| Titel: | Untersuchungen über die auf den Münzen gebräuchliche Goldprobe; von Dr. Heinrich Rößler in Frankfurt a. M. | 
| Autor: | Heinrich Rößler | 
| Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. LVII., S. 185 | 
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                        LVII.
                        Untersuchungen über die auf den Münzen
                           gebräuchliche Goldprobe; von Dr. Heinrich Rößler in Frankfurt a. M.
                        Rößler, über die auf den Münzen gebräuchliche
                           Goldprobe.
                        
                     
                        
                           Daß die gebräuchliche Goldprobe keine wissenschaftlich begründete analytische
                              Bestimmungsmethode ist wie die Gay-Lussac'sche
                              Silberprobe, das weiß jeder Probirer. Wenn man den Silbergehalt einer Legirung durch
                              Titriren mit Kochsalzlösung bestimmt und alle nöthigen Vorsichtsmaßregeln dabei
                              anwendet, so findet man den Gehalt, welchen die Legirung
                              wirklich hat. Wenn man aber den Goldgehalt einer
                              Legirung wie üblich bestimmt, so findet man ein Gewicht, das sich dem effectiven Goldgehalt nur mehr oder
                                 weniger nähert und nur dann mit demselben
                                 übereinstimmt, wenn der Goldverlust auf der
                                 Kapelle und der Silberrückhalt in dem Röllchen,
                              welche ja beide nie fehlen, sich vollkommen ausgleichen. Kandelhardt nimmt an, daß Letzteres bei seinem Verfahren der Fall ist; es
                              fällt aber nicht schwer, nachzuweisen, daß dieß keineswegs unter allen Verhältnissen
                              und bei allen Gehalten möglich ist.
                           Gewöhnlich beruhigt man sich dabei, daß mehrere Probirer übereinstimmende Resultate
                              finden, und überzeugt sich nicht weiter, ob diese gefundenen Gehalte auch wirklich
                              den effectiven Gehalten entsprechen. Um zu dieser
                              Ueberzeugung zu kommen, gibt es nur einen Weg. Man muß häufig wiederholte
                              synthetische Proben von verschiedenen Gehalten, aus chemisch reinem Gold, Silber und
                              Kupfer zusammengewogen, anstellen, indem man die zu untersuchende Legirung von
                              jedesmal annähernd demselben Gehalt zugleich damit abtreibt und auflöst, und beide ganz gleich
                              behandelt.
                           Aber auch mit der Uebereinstimmung verschiedener Probirer ist es schlecht bestellt.
                              Auch in der Genauigkeit der Ausführung und in der Möglichkeit, daß verschiedene
                              Probirer genau dieselben Resultate finden, steht die Goldprobe der Gay-Lussac'schen Silberprobe entfernt nicht
                              gleich. Die englische Münze hat im Jahre 1870 einen Bericht veröffentlicht, in
                              welchem eine Anzahl Proben verschiedener anerkannter Probirer verschiedener Länder,
                              von demselben Probirgut, zum Zwecke der Vergleichung gemacht, zusammengestellt sind.
                              Diese Proben sind alle auf 10tel
                                    mil
                                 . angegeben, differiren aber untereinander bis über ein
                                 ganzes mil
                                 . Dasselbe Frankfurter Scheidegold wurde auf verschiedenen Probiranstalten:
                           999,8
                           999,3
                           999,2
                           999,9 
                                         1000,0
                              gefunden.
                           Es wäre auch in der That zu verwundern, wenn sich diese Differenzen nicht fänden,
                              wenn man betrachtet, wie sehr verschieden die Proben, besonders beim Abtreiben,
                              immer noch von verschiedenen Probirern behandelt werden. Der eine treibt heiß und
                              läßt die Probe hinten im Ofen erstarren, der andere treibt so kalt wie möglich, läßt
                              nur heiß, während das letzte Blei weggeht und setzt die Probe wieder vor zum
                              Erstarren, sowie die bunten Farben verschwunden sind. Manche glauben noch, daß der
                              Grad der Hitze wenig oder gar keinen Einfluß auf das Auskommen hat.
                           Auch die zum Abtreiben gebräuchlichen Bleimengen, die Art der Kapellen u.s.w. sind
                              noch sehr verschieden.
                           Diese Differenzen zwischen verschiedenen Probirern lassen sich wohl bis zu einem gewissen Grade
                              ausgleichen, wenn man genau nach derselben Vorschrift
                                 arbeitet, dieselben Kapellen, dieselbe Hitze, dieselbe Säure u.s.w.
                              anwendet, aber vollständig ausmerzen lassen sie sich
                                 nicht. Jeder Probirer wird sich bei sich selbst wohl gestehen, daß, wenn er
                              dieselbe Probe mehrmals macht, er die Resultate um einige 10tel mil
                                 . verschieden findet.
                           Aber dieß Alles sind Fehler, welche in der Art zu arbeiten liegen, es sind nicht
                              eigentlich die Fehler, welche der Methode selbst im Princip zur Last fallen. Um diese letzteren zu finden,
                              muß man sie eben isoliren, man muß eine große Anzahl von
                              Controlproben machen, dieselben zusammenstellen und dadurch die von der Art zu
                                 arbeiten herrührenden Fehler eliminiren.
                           Bei den folgenden Untersuchungen sehen wir also gänzlich von jenen Fehlern, die durch
                              verschiedenes Bleigewicht, verschieden heißes Abtreiben u.s.w. erzeugt werden und
                              verschiedene Gehaltsangaben veranlassen, ab. Alle Versuche sind soviel als möglich
                              nach Kandelhardt'schen Vorschriften ausgeführt. Besonders
                              standen die Proben während dem Abtreiben da, wo Silber abzublicken pflegt, bis ca. zwei Drittel des Bleies weggetrieben waren und
                              wurden dann weiter hinten hin gesetzt, wo sie stehen blieben, bis das Korn
                              vollständig erstarrt war. Auch wurde mit Säure von 1,2 spec. Gewicht gekocht, bis
                              keine rothen Dämpfe mehr entwichen, mit Säure von 1,3 aber zweimal und jedesmal 10
                              Minuten. Für alle Versuche wurden dieselben Pariser Kapellen, nur aus Knochenasche
                              gemacht, angewandt.
                           Die ganze Frage gipfelt in Folgendem:
                           
