| Titel: | Beitrag zur Erzielung übereinstimmender Untersuchungsresultate beim Rohzuckerhandel; von Dr. C. Kohlrausch. | 
| Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. LXXXVIII., S. 319 | 
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                        LXXXVIII.
                        Beitrag zur Erzielung übereinstimmender
                           Untersuchungsresultate beim Rohzuckerhandel; von Dr. C. Kohlrausch.Vom Verfasser als Separatabdruck aus dem von ihm redigirten „Organ des
                                       Vereines für Rübenzuckerindustrie in der österreichisch-ungarischen
                                       Monarchie“ (Octoberheft S. 587) eingesandt.
                           
                        Mit Abbildungen.
                        Kohlrausch, Beitrag zur Erzielung übereinstimmender
                           Untersuchungsresultate beim Rohzuckerhandel.
                        
                     
                        
                           Bei der Eröffnung der heurigen Campagne glauben wir die
                                 gewöhnlichen Fehlerquellen bei der Polarisation der Rohzucker und die Ursachen
                                 der beim Rohzuckerhandel vorkommenden Differenzen kurz besprechen zu
                              sollen.
                           Wir gehen bei dieser Betrachtung von der Voraussetzung aus, daß das
                              Polarisationsinstrument vollkommen in Ordnung ist, und soweit es die optische
                              Bestimmung anbetrifft, eine Genauigkeit von 0,1 gewährt.
                           Wir erwähnen, daß diese Genauigkeit von den auf Einstellung der Farbengleichheit
                              basirenden Instrumenten nur dem von Schmidt und Hänsch in Berlin construirten Soleil-Scheibler'schen Polarisationsapparat zugesprochen werden
                              kann.
                           Es bleibt also die Probenahme der Rohzucker, die Versendung derselben, das Abwägen
                              der zur Polarisation nöthigen Menge, die Klärung, die Auffüllung auf ein bestimmtes
                              Volum, die Filtration und die Einfüllung der gereinigten Lösung in die 200
                              Millimeter-Röhre in Betracht zu ziehen.
                           Die Probenahme der Muster darf, wie dieß ja hinlänglich allen Praktikern bekannt ist,
                              nicht aus der ersten besten Stelle des Rohzuckerhaufens erfolgen, da sich bei
                              Zuckern welche längere Zeit gelagert haben, der Syrup stets an die tiefsten Stellen
                              des Haufens hinunterzieht. Dasselbe findet statt, wenn der Rohzucker in Fässern oder
                              Säcken einige Tage verpackt bleibt. Andererseits ist zu bemerken, daß z.B. auf
                              trockenen Böden der Feuchtigkeitsgehalt der Zucker in den oberen und unteren
                              Schichten verschieden seyn muß. Ob nun mit dem Stichbohrer, oder nach dem Umschaufeln eines
                              Theiles des Haufens oder Ausschütten einiger Säcke ein Durchschnittsmuster genommen
                              werden soll, bleibt dem besten Ermessen des Beamten überlassen. Wir würden Letzteres
                              vorziehen, da man bei unvorsichtiger Handhabung des Bohrers Späne, Schmutz etc. mit
                              in den Zucker bekommt, was Veranlassung zu unrichtigen Resultaten gibt; wir glauben
                              ferner ganz besonders hervorheben zu müssen, daß das Probenehmen nicht dem Arbeiter,
                              Bodenmeister etc. überlassen bleibt, sondern von einem Beamten mit möglichster
                              Gewissenhaftigkeit selbst ausgeführt werden soll, und sprechen uns schließlich gegen
                              die jetzt in manchen Fabriken übliche Methode des Probenehmens aus, nach welcher aus
                              jedem Sack beim Einfüllen eine kleine Probe entnommen und auf ein Papier geworfen
                              wird. Der so gesammelte Zucker soll dann das wirkliche Durchschnittsmuster
                              repräsentiren. Allerdings erhält man auf diese Weise ein genügend richtiges
                              Durchschnittsmuster, soweit es die Qualität des Zuckers anbelangt; aber dieses
                              Muster wird selten den Feuchtigkeitsgehalt der ganzen Masse haben; ist es auf einem
                              warmen trockenen Boden beim Einfüllen des Zuckers genommen, so wird es in der dünnen
