| Titel: | Die Fabrication des Dynamits; von Ferd. Capitaine. | 
| Autor: | Ferd. Capitaine | 
| Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. XIII., S. 34 | 
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                        XIII.
                        Die Fabrication des Dynamits; von Ferd. Capitaine.
                        Capitaine, über Dynamit-Fabrication.
                        
                     
                        
                           Die vielen Uebelstände und Gefahren, welche mit dem Gebrauche des flüssigen
                              Nitroglycerins verbunden waren, ließen schon bald nach der Einführung des Sprengöles
                              in die Technik, eine größere Gefahrlosigkeit und bequemere Anwendbarkeit als
                              durchaus nothwendig erscheinen, und nur die Erfindung des Dynamits und ähnlicher
                              Präparate konnte daher eine größere Verwendung des Nitroglycerins selbst sichern.
                              Der Dynamit ist bekanntlich ein rein mechanisches Gemenge von Sprengöl mit
                              calcinirter Infusorienerde. Der Gedanke aber, welcher der Herstellung des Dynamits
                              zu Grunde liegt, nämlich das flüssige Oel festen Körpern zu incorporiren und damit
                              die Uebelstände des flüssigen Aggregatzustandes zu beseitigen, wurde in sehr
                              verschiedener Weise zur Ausführung gebracht. So ist im Lithofracteur schwarzes
                              Sprengpulver der feste pulverförmige Träger, im Dualin sind es nitrirte
                              Sägespäne.
                           
                           Wir werden später auf die Vorzüge der Infusorienerde den anderen festen Trägern
                              gegenüber eingehen und gleichzeitig einen vollgültigen Ersatz der Infusorienerde
                              angeben, welcher insofern von Wichtigkeit ist, als er die in mehreren Ländern
                              patentirte Zusammensetzung des Dynamits umgehen lehrt.
                           Um die Darstellung des Dynamits näher zu beschreiben, nehmen wir eine continentale
                              Fabrik zum Ausgangspunkt, welche täglich bis zu 5000 Pfund Dynamit liefert.
                           Als Rohmaterialen gelten in dieser Fabrik: Schwefelsäure, Salpeter, Glycerin und
                              Infusorienerde.
                           Die Schwefelsäure ist gewöhnlich englische. Man hatte den
                              Versuch gemacht, Nordhäuser rauchende Säure anzuwenden und hoffte dadurch eine
                              bedeutende Mehrausbeute aus dem angewendeten Glycerin zu erhalten. Es zeigte sich
                              jedoch, daß die Mehrkosten der rauchenden Schwefelsäure durch die größere Ausbeute
                              an Nitroglycerin nicht compensirt wurden, und so blieb man bei dem englischen
                              Hydrat. Dasselbe wird sowohl zur Darstellung der nöthigen Salpetersäure, als auch
                              zur Nitrirung des Glycerins verwendet.
                           Der zur Gewinnung der Salpetersäure verwendete Salpeter
                              ist Chilisalpeter.
                           Das Glycerin ist Rohglycerin von 30–32°
                              Baumé und wird meist von Marseille bezogen. Da es sich zeigte, daß hölzerne
                              Fässer, welche Glycerin enthalten, sehr leicht lecken, so hat man eine Anzahl
                              eiserner Tonnen von je 500 Liter Inhalt verfertigen lassen, welche zur Füllung nach
                              Marseille gesandt werden. Dieses Rohglycerin ist bekanntlich dunkelbraun und
                              grünlich von Farbe, mit einem Gehalt an unzersetzten Fetten, Glyceriden etc. Da
                              dieses Product im Winter schon bei einigen Graden unter Null steif wird und
                              schließlich gefriert, so wird es oft nöthig, es im Winter in geheizten Räumen wieder
                              aufthauen zu lassen.
                           Die Infusorienerde ist hannoversche; sie enthält
                              10–15 Proc. gröbere Kieselkörner, außerdem ist sie oft von organischen
                              Verunreinigungen dunkel gefärbt, und besitzt einen bedeutenden Gehalt an
                              Grubenfeuchtigkeit; sie wird in Matten und Fässern versandt, und zur Bereitung von
                              Dynamit selbst bis nach San Francisco in Californien gesandt, woselbst eine große
                              Dynamitfabrik besteht.
                           Wir werden weiter unten sehen, auf welche Weise die Infusorienerde vorbereitet
                              wird.
                           Vermittelst der bezüglichen Rohmaterialien wird nun zunächst die Salpetersäure dargestellt.
