| Titel: | Ueber das Schmelzen des Platins; von H. Violette. | 
| Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. LXXX., S. 283 | 
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                        LXXX.
                        Ueber das Schmelzen des Platins; von H. Violette.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXXV p. 1027; October
                              1872.
                        Violette, über das Schmelzen des Platins.
                        
                     
                        
                           Mittelst der in chemischen Laboratorien gebräuchlichen Oefen ist man in der Regel
                              nicht im Stande, die zum Schmelzen von Platin erforderliche Temperatur
                              hervorzubringen. Die nachstehend beschriebene Anordnung des gewöhnlichen Windofens
                              gestattet eine leichte Ausführung dieser Schmelzung und die Erzeugung eines
                              außerordentlich hohen Hitzegrades, welcher zukünftig von den Chemikern und
                              Technikern mit großem Vortheile benutzt werden kann.
                           In der von mir geleiteten Salpeter-Raffinerie zu Lille befindet sich ein
                              großer gemauerter Schlot von 30 Meter Höhe und 1,20 Met. Durchmesser, in welchen die
                              Züge von acht großen, mit Steinkohlen geheizten Kesselöfen münden, die einen
                              ununterbrochenen kräftigen Zug unterhalten. Eine kleine, an der Basis des Schlotes
                              ausgesparte, gewöhnlich mit einer kleinen Ziegelsteinmauer verschlossene Thür
                              gestattet den Zutritt in das Innere des Schlotes behufs des Reinigens oder zur
                              Ausführung von Reparaturen. Vor dieser Thür, am Fuße des Schlotes, habe ich einen
                              kleinen Windofen hergestellt, dessen äußeres Volum nicht über einen Kubikmeter
                              beträgt; der aus beweglichen Eisenstäben bestehende Rost bildet ein Quadrat von 0,30
                              Met. Seite. Der Fassungsraum des Ofens beträgt 45 Liter; der die Verbindung
                              desselben mit dem Inneren des Schlotes herstellende Fuchs hat 0,20 Met. Weite.
                           Anfänglich benutzte ich Kohks als Brennmaterial, und verwendete als Schmelzgefäße
                              zuerst Pariser, dann hessische, hernach Graphit- und zuletzt Kalktiegel; in
                              jeden Tiegel brachte ich, zur ungefähren Schätzung der erreichten Temperatur, etwa
                              50 Gramme eiserner Nägel und Drahtstifte. Die Schmelzung beanspruchte kaum eine
                              Stunde Zeit; die Verbrennung der Kohks erfolgte mit Lebhaftigkeit; der Zug war sehr
                              heftig, so daß das durch ihn veranlaßte Geräusch dem Rollen eines rasch fahrenden
                              Wagens glich; der Glanz des Feuers war blendend. Bei allen Schmelzoperationen,
                              welche ich mit diesem Ofen vornahm, gerieth das Metall sammt dem Tiegel in
                              vollständigen Fluß und hinterließ auf dem Roste ein Häufchen glasiger Schlacken. Ich
                              vermuthete daß dieses Zusammenschmelzen durch die als Flußmittel wirkende Kohksasche
                              veranlaßt worden und wendete aus diesem Grunde anstatt der Kohks Stücke von
                              Leuchtgasretortenkohle (Retortengraphit) an, wie sie zur Anfertigung der Bunsen'schen Elemente benutzt wird; die Verbrennungserscheinungen
                              blieben dieselben, waren aber intensiver; der Rost blieb rein und frei von
                              Schlackenrückstand; die benutzten hessischen Tiegel sanken aber zusammen, verloren
                              ihre Form und flossen mit ihrem Untersatze (Käse) zusammen. Bessere Erfolge erzielte
                              ich endlich mit einem aus einem Stück Retortenkohle geschnittenen und in einen
                              hessischen Tiegel eingesetzten Tiegel, eine Verbindung welche der zerstörenden
                              Einwirkung der starken Gluth genügend widersteht; der hessische Tiegel schmilzt zum
                              Theil, der Kohlentiegel aber steht in dem Feuer und bleibt unverletzt. In diesen
                              Tiegel brachte ich 50 Gramme Platin, theils in Form von Metallschwamm, theils in
                              Stückchen, und erhielt nach kaum einstündiger Feuerung einen 50 Gramme wiegenden
                              Regulus von vollkommen geschmolzenem Platin.Sollte nicht bei diesem Versuche das Platin Spuren von Kohlenstoff, von
                                    Silicium oder selbst von Schwefel aufgenommen haben, durch welche sein
                                    Schmelzpunkt erniedrigt wurde?Bemerkung von Dumas.
                              
                           Bei dieser außerordentlich hohen Temperatur müssen sich viele Körper verflüchtigen
                              und können zu interessanten Untersuchungen, vielleicht auch zu nutzbringenden
                              Resultaten führen. Von diesem Gedanken ausgehend, wollte ich den schönen Versuch Ebelmen's wiederholen, welcher durch langes Erhitzen
                              eines Gemenges von Thonerde und Borax in einem Porzellanofen krystallisirte Thonerde
                              erhielt. Bekanntlich bestehen Sapphir, Smaragd, Rubin, Topas aus gefärbter Thonerde.
                              Indem ich nun in meinem kleinen Ofen in derselben Weise operirte, wie Ebelmen im Porzellanofen, fand ich nach der vollständigen
                              Verflüchtigung des Borax die Wandungen meines Kohlentiegels mit einem Ueberzuge von
                              kleinen, durchsichtigen, harten und sehr glänzenden Krystallen bedeckt, welche aus
                              krystallisirter Thonerde bestanden.