                              „Ist es möglich, daß unter all' den verschiedenen
                                    Legirungsverhältnissen bei allen Proben Silberrückhalt und Goldverlust sich
                                    aufheben?“
                              
                           Eine einfache Erwägung zeigt, daß dieß nicht der Fall ist.
                           Der Silberrückhalt ist zwar bei verschiedenen Probirern
                              nicht gleich, bleibt aber bei ein und demselben, der genau nach einem bestimmten
                              Verfahren arbeitet, constant. Wir selbst fanden den Silberrückhalt in Goldröllchen,
                              welche genau nach dem Kandelhardt'schen Verfahren erhalten
                                 waren, immer 3/4–1 mil. Wir
                              bemerken, daß hier nur von Goldproben (2 1/2 Thle. Silber auf 1 Thl. Gold in dem
                              auszukochenden Röllchen) die Rede ist. Diese Bestimmung wurde sehr häufig
                              ausgeführt, jedesmal mit wenigstens 10 Grm. Röllchengold und einmal mit sämmtlichen
                              Röllchen der 20 Mark-Proben der Frankfurter Münze von einem ganzen Quartal.
                              Es versteht sich von selbst, daß man den Silbergehalt wirklich isoliren muß und
                              nicht etwa den Ueberschuß, den man beim Probiren von chemisch reinem Gold findet,
                              als solchen annimmt, wie dieß von anderer Seite geschehen ist. Das Gold wurde in
                              verdünntem Königswasser aufgelöst, das Chlorsilber abfiltrirt und metallisch als
                              Silberkorn gewogen. Etwa mit gefälltes Gold wurde wieder abgezogen.
                           In Goldröllchen von Handelsproben aus verschiedenen deutschen und amerikanischen
                              Anstalten, welche wahrscheinlich nicht so scharf ausgekocht waren, fanden wir
                              gewöhnlich 1 1/2–2 1/12 mil. Silber.
                           Fein vertheiltes Probirgold von güldischen Proben hält häufig bis 5 mil. Silber, aber dieser Gehalt läßt sich bis unter 2
                              mil. bringen, wenn man zweimal mit 30grädiger Säure 10 Minuten auskocht,
                              was gewöhnlich nicht geschieht, da der Rückhalt auf die Gehaltsangabe von
                              Handelsproben hier wenig von Einfluß ist. So machen z.B. 5 mil. Silberrückhalt bei einem Gehalt von 50 mil. erst 1/4 mil. im Gehalt aus. Auch daß die
                              Gehalte leicht etwas höher auskommen, wenn man mehr als 2 1/2fache Menge Silber hat,
                              mag weniger von größerem Silberrückhalt herrühren, wenn man nur lange genug gekocht
                              hat, als von geringerem Goldverlust, wie wir unten sehen werden. Endlich wurde der
                              Silberrückhalt in Gold bestimmt, welches durch vorschriftmäßiges Auskochen von
                              Körnern, welche gar nicht ausgewalzt waren, selbst bei 2 1/2facher Menge des
                              Silbers, und wurde derselbe nicht höher als in den Röllchen gefunden, so daß es als
                              recht wohl möglich angesehen werden muß, richtige Proben zu machen, ohne die Körner
                              auszuwalzen.
                           Mit dem Goldverlust beim Abtreiben der Proben ist die
                              Sache nicht so einfach, da derselbe von mehreren ganz verschiedenen Momenten abhängt.
                           Unbedingt wächst der Goldverlust zunächst, und dieß ist das Wichtigste, mit der Menge des zum Abtreiben
                                 verwandten Bleies. Die folgenden Zahlen legen dieß klar dar; dasselbe
                              chemisch reine Gold wurde mit 2 1/2 Thln. Silber quartirt abgetrieben und ergab die
                              folgenden Resultate. Wir nehmen an, daß Gold chemisch rein genannt werden kann, wenn
                              man in 10 Grammen, in Königswasser gelöst, weder Silber noch Blei und Kupfer, noch
                              irgend eine andere Verunreinigung nachweisen kann. Ein solches Gold muß allerdings
                              mit der gewöhnlichen Probe auch stets nahezu 1000 mil.
                              geben.
                           
