichter mit dem Leder zu
                              									verbinden; man muß dann gehörig waschen, und bei nicht zu hoher Temperatur
                              									trocknen.
                           Grün. – Jodgrün, der im Handel fast allein sich
                              									haltende, schönste grüne Farbstoff unter den Anilinfarben, ist auch zum Färben des
                              									Leders am besten geeignet. Seine Befestigung ist ebenso einfach wie die der anderen
                              									Theerfarben. Man kann Jodgrün en pâte und en poudre anwenden und sucht stets eine recht
                              									concentrirte wässerige Lösung zu erhalten. Nachdem das Leder mit schwefelsaurer
                              									Ammoniaklösung gebürstet und mit Wasser nachgespült worden ist, bringt man die
                              									Farbstofflösung etwa 35° C. warm darauf und sucht durch schnelles Operiren
                              									ein Durchschlagen der Farbe, was leicht geschieht, zu vermeiden. Pikrinsäure modificirt den
                              									bläulichen Ton des Jodgrün in's Blattgrüne, gibt aber außerdem der Farbe eine weit
                              									größere Festigkeit und Beständigkeit, indem sie gewissermaßen als Mordant auftritt.
                              									Die Pikrinsäure darf jedoch der Farblösung nicht zugesetzt werden, sondern muß
                              									entweder vor oder nach dem Färben mit Jodgrün auf das Leder gebracht seyn. Versuche
                              									mit anderen grünen Anilinfarben lieferten stets bedeutend geringere, oftmals
                              									gänzlich ungenügende Resultate, so daß man dem Jodgrün, trotz seines hohen Preises,
                              									den Vorzug geben muß. Durch Mischung von Anilinblau und Pikrinsäure oder Anilingelb
                              									erhält man auf Leder grüne Farben, welche jedoch bei Abend ein sehr geringes Feuer
                              									besitzen und blau erscheinen. Im Allgemeinen geben gemischte wasserlösliche
                              									Anilinfarben die mannichfaltigsten Modefarben, welche meist eine sehr geringe
                              									Dauerhaftigkeit besitzen.
                           Gelb und Braun. – Mit
                              									Anilingelb und Braun angestellte Proben zeigten, daß dem ersteren die Pikrinsäure in
                              									der Regel und dem letzteren die Holzfarben oftmals vorzuziehen sind. G. de Laire's Braun ließ sich leicht in den oben angeführten
                              									Weisen befestigen; das nach der Jacobsen'schen Methode
                              									dargestellte Braun hatte jedoch diese Eigenschaft der geringen Wasserlöslichkeit
                              									wegen nicht. Vogel's Zinalin wird beim Färben des Leders
                              									sehr ungleichmäßig abgeschieden und bleibt an Intensität weit hinter der Pikrinsäure
                              									zurück. Die Pikrinsäure erzeugt auf Leder ohne jegliche Beize dieselben Farben wie
                              									auf Seide und Wolle, und ist sehr dauerhaft gegen äußere Einflüsse. Die erzielte
                              									Farbe wird durch Anilinblau zum Grün, durch Roth zum Hochroth modificirt. Die
                              									anzuwendende Lösung nimmt man sehr verdünnt und erhitzt höchstens auf 20° C.,
                              									um ein Durchdringen des Leders zu vermeiden. Corallin, wenn solches rein und gut
                              									ist, kann mit Ammoniak zum Lederfärben benutzt werden, es wird jedoch an der Luft
                              									ziemlich schnell gelb und ist auf nicht ganz feinem Leder nie ganz gleichmäßig. Die
                              									im Handel vorkommenden Farbstoffe Vesuvin, Nigrosin, Flavin und ähnliche sind sehr
                              									verschieden zum Färben geeignet; einige Sorten desselben Namens sind brauchbar,
                              									andere nicht, so daß sich ein allgemeines Urtheil nicht fällen läßt.
                           Ein Ueberblick über die Anwendbarkeit der Anilinfarben zum Färben des Leders muß
                              									unbedingt günstig für dieselben ausfallen, obgleich sie nicht wohl im Stande sind,
                              									in allen Fällen die bisher hauptsächlich angewendeten Holzfarben zu verdrängen. Da
                              									von einer Lederfarbe eine große Aechtheit gegen Luft und Licht nicht verlangt wird,
                              									so können die in dieser Hinsicht meist übel berufenen Theerfarbstoffe mit Recht
                              									Anspruch auf häufige Verwendung machen. Sollen die Anilinfarben als Tunkfarben benutzt werden, was wohl
                              									nur bei ganz hellen Nüancen geschieht, so wird nach den Grundsätzen der Färberei der
                              									animalischen Faser verfahren, mit dem Unterschiede daß die Temperatur von 30°
                              									C. nicht überschritten werden darf. Nach dem Trocknen des Leders, welches in dazu
                              									geeigneten Räumen geschieht, schrumpft dasselbe zusammen, so daß eine Farbe kaum zu
                              									erkennen ist, worauf es in der bekannten Weise auf dem Zurichteisen durch
                              									Auseinanderziehen nach allen Richtungen zur weiteren Verarbeitung brauchbar gemacht
                              									wird.
                           ––––––––––
                           Der Teinturier pratique enthält einen Artikel über
                              									Lederfärberei, welchen wir als schätzenswerthe Vervollständigung vorstehender
                              									Mittheilungen im Wesentlichen hier wiedergeben.
