| Titel: | Bestimmung des Ertrages an krystallisirtem weißen Zucker aus verschiedenen Rübenrohzuckern, nach dem Verfahren von Dr. E. Scheibler. | 
| Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. XV., S. 48 | 
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                        XV.
                        Bestimmung des Ertrages an krystallisirtem weißen
                           Zucker aus verschiedenen Rübenrohzuckern, nach dem Verfahren von Dr. E. Scheibler.Im Auszuge aus der Zeitschrift des Vereines für die
                                       Rübenzucker-Industrie im Zollverein, 1872, Bd. XXII S. 297.
                           
                        Mit einer Abbildung auf Tab. II.
                        Scheibler's Verfahren zur Bestimmung des Ertrages der Rohzucker
                           beim Raffiniren.
                        
                     
                        
                           Im Vorjahre wurde von dem Vereine für die Rübenzucker-Industrie im Zollvereine
                              folgende Preisaufgabe gestellt: „Der Ertrag an krystallisirtem weißen
                                 Zucker aus verschiedenen Rüben-Rohzuckern steht nicht in einem directen
                                 Verhältnisse zu der Polarisation derselben. Welche Untersuchung und Berechnung
                                 ist einzuschlagen, um die Ausbeute (Rendement)
                                 welche ein Rüben-Rohzucker an raffinirtem weißen Zucker gewähren wird, im
                                 Voraus theoretisch festzustellen?“ Die Lösung dieser Frage wurde von
                              Dr. Scheibler dem Vereine
                              in Form einer Abhandlung zugesendet und derselben von der niedergesetzten
                              Commission, welche die eingelaufenen Arbeiten zu beurtheilen hatte, einstimmig der
                              Preis zuerkannt.
                           In genannter Abhandlung bespricht vorerst der Verfasser verschiedene Methoden, welche
                              er zur Lösung der gestellten Aufgabe versucht, aber wegen unbefriedigenden
                              Resultaten wieder, wenigstens vor der Hand, aufgegeben hat; dieselben zerfallen in
                              zwei Gruppen: 1) mechanische und 2) chemische Methoden. Die ersteren basiren auf der
                              Bestimmung der Zäh- oder Dickflüssigkeit der Lösung des zu untersuchenden
                              Rohzuckers; dabei ging Dr. Scheibler von der Annahme aus, daß die Melassenbildung ein rein physikalischer Vorgang sey
                              und darin bestehe, daß die Vereinigung der einzelnen Zuckermolecüle zu Krystallen
                              durch zwischenlagernde Molecüle fremder, nicht krystallisirbarer Stoffe verhindert
                              werde. – Unter sonst gleichen Umständen wird nun die Beweglichkeit der
                              Zuckermolecüle und damit ihre Krystallisationsfähigkeit um so mehr abnehmen müssen,
                              je zähflüssiger, schleimiger oder je unbeweglicher die dazwischen lagernden, fremden
                              Molecüle für sich sind. Eine je größere Zähflüssigkeit die Lösung eines Rohzuckers
                              zeigt, um so mehr Melasse wird derselbe bei der Raffination liefern; die
                              Dickflüssigkeit könnte also, falls diese Annahme richtig wäre, ein Maaß für die
                              Ausbeute der Rohzucker abgeben. Die Bestimmung der Dickflüssigkeit wurde von Dr. Scheibler auf
                              verschiedene Weise versucht:
                           1) Dadurch, daß unter Berücksichtigung des Temperatureinflusses die Zeitdauer
                              festgestellt wurde, welche gleiche Volume verschiedener Lösungen von Rohzucker,
                              verglichen mit gleichwerthigen Lösungen chemisch reinen Zuckers, brauchten, um bei
                              constantem Druck durch ein capillares Rohr auszutreten.
                           2) Durch Bestimmung der Schwingungsdauer a) einer in den
                              zuckerhaltigen Flüssigkeiten frei schwebenden Magnetnadel, b) eines in der Flüssigkeit aufgehängten, horizontal oscillirenden
                              Pendels, dessen Schwingungen durch ein elektromagnetisches Zählwerk selbstthätig
                              bestimmt wurden.
                           3) Durch Bestimmung der Größe der Tropfen reiner und unreiner Zuckerlösungen, indem
                              man diese von einer kleinen Kugelfläche abfallen ließ und eine bestimmte Anzahl
                              derselben wog. Es wurde hierbei vorausgesetzt, daß die zäheren, schleimigeren
                              Flüssigkeiten größere, also schwerere Tropfen bilden.