                           
                           Man hat die eigene Darstellung der Salpetersäure hauptsächlich aus dem Grunde nöthig
                              befunden, weil man erfahrungsmäßig mit einer sehr concentrirten Säure, von
                              45–48° Baumé, am besten arbeitet. Es ist dieses ein
                              Concentrationsgrad, welchen größere Salpetersäurefabriken in der Regel nicht
                              liefern, und der auch einen schwierigen, gefährlichen Transport im Gefolge hat.
                           Man wendet gleiche Gewichtstheile von Chilisalpeter und Schwefelsäure an, ohne Wasser
                              in den Vorlagen vorzuschlagen. Die Darstellung geschieht aus gußeisernen,
                              kesselförmigen Retorten von ungefähr 60 Kubikfuß Inhalt. Da die Fabrik täglich bis
                              zu 4000 Pfund Salpetersäure benöthigt, so ist es erklärlich, daß beständig
                              4–5 jener großen Retorten im Betriebe sind, und die
                              Salpetersäure-Fabrik mit ihren Lagervorräthen an Salpeter, Schwefelsäure und
                              schwefelsaurem Natron, einen nicht geringen Umfang besitzt.
                           Da der Chilisalpeter bis zu 2 Proc. an Chlorverbindungen enthält, so ist die
                              erhaltene Salpetersäure ziemlich chlorhaltig, jedoch schreibt man diesem
                              Chlorgehalte keine nachtheiligen weiteren Wirkungen zu. Außerdem ist diese Säure
                              begreiflicher Weise stark roth und reich an Untersalpetersäure.
                           Die nächste Vorbereitung der Salpetersäure zur Dynamitbereitung besteht in der
                              Herstellung einer gleichmäßig starken Säure. Da zu jeder Operation, in welcher ein
                              gewisses Quantum von Glycerin nitrirt wird, 1300 Pfund Salpetersäure nöthig sind, so
                              werden die mit Salpetersäure gefüllten Ballons, deren Säure zwischen
                              45–49° Baumé wechselt, so ausgewählt, daß ihre Mischung ein
                              Quantum von 1300 Pfund Säure von 47–48° Baumé liefert.
                           Ein solches Quantum Säure wird in einem gußeisernen Kessel mit der entsprechenden
                              Quantität Schwefelsäure gemischt. Es sind vier solcher Kessel in Gebrauch, welche
                              zur Mischung von je 1300 Pfd. Salpetersäure mit je 2600 Pfund englischer
                              Schwefelsäure dienen. Man läßt die Säuren, welche sich bei der Mischung erhitzen, am
                              liebsten einen Tag lang zur Abkühlung stehen, ehe man sie zur Nitrirung verwendet.
                              Ein leichter Schuppen, an den Seiten offen, überdacht diese Kessel, welche zum
                              Schutze gegen das Zerspringen im Winter mit einem Ziegelfutter umgeben sind.
                           Ein solches Säuregemisch von 3900 Pfund Säure wird nun bei jeder Operation zur
                              Nitrirung angewendet. Die dazu verwendete Glycerinmenge
                              beträgt 630 Pfund. Aus einem der Kessel, welche je 3900 Pfund Säure enthalten, wird
                              dieselbe in den sogenannten Apparat abgelassen. Der Apparat ist ein hölzerner
                              Bottich von 6,5 Fuß Höhe und 4 Fuß Durchmesser; er ist mit einem viertelzölligen Bleifutter ausgekleidet.
                              Zwei Schlangen aus starkem Bleirohr von 1,25 Zoll lichtem Durchmesser liegen an der
                              Wandung des Bottiches an, und der von ihnen gebildete Cylinder erstreckt sich vom
                              Boden bis zum oberen Rande des Bottiches.
                           Die beiden Schlangen sind indessen getrennt von einander, und jede bildet ein eigenes
                              System, welches von kaltem Wasser zur Abkühlung durchströmt wird. Es hat diese
                              Trennung den Zweck, daß, wenn eine der Schlangen ihre Wirksamkeit versagen sollte,
                              resp. reparirt werden muß, oder die Leitung zwischen Schlange und dem entfernt
                              stehenden Wasserreservoir gelitten hat, die andere Schlange in Arbeit tritt.