                           Die Färberei der Leder ist in der Wahl der Farbstoffe sehr beschränkt. Die Natur des
                              									Leders erfordert in der That eine niedrige Temperatur (meistens nur Handwärme),
                              									während sich die meisten Farbstoffe nur vollkommen und gleichmäßig bei viel höherer
                              									Temperatur fixiren lassen. Viele der Farbstoffe bedürfen zu ihrer Bindung der
                              									Mordants, welche nicht gut mit dem Leder und der Haut verbindbar sind. Ferner
                              									enthält das Leder aus dem Gerbproceß her Tannin, welches in vielen Fällen das Färben
                              									geradezu unmöglich macht, in vielen Fällen aber die Farbennüance sehr wesentlich
                              									modificirt, so daß man sogar nur in wenigen Fällen klare und schöne Farben
                              									erhält.
                           Die Löslichkeit und die Temperatur sind die beiden Hauptfactoren für die Färberei des
                              									Leders. Beide Eigenschaften fallen der Färberei des Leders zu bei Anwendung der Anilinfarben und der Derivate des
                                 										Naphtalins. Diese besitzen im höchsten Grade Löslichkeit bei großer
                              									Farbenintensität und liefern Farben von bisher unerreichter Farbenschönheit. Renard hat zuerst das Fuchsin
                              									zum Rothfärben des Leders verwendet. Man benutzt das Fuchsin hierzu in den
                              									gelbstichigen Sorten, und wiederholt man die Operationen des Färbens hiermit, so
                              									erzielt man endlich so schöne blaustichige Rothtöne, als ob man von vorn herein mit
                              									blaustichigem Fuchsin gearbeitet hätte. Mit anderen Farbstoffen combinirt, liefert
                              									das Fuchsin Modefarben. Man bedient sich auch vielfach
                              									des Fuchsins zum Aviviren des Küpenblaus. Wenn die Leder in der kalten Küpe gefärbt
                              									werden, so entsteht durch Reaction der Eisensalze auf das Tannin der Häute niemals
                              									ein ganz klares, reines Blau, sondern ein graugrünlicher Ton. Diesen führte man
                              									früher mit Hülfe der Cochenille in eine violette Nüance über, allein heute kann man
                              									diese theure Operation mit dem billigen Fuchsin auf das Beste ersetzen.
                           
                           Das Bleue de Lyon
                              									, nur löslich in Alkohol, bietet für seine Anwendung in
                              									der Lederfärberei manche Schwierigkeiten dar. – Das Anilinviolett enthält rothfärbende und blaufärbende Substanzen, von denen
                              									die ersteren leichter löslich sind als die letzteren. Daher eignet es sich zur
                              									Erzielung gleichmäßiger Färbungen auf Häuten nicht. Man hat für beide Farbstoffe
                              									Hülfe gesucht, indem man dem Leder zunächst einen Grund von Indigoblau gab und mit
                              									einem Schwamm die alkoholische Lösung, möglichst concentrirt, auftrug. Dieß geht für
                              									Blau leidlich. Für Violett gibt man einen Fuchsin- und Indigogrund. Allein
                              									diese Färbungen können nicht sehr haltbar seyn.
                           Die Dahlia-, Primula- und Victoria-Anilinfarben dagegen geben in Wasser lösliche Materien und
                              									lassen sich trefflich für das Färben des Leders verwenden. Sie geben reine, klare
                              									und volle Färbungen und decken vorzüglich. Da sie sehr alkalisch sind, so begünstigt
                              									die Anwendung schwacher Säurebäder ihre Application
                              									wesentlich.
                           Die Mulhouse-Blau oder wasserlöslichen Blau
                              									werden ebenfalls unter Anwendung leichter Säurebäder (zumal essigsaurer) gut
                              									verwendet. Mit Fuchsin liefern sie ein schönes Violett, das sich leicht nüanciren
                              									läßt durch Wiederholung der Fuchsinbäder.
                           In jüngster Zeit ist das Violet de nuit mit großem
                              									Erfolg benutzt worden, um warme und reine Töne des Violett auf Leder zu erzeugen.
                              									Man löst diesen Farbstoff in leicht essigsaurem Wasser oder für einige Farbennüancen
                              									mit leicht schwefelsaurem Wasser.
                           Für Grün benutzt man zwei Anilingrün, in wasserlöslicher
                              									Pate und in Krystallen, allein noch selten, weil sie theuer sind und eine hohe
                              									Temperatur zum Ausfärben erfordern, um haltbare Färbungen zu liefern.
                           Unter den vielen braunen, gelben, rothen und bronzefarbenen Anilinfarben haben sich die in Wasser
                              									löslichen bereits ihre Stelle in der Lederfärberei errungen. Zumal das Phosphin färbt auf Leder sattes Orange und Gelb.
                              									Ecarlatorange erzielt man mit alkalischem Mordant und Phosphin.
                           Das Orangebraun und Braun Faidherbe oder Bismarck eignet sich vorzüglich
                              									zur Herstellung aller braunen, gelblichen u.s.w. Töne mit Hülfe verschiedener
                              									Mordants.
                           Anilinschwarz ist noch nicht auf Leder angewendet worden
                              									wegen der erforderlichen hohen Temperatur, welche zur Oxydation des Farbstoffes
                              									nothwendig ist.
                           Was bisher mit vielen der Anilinfarbstoffe auf Leder noch nicht gelungen ist, dürfte
                              									jedoch baldigst ausgeführt werden. Die Anwendung der Anilinfarben auf
                              									Glaçeleder zumal bietet dem Industriellen zu viel begehrenswerthe Chancen,
                              									als daß man annehmen dürfte, die vorläufig vorhandenen Schwierigkeiten würden nicht
                              									überwunden werden. (Musterzeitung, 1872, Nr. 7.)