                           4) Durch Messung des Lichtbrechungsvermögens reiner und nichtzuckerhaltiger
                              Zuckerlösungen von bestimmtem Zuckergehalte.
                           Alle diese Methoden führten zur Lösung der gestellten Preisaufgabe nicht, ebenso
                              stieß der Verfasser auf zahlreiche Hindernisse bei der versuchten 5. chemischen
                              Methode, welche sich stützt auf „die Bestimmung des Gehaltes an
                                 organischem Nichtzucker in den Rohzuckern durch Oxydation mit übermangansaurem
                                 Kali.“
                              
                           Das eigentliche, preisgekrönte Verfahren beruht auf der directen Bestimmung des Gehaltes der Rohzucker an krystalinischem
                                 Zucker durch Auswaschen mit gesättigten sauren und neutralen alkoholischen
                                 Zuckerlösungen, einer Methode welche keineswegs neu, sondern bereits im
                              Jahre 1846 von Payen angegeben und durchgeführt wurde,
                              freilich ohne in der Praxis Eingang gefunden zu haben. Dr. Scheibler hat dieses Payen'sche Verfahren nun in einer Art und Weise modificirt und die dazu benöthigten Apparate
                              derart construirt, daß einestheils die Resultate nach den der Abhandlung
                              beigegebenen Belegsanalysen resp. Analysen des erhaltenen krystallisirten,
                              gereinigten Zuckers dem Zwecke entsprechen, andererseits die Ausführung bei einiger
                              Uebung eine ziemlich einfache ist.
                           Die zur Ausführung der Versuche nach Scheidler's Verfahren
                              erforderlichen Flüssigkeiten sind folgende:
                           1) Alkohol von 85–86 Proc. Tralles, welcher pro
                              Liter mit 50 Kubikcentimeter starker Essigsäure (Acetum
                                 concentratum purum) versetzt und mit Zucker gesättigt wird. Man nimmt
                              hierzu fein gestoßene, beste Raffinade, und schüttelt dieselbe in einer gut
                              verschließbaren Flasche mit der genannten Flüssigkeit während einiger Tage öfter
                              durch.
                           2) Alkohol von circa 92 Proc. Tralles, und
                           3) Alkohol von circa 96 Proc. Tralles, beide ohne
                              Essigsäurezusatz, aber gleichfalls mit Zucker gesättigt.
                           4) Absoluter Alkohol, resp. ein solcher von etwa 99 1/2 Proc. Tralles, welche Stärke
                              genügt. Er wird weder mit Essigsäure versetzt, noch mit Zucker gesättigt.
                           Die Flüssigkeiten 1, 2 und 3 werden, nachdem sie bei gewöhnlicher Temperatur durch
                              häufiges Schütteln mit Zucker gesättigt worden sind, zum Gebrauchs in Flaschen
                              aufbewahrt, welche vorher auf der Innenseite mit einer starken Schichte von
                              Zuckerkrystallen überzogen (candirt) sind.
                           Dieses Candiren der Flaschen geschieht leicht und bequem in der Weise, daß man sie
                              mit einer kochend heiß gesättigten Lösung von Raffinade in
                              85–86-procentigem Spiritus füllt und sie liegend mehrere Tage an einem
                              kühlen Orte der Ruhe überläßt. Der Zucker krystallisirt dann die Wände der Flaschen
                              bekleidend aus.
                           Diese Vorbereitung gibt einzig und allein hinreichende Garantie, daß die
                              Reactionsflüssigkeiten sich stets im Zustande absoluter Sättigung erhalten, wie auch
                              die Temperatur des Raumes schwanken möge, in welchem man arbeitet.
                           Die zur Ausführung der Versuches benöthigten Apparate sind
                              einfache Glasröhren A (siehe die beigegebene Abbildung
                              Figur
                                 18), welche aus einem weiteren oben offenen Rohre von etwa 20 Millimeter
                              Durchmesser und 15 Centimeter Länge bestehen, woran unten ein enges Rohr angeblasen
                              ist. Am unteren Ende des weiteren Rohres bei b ist eine
                              passende, runde Scheibe von dickem, trockenen Filz eingeschoben, welche als Filter
                              dient. Das Gewicht dieser mit Filzfilter versehenen Apparate, deren man am besten
                              mehrere, numerirte, vorräthig hat, um viele Versuche gleichzeitig anstellen zu
                              können, ist ein für alle Mal ermittelt und als Tara notirt. Hierzu, sowie zu allen folgenden Wägungen
                              genügt eine Waage, welche noch 0,01 Gramm genau angibt.
