| Titel: | Pyrotechnische Rundschau; von C. Schinz. | 
| Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. XXXV., S. 125 | 
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                        XXXV.
                        Pyrotechnische Rundschau; von C. Schinz.
                        (Fortsetzung von Bd. CCI S. 214.)
                        Schinz, über die Verwendung von staubförmigen
                           Brennmaterial.
                        
                     
                        
                           XXI. Die Verwendung von staubförmigem
                                 Brennmaterial.
                           Diese, schon vor vielen Jahren in Vorschlag und Anwendung gekommene Methode der
                              Verbrennung ist in neuester Zeit durch die Bemühungen von Crampton in England und von Whelpley und Storer in Amerika, in das Stadium praktischer Benutzung
                              gelangt.
                           Die Erfolge sind der Art, daß zu erwarten ist, es werde diese Methode für solche
                              pyrotechnische Operationen, welche hohe Temperaturen erfordern, allgemeinere
                              Anwendung finden, aber nicht, wie die Erfinder glauben und darthun möchten, weil die
                              so zu Stande gebrachte Verbrennung eine vollständigere ist, sondern lediglich weil
                              diese Methode gestattet, in der Zeit-Einheit in demselben Raume eine größere
                              Menge Brennstoff zur Verbrennung zu bringen.
                           Bei den vielen Mitteln und Erfahrungen welche wir jetzt besitzen, irgend eine
                              mechanische Operation auf eine gewisse Regelmäßigkeit zu bringen, ließ sich
                              unzweifelhaft erwarten, daß sich auch Mittel finden lassen würden, um eine mehr oder
                              minder genauere, stöchiometrisch richtige Zuführung von Luft und Brennstoff zu
                              ermöglichen.
                           Das eine der zur Anwendung gekommenen Mittel ist in einem Aufsatze von W. Maw: „über Crampton's System der Anwendung von Kohlenstaub als
                                 Brennmaterial“ in diesem Journal, 1871, Bd. CC S. 358 mitgetheilt
                              worden.
                           Ein anderes, durch seine Einfachheit ausgezeichnetes und daher vorzüglicheres Mittel
                              haben Whelpley und Storer in
                              Boston (Amerika) zur Anwendung gebracht, über welches Lieutenant C. C. Dutton im Juni- und Juliheft 1871 des Journal of the Franklin Institute (vol. LXI p. 377, vol. LXII p. 17) einen eben
                              so ausführlichen als belehrenden Bericht erstattete.
                           Whelpley und Storer haben den
                              als Gebläse dienenden Ventilator mit dem Pulverisirapparat in der Weise verbunden,
                              daß jener den sich in letzterem bildenden Staub in dem Maaße ansaugt, wie derselbe
                              entsteht.
                           Der Pulverisirapparat beruht auf demselben Princip wie Shrapnel's Erz Quetschapparat, welcher im Jahrgang 1853 dieses Journals
                              Bd. CXXVIII S. 410 beschrieben ist und
                              darin besteht, die Erze durch Abschießen aus einer Kanone mit Gewalt gegen eine
                              feste Wand zu schleudern, wodurch dieselben theilweise zu Pulver, theilweise zu kleineren
                              Stücken zerquetscht werden; nur ist bei dem Whelpley-Storer'schen Pulverisirapparat die angewandte Kraft nicht
                              mehr diejenige des Schießpulvers, sondern die Centrifugalkraft eines einem
                              Ventilator ähnlichen Apparates, und das durch eine erste Operation noch nicht zu
                              Pulver reducirte Material wird durch die Schaufeln des Apparates wieder ergriffen
                              und so lange fort geschleudert, bis es durchaus in Pulver verwandelt ist, während
                              bei dem Shrapnel'schen Apparate die gröber gebliebenen
                              Theile wieder in die Kanone verladen werden müssen.