                           Nachdem nun das erwähnte Quantum der Säuremischung in den Apparat eingelassen wurde,
                              der noch kein Glycerin enthält, beginnt eine Rührvorrichtung in Thätigkeit zu
                              treten. Dieselbe besteht aus zwei runden durchlöcherten, mit Blei überzogenen
                              Eisenplatten von 2 Fuß Durchmesser, deren Centren in einem kleinen Abstande von
                              einander horizontal an einer verticalen Eisenstange befestigt sind. Die Platten
                              bewegen sich vermittelst einer Zugvorrichtung, welche am oberen Ende der Eisenstange
                              angebracht ist, im Bottich langsam auf und nieder. Diese Bewegung der
                              Rührvorrichtung, welche mit einem über Rollen gehenden Seile verbunden ist, wird
                              durch drei Arbeiter bewirkt, welche 30–40 Fuß vom Apparate entfernt, hinter
                              einem starken Erdwalle geschützt sind. Sobald also die Säure in den Apparat
                              eingelassen und der Rührer in Thätigkeit ist, wird zunächst die Wirksamkeit der
                              erwähnten Abkühlungsvorrichtung geprüft. Man liebt es, Wasser zum Kühlen zu
                              verwenden, das nicht über 6–8° C. warm ist und vermittelst dessen die
                              Temperatur im Bottich leicht auf 14–16° C. erhalten werden kann. Ein
                              dreifüßiges Thermometer, welches durch den Bleideckel des Apparates in's Innere
                              reicht, gestattet die Temperatur im Inneren zu beobachten.
                           Nachdem nun Abkühlungsvorrichtung, Rührer und Alles in gutem Zustande befunden wurde,
                              wird das Glycerin zugelassen, dessen Quantum wie erwähnt 630 Pfund beträgt. Auf dem
                              Dache des Schuppens, welcher den Apparat beherbergt, ist ein Behälter aus Blech
                              aufgestellt, der das Glycerin aufnimmt, und welcher, um Holzstückchen etc.
                              zurückzuhalten, mit einem doppelten Siebboden versehen ist. Aus diesem Reservoir
                              läuft nun das dickflüssige Glycerin dem Apparate zu. Sein Einfließen wird durch
                              einen Hahn regulirt; außerdem befindet sich aber noch auf dem Bleideckel des
                              Bottiches ein kleiner Blechkasten, in welchen das Glycerin einläuft und der in
                              seinem Boden eine Anzahl Löcher hat, welche durch Korke, an Stäbchen befestigt,
                              verschlossen werden können. Das Glycerin läuft nun in ungefähr daumendickem Strahle in die Säure
                              ein. Die Temperatur steigt sofort, doch regelt man den Zufluß des Glycerins derart,
                              daß sie nicht über 18° C. steigt. Die Erfahrung hat gezeigt, daß mit der
                              höheren Temperatur, die Ausbeute von Nitroglycerin steigt, doch pflegt man die
                              Temperatur von 18° C. nicht zu überschreiten.
                           Unter diesen Umständen erfordert das Einfließen der 630 Pfund Glycerin,
                              0,5–2,5 Stunden, je nach der kälteren oder wärmeren Jahreszeit und der
                              Temperatur des angewendeten Kühlwassers. Bei regelmäßigem Verlaufe der Operation
                              zeigt das Thermometer nur unbedeutende Schwankungen, die jedoch sofort in sehr
                              starkem Maaße eintreten, wenn die Schlange zu wirken aufhört, oder innerhalb des
                              Apparates einen Leck erhält, wodurch Wasser unter Erhitzung sich mit der Säure
                              mischt. Es ist alsdann der Glycerinzufluß sofort zu unterbrechen, die leckgewordene
                              Schlange abzusperren und die andere in Arbeit treten zu lassen; außerdem ist das
                              Rühren unter allen Umständen fortzusetzen.
                           Eine Nachlässigkeit im Rühren kann im Uebrigen stets Gefahr bringen, da das
                              eintretende Glycerin bei der Nitrirung eine höhere Temperatur hervorruft, welche nur
                              durch Rühren resp. durch Vertheilen der erhitzten Flüssigkeit vermindert werden
                              kann.
                           Nachdem nun alles Glycerin eingeflossen, wird auch die Operation als beendet
                              angesehen, da die Nitrirung fast augenblicklich stattfindet.
                           Es wird darauf der Inhalt des Apparates, aus Säuren, Nitroglycerin und Glyceriden
                              bestehend, in einen zweiten Schuppen geleitet, woselbst man die Trennung des
                              Sprengöles und der Säuren vornimmt.
                           Bei der ersten Anlage der Fabrik war diese Trennung eine directe. Das auf den Säuren
                              schwimmende Nitroglycerin wurde mit hölzernen Kellen abgeschöpft und die restirenden
                              Säuren, welche außerdem die in Säuren löslichen Glyceride enthielten, wurden in der
                              Düngerfabrication benutzt. Als jedoch die nach dieser Methode arbeitende Fabrik in
                              die Luft geflogen, wurde die indirecte Scheidung von Oel und Säuren beschlossen, bei
                              welcher der ganze Inhalt des Apparates in einen mit Wasser halb gefüllten großen
                              Bottich fließt, in welchem sich die Säure verdünnt und abgelassen wird.
