| Titel: | Ueber ein neues Verfahren zum Conserviren von Nahrungssubstanzen mittelst essigsauren Natrons; von Prof. Sacc. | 
| Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. XVI., S. 53 | 
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                        XVI.
                        Ueber ein neues Verfahren zum Conserviren von
                           Nahrungssubstanzen mittelst essigsauren Natrons; von Prof. Sacc.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXXV p. 195; Juli
                              1872.
                        Sacc, Verfahren zum Conserviren von Fleisch, Gemüsen
                           etc.
                        
                     
                        
                           Die Proben von Fleisch und Gemüsen, welche ich hiermit der (französischen) Akademie
                              zusende, sind mittelst essigsauren Natrons nach folgendem Verfahren conservirt
                              worden.
                           Man legt das Fleisch in ein Faß und bestreut dabei jede
                              Schicht mit gepulvertem essigsauren Natron, von welchem der vierte Theil der
                              Gewichtsmenge des Fleisches erforderlich ist. Im Sommer erfolgt die Wirkung des Salzes unmittelbar;
                              im Winter muß man die Gebinde in ein auf 20° C. erwärmtes Zimmer stellen. Das
                              Salz absorbirt das Wasser des Fleisches; nach Verlauf von vierundzwanzig Stunden
                              wendet man die Fleischstücke um, und bringt diejenigen welche unten gelegen hatten,
                              nach oben. Nach achtundvierzig Stunden ist die Wirkung vollendet, worauf man das
                              Fleisch mit seiner Pökelbrühe (Lake) in Fässer packt, oder es an der Luft trocknet.
                              Werden die Fässer von den Fleischstücken nicht ganz angefüllt, so bedeckt man
                              letztere bis zur Mündung des Fasses mit einer durch Lösen von 1 Theil essigsaurem
                              Natron in 3 Theilen Wasser bereiteten Lake.
                           Wird die vom Fleische abgegossene Pökelbrühe zur Hälfte eingedampft, so krystallisirt
                              sie und liefert wieder die Hälfte des angewandten Salzes; die Mutterlauge aber
                              bildet ein vortreffliches Fleischextract, welches als dicker Teig 3 Procent vom
                              Gewicht des angewandten Fleisches repräsentirt. Dieses Extract muß bei der
                              Zubereitung des conservirten Fleisches über dasselbe gegossen werden, damit es den
                              Geschmack des frischen Fleisches vollständig wieder erhält, widrigenfalls es, weil
                              ihm die in der Lake zurückbleibenden Kalisalze fehlen, fade bleibt.
                           Soll das mittelst dieses Verfahrens präparirte Fleisch verwendet werden, so legt man
                              es je nach der Größe der Stücke, mindestens zwölf, höchstens vierundzwanzig Stunden
                              lang in lauwarmes Wasser, welches per Liter mit 10
                              Grammen Salmiak versetzt wurde. Der Salmiak zersetzt das im Fleische
                              zurückgebliebene essigsaure Natron, unter Bildung von Chlornatrium welches den
                              Geschmack des Fleisches kräftiger macht, und von essigsaurem Ammoniak, welches das
                              Volum des Fleisches durch Anschwellen desselben vermehrt und ihm den Geruch und die
                              saure Reaction des frischen Fleisches wieder ertheilt. Das nach diesem Verfahren
                              präparirte Fleisch kann zur Bereitung aller Gerichte benutzt werden, zu denen man
                              sonst frisches Fleisch verwendet, und überdieß liefern die in demselben vorhandenen
                              Knochen, wie ich mich überzeugt habe, eine fette, kräftige und schmackhafte
                              Fleischbrühe in reichlicher Menge.
                           Diese Thatsachen ließen auf die Möglichkeit schließen, ganze Thiere in einer Lauge
                              von essigsaurem Natron zu conserviren, was auch ein Versuch bestätigte; ich habe in
                              dieser Weise Fische, Hühner, Enten und Schnepfen präparirt, indem ich nur die
                              Vorsichtsmaßregel beobachtete, aus denselben die Eingeweide vor dem Einlegen in die
                              Conservirungsflüssigkeit zu entfernen. Unterläßt man dieß, so ertheilen die Fäces,
                              hauptsächlich aber die Gallenblase, dem Fleische einen sehr unangenehmen
                              Geschmack.
                           
                           Unter dem Einfluß der Lake verliert das Fleisch ein Viertel an seinem Gewichte, ein
                              zweites Viertel beim Trocknen, gleichviel von welchem Thiere es herrührt. Das
                              Fleisch warmblutiger Thiere kann man in einem geheizten Raume trocknen; Fische aber,
                              mit Ausnahme der Karpfen und anderer zahnloser Fische, dürfen nicht getrocknet
                              werden, namentlich Lachse, Salme und Forellen, denn ihr Fleisch würde dabei wie
                              Butter zerfließen und zu einem röthlichen Oele schmelzen, so daß nur ein Schwamm von
                              thierischen Fasern zurückbliebe, welcher sehr bald ranzig werden würde.
                           Gemüse werden in gleicher Weise conservirt; sie erleiden
                              dabei durchschnittlich einen Gewichtsverlust von 5/6; Brüsseler Kohl verliert nur
                              3/4 von seinem Gewichte. Behufs ihrer Verwendung werden sie dann zwölf Stunden lang
                              in kaltes Wasser gelegt und hernach in derselben Weise gekocht, wie wenn sie frisch
                              wären. Bevor man die einzumachenden Gemüse mit dem essigsauren Natron bestreut, muß
                              man sie bis zum Weichwerden abbrühen; nach Verlauf von vierundzwanzig Stunden drückt
                              man sie aus, und trocknet sie dann an der Luft.
                           Schwämme verwendet man, wie sie sind; man begießt sie mit
                              einer Lake welche aus gleichen Theilen von essigsaurem Natron und Wasser hergestellt
                              wurde, so daß sie von derselben bedeckt sind. Diese Lake muß auf 30° C.
                              erwärmt werden, bevor man sie anwendet; nach vierundzwanzig Stunden ist ihre
                              Einwirkung vollendet. Man entfernt dann die Schwämme aus der Lauge, drückt sie aus
                              und trocknet sie. Gleich den Gemüsen verlieren sie bei dieser Behandlung 5/6 von
                              ihrem Gewichte. Ich habe bis jetzt nur Morcheln nach dieser Methode conservirt,
                              welche in Frankreich einen Luxusartikel bilden, wogegen sie in anderen Ländern, z.B.
                              in manchen Gegenden Deutschlands und Rußlands, so häufig sind, daß sie den ärmeren
                              Volksclassen zur Nahrung dienen.
                           Rohe Kartoffeln werden von einer Lake aus essigsaurem
                              Natron nicht durchdrungen; man muß sie vorher dämpfen, dann lassen sie sich ebenso
                              leicht präpariren, wie andere Gemüse.
                           Alle nach diesem Verfahren präparirten Nahrungssubstanzen müssen an einem trockenen
                              Orte aufbewahrt werden, da sie in mit Feuchtigkeit gesättigter Luft sich
                              annässen.