                           Man stelle sich nun zwei Ventilatoren vor, welche beide auf derselben Rotationsachse
                              sitzen, und zwischen beiden eine Wand, welche siebartig durchlöchert ist. Das
                              Ventilatorgehäuse, welches beide Flügelkränze umschließt, ist auf der Seite offen wo
                              die Zerkleinerung stattfindet, und geschlossen auf der Seite wo sich die
                              eigentlichen Windflügel befinden. Die Luft kann also nur durch die siebartige
                              Zwischenwand angesogen werden, und da sie den mit Kohlenstaub erfüllten Raum
                              passiren muß, wird sie also nothwendig letzteren mit sich reißen, und zwar je nach
                              der Geschwindigkeit und Stärke des Stromes nicht nur mehr oder weniger des
                              gebildeten Pulvers, sondern auch mehr oder weniger feines Pulver. Wenn daher die
                              Aspiration eine zu kräftige ist, so wird auch gröberes Pulver durch die Siebwand
                              hindurch angesaugt, und dadurch würde dann die Erreichung des Endzweckes, nämlich
                              eine schnelle und gleichförmige Verbrennung, gefährdet. Diesem Uebelstande kann aber
                              leicht dadurch abgeholfen werden, daß man durch einen Hahn auf der geschlossenen
                              Seite des Windflügel-Apparates so viel Luft eindringen läßt, daß dadurch die
                              Ansaugung durch die Siebwand hindurch auf das nöthige Maaß vermindert wird.
                           Eine solche Maschine wird in ihrer Wirkung bei gegebenem Brennstoffe durch folgende
                              drei Bedingungen modificirt:
                           1) durch die Geschwindigkeit der Rotationsachse,
                           2) durch die eingeführte Brennstoffmenge, und
                           3) durch das eingeführte Luftvolumen.
                           Was die erste dieser Bedingungen betrifft, so hat die Erfahrung gezeigt, daß, welches
                              auch der Durchmesser der Flügel sey, eine Peripheriegeschwindigkeit von ca. 10000 Fuß = 3048 Meter die dienlichste ist, so daß
                              bei einem Durchmesser von 18 Zoll = 0,407 Met. die Rotationsgeschwindigkeit ungefähr
                              2100 bis 2200 Umdrehungen ist. Wird diese Geschwindigkeit vermindert, so wird die
                              Kohle weniger vollkommen gepulvert; wird sie hingegen größer, so erlangt das Pulver
                              eine noch größere Feinheit, aber man braucht mehr Kraft. Bei der adoptirten Geschwindigkeit und bei
                              18 Zoll Durchmesser der Flügel ist das Product per
                              Stunde 100 Kilogrm. Anthracitpulver oder 150 Kil. Pulver aus weichen Steinkohlen,
                              und der Kraftaufwand circa 3 1/2 Pferdestärken. Macht
                              man die Flügel von 42 Zoll Durchmesser, so ist der Kraftaufwand 15 Pferdestärken und
                              das Product: 500 bis 600 Kil. Anthracitpulver, 1000 Kil. Steinkohlenpulver, 1250 bis
                              1500 Kil. Quarzpulver, 1000 bis 1250 Kil. Schlackenpulver, 1750 bis 2000 Kil.
                              Kalksteinpulver, 450 Kil. Knochenpulver und 50 Bushels = 27 1/2 Hektoliter = 2100
                              Kil. Weizenmehl. Mit noch größerem Kraftaufwande haben wir, sagt Dutton, in einer Minute 1 Bushel Weizen zu Mehl reducirt,
                              welches feiner war als zwischen Mühlsteinen gemahlenes, und in derselben Zeit 3000
                              Kil. kalkhaltiges Kupfererz pulverisirt.
                           Dutton hat durch das Mikroskop den Grad der Zertheilung
                              des so gelieferten Kohlenpulvers untersucht, und 19/20 desselben kleiner als 1/500
                              Zoll = 0,05 Millimeter gefunden, und kein einziges Stäubchen hatte mehr als 1/150
                              Zoll = 0,30 Millimet. Durchmesser.
