| Titel: | Die Telegraphie in Nordamerika. | 
| Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. CXXVI., S. 452 | 
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                        CXXVI.
                        Die Telegraphie in Nordamerika.
                        Nach Engineering, Mai 1872, S. 316.
                        Ueber die Telegraphie in Nordamerika.
                        
                     
                        
                           Ueber die großartige Ausbreitung des Telegraphensystemes in den Vereinigten Staaten
                              									von Amerika geben die statistischen Aufzeichnungen interessante Aufschlüsse, und
                              									Manchen dürfte die Thatsache überraschen, daß eine einzige Gesellschaft über eine
                              									Meilenzahl an Drahtleitungen verfügt, welche die unter der
                              									Telegraphen-Administration der Post stehende übersteigt. Die Western Union Telegraph Company in Amerika ist ein
                              									riesiges, über den ganzen Continent verzweigtes Geschäft, welches über 70 Procent
                              									der gesammten Meilenzahl umfaßt. Folgende Tabelle gibt eine Uebersicht über den
                              									Stand des amerikanischen Telegraphensystemes in der ersten Hälfte des verflossenen
                              									Jahres:
                           
                              
                                 Name der Gesellschaft.
                                 MeilenzahlderLinien.
                                 MeilenzahldesDrahtes.
                                 ZahlderStationen.
                                 ZahlderApparate.
                                 Personal.
                                 
                              
                                 Western UnionMontrealAtlantic and
                                       												PacificPacific and
                                       												AtlanticInternationalUebrige
                                    											Gesellschaften
                                 54109  7800  3744  4155    412  7894
                                 112191  12147    8313    8280      743  15469
                                 3990  640  238  167    51  772
                                 5063  750  300  225    511028
                                 6000  996  352  300    59  952
                                 
                              
                                 Summe
                                 78114
                                 157143
                                 5858
                                 7417
                                 8659
                                 
                              
                           
                           Zu den verschiedenen Telegraphengesellschaften welche wir nicht erwähnt haben,
                              									gehören die Franklin, Philadelphia and Pottsville, Great
                                 										Western, Dominion, Southern and Pacific etc.
                           Ein Blick auf obige Zahlen läßt auf eine außerordentlich große Anzahl einzelner
                              									Linien schließen. Es kommen darnach zwar durchschnittlich zwei Drähte auf die Linie;
                              									als allgemeine Regel ist jedoch nur ein Draht anzunehmen,
                              									da in den Mittelpunkten des commerciellen Verkehres eine desto größere Anzahl von
                              									Drahtleitungen vorhanden ist. Auch die Vergleichung der Anzahl der Apparate mit der
                              									Zahl der Stationen lehrt, daß die allgemeine Regel eine einzelne Drahtleitung
                              									ist.
                           Die Abstände der Telegraphenstangen variiren von 35 bis 41 per Meile, oder von circa 130 bis 150 Fuß. Für
                              									gewöhnliche Linien bestehen die Stangen aus Kastanienholz, Eichenholz und
                              									Kiefernholz. Ihre Höhe beträgt 25 bis 30 Fuß, ihr Durchmesser am oberen Ende 5 Zoll.
                              									Für Stadtleitungen, welche eine größere Anzahl von Drähten erfordern, variiren die
                              									Höhen nach Umständen. Grünes Holz wird sorgfältig vermieden, dagegen legt man in
                              									Anbetracht der Menge und Billigkeit des Holzes auf künstliche Conservirung desselben
                              									wenig Werth, und begnügt sich mit dem Ankohlen und Theeren der Stangen. Eine so
                              									behandelte Telegraphenstange aus Kastanienholz hält sich 15 bis 20 Jahre.
                              									Erdleitungen kommen nirgends vor.
                           Als Isolatoren bedient man sich im Allgemeinen des gewöhnlichen Glases, sowie des Brooks'schen patentirten Paraffin-Isolators. Der
                              									letztere hat sich so gut bewährt, daß er nach und nach die ältere Form verdrängt. Er
                              									wird mittelst eines Schraubenbolzens befestigt, welcher einen Theil des eisernen
                              									Isolatordeckels bildet.
                           Das Innere des letzteren besteht aus in den Deckel gekittetem Flaschenglas, in dessen
                              									Mitte der eigenthümlich construirte Aufhänghaken, welcher den Telegraphendraht
                              									aufnimmt, befestigt ist. Der Isolator wird ganz in Paraffin getaucht. Um diese
                              									Isolatoren in gutem Zustande zu erhalten, muß jedes Jahr der Paraffinüberzug
                              									erneuert werden.Brooks' Isolator ist nach beigegebener Zeichnung
                                    											im polytechn. Journal, 1867, Bd. CLXXXVI S. 268 beschrieben. – Im
                                    											Jahre 1868 wurden in England vergleichende Versuche mit verschiedenen
                                    											Isolatoren angestellt, welche im polytechn. Journal Bd. CXC S. 427 mitgetheilt sind und
                                    											für den Isolator von Brooks die besten Resultate
                                    											ergaben.
                              								
                           Bei dem gewöhnlichen Isolator, welcher an einem kurzen Seitenarm der Stange in einer
                              									ungefähr 20° aus der Verticalen abweichenden Lage befestigt ist, wird der
                              									Leitungsdraht mit Hülfe eines dünnen Drahtes festgebunden.
                           
