| Titel: | Ueber Anwendung des Carr'schen Desintegrators als Mahlmühle. | 
| Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. CXXIII., S. 447 | 
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                        CXXIII.
                        Ueber Anwendung des Carr'schen Desintegrators als Mahlmühle.
                        Ueber Carr's Desintegrators als Mahlmühle.
                        
                     
                        
                           Im vorigen Jahre wurde von Hrn. Civilingenieur H. Simon in
                              									Manchester über die Anwendung der vom Ingenieur Carr in
                              									Bristol erfundenen Schleudermühle, des sogen. Desintegrators, zum Mahlen von
                              									Getreide berichtet (polytechn. Journal Bd. CCII S.
                                 										398). Nach Carr's Angaben in der British Association soll eine einzige solche Maschine
                              									von 1,8 Met. Durchmesser und von 0,23 Met. Breite der zusammenarbeitenden
                              									Mahlscheiben, wenn jede der letzteren 400 Umläufe pro
                              									Minute und zwar nach entgegengesetzten Drehrichtungen macht, pro Stunde 20 Quarters = 5814 Liter Weizen zu zerkleinern, zu mahlen,
                              									richtiger in Brodschrot (ein mittelfeines Gemenge von Mehl, Gries und Kleie) zu
                              									verwandeln im Stande seyn. Hierzu soll aber auch ein Arbeitsquantum von 145
                              									Pferdekräften erforderlich seyn, welches sich bei stündlicher Mahlleistung von 15
                              									Quarters auf 123 Pferdekräfte vermindert, während auch bei völligem Leerlaufen des
                              									Apparates immer noch nicht weniger als 63 Pferdekräfte nöthig sind. Dieser letztere
                              									große Aufwand an Arbeitskraft der leer gehenden Maschine dürfte nicht aus
                              									Zapfenreibungen, sondern vornehmlich durch den großen Luftwiderstand veranlaßt
                              									werden, welcher bei dem bedeutenden Durchmesser der Körbe, dem sehr schnellen
                              									Umlaufe und den verhältnißmäßig engen Räumen, welche die Luft zwischen den Schlägern
                              									einnimmt, erzeugt werden muß. Außer der wahrhaft enormen quantitativen Leistung der
                              									Maschine, wurde noch hervorgehoben, daß eine solche Mühle (Hochschrotmahlgang) zwölf
                              									Monate lang Tag und Nacht ohne Unterbrechung fortarbeiten kann, ohne mehr als Oelung
                              									der Zapfenlagerstellen zu erfordern. Die aus gutem Stahl hergestellten Schläger
                              									sollen eine Dauer von 10 bis 12 Jahren versprechen. Es gibt also kein lästiges
                              									Schärfen von Mühlsteinen mehr, und der Ersatz neuer Mahlkörper kommt fast gar nicht
                              									in Betracht.
                           Auf der Generalversammlung des Hannover-Braunschweig'schen Zweigverbandes
                              									deutscher Müller und Mühleninteressenten am 14. April d. J. in Hannover wurden nun
                              									nach dem „hannoverschen Wochenblatt für Handel und Gewerbe“ von
                              									zwei Seiten weitere tatsächliche Berichte über Carr's
                              									neues Getreidemahlsystem erstattet. Erstens theilte Hr. Mühlenbesitzer Malzfeld aus Sarstedt seine eigenen Wahrnehmungen und
                              									Erfahrungen mit, welche er kürzlich beim Besuche der mit 50 Weizenmahlgängen
                              									ausgestatteten Getreidemühle von Gibson und Walker in Bonnington, zwischen Edinburg und Leeds, gemacht hatte. Der
                              									Gesammteindruck, welchen Hr. Malzfeld von Carr's Maschinerie erhielt, war ein derartig günstiger,
                              									daß Hr. Malzfeld in der von ihm gepachteten großen
                              									Calenberger Mühle einen Carr'schen Desintegrator in
                              									Betrieb nehmen, dessen Mahlgut jedoch nicht zur Flachmüllerei, sondern zur
                              									Hoch- und Griesmüllerei verwenden will, indem er Carr's Maschine fast allein für die letztere Gattung der Müllerei als
                              									geeignet und wirklich nutzbar erachte. Hiernach würde ein Weitermahlen und Ausmahlen
                              									des mit Carr's Maschine gewonnenen Hochschrotes ganz in
                              									der Weise erfolgen müssen, wie dieß der Griesmahlproceß bekanntermaßen erfordert.
                              									– Als selbst beobachtete Leistung einer Carr'schen
                              									Maschine von oben verzeichneten Dimensionen und 400 Umläufen pro Minute eines jeden Korbes nach entgegengesetzter Drehrichtung, gab Hr.
                              										Malzfeld das tägliche Mahlquantum von 2000 Ctr. an,
                              									was zugleich hinreichte, um 50 Steinmahlgänge der genannten Edinburger Mühle mit
                              									sogen. Halbfabricat zu versorgen. Für eine andere dortige Mühle von 100 Mahlgängen
                              									war man im Begriffe, zwei Carr'sche Maschinen
                              									aufzustellen. Als einen Uebelstand bezeichnete Hr. Malzfeld das Warmmahlen, indem das Mahlgut eine durchschnittliche
                              									Temperatur von 30° R. zeigte. Besonders hervorgehoben wurde von Hrn. Malzfeld die unumgängliche Forderung, daß die
                              									Getreidekörner vor dem Einbringen in Carr's Maschine
                              									durch Walzen gehen, also plattgedrückt werden müssen.
                           Der zweite Berichterstatter über jüngst erlangte Resultate desselben Apparates, Hr.
                              										van den Wyngaert, Präsident des gesammten deutschen
                              									Müllervereines, erklärte zunächst jede Aussicht zur erfolgreichen Verwendung der Carr'schen Mühle für die in Norddeutschland (zufolge
                              									Gewohnheit des Publicums und wegen Beschaffenheit unserer Getreidekörner, namentlich
                              									des Weizens) gebräuchliche Flachmüllerei, für hoffnungslos, vermochte jedoch nicht,
                              									den von Hrn. Malzfeld hervorgehobenen Nutzen der Maschine
                              									zum Zwecke der Griesmüllerei zu entkräften. Hr. van den
                                 										Wyngaert legte zugleich Proben von Weizenschrot vor, welches auf Carr's Desintegrator erzeugt worden war und wodurch das
                              									Urtheil bestätigt wurde, daß die Maschine allerdings Mehl producirt, aber dabei die
                              									Kleie ungemein mehlhaltig und das Schrot mit ganzen, halben und kleineren Theilen
                              									der Weizenkörner vermischt läßt. Derartiges Weizenschrot, auf kleinen Probensieben
                              									gesondert, ergab unter Annahme von 2 Proc. Verlust durch Verstäuben etc. an:
                           