                           Der Brennstoff wird in kleineren Stücken an der offenen Seite des Pulverisirapparates
                              aufgegeben und dessen richtige Menge experimentell bestimmt. Zu diesem Zweck werden
                              folgende Kriterien angegeben. Eine unzureichende Menge Brennstoff wird leicht
                              dadurch erkannt, daß der Ofen nicht heiß genug geht. Ist hingegen die Menge
                              desselben zu groß, so wird entweder das Pulver in zu grobem Zustande durch die
                              Siebwand gehen, was im Ofen leicht bemerkbar ist, oder es wird der Apparat mehr
                              Kraft beanspruchen und wenn solche nicht vorhanden, einen langsameren Gang
                              annehmen.
                           Die durch die Pulverisirflügel mit dem Brennstoff hindurchgehende Luftmenge darf nur
                              so groß seyn, daß bloß das feine Pulver angesogen wird, wie wir schon bemerkt haben,
                              und was im Ofen leicht erkennbar ist. Dafür hat man den Vortheil, daß derjenige
                              Luftantheil welchen man direct zum eigentlichen Ventilator treten läßt, vorgewärmt
                              werden kann, wozu die aus dem Ofen in Menge abgehende Wärme alle Gelegenheit bietet
                              und wodurch die schnelle Entzündung und die Verbrennung des Kohlenstaubes sehr
                              befördert wird.
                           Um die Verbrennung des Kohlenstaubes einzuleiten, ist zwischen dem Ofen und dem
                              Ventilator ein kleiner Gasgenerator angebracht, welcher stündlich 29 Pfund Anthracit
                              verzehrt, und dessen Gase hinlänglich Wärme erzeugen um den Kohlenstaub sogleich zu
                              entzünden, noch ehe er in den Ofen eintritt.
                           Es wird behauptet, daß bituminöse Kohle, als Staub verbrannt, bessere Resultate
                              liefere als Anthracitstaub. Wahr ist, daß der dichtere Anthracitstaub nothwendigerweise
                              weniger schnell verbrennt als der Staub von bituminösen Kohlen; aber es ist sehr zu
                              bezweifeln, daß ein sonst unter allen Umständen mehr Wärme producirendes
                              Brennmaterial in diesem Falle eine wirkliche Ausnahme machen sollte. Ist zur
                              Verbrennung des Anthracitstaubes mehr Zeit nothwendig, so besteht das einfache
                              Mittel, diesem Uebelstande abzuhelfen, darin, daß man den Ofen länger und weniger
                              breit macht, und dann durch einen stärkeren Zug im Kamin die Flamme mehr in die
                              Länge streckt. Weitere Versuche und Erfahrungen werden in dieser Hinsicht wohl zum
                              Ziele führen.
                           Die in Boston und in Woolwich erhaltenen Resultate kann ich nicht mit einander
                              vergleichen, da in Boston der in Rede stehende Ofen nicht bloß zum Schweißen von
                              fertigem Eisen verwendet wird, sondern 1/3 Gußeisen mit verpuddelt wird, was
                              natürlich eine längere Zeit in Anspruch nimmt, als wenn das Eisen einfach auf
                              Schweißhitze zu bringen ist.
                           Immerhin geben aber die Kohlenstaub-Oefen in Boston und Woolwich ökonomischere
                              Resultate, als man sonst bei gewöhnlicher Feuerung selbst mit Hülfe von Gebläse
                              erhält. Dutton gibt sich viele Mühe darzuthun, daß eine
                              auch nur etwas höhere Ofentemperatur die Operation beschleunige und daher ökonomisch
                              sey. Dagegen ist nichts einzuwenden, im Gegentheil ist es nur lobenswerth, die
                              Techniker recht eindringlich auf dieses Verhalten und dieses bedeutende Mittel der
                              Brennstoff-Ersparniß aufmerksam zu machen; ob aber diese höhere Temperatur
                              des Ofens wirklich einer vollkommeneren Verbrennung zuzuschreiben sey, ist eine
                              andere Frage, welche wir entschieden mit Nein beantworten müssen.