                           Ein solcher hölzerner Bottich von 12 Fuß Durchmesser und 8 Fuß Höhe findet sich in
                              dem zweiten Schuppen, dem sogenannten Waschschuppen vor. Der Inhalt des Apparates
                              läuft über eine Bleirinne in einem dicken Strahle in das vorfindliche kalte Wasser
                              ein. Das Einflußrohr trägt ein Sieb, um das mitgerissene schwefelsaure Bleioxyd, von
                              dem Anfressen der Schlangen und des Bleifutters im Apparate herrührend,
                              zurückzuhalten. Während
                              des Einfließens wird mit hölzernen Krücken langsam umgerührt.
                           Es setzt sich nun das Sprengöl in der verdünnt gewordenen Säure zu Boden.
                           Der Boden dieses einfachen hölzernen Bottiches ist nach einer Seite hin etwas geneigt
                              und gestattet, das Sprengöl, nachdem es sich abgesetzt hat, vermittelst Hähnen aus
                              Steinzeug vollständig abzuziehen. Die gewöhnlich resultirenden 1000 bis 1200 Pfund
                              Sprengöl laufen nun in einen kleineren Bottich von 6 Fuß Höhe und 5 Fuß Durchmesser,
                              woselbst das Oel mit Wasser mehrfach ausgewaschen wird. Dabei wird durch einen
                              hölzernen Rührer, eine runde Holzplatte am Ende eines Stabes sitzend, das Oel mit
                              dem Wasser bestens in Berührung gebracht und Säure sowie schwefelsaures Bleioxyd
                              ausgewaschen. Beim letzten dritten Waschen werden 15–20 Pfund concentrirte
                              Sodalösung zugesetzt.
                           Die verdünnte Säure des ersten und zweiten Waschbottiches läuft in den
                              vorbeiströmenden Fluß. Es ist dieses, mit Rücksicht auf die in Gebrauch gezogenen
                              Quantitäten kein geringer Verlust, welcher bei dem indirecten Scheidungsverfahren
                              stattfindet, denn im Durchschnitt gehen täglich 7000–8000 Pfund Schwefelsäure
                              verloren.
                           Nach dem Waschen im zweiten Waschbottich ist das Sprengöl noch nicht genügend von
                              Säuren befreit. Um vollständig neutralisirt zu werden, wird das Oel in einen dritten
                              Schuppen, von dem zweiten ebenfalls durch einen starken Erdwall getrennt, geleitet.
                              Es findet sich dort die sogenannte Buttermaschine, ein hölzerner Bottich von 4,5 Fuß
                              Höhe und 4 Fuß Durchmesser, in welchem sich zweckmäßige Rührer bewegen, die ein
                              Arbeiter vermittelst eines Getriebes in rasche Umdrehung versetzt.
                           Das Sprengöl findet in dieser Buttermaschine an 50 Pfund concentrirter Sodalösung
                              vor, mit welcher es ungefähr eine Stunde lang innig geschüttelt wird, so daß eine
                              Probe des Oeles mit Lackmus keine saure Reaction mehr zeigt. Sodann wird das Oel
                              vermittelst eines Hahnes abgelassen und von der alkalischen Lösung getrennt. Es
                              läuft durch ein Filztuch, um noch restirendes schwefelsaures Bleioxyd abzugeben, und
                              sammelt sich in einem mit Blei ausgeschlagenen Reservoir, fertig zum Gebrauche.
                           Die Ausbeute an Nitroglycerin wechselt je nach dem angewendeten Glycerin, der
                              Temperatur bei welcher die Operation vor sich ging, der Beschaffenheit der Säuren
                              etc. Sie beträgt 950–1200 Pfund, bleibt also hinter der theoretisch zu
                              erwartenden um mehrere Hunderte von Pfunden zurück. Der nicht nitrirte Theil des
                              Glycerins geht dabei in die Form wasserlöslicher Glyceride über. Am größten ist
                              die Ausbeute im Winter, am kleinsten im Sommer, wo die Operation sehr langsam vor
                              sich gehen muß.
                           Wir wenden uns nun zum zweiten Bestandtheile des Dynamits, zur Infusorienerde.