                              
                                 1/4
                                 Gramm Gold doppelt mit je 
                                 8
                                 Grm. Blei
                                 999,4999,0998,8
                                 
                                    
                                    
                                 
                                 
                              
                                 1/4
                                     
                                    „        „      
                                    „      „    „ 
                                 4
                                    „      
                                    „
                                 999,6999,2
                                 
                                    
                                    
                                 
                                 
                              
                                 1/4
                                     
                                    „        „      
                                    „      „    „
                                 2
                                    „      
                                    „
                                 999,6999,8999,91000,0
                                 
                                    
                                    
                                 nachKandelhardt.
                                 
                              
                                 1/4
                                     
                                    „        „      
                                    „      „    „ 
                                 1
                                    „      
                                    „
                                 1000,31000,0
                                 
                                    
                                    
                                 nachChaudet.
                                 
                              
                                 1/4
                                     
                                    „        „      
                                    „      „    „
                                 2
                                    „      
                                    „
                                 1000,51000,3
                                 
                                    
                                    
                                 
                                 
                              
                                 1/4
                                     
                                    „        „      
                                    „      „    „
                                 1
                                    „      
                                    „
                                 1000,01000,6
                                 
                                    
                                    
                                 
                                 
                              
                           Bei allen Proben war der Silberrückhalt nahezu 1 mil.,
                              also mußte der Goldverlust bei den ersten bis über 2 mil., bei den letzten nur den Bruchtheil eines mil
                                 . betragen.
                           Außerdem scheinen jedoch große Körner einen im Verhältniß
                              