                           Trotz der angeführten Kriterien in Bezug auf richtige Brennstoff- und
                              Luftmenge, ist doch keines derselben von der Art, daß sie eine vollkommene
                              Verbrennung verbürgen. Zudem hat schon im Jahre 1844 Ebelmen gezeigt, daß die Verbrennungsproducte eines gewöhnlichen
                              Schweißofens nur wenig unverbranntes Kohlenoxyd neben ebensowenig unverbrannter Luft
                              enthalten, so daß also in diesem Falle die bessere Verbrennung nicht die erhaltene
                              Oekonomie erklären kann, selbst dann nicht, wenn sie wirklich vollkommener wäre als
                              in den alten gebräuchlichen Apparaten dieser Art, was aber kaum der Fall seyn
                              wird.
                           Eine Brennstoff-Ersparniß die wohl auf 50 Procent zu schätzen ist, kann, wie
                              Dutton richtig bemerkt, nur von einer erhöhten
                              Ofentemperatur herrühren; aber diese höhere Temperatur wird dadurch verwirklicht,
                              daß in der Zeit-Einheit eine größere Menge von Brennstoff verbrannt wird.
                           Die in der Zeit-Einheit verbrannte Brennstoffmenge hängt einerseits von der
                              Kraft ab, welche zur Zuführung der Luft und zur Evacuation der Verbrennungsproducte
                              verwendbar ist, andererseits von den Widerständen welche diese Kraft zu überwinden
                              hat.
                           Die Anwendung eines Ventilators, welcher einen Manometerdruck von 1/2 bis 1 1/2 Zoll
                              Wassersäule gibt, ist schon an und für sich eine Kraft, welche unter den gegebenen
                              Umständen einem Kamin von 47 bis 140 Fuß Höhe gleich kommt, denn bei einer
                              Evacuationstemperatur von 1250° C. ist das specifische Gewicht der Gase =
                              0,17917 = s, die Druckhöhen in Luftsäulen sind = 39 und
                              115 Fuß = P, daher ist dann die entsprechende Kaminhöhe
                              = h = P/(1 – s)
                           Wenn wir nun auch bei gewöhnlicher Feuerung eine solche Windpressung anwenden können,
                              so wird der Erfolg dennoch nicht derselbe seyn, weil dann der Widerstand im Herde in
                              einem quadratischen Verhältnisse größer wird, wodurch also ein Theil der Wirkung
                              wieder aufgehoben wird.
                           In einem früheren Aufsatze im Jahrgang 1866 dieses Journals, Bd. CLXXXI S. 81, haben wir gezeigt, daß
                              selbst ohne Gebläse der Widerstand welchen die Brennstoffschicht im Herde darbietet,
                              je nach der Höhe derselben und der Größe der Brennstoffstücke, zwischen 30 und 50
                              Procent der disponiblen Kraft schwankt; würde nun ein Gebläse angewandt, so müßte
                              nicht nur die Brennstoffschicht entsprechend höher werden, sondern es würde auch die
                              Temperatur der Verbrennungsproducte so gesteigert, daß der Widerstand sehr bedeutend
                              erhöht würde, daher das Gebläse nur einen unerheblichen Mehrconsum in derselben
                              Zeit-Einheit zu Stande bringen könnte.
                           Wird hingegen der Widerstand des Herdes durch die Verbrennung von Staubkohle
                              beseitigt, so würde selbst ohne Gebläse, wenn dieß möglich wäre, der Consum bei
                              gleicher Zugkraft des Kamines sich bedeutend steigern müssen.
                           Durch Vermehrung des Consums in der Zeit-Einheit wird zwar allerdings der
                              Widerstand im Ofen selbst erhöht; diese Erhöhung kann aber kaum in Betracht kommen,
                              weil sie verschwindend klein ist gegenüber der Ersparniß an Widerstand im
                              wegfallenden Herde und dem Zuwachse an disponibler Kraft durch das Gebläse.