| Titel: | Ueber Mushet's Specialstahl; von Professor Heeren. | 
| Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. CXXXII., S. 477 | 
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                        CXXXII.
                        Ueber Mushet's Specialstahl; von Professor Heeren.
                        Aus den Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereines,
                              									1872 S. 92.
                        Heeren, über Mushet's Specialstahl.
                        
                     
                        
                           Die merkwürdigen Eigenschaften des Mushet'schen
                              										Specialstahles,Polytechn. Journal Bd. CCIII S. 322
                                    											(zweites Februarheft 1872). welcher seiner Härte und Zähigkeit wegen in kurzer Zeit sich so großen Ruf
                              									erworben hat, machten eine chemische Untersuchung wünschenswerth, zu welcher ein von
                              									dem Maschinenfabrikanten Knövenagel in Hannover dem
                              									Geheimen Regierungsrath Karmarsch übergebenes Stück
                              									verwendet wurde.
                           Abgesehen von dem Kohlengehalt und etwaigen anderen in kleiner Menge vielleicht
                              									vorhandenen Nebenbestandtheilen, fanden sich bei der Analyse
                           
                              
                                 
                                 8,3
                                 Procent
                                 Wolfram
                                 
                              
                                 und
                                 1,73
                                      „
                                 Mangan.
                                 
                              
                           Denn es handelte sich nicht sowohl um eine vollständige
                              									Analyse, als vielmehr nur um Constatirung des schon vermutheten Wolframgehaltes.
                           Der von Mushet seinem Stahle ertheilte geheimnißvolle Name
                              									soll Wohl dem Zwecke dienen, etwas ganz Neues anzudeuten, und die schon etwas
                              									verbrauchte Bezeichnung „Wolframstahl“ zu umgehen. Möglich
                              									auch, daß der nicht unbedeutende Mangangehalt als wesentlicher Bestandtheil eine
                              									Rolle spielt, wie man ja längst schon beim Stahlschmelzen einem Mangan-Zusatz
                              									günstige Einwirkung auf die Qualität des Stahles beimißt.
                           Die von Mushet gegründete Fabrik ist an den jetzigen
                              									Besitzer Samuel Osborne übergegangen, dessen Clyde, Steel and Iron Works in Sheffield diesen Stahl in
                              									Menge liefern, aber schon für mehrere Jahre mit Aufträgen überhäuft seyn sollen, so
                              									daß es schwer hält, sich selbigen zu verschaffen.
                           
                           Wolframstahl liefern auch andere Fabriken, so die von Robert Oxland zu Gifford bei Plymouth; ferner Wund und
                              										Comp. zu Buckau bei Magdeburg. – Auch das
                              									Stahlwerk zu Uslar am Solling, welches sich schon früher vielfach mit Anfertigung
                              									von Wolframstahl beschäftigte, diese Fabrication aber später einstellte, hat doch
                              									dieselbe neuerdings wieder aufgenommen.
                           Es liegt nicht in dem Zweck dieses kleinen Aufsatzes, über die aus verschiedenen
                              									Fabriken hervorgehenden Stahlsorten zu referiren, obwohl ich fast bezweifele, daß
                              									ein dem Specialstahl gleichkommendes Product anderswo erzielt werde.
                           Die wesentlichste Eigenschaft des Specialstahles besteht darin, daß er im
                              									ungehärteten Zustande eine solche Härte besitzt, daß er selbst von einer guten
                              									englischen Feile nicht angegriffen wird, daß er aber, wenn man ihn auf gewöhnliche
                              									Art zu Härten versucht, weit entfernt, an Härte zu gewinnen, weicher wird, so daß
                              									ihn nun die Feile ganz gut angreift. Darf er also schon aus diesem Grunde nicht
                              									gehärtet werden, so ist das Härten bei ihm noch um so weniger zulässig, als er dabei
                              									jederzeit vielfache Risse bekommt. Glühend läßt er sich vortrefflich schmieden, muß
                              									aber auch hierbei vollständig die bezweckte Form erhalten, weil nach dem Erkalten
                              									mit der Feile nichts mehr zu machen ist, höchstens noch durch Schleifen nachgeholfen
                              									werden kann. Werkzeuge von Specialstahl, namentlich zu Hobelmaschinen, Drehstähle
                              									und ähnliche auf Eisen, namentlich auf die harte Kruste gegossene Stücke angewandte
                              									Instrumente behalten in wunderbarer Weise ihre Schärfe. Als Beleg theilte mir Herr
                              										Knövenagel mit, daß beim Hobeln einer Gußplatte, auf
                              									deren harter Oberfläche gewöhnlicher Stahl nach einmaligem Hingange vollständig
                              									stumpf geworden, der Specialstahl selbst nach vielen Touren kaum merklich an Schärfe
                              									verloren hatte. Der Specialstahl besitzt also (ungehärtet) völlig die Härte von glashartem gutem
                              									Stahl, dabei aber eine solche Zähigkeit, daß er zu allen Arten schneidender
                              									Instrumente Verwendung finden kann.
                           Hoffentlich wird, nachdem durch diese neue Stahlsorte ein kräftiger Impuls gegeben
                              									worden, die Darstellung eines so schönen Productes bald auch Anderen gelingen;
                              									hoffen wir zugleich, daß bei wachsendem Consum sich auch neue Fundorte des für jetzt
                              									noch ziemlich spärlich vorkommenden Wolframerzes finden mögen. Als Hauptbezugsquelle
                              									des Wolframerzes in allen Sorten, theils roh, theils gepocht, geröstet, auch des
                              									metallischen Wolframs, empfehle ich Herrn Biermann in
                              									Hannover, Ferdinandstraße Nr. 30.