                           Der in neuerer Zeit verwendete Draht, dessen Durchmesser gewöhnlich 0,148 Zoll
                              									beträgt (Nr. 9 des Birminghamer Drahtmaaßes), ist galvanisirt (verzinkt), und
                              									derjenige aus der Fabrik der HHrn. Johnson und Nephew in Manchester wird allen anderen Qualitäten
                              									vorgezogen. Von Bedeutung ist jedoch die Einführung des sogenannten
                              										„gemischten Drahtes“ (compound
                                 										wire), einer Erfindung der HHrn. Farmer und Milliken. Dieser Draht zeichnet sich durch Leichtigkeit,
                              									Stärke und größeres Leitungsvermögen, sowie auch dadurch aus, daß er vermöge seines
                              									Kupferüberzuges der Oxydation nicht unterworfen ist.
                           Das Wetter in den Vereinigten Staaten ist im Allgemeinen gut; der jährliche Regenfall
                              									beträgt ungefähr 39 Zoll, und man sollte daher eine bessere Isolation, als die
                              									wirklich vorhandene erwarten. Der mittlere Widerstand per Meile beträgt bei feuchtem Wetter (für Glasisolatoren) ungefähr 150000
                              										Ohm'sche Einheiten, ein Resultat welches sich uns als
                              									ein entschieden niedriges darstellt.
                           Als Batterie bedient man sich Grove's
                              									Salpetersäure-Batterie und Bunsen's Batterie mit
                              									doppelt-chromsaurem Kali für die Telegraphenlinien selbst, und der Daniell'schen Kette für die Localbatterie. Die Bunsen'sche Kohlenbatterie mit dem Chromsalz bewährt sich
                              									ausgezeichnet.
                           Es gilt als allgemeine Regel, daß der die Linie durchlaufende Strom von Batterien
                              									hergeleitet wird, welche an beiden Enden der Linie so angeordnet sind, daß
                              									einerseits die positive, andererseits die negative Elektrode mit der Linie in
                              									Verbindung ist. Nach diesem System sind Telegraphenlinien von 500 Meilen Länge mit
                              									30 Stationen, ohne Relais, in Betrieb. Für größere Entfernungen bedient man sich der
                              									Translatoren.
                           Ein sehr einfacher, wirksamer und beliebter Apparat, welcher wohl viermal so stark in
                              									Gebrauch ist, als die anderen Instrumente, ist der
                              										„Klapperapparat“ (sounder),
                              									welcher seinen Namen dem klappernden Geräusch der von dem Elektromagnet abwechselnd
                              									angezogenen und losgelassenen Armatur verdankt. Dieses Instrument hat den Vortheil,
                              									nur einen Sinn, das Gehör, in Anspruch zu nehmen. Der
                              									Telegraphist kann bei seinem Instrument sitzen und während er auf den Schall hört,
                              									die Depesche, ohne einen Blick auf das erstere zu werfen, beinahe eben so schnell
                              									als der Schall erfolgt, niederschreiben.
                           Viele Elektromagnete werden nach Dr. Bradley's Patent mit nacktem Kupferdraht umwunden, wozu
                              									man sich einer besonderen Maschine bedient. Zwischen den einzelnen Drähten bleibt
                              									ein Zwischenraum von nur 0,001 bis 0,002 Zoll, und die einzelnen Drahtlagen sind
                              									durch seines paraffinirtes Papier von einander getrennt. Der Vortheil dieses Systemes besteht darin,
                              									daß dasselbe eine größere Anzahl von Windungen gestattet, indem der zur Verhütung
                              									des Contactes erforderliche Zwischenraum geringer ist, als bei übersponnenen Drähten
                              									der von der Seide eingenommene Raum. Die Windungen liegen daher dem Kerne näher und
                              									erhöhen dadurch die magnetische Wirkung.
                           Zu den übrigen in die Praxis eingeführten Instrumenten gehört, außer dem Morse'schen Schreibapparat, eine Modification von Hughes' Typendruckapparat, die Erfindung des Hrn. Phelps, welche viel Aufsehen erregt. Dieser Apparat
                              									rotirt mit einer Geschwindigkeit von 200 Umdrehungen per
                              									Minute (in dem Centralbureau zu New-York werden solche Instrumente durch
                              									Dampfkraft getrieben), und befördert 3000 Worte per
                              									Stunde. Einige Telegraphisten haben es mittelst dieses Apparates bis zu einer
                              									Geschwindigkeit von 58 Worten per Minute gebracht.
                           Neuerdings hat die Western Union Company nicht ohne
                              									Erfolg Versuche mit einem Doppelapparat angestellt, um auf einem und demselben
                              									Drahte gleichzeitig nach beiden Richtungen zu telegraphiren. Der Apparat arbeitet
                              									auf einer Strecke von 400 Meilen und ist gegenwärtig auf mehreren Telegraphenlinien
                              									in Gang. Wo der Verkehr für eine Drahtleitung zu stark
                              									wird, da hilft derselbe über die Schwierigkeiten hinweg und macht die Anlage eines
                              									zweiten Drahtes entbehrlich. Er läßt sich übrigens auch als gewöhnliches Instrument
                              									gebrauchen.
                           Was das Personal anbelangt, so verdient hervorgehoben zu werden, daß eine große
                              									Anzahl weiblicher Telegraphisten bei den verschiedenen Gesellschaften angestellt
                              									ist.