                           
                              
                                 Mehl
                                 33 Proc.
                                 
                              
                                 feinem Gries (Dunst)
                                 20    „
                                 
                              
                                 grobem Gries
                                 14    „
                                 
                              
                                 grober Kleie
                                 31    „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 98
                                 
                              
                           Hiernach würden 65 Proc. zwischen gewöhnlichen Steinen nachzumahlen seyn.
                           Derselbe Berichterstatter theilte endlich noch mit, daß Carr's Maschine in Charlottenburg höchst erfolgreich zum Vermahlen der
                              									Cichorien und in Zossen ebenso zufriedenstellend zur Cementfabrication verwendet
                              									werde, Urtheile welche mit dem übereinstimmen, was kürzlich die belgischen
                              									Maschinenfabrikanten Hanrez und Comp. (in Monceau-sur-Sambre)
                              									von den aus ihrem Etablissement hervorgegangenen Desintegratoren nach Carr's System, zum Zerkleinern der Kohlen bei der
                              									Briquettefabrication, nachzuweisen vermochten.Man s. die Beschreibung der verbesserten Carr'schen Schleudermühle, welche von Hanrez und Comp. zum Zerkleinern der
                                    											Kohlen gebaut wird, im polytechn. Journal, 1871, Bd. CCI S. 387. – In
                                    											Deutschland werden Desintegratoren von Jos. Pallenberg's Maschinenfabrik in Mannheim geliefert. (Deutsche Industriezeitung, 1872, Nr. 22.)