                           Die natürliche Infusorienerde hat drei Bestandtheile, welche entfernt werden müssen:
                              Wasser, organische Substanzen und gröbere Kieselkörner. Um die beiden ersten
                              Bestandtheile zu entfernen, wird die Infusorienerde calcinirt. In einem zweckmäßig
                              eingerichteten Calcinirofen, welcher vier übereinander liegende Etagen enthält, in
                              denen die Infusorienerde von der oberen nach der unteren Etage allmählich
                              vorgeschoben wird, wird dieselbe bei Rothgluth calcinirt. Die organischen
                              Substanzen, welche man als gefährlich für die chemische Stabilität des Sprengöles
                              betrachtet, werden verbrannt. Sodann wird die Erde mittelst Handwalzen zerdrückt und
                              durch ein Drehsieb geworfen, welches die gröberen Kieselkörner zurückhält. Die
                              Infusorienerde ist somit zum Gebrauche für Dynamit fertig.
                           In demselben Schuppen, in welchem das sogenannte Buttern, die letzte Entsäuerung des
                              Nitroglycerins vorgenommen wird, findet auch die Mischung desselben mit der
                              calcinirten Infusorienerde statt. Es werden 50 Pfund Infusorienerde in einem flachen
                              Holzkasten mit 150 Pfund Sprengöl übergossen, worauf Arbeiter die Masse mit der
                              bloßen Hand tüchtig durchkneten. Man hatte seiner Zeit den Arbeitern Handschuhe aus
                              Gutta-percha gegeben, um die schädliche Wirkung des Sprengöles von dem
                              Organismus fern zu halten, indessen ziehen die Arbeiter das Kneten mit der bloßen
                              Hand vor.
                           In einer halben Stunde sind Oel und Infusorienerde genügend vorgemischt. Um jedoch
                              die Masse noch besser durchzukneten und zugleich gröbere Kieselkörner, welche mit
                              durch das erwähnte Drehsieb gegangen sind, möglichst zu entfernen, bringt man die
                              Masse auf Siebe aus Eisendraht, deren Maschen 0,5 Linie weit sind, und reibt es
                              vermittelst der Fläche und des Ballens der bloßen Hand durch das Sieb. Gröbere
                              Kieselkörner bleiben zurück, und die durchgesiebte Masse ist fertiger Dynamit,
                              welcher nur noch in Patronen geformt zu werden braucht.
                           Diese Dynamitpatronen sind bekanntlich sehr einfacher Art.
                              Es sind kleine Cylinder, in denen gepreßter Dynamit mit einer primitiven Umwickelung
                              von starkem Pergamentpapier versehen ist.
                           Diese Patronen werden in dreierlei Sorten angefertigt: 1) gewöhnliche Dynamitpatronen
                              von 1–4 Zoll Länge und 1 Zoll Durchmesser; 2) Zündpatronen von 1 Zoll Länge
                              und 1 Zoll Durchmesser; 3) Zündpatronen für gefrorenen Dynamit. Die ersteren werden beim Gebrauche
                              gewöhnlich von ihrer Papierhülle befreit und in dem Bohrloche festgedrückt. Die
                              Zündpatronen dienen zur Aufnahme des Zündhütchens, resp. der Zündschnur welche in
                              dem Zündhütchen festgeklemmt wird. Die Zündpatronen für gefrorenen Dynamit
                              enthalten, außer gewöhnlichem Dynamit, noch Gemische von Salpeter und Colophonium,
                              oder von chlorsaurem Kali und Schwefelantimon und ähnliche Zusätze welche durch das
                              Zündhütchen zuerst entzündet werden und sodann den gefrorenen Dynamit mit zur
                              Explosion bringen.
                           Die Maschinen zum Formen der Patronen sind im Wesentlichen folgendermaßen construirt.
                              Ein Quantum von ungefähr 10 Pfund Dynamit befindet sich in einem Leinwandbehälter,
                              der unten offen ist, und sich dort an ein trichterförmiges Messingstück anschließt.