                              geringeren Goldverlust zu erleiden als kleinere. Die Proben mit 1/4 Grm. gemacht kommen wenigstens im
                              Durchschnitt etwas niederer aus, als die mit 1/2 Grm., was wohl, von dieser schon
                              von Kandelhardt angegebenen Thatsache herrühren muß, da
                              der Silberrückhalt nur dann im Verhältniß größer seyn könnte, wenn die Körner
                              weniger dünn ausgewalzt worden wären.
                           Endlich ist der Verlust an Gold desto kleiner, je mehr Silber
                                 man mit demselben abtreibt. Gold ohne Silber heiß abgetrieben verliert
                              schon mit der 4fachen Menge Blei 1 mil., bei mehr Blei
                              bis zu 3 mil. Dieser Verlust kann allerdings, wenn der
                              Blick nicht heiß genug erfolgt, durch zurückgehaltenes Blei und Kupfer aufgewogen
                              werden. Je mehr nun Silber mit dem Gold zusammen abgetrieben wird, um so weniger
                              Gold geht verloren. Ueber der 2 1/2fachen Menge beginnt schon der Silberrückhalt zu
                              überwiegen, und bei vielfacher Menge erscheint er fast ganz als Ueberschuß.
                           Jedenfalls besteht der Goldverlust aus zwei Theilen, einem der
                                 verflüchtigt, und einem der in die Kapelle eingeschluckt wird.
                           Daß Gold, wenn es mit anderen Metallen zusammengeschmolzen
                                 erhalten wird, stark flüchtig ist, beweisen die bedeutenden Mengen davon,
                              welche man in den Flugstaubkammern der Schmelzöfen in Scheideanstalten, sowie in den
                              Abtreiböfen (bei goldhaltigem Reichblei) findet, und welches zugleich mit dem Silber
                              und Blei verflüchtigt wurde.
                           Man könnte nun allerdings glauben, daß der meiste Goldverlust nicht während des
                              Treibens, sondern erst am Ende stattfindet, wenn alles Blei entfernt ist und die
                              Gold- und Silberlegirung noch flüssig ist, und daß man somit den Goldverlust
                              auf ein Minimum reduciren könnte, wenn es gelänge, die Probe gleich zum Erstarren zu
                              bringen, nachdem das Blei entfernt ist. Jedenfalls ist auch das lange Flüssigbleiben
                              der Perle von bedeutendem Einfluß auf die Vergrößerung des Goldverlustes.
                           Aber man findet auch Gold in den Kapellen. 40 Kapellen
                              von 20 Mark-Proben aus der Münze, also von 10 Grammen 20 Mark-Metall
                              herrührend, wurden gepulvert und mit Soda, Glas und Kohle im hessischen Tiegel
                              geschmolzen. Wir erhielten einen Bleikönig, der beim Abtreiben ein Korn hinterließ,
                              welches 130 Milligramme Silber und 5 Milligramme Gold enthielt. Das von der Kapelle
                              eingeschluckte Gold ist zwar wenig im Verhältniß zu dem zugleich eingeschluckten
                              Silber, wie denn auch überhaupt der Goldverlust lange nicht in dem Maaß zunimmt wie
                              der Silberverlust beim Abtreiben. Allein die 5 Milligramme eingeschlucktes Gold entsprechen
                              einem halben mil. Gehalt, wenn man sie auf 10 Gramme
                              Probirgut vertheilt, was schon sehr in's Gewicht fällt und ungefähr die Hälfte des
                              Silberrückhaltes aufwiegt. Sollte bei diesen 20 Mark-Proben der Gehalt
                              absolut richtig ausgekommen seyn, d.h. der Silberrückhalt den Goldverlust gerade
                              aufgewogen haben, so müßte ungefähr ebenso viel Gold verflüchtigt als eingeschluckt
                              worden seyn.
                           Nach dem Allem ist wohl die Behauptung gerechtfertigt, daß „unter sonst gleichen Verhältnissen geringerhaltige Goldproben, welche
                                    mit viel Blei getrieben werden müssen, etwas schlechter auskommen als
                                    hochhaltige“ und daß, „wenn bei der Feingoldprobe
                                    Goldverlust und Silberrückhalt sich ausgleichen, bei allen geringeren Proben
                                    der Verlust überwiegt, d.h. daß sie alle zu gering auskommen“
                                 .
                           Die folgenden Versuche, welche genau nach dem Kandelhardt'schen Verfahren ausgeführt worden sind, bestätigen diese
                              Behauptung vollkommen. Es ist sehr zu wünschen, daß recht viele Probirer diese
                              Versuche wiederholen. Sie werden nicht genau dieselben Zahlen finden, aber sie
                              werden das Princip bestätigen und im großen Ganzen dieselben Resultate bekommen.
                           Da es bis jetzt noch nicht gelungen ist, eine neue, vollkommenere Goldprobe zu
                              finden, so ist es wenigstens durchaus nothwendig, daß man sich über die Fehler der
                              alten genau Rechenschaft geben kann.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 206, S. 190
                              Gehalte der zu controllirenden
                                 Legirungen; Abgewogen zur Probe; Verschiedene Metalle abgewogen incl. des
                                 Quartilsilbers; Bleigewicht; Auskommen des Gehaltes; Ueberschuß oder Verlust;
                                 Auf 1000 berechnet
                              
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 206, S. 191
                              Gehalte der zu controllirenden
                                 Legirungen; Abgewogen zur Probe; Verschiedene Metalle abgewogen incl. des
                                 Quartilsilbers; Bleigewicht; Auskommen des Gehaltes; Ueberschuß oder Verlust;
                                 Auf 1000 berechnet; nach 1maligem Auskochen mit Salpetersäure von 1,3 spec.
                                 Gew.; nach 2maligem Auskochen mit Salpetersäure von 1,3 spec. Gew.