                              Schichte auf dem Papier trocken geworden seyn; ist es aus einem feuchten Magazin, so
                              wird es umgekehrt Wasser angezogen haben, also im ersten Falle die Polarisation zu
                              viel, im zweiten zu wenig Zucker anzeigen. Es ist wohl im Allgemeinen gegen diese
                              Probenahme nichts einzuwenden, wenn dieselbe sofort nach der Einfüllung der Säcke
                              vorgenommen wird, aber der Zucker muß anstatt auf ein Papier in ein Glas geworfen
                              werden, welches sich fest schließen läßt.
                           Beim Handel ist die hygroskopische Eigenschaft des Rohzuckers das bedeutendste
                              Hinderniß zur Feststellung allgemein richtiger Anhaltspunkte.
                           Wo soll z.B. die Probe genommen werden, in der Rohzuckerfabrik oder in der
                              Raffinerie? Im ersten Falle sendet die Raffinerie ihren Chemiker oder sonst einen zu
                              diesem Zweck tauglichen Beamten in die Rohzuckerfabrik ab, welcher dort Probe nimmt,
                              dieselbe mit beiderseitigem Siegel verschlossen an den Handelschemiker einsendet und
                              selbst eine Probe untersucht. Stimmen diese beiden Untersuchungen und auch
                              vielleicht noch eine dritte in der Rohzuckerfabrik ausgeführte überein, so sollte
                              man annehmen, es könnte kein Streit mehr entstehen. Dem ist aber durchaus nicht so;
                              es werden z.B. 1000 Ctr. Zucker an die Raffinerie abgesendet, bleiben bei trockenem
                              Wetter drei Tage oder auch das Doppelte und Dreifache dieser Zeit auf dem Transport,
                              verlieren während dieser Zeit 1 Proc. Feuchtigkeit und wiegen in Folge dessen
                              anstatt 1000 nur 990 Ctr. Wird es sich der Rohzuckerfabrikant gefallen lassen
                              müssen, daß ihm ca. 200 fl. für Manco abgezogen werden, oder soll die
                              Bahnverwaltung die fehlenden 10 Centner ersetzen, da der Beamte am Abgangspunkt 1000
                              Centner übernommen hat und am Ort der Ankunft nur 990 Centner abgeliefert werden?
                              Wir glauben, daß auch die Bahnverwaltung nicht zur Verantwortung gezogen werden
                              kann, wenn die Säcke mit unverletzter Naht und unversehrter Plombe der Raffinerie
                              abgeliefert werden. Wer soll dieses Deficit decken, welches ja factisch gar nicht
                              existirt, da der Zucker entsprechend dem geringeren Wassergehalt höher polarisirt?
                              Oder setzen wir den anderen Fall und der Zucker zieht Wasser an, so haben wir im
                              umgekehrten Maaßstabe ähnliche Verhältnisse. Es kommt aber auch häufig vor, daß
                              Niemand von dem Käufer in die Rohzuckerfabrik abgesendet wird, um Probe zu nehmen.
                              Die letztere sendet das Muster an den Handelschemiker, mit der Anweisung je ein
                              Certificat für Käufer und Verkäufer auszustellen. Dieß geschieht und die eventuell
                              ausgeführte Polarisation der Rohzuckerfabrik und die des Handelschemikers stimmen
                              überein. Der Zucker wird bei feuchtem Wetter übersendet, zieht 1 Proc. Wasser an,
                              wird in der Raffinerie wieder polarisirt und hat dann dem entsprechend weniger
                              Zuckergehalt. Da hat doch sicher der Handelschemiker keinen Fehler begangen, sondern
                              in solchem Falle hat sich der Chemiker der Raffinerie zu überzeugen, wie viel das
                              Gewicht des Zuckers betragen hat; sind anstatt 1000 Centner 1010 abgewogen worden,
                              so ist hierdurch die Differenz erklärt.
                           Es kommt hier auf die Abmachungen beim Kaufschluß an, wovon es auch allein abhängt,
                              ob der Lieferant sich eine Modification der Polarisation gefallen lassen muß. Lautet
                              der Abschluß auf Probenahme in der Rohzuckerfabrik, so muß die Polarisation dieser
                              Probe maßgebend bleiben; lautet sie aber auf Probenahme in der Raffinerie, so kann
                              die Polarisation der Rohzuckerfabrik nicht gültig seyn.
                           Es ist ein seltener Zufall zu nennen, wenn die Witterung derartig wäre, daß sowohl