                              In dieses Messingstück reicht ein Kolben, welcher von oben in den Leinwandsack
                              eintritt und durch einen Hebel auf und ab bewegt werden kann. Bei der höchsten
                              Stellung des in den Trichter reichenden Kolbens bleibt die Mündung des Trichters
                              offen, so daß Dynamit eintreten kann, welcher beim Niedergange des Kolbens in den
                              Trichter und den damit verbundenen rohrförmigen Ansatz gepreßt wird, und in Gestalt
                              eines festen Cylinders von Dynamit unten austritt. Um aber das fortwährende
                              Nachrücken des Dynamits beim Auf- und Niedergehen des Kolbens zu bewirken,
                              ist der obere Rand des Leinwandsackes mit dem Hebel des Kolbens in Verbindung, der
                              ihn also auf und abschüttelt, und außerdem befinden sich an den Seiten des
                              Leinwandsackes Holzklappen, welche ebenfalls mit dem Hebel in Verbindung stehen und
                              den Sack hin und her schütteln. Die unten am Trichter angeschraubte Röhre hat im
                              Lichten den Durchmesser der Dynamitpatrone. Wenn nun durch Bewegungen des
                              Kolbenhebels diese Röhre ganz gefüllt worden ist, wird ein entsprechendes Blatt
                              Pergamentpapier herumgewickelt und der Cylinder aus Pergamentpapier unter der
                              Mündung der Röhre umgeschlagen, resp. geschlossen. Bei weiteren Bewegungen des
                              Kolbenhebels schiebt sich unten ein Cylinder aus Dynamit vor, welcher die Hülse aus
                              Pergamentpapier mitnimmt. Der Cylinder wird abgebrochen, wenn er die genügende Länge
                              erreicht hat, das Pergamentpapier auch oben umgeschlagen und die Patrone ist fertig.
                              Die Patronen werden zunächst in kleinere Pappekisten von 5 Pfund Inhalt verpackt,
                              und diese in größeren Holzkisten versandt.
                           Zum Lagern der Patronen werden kleinere Schuppen verwendet, welche mehrere hundert
                              Centner fassen können und abseits der Fabrik in Erdvertiefungen liegen. Der
                              Transport geschieht zu Wagen, da die Eisenbahn den Transport verweigert. Jedoch hat Oesterreich
                              im Vertrauen auf die Ungefährlichkeit des Dynamits den Transport auf seinen
                              Eisenbahnen gestattet und es ist in der That beim Eisenbahntransporte noch kein
                              Unglück zu verzeichnen.
                           Indem wir hiermit in kurzen Umrissen die Darstellung des Dynamits gegeben haben,
                              erübrigt noch, das System der Fabrikanlage und die im
                              Laufe der Erfahrungen getroffenen Abänderungen zu erläutern.
                           Als diese Fabrik gegen Mitte der sechziger Jahre gegründet wurde, ging der schwache
                              Betrieb in einem einzigen großen Gebäude vor sich, welches stark und massiv gebaut
                              war, gleichsam als handle es sich um die Herstellung eines nur feuergefährlichen
                              Productes.
                           Eine Explosion vernichtete das Gebäude und alle darin befindlichen Personen, so daß
                              die Ursachen der Explosion unbekannt geblieben sind. Nach dieser Katastrophe, welche
                              man zum guten Theile dem directen Abscheidungsverfahren zuschrieb, wandte man sich
                              einem anderen System der Anlage zu. Man stellte zunächst die Salpetersäurefabrik
                              allein abseits. Die Herstellung des Sprengöles vertheilte man unter Anwendung der
                              indirecten Scheidung in den erwähnten drei Schuppen, in deren einem die Nitrirung
                              stattfindet; im zweiten wird die Säure verdünnt und zum größten Theile ausgewaschen;
                              im dritten Schuppen wird das Oel vollständig durch Sodalösung entsäuert und mit der
                              calcinirten Infusorienerde durchknetet.
                           Diese drei viereckigen Schuppen von je 20 Fuß Seitenlänge und 15 Fuß Seitenhöhe,
                              stehen in einer Erdvertiefung, so daß auch das flache Dach nicht herausragt, und
                              jeder Schuppen ist von dem anderen durch einen starken Erdwall von 30 Fuß Stärke an
                              der Basis getrennt.
                           Die Schuppen sind aus Holz leicht construirt, jedoch sind Dach und Seitenwände von
                              innen mit Stroh gefüttert, so daß im Winter die Temperatur bequem auf 15° C.
                              erhalten werden kann. Von diesen Schuppen getrennt legte man sodann die
                              Patronenhütte an, in welcher die Maschinen aufgestellt waren. Von der Patronenhütte
                              durch einen Wall getrennt, erbaute man den Packschuppen. Abseits im Walde legte man
                              in Erdvertiefungen die leichten Holzschuppen für die Lagervorräthe von Dynamit an.