                           Dr. Scheibler hat außer dem
                              in Fig. 18
                              dargestellten einfachen Apparate solche mit mehreren Röhren in einem Gestelle
                              verbunden construirt, welche sich vorzugsweise für Solche eignen, die täglich viele
                              Bestimmungen auszuführen haben.
                           Ausführung des Versuches. – Die Rohzucker, welche
                              auf ihren Gehalt an krystallisirtem Zucker behufs Ermittelung ihrer Ausbeute
                              untersucht werden sollen, werden nach vorhergehender gründlichen mechanischen
                              Vorbereitung (wie zur Polarisation) in eine der tarirten Auswaschröhren A bis auf etwa einen Zoll vom oberen Ende gefüllt und
                              durch Wägen ihr Gewicht bestimmt. Die Röhren haben eine Capacität für etwa 20 Gramme
                              Zucker. Demnächst verbindet man das untere Ende c
                              mittelst eines Kautschukschlauches mit einem Glas- oder Schraubenquetschhahn
                              m und setzt bei a einen
                              Gummistöpsel auf, der in zwei Durchbohrungen Glasröhren enthält, und gibt überhaupt
                              dem Ganzen die Einrichtung, welche die Abbildung zeigt.
                           Man füllt nunmehr bei verschlossenem Hahn m die Röhre mit
                              absolutem Alkohol (Lösung 4) an, indem man diesen mittelst einer Pipette langsam an
                              der inneren Glaswand herabfließen läßt, bis aller Zucker damit durchtränkt ist. Der
                              mit Alkohol durchtränkte und überschichtete Zucker bleibt nun etwa 15 bis 20 Minuten
                              sich selbst überlassen, während welcher Zeit der Alkohol sich mit dem Wasser
                              desselben verbindet. Alsdann läßt man ihn durch m
                              abfließen und kann den letzten Rest, mit Hülfe einer Bunsen'schen Wasserluftpumpe, eines Scheibler'schen Tropfensaugers oder eines Aspirators abnutschen. Hierbei sowie
                              bei allen folgenden Waschungen soll keine wasserhaltige Luft in die Waschröhre
                              eintreten, weßhalb man ein Trockengefäß B mit
                              Chlorcalcium vorlegt, welches nur trockene Luft in die Röhe eintreten läßt.
                              Demnächst gibt man nacheinander zuerst die Flüssigkeit 3), dann 2) folgend, in
                              Mengen von etwa je 10 Kub. Cent. auf den Zucker auf, die man sogleich wieder durch
                              m abfließen läßt, wodurch der absolute Alkohol, der
                              dem Zucker anhaftet, abgewaschen wird, so daß der Zucker zuletzt mit Lösung 2)
                              durchtränkt ist. Ist auch diese letztere Lösung abgetropft, oder größtentheils
                              abgenutscht, so wird m verschlossen, die Luftpumpe
                              abgestellt und die Röhre vollauf mit der essigsauren Lösung 1) angefüllt, indem man
                              diese Lösung langsam an der Glaswand der Röhre herabfließen läßt, bis sie alle
                              Zwischenräume des Zuckers von unten nach oben angefüllt und den Zucker überdeckt
                              hat. Man läßt nun abermals 15 bis 20 Minuten stehen, während welcher Zeit die saure Lösung alle
                              verunreinigenden Bestandtheile der Rohzucker, die Melasse, löst und die Zuckermasse
                              dadurch an Masse abnimmt, zusammensinkt.
                           Man kann von jetzt ab in zweifacher Weise operiren: entweder man läßt die entstandene
                              Lösung völlig abtropfen, zuletzt unter Absaugen mit der Pumpe, oder man läßt sie
                              ohne Hülfe der letzteren langsam abtropfen, während gleichzeitig oben neue saure
                              Lösung continuirlich als Decke aufgegeben wird. Gleichgültig, wie man verfährt, so
                              wird man zur völligen Reinigung der Zuckerkrystalle, je nach der Güte der Producte,
                              das 3-, 4- bis 5-fache Volum der sauren Lösung durchfiltriren
                              müssen, um diese Reinigung zu vollenden. An der Farbe der abtropfenden Lösung
                              erkennt man den Fortschritt und das Ende der Operation. Die Zuckerkrystalle werden
                              dabei bei guten, scharfen Producten blendend weiß erhalten, bei geringen
                              Nachproducten schwach gelblich oder hellblond.