                              Gewicht als auch Polarisation des Zuckers, wie sie in der Rohzuckerfabrik bestimmt
                              wurden, nach mehrtägigem Transport auch in der Raffinerie gefunden würden; in den
                              meisten Fällen werden sich Differenzen herausstellen.
                           Die Abschlüsse sind daher derart zu machen, daß entweder Polarisation und Gewicht in
                              der Rohzuckerfabrik definitiv festgestellt wird, oder aber in der Raffinerie. Wir
                              denken uns dieses Verfahren etwa folgend. Der Rohzucker wird an seinen
                              Bestimmungsort abgesendet und nach Ankunft sofort die Rohzuckerfabrik z.B. auf
                              telegraphischem Wege verständigt. Es begibt sich hierauf ein Beamter der letzteren
                              in die Raffinerie, läßt in seiner Gegenwart den Zucker wiegen, einige Säcke zur
                              Probenahme ausschütten,
                              mischen und hierauf ein Durchschnittsmuster nehmen, welches dann dem Handelschemiker
                              zur Polarisation eingesendet wird. Gleichzeitig können ja dann auch zur
                              gegenseitigen Controle Muster für den Käufer und Verkäufer genommen werden. Die hier
                              gefundene Zahl für Polarisation muß dann maaßgebend seyn, wenn sie auch nicht mit
                              einer vielleicht früher in der Rohzuckerfabrik gefundenen übereinstimmen sollte.
                           Ein anderer Fall ist der, daß sich ein Beamter der Raffinerie in die Rohzuckerfabrik
                              begibt, dort Muster nimmt und den Zucker in seiner Gegenwart abwiegen und plombiren
                              läßt; dann ist ein späteres Abwägen und Polarisiren in der Raffinerie nicht mehr
                              maaßgebend. Es bleibt selbstverständlich beiden Theilen unbenommen, sich gegenseitig
                              zu controlliren, und hierdurch allenfallsigen größeren Irrthümern vorzubeugen, indem
                              Abwägen und Polarisiren vom Rohzuckerfabrikanten und Raffinadeur vorgenommen wird;
                              aber das wären dann interne Angelegenheiten, welche die Fabrik mit ihren Beamten
                              auszumachen hat, die aber den Handelschemiker nichts angehen. Stimmen die Resultate
                              der gleichzeitig genommenen und gut aufbewahrten Muster überein, welche bei der
                              Untersuchung des Handelschemikers und Fabrikschemikers gewonnen wurden, oder einigen
                              sich beide Parteien dahin, daß die Polarisation des ersteren als maaßgebend
                              anerkannt werden soll, so muß das Geschäft als abgethan betrachtet und können
                              spätere oder frühere Untersuchungen nicht mehr berücksichtigt werden. Dasselbe gilt
                              von dem Abwägen, wo ebenfalls nur eines als gültig angesehen werden kann und zwar
                              ist hierzu zu bemerken, daß es stets an dem Ort und zur gleichen Zeit stattzufinden
                              hat, wo das Muster zur Polarisation genommen wird.
                           Man wird vielleicht entgegnen, daß ein solches Verfahren schwer durchzuführen ist,
                              und es muß zugegeben werden, daß es unbequemer ist, als das bisherige. Dieses Thema
                              betreffend sind wir jedoch nicht der Ansicht, soeben den allein richtigen Weg
                              angegeben zu haben; es konnte sich hier nur darum handeln, einen Vorschlag zu
                              machen, durch welchen der an und für sich schon sehr precäre Zahlungsmodus von 0,1
                              gerechtfertigt werden kann. Bei sämmtlichen Manipulationen ist darauf Rücksicht zu
                              nehmen, daß die Genauigkeit von 0,1 erreicht wird, da ja vorläufig noch diese Zahl
                              nebst der Normalzahl 93 als Basis beim Rohzuckerhandel dient, und deßwegen muß
                              dieselbe auch bei dem Abwägen und der Probenahme beobachtet werden, da sonst die
                              größte Gewissenhaftigkeit bei der chemischen Untersuchung illusorisch wird Soll
                              nicht in derart exacter Weise verfahren werden, so muß man sich nicht auf 0,1 Proc.
                              capriciren, sondern 0,5 oder 1 Proc. als Basis annehmen.
                           