                              Ein großes Eishaus ist etwas weiter entfernt. Sein Inhalt dient dazu, im Sommer das
                              für die Schlangen des Apparates nöthige Wasser zu kühlen. Die beträchtlichen
                              Vorräthe an Säure und Glycerin lagern im Freien. Dieß waren die Grundzüge der
                              zweiten Anlage, welche ein Terrain von ungefähr zehn Morgen umfaßt. Dieses System
                              der Theilung der Operationen zeigte bald seine guten Wirkungen. In der Patronenhütte
                              entstand eine Explosion. In einer Patronenmaschine war der Dynamit gefroren. Der
                              Arbeiter wollte mit Gewalt den Kolben frei machen und der Dynamit explodirte, wobei
                              der ganze Schuppen in die Luft flog, aber die Explosion blieb localisirt und
                              pflanzte sich nicht auf die übrigen Schuppen fort. Um jedoch für die Zukunft eine
                              derartige Betriebsstörung, wie sie durch den Verlust der Maschinen und der
                              Patronenarbeiter entstand, unmöglich zu machen, erbaute man statt der einen
                              Patronenhütte neun kleinere, in deren jeder zwei Maschinen mit zwei Mann arbeiten.
                              Sämmtliche Hütten liegen in einer Schlucht und jede ist von der anderen durch einen
                              Erdwall von 12 Fuß Stärke getrennt. Man erwartet mit Recht, daß diese weitere
                              Trennung in der Zukunft sich bewähren werde.
                           Im Jahre 1870 entstand eine neue Explosion. Es war die Bleirinne, welche das Oel vom
                              zweiten nach dem dritten Schuppen führt, leck geworden und eine beträchtliche
                              Quantität des Oeles in den Damm gedrungen. Das Oel gelangte auch zu den Röhren der
                              Warmwasserheizung, welche die drei Schuppen heizt, und als sich am Ausgange dieser
                              erwärmten Röhren bedenkliche rothe Dämpfe, die Zersetzungsproducte des Sprengöles zu
                              zeigen begannen, suchte man sofort diese Röhren zu entfernen. Ein unvorsichtiger
                              Schlag auf eine der mit Oel überzogenen Röhren, veranlaßte die Explosion, der Damm
                              flog in die Luft und 1000 Pfd. Oel, welche in der nahen Buttermaschine sich
                              befanden, explodirten ebenfalls. Jedoch blieb auch diesesmal die Explosion
                              localisirt, es wurden nur die beiden anderen Operationsschuppen durch den Luftdruck
                              zusammengedrückt; das große Eishaus von 50 Fuß Länge und 30 Fuß Höhe wurde um einige
                              Fuß von den Fundamenten gedrängt und eine Anzahl der im Freien lagernden
                              Schwefelsäureballons zerschmettert.
                           Aus dieser Katastrophe entstanden bedeutende Betriebsstockungen, – der
                              leitende Chemiker war mit verschwunden, – so daß man den Plan faßte, noch
                              eine Reservefabrik mit eigener Organisation anzulegen, um bei etwaigem Unfalle der
                              einen Fabrik die andere zum Betriebe heranziehen zu können. Hinter einem nahen Hügel
                              wurde sodann diese Reservefabrik in kleinerem Maaßstabe, aber ganz nach den
                              Grundsätzen der größeren Fabrik, erbaut.
                           Wir haben nun noch Einiges über die Einrichtung der Fabrik nachzutragen. Da es von
                              größter Wichtigkeit ist, im Winter ein Gefrieren von Nitroglycerin und Dynamit zu
                              verhüten, so werden alle Schuppen Tag und Nacht vermittelst einer Warmwasserheizung
                              auf der Temperatur von 15° C. erhalten. Die Beleuchtung geschieht vermittelst
                              Reverberen, welche von außen an die Schuppen befestigt sind. Der Boden sämmtlicher Schuppen ist lockerer
                              feiner Sand.
                           Die Vorzüge des Dynamits dem anfänglich angewendeten Sprengöle gegenüber sind
                              bekannt. Das flüssige Sprengöl bot sehr große Uebelstände wegen des leichten
                              Gefrierens dar. Es ist durch Druck leichter zur Explosion zu bringen als Dynamit;
                              dünne Schichten des Oeles entziehen sich leichter der Beachtung und beim Sprengen
                              kann das Oel wegen seines flüssigen Zustandes nicht immer in zerklüftetem Gestein
                              angewendet werden. Das Oel wurde in Flaschen aus Zinkblech versandt, und es zeigte
                              sich sehr oft, trotz der sorgfältigsten Bearbeitung der Büchsen, ein Lecken
                              derselben, wodurch beim Transporte mehrfache große Explosionen entstanden. Dem
                              Lithofracteur und Dualin gegenüber, hat der Dynamit insofern Vortheile, als die
                              staubige Infusorienerde, mehr wie Pulver und nitrirte Sägespäne, den flüssigen
                              Aggregatzustand des Oeles und die damit verbundenen Uebelstände aufhebt und einen
                              größeren Procentsatz Oel verträgt, außerdem auch chemisch indifferent ist. Indessen
                              genügt bekanntlich auch der Dynamit nicht allen Ansprüchen der Sprengtechnik, da
                              seine volle Wirksamkeit nur sehr festen Gesteinen gegenüber sich entfaltet, während
                              bei weichen Steinen das Schwarzpulver an Wirkung gleich steht, ja oft vorzuziehen
                              ist. Es beruht dieses auf der außerordentlich raschen Gasentwickelung des Dynamits,
                              welche wie ein sehr rascher Stoß wirkt und daher bei weichen Medien an der
                              Elasticität derselben sich bricht. Um nun wenigstens für mittelharte Gesteine eine
                              passende Dynamitsorte herzustellen und namentlich um die Kohlendistricte zu erobern,
                              welche mit ihren mittelharten Schiefern und Sandsteinen sich bisher dem
                              Schwarzpulver günstiger gezeigt hatten, suchte man nach Zusätzen zum Dynamit, welche
                              eine relativ langsamere Gasentwickelung besitzen. Der Lithofracteur und das Dualin
                              entsprechen schon theilweise dieser Aufgabe. Es wurden mehrfach Patente für einen
                              Zusatz von Barytsalpeter, Stärke, Colophonium und ähnlichen pulverförmigen
                              Substanzen zum Dynamit genommen.
                           Der im Handel befindliche Kohlendynamit – so genannt, weil er speciell für die
                              Kohlenreviere bestimmt ist, – hat eine ähnliche Zusammensetzung, er besteht
                              aus gewöhnlichem Dynamit, salpetersaurem Baryt und Colophonium.
                           Der Preis des Dynamits im Handel beträgt durchschnittlich 16–22 Silbergroschen
                              per Pfund. Seine Gestehungskosten an Ort und Stelle
                              betragen ungefähr 6,5 Groschen. Doch sind allerdings noch die Zinsen der durch die
                              Explosionen angerichteten Schäden, sowie die Pensionen für die Hinterbliebenen der
                              getödteten Arbeiter mit in Betracht zu ziehen.
                           
                           Was den Umfang der Dynamitfabrication auf dem Continente anbetrifft, so kann dieselbe
                              mit Rücksicht auf die Fabriken in Hamburg, Prag, in den Pyrenäen und verschiedene
                              kleinere auf 1,25 Millionen Pfund pro Jahr veranschlagt
                              werden.
                           Was den im Eingange erwähnten Ersatz der Infusorienerde anbetrifft, so ist die
                              Aufgabe diese, einen staubförmigen Körper zu finden, welcher die chemische
                              Stabilität der Nitroverbindung nicht gefährdet und ein genügendes
                              Aufsaugungsvermögen besitzt. Wir haben nun einen vollgültigen Ersatz der
                              Infusorienerde in einem präparirten calcinirten Thon gefunden. Die den Kaolinen nahe
                              stehenden Thone, namentlich der englische China-clay, welcher neuerdings in großen Massen dem Continente
                              zugeführt wird, um in der Papierfabrication, in den Steingutfabriken etc. Verwendung
                              zu finden, eignet sich ganz besonders zu diesem Zwecks. Nach einem gelinden Glühen
                              werden sie fein gemahlen und bieten dann ein Material dar, welches der
                              Infusorienerde in keiner Weise nachsteht, ja sogar in Folge der alkalischen
                              Beschaffenheit des Thones auf die Haltbarkeit des Dynamits nur günstig einwirken
                              kann.
                           Die Zersetzung des Nitroglycerins und der nitrirten Verbindungen überhaupt, z.B. der
                              Schießbaumwolle, äußert sich zunächst in einer sauren Reaction und man hat daher, um
                              die Säuren im Entstehungszustande zu beseitigen, der Schießbaumwolle mehrfach einen
                              Gehalt an Soda gegeben. Der calcinirte Thon übernimmt diese Rolle ebenfalls, und die
                              mit Thondynamit gemachten Versuche lassen ihn in jeder Hinsicht dem Kieseldynamit
                              ebenbürtig erscheinen. Außerdem wird durch die Anwendung des calcinirten Thones, der
                              oft sehr weite Transport der Infusorienerde vermieden, und in Ländern wo gegenwärtig
                              die Zusammensetzung des Dynamits Gegenstand von Erfindungspatenten ist, können diese
                              Patente mit Hülfe des Thones zweckmäßig umgangen werden.