                           Hat die saure Lösung alles Lösliche aus den Producten entfernt, tropft unten also
                              farblose oder fast farblose Deckflüssigkeit ab, so stellt man das Zufließenlassen
                              derselben ein, und gibt nun der Reihe nach von den Flüssigkeiten 2) und 3) ungefähr
                              je 1 Volum als Nachdecke. Ganz zuletzt gibt man dann zweimal eine Decke mit
                              absolutem Alkohol 4), um die Krystalle rein zu spülen und für die Trocknung
                              vorzubereiten. Das Trocknen des Zuckers geschieht in der Röhre selbst in einem
                              heißen Luftstrome; zu diesem Zwecke construirte Scheibler
                              einen eigenen Dampftrockenapparat, welcher aus einem doppelwandigen Blechcylinder
                              besteht, in dessen inneren Mantel die zu trocknende Röhre eingestellt wird, während
                              zwischen seinen Wänden ein Dampfstrom circulirt.
                           Der so getrocknete Zucker wird schließlich sammt der Röhre gewogen und auf diese
                              Weise der absolute Gehalt an wirklich krystallisirtem Zucker in dem untersuchten
                              Rohzucker ermittelt. Die gereinigten Zucker sind jedoch noch nicht völlig rein und
                              ihr Gewicht kann daher nicht sofort zur Berechnung der wirklichen procentischen
                              Ausbeute dienen, indem noch alle dem Zucker mechanisch beigemengten Verunreinigungen
                              als Sand etc. sowie noch eine geringe Menge Asche und organischer Nichtzucker darin
                              enthalten sind. – Thatsache ist jedoch, daß in dem bei den Versuchen
                              resultirenden, gereinigten Producte aller wirklich krystallisirte Zucker enthalten
                              ist; es ist nur nöthig, den gereinigten Zucker zu polarisiren, und man hat dann alle
                              Daten zur Berechnung seiner Ausbeute. Im Folgenden ist ein Beispiel dieser
                              Berechnung wiedergegeben:
                           Gesetzt, man habe 20 Gramme eines 96,3 polarisirenden Rohzuckers gereinigt und dabei
                              18,67 Gramme reinen trockenen Rückstand erhalten, so beträgt der Rückstand nach
                              der Proportion 20 : 18,67 = 100 : x; x = 93,35 Proc.
                           Von den 18,67 Grammen seyen dann 13,024 Grm. zu 50 K. C. aufgelöst und polarisirt
                              worden, wobei sich der Procentgehalt zu 99,3 Proc. ergeben hat, so ist die Ausbeute
                              (93,35 × 99,3)/100 = 92,7 Proc. Da der ursprüngliche Zucker 96,3 Proc.
                              polarisirte, so sind also 96,3 – 92,7 = 3,6 Proc. Zucker als in dem
                              Melassenzustand befindlich vorhanden gewesen.
                           Dr. Scheibler hat eine große
                              Reihe von Analysen durchgeführt, welche insgesammt sehr genaue und übereinstimmende
                              Resultate lieferten, und eine Serie dieser Untersuchungen in Form einer Tabelle
                              zusammengestellt.
                           Es ist leicht begreiflich, daß diese theoretische Ausbeute in der Praxis durch die
                              unvermeidlichen Fabricationsverluste um etwas verringert wird; da diese letzteren
                              jedoch bei sonst gleichen Arbeitsmethoden und unter Ausschluß von Ausnahmsfällen
                              sich gleich bleiben, so werden auch diese Unterschiede constant seyn und der
                              Anwendbarkeit der Untersuchungsmethode kein Hinderniß bieten.
                           Die betreffenden Apparats sind von Dr. Scheibler (Berlin, Alexandrinenstraße 24) zu beziehen und
                              kostet ein Apparat zur gleichzeitigen Ausführung von 2 Versuchen ca. 30 Thlr., von 4 Versuchen ca. 45 Thlr., für einen zu 6 Versuchen ca. 60
                              Thlr. und zu 8 Versuchen ca. 70 Thlr. (Zeitschrift für
                                    Zuckerindustrie in Böhmen, August 1872, S. 400.)
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