                           Betreffs der Versendung der Rohzuckerproben führen wir einen im Laufe des Frühjahres
                              ausgeführten Versuch an. Die Zucker wurden dem Vereinslaboratorium von Seelovitz aus
                              eingesendet und zwar verpackt in Glas mit eingeriebenem Stöpsel, in Blechbüchsen, in
                              Pappschachteln und in Papier.
                           Die Muster sind bei freundlicher trockener Witterung geschickt worden, waren einen
                              Tag auf dem Transport und wurden am zweiten Tage nach der Verpackung hier
                              untersucht. Es resultirten folgende Zahlen:
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 Polarisation
                                 Wasser
                                 Org. u. anorg.Nichtzucker
                                 
                              
                                 1) 
                                 I. Product gelblich gefärbt.
                                 In
                                 Glas
                                 94,2
                                 2,00
                                 3,80
                                 
                              
                                 
                                 
                                 „
                                 Blechbüchsen
                                 94,1
                                 2,15
                                 3,75
                                 
                              
                                 
                                 
                                 „
                                 Pappschachteln
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 
                                 
                                 „
                                 Papier
                                 93,6
                                 2,60
                                 3,80
                                 
                              
                                 2) 
                                 I. Product blond.
                                 In
                                 Glas
                                 94,2
                                 2,66
                                 3,14
                                 
                              
                                 
                                 
                                 „
                                 Blechbüchsen
                                 94,2
                                 2,51
                                 3,29
                                 
                              
                                 
                                 
                                 „
                                 Pappschachteln
                                 94,2
                                 2,78
                                 3,02
                                 
                              
                                 
                                 
                                 „
                                 Papier
                                 94,0
                                 2,76
                                 3,24
                                 
                              
                                 3) 
                                 II. Product hellbraun.
                                 In
                                 Glas
                                 93,2
                                 4,15
                                 2,65
                                 
                              
                                 
                                 (Dem geringen Nichtzucker-Gehalte
                                 „
                                 Blechbüchsen
                                 93,5
                                 3,91
                                 2,59
                                 
                              
                                 
                                 nach zu urtheilen, wahrscheinlich
                                 „
                                 Pappschachteln
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 
                                 Raffinerie-Nachproducte.)
                                 „
                                 Papier
                                 96,0
                                 1,39
                                 2,61
                                 
                              
                                 4) 
                                 II. Product braun.
                                 In
                                 Glas
                                 93,3
                                 5,49
                                 1,21
                                 
                              
                                 
                                 
                                 „
                                 Blechbüchsen
                                 93,5
                                 5,21
                                 1,29
                                 
                              
                                 
                                 
                                 „
                                 Pappschachteln
                                 94,9
                                 3,26
                                 1,84
                                 
                              
                                 
                                 
                                 „
                                 Papier
                                 96,4
                                 1,91
                                 1,69
                                 
                              
                           Eine weitere Untersuchung wurde mit den in Glas und Blechbüchsen befindlichen Zuckern
                              zwei Tage später vorgenommen.
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 Polarisation
                                 Wasser
                                 Org. u. anorg.Nichtzucker
                                 
                              
                                 1)        
                                 In
                                 Glas
                                 94,2
                                 1,98
                                 3,82
                                 
                              
                                 
                                 „
                                 Blechbüchsen
                                 93,9
                                 2,40
                                 3,70
                                 
                              
                                 2)
                                 „
                                 Glaß
                                 94,1
                                 2,66
                                 3,24
                                 
                              
                                 
                                 „
                                 Blechbüchsen
                                 94,2
                                 2,70
                                 3,10
                                 
                              
                                 3)
                                 „
                                 Glas
                                 93,2
                                 4,20
                                 2,60
                                 
                              
                                 
                                 „
                                 Blechbüchsen. 94,1
                                 3,38
                                 2,52
                                 
                                 
                              
                                 4)
                                 „
                                 Glas
                                 93,2
                                 5,60
                                 1,20
                                 
                              
                                 
                                 „
                                 Blechbüchsen
                                 94,3
                                 4,41
                                 1,19
                                 
                              
                           Zugleich verweisen wir auf ähnliche, von Weinzierl
                              festgestellte Zahlen (Zeitschrift des Vereines für die Rübenzuckerindustrie im
                              Zollverein, 1869, Bd. XIX S. 562). Die Differenzen der Zucker in Glas und Blech
                              waren bei der ersten Untersuchung wenig in's Gewicht fallend beim ersten Product,
                              bei den Nachproducten jedoch schon erheblicher; dagegen waren bei den Proben in
                              Pappschachteln und Papier im Verhältniß zu den Glasmustern zum Theile ganz
                              bedeutende Differenzen zu constatiren. Während 1) Wasser angezogen und 2) fast
                              gleich geblieben war, hatten 3) und 4) so bedeutend Wasser verloren, daß hierdurch
                              eine Differenz in der Polarisation von circa 3 Procent
                              hervorgerufen wurde. Bei der zweiten Untersuchung, welcher die Proben in Glas und
                              Blech unterworfen wurden, waren auch hier ähnliche Verhältnisse zu constatiren. Die
                              Bestimmungen des in den Gläsern befindlichen Zuckers sielen fast genau so aus, wie
                              die früheren, während der in den Blechbüchsen befindliche Zucker 1) Wasser
                              angezogen, 3) und 4) solches verloren hatte und 2) fast gleich geblieben war.
                           Es ist wohl außer Frage, daß die hygroskopischen Eigenschaften eines Rohzuckers in
                              einem constanten Verhältniß zu dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft stehen und daß von
                              verschiedenen Zuckern, bei einer und derselben Witterung, der eine Wasser abgeben
                              kann, während der andere solches anzieht. Wir möchten den Zustand eines Rohzuckers,
                              in welchem er bei einer bestimmten Witterung keine Feuchtigkeit mehr anzieht und
                              ebensowenig solche abgibt, den normalen Feuchtigkeitszustand für diese Witterung
                              nennen.
                           Wird die Luft feuchter oder trockener, so befindet er sich nicht mehr in dem normalen
                              Zustande, sondern accommodirt seinen Wassergehalt dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft.
                              Daß dieser normale Zustand für jeden Rohzucker verschieden ist je nach seiner
                              Zusammensetzung, braucht wohl kaum bemerkt zu werden.
                           Aehnliche Verhältnisse finden statt, wenn der Zucker aus einem trockenen oder
                              feuchten Raum in nicht luftdicht schließenden Gefäßen versendet wird; er wird
                              entsprechend dem Maaß seiner hygroskopischen Eigenschaften sich dem
                              Feuchtigkeitsgehalt der Luft zu accommodiren streben, er wird also, wie dieß bei 1)
                              der Fall war, Wasser anziehen und ebenso bei 3) und 4) Wasser abgeben.
                           Da man nun aber beim Handel nicht den normalen Feuchtigkeitszustand eines Rohzuckers
                              wissen will, sondern die Zusammensetzung, wie sie im Lagerraum demselben eigen ist,
                              so geht aus dieser Betrachtung und den oben angeführten Zahlen hervor, daß man
                              bestrebt seyn muß, die Verpackung derartig einzurichten, daß der Zucker genau in dem
                              Zustand bleibt, in welchem er sich im Moment der Verpackung befand.
                           Zuckerproben in Pappschachteln oder Papier verpackt, werden sehr selten auch nur
                              annähernd das richtige Muster repräsentiren; solche in Blechbüchsen sind ebenfalls,
                              wenn auch geringeren Schwankungen unterworfen. Dieselben betragen in unserem Falle,
                              wenn wir die in Glas verpackten Muster als die richtigen betrachten, zwei Tage nach der Verpackung im
                              Maximum 0,3, vier Tage nach derselben aber schon 1,1 Procent der Polarisation, und
                              nur die Proben in Gläsern mit eingeriebenem Stöpsel, blieben beinahe genau wie sie
                              waren. Es ist deßwegen die Versendung in Gläsern die einzig richtige Methode, um
                              allen Differenzen vorzubeugen, welche durch Veränderung der Zucker während des
                              Transportes bedingt sind. Ein solches Muster kann sich nicht verändern, selbst wenn
                              es z.B. auf der Post in der Nähe des Ofens durch längere Zeit steht; wird dasselbe
                              warm und es entwickelt sich so viel Dampf, daß er sich nicht mehr zu condensiren
                              vermag, so sprengt der Druck das Glas und der Handelschemiker wird sich unter
                              Hinweis auf diese Thatsache ein neues Muster senden lassen. Diese Sicherheit hat man
                              bei Verpackung in Blechbüchsen durchaus nicht, weil da fast immer genügend
                              Undichtheiten seyn werden, um der Verdunstung Spielraum zu lassen.
                           Wir glauben hier besonders hervorheben zu sollen, daß uns schon Muster vorgekommen
                              sind, wo der Postbeamte das Muster nicht nur neben dem Ofen, sondern geradezu auf
                              denselben gestellt haben mußte, da es in einer fingerstarken Kruste vollständig
                              eingetrocknet und nur mit Hülfe eines scharfen Instrumentes aus der Büchse
                              herauszuschaffen war. Wir wiederholen deßwegen nochmals: die
                                 Verpackung der Rohzuckermuster in Gläsern mit eingeriebenem Glas- oder
                                 gut schließendem Kautschukstöpsel ist die einzig richtige, da sie allen
                                 Eventualitäten vorbeugt.
                           Zum Abwägen der Rohzucker ist verschiedentlich empfohlen worden Waagen anzuwenden,
                              welche bei 50 Grammen beiderseitiger Schalenbelastung noch eine Genauigkeit von 1
                              Milligrm., also 0,001 gewähren. Wir sind der Ansicht, daß eine derartige
                              Empfindlichkeit der Waage nicht nur nicht nöthig ist, sondern letztere hierdurch
                              geradezu für den Zweck des Abwägens von Rohzucker zur Polarisation unbrauchbar wird.
                              Da bei dem Abwägen von Rohzucker nicht eine beliebige Menge desselben genommen und
                              durch Gewichte auf der anderen Schale – wie dieß ja bei analytischen
                              Bestimmungen sonst üblich – tarirt wird, sondern entgegengesetzt hier auf ein
                              bestimmtes Gewicht, das sogenannte Normalgewicht, durch Zugabe oder Hinwegnahme von
                              Zucker eingestellt wird, so nimmt das Tariren bei genauer Einstellung zu viel Zeit
                              in Anspruch und die Zuckerproben können während derselben ihren Gehalt
                              verändern.
                           Eine Genauigkeit des Instrumentes von 0,01 bei 50 Grm. beiderseitiger
                              Schalenbelastung genügt vollkommen, sowohl für das Pariser als auch das Berliner
                              Polarisationsinstrument.
                           
                           Bei ersterem beträgt ein Fehler im Abwägen von 0,01
                           16,35 : 100 = 0,01 : x; x = 0,0612,
                           bei letzterem
                           26,048 : 100 = 0,01 : x; x = 0,0384.
                           Da mit dem Polarisationsinstrument nur eine Genauigkeit von 0,1 zu erreichen ist, so
                              sind die so eben aufgeführten Fehlergrößen als irrelevant für das
                              Polarisationsergebniß zu betrachten. Wir benutzen zum Abwägen der Rohzucker eine
                              Waage von 0,01 Empfindlichkeit (man s. Scheibler's
                              Ansicht über denselben Gegenstand, in der Zeitschrift des Vereines für die
                              Rübenzuckerindustrie im Zollverein, Bd. XX S. 614), und halten die Anwendung
                              derselben aus den oben angeführten Gründen für richtiger und zweckentsprechender,
                              als die Benutzung eines feinen Instrumentes.
                           Wir haben uns in letzterer Zeit zum Abwägen der Zucker eines Glases, einem
                              abgeschnittenen Trichter ähnlich, bedient, welches durch ein Messingstativ gehalten
                              wird und an seiner unteren Oeffnung durch ein eingeschliffenes Pistill geschlossen
                              ist; dasselbe ragt ca. einen Zoll über den oberen Rand
                              des Trichters hinaus.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 206, S. 325
                              Aus beistehender Zeichnung ist die Form ersichtlich.
                              Dieser Trichter nebst Gestell wird durch ein Gewichtsstück tarirt, welches durch
                                 einen abzuschraubenden Knopf und eventuelles Verringern oder Vermehren des
                                 Gewichtes zu reguliren ist. Nachdem der Zucker abgewogen ist, wird das Glas aus
                                 dem Gestell herausgehoben, auf das Kölbchen gesetzt, das Pistill herausgenommen
                                 und durch Rühren mit demselben der Zucker in das Kölbchen gebracht.Zum Abwägen von Melasse oder Rübensäften kann ich diese von mir zu
                                       sammengestellte Vorrichtung mit gutem Gewissen empfehlen, muß aber
                                       hinzufügen, daß ich mich zum Abwägen von Rohzucker wieder der von Scheibler vorgeschlagenen
                                       Neusilber-Schale bedienen werde. Ich habe durch längere Zeit das
                                       Arbeiten mit beiden ausprobirt und bin zu der Ueberzeugung gekommen, daß
                                       es mit der Neusilber-Schale rascher und mindestens ebenso gut
                                       geht. Man muß nur beim Gebrauche letzterer darauf bedacht seyn, wenig
                                       Wasser zum Einspülen in das Kölbchen anzuwenden und den Zucker rasch
                                       hineinzugießen, damit die Krystalle in der Flüssigkeit suspendirt
                                       bleiben und sich nicht am Boden festsetzen.Kohlrausch.
                              
                           Das Abwägen der Probe, welche zur Bestimmung des Wassergehaltes dienen soll, muß auf
                              einer analytischen Waage geschehen, welche noch in der dritten Decimale genaue
                              Resultate ergibt, weil hier das Tariren nicht mit der Substanz, sondern den Gewichten geschieht
                              und daher rasch ausgeführt werden kann. Eine Empfindlichkeit des Instrumentes von
                              0,01 genügt zu diesem Zwecke nicht mehr, weil der Fehler in die erste Decimale
                              fällt, wenn man nicht über 10 Grm. Substanz zur Trockenbestimmung verwendet.
                           Man könnte vielleicht einwenden, daß die Wasserbestimmung nicht mehr nöthig ist, wenn
                              der Zucker in Gläsern versendet und später aufgehoben wird, und wir müssen zugeben
                              daß weniger leicht Differenzen vorkommen können als bisher. Es ist aber immerhin
                              möglich, daß die eine oder andere Partei mit der Bestimmung des Handelschemikers
                              nicht einverstanden ist und der Zucker noch an eine dritte Person zur Untersuchung
                              gesendet wird, wenn er schon nicht mehr in seinem ersten Lagerraum liegt. Dann
                              können sich Differenzen zwischen beiden Untersuchungen herausstellen und die
                              Kenntniß des Zuckergehaltes ist zur Erklärung derselben wünschenswerth. Man könnte
                              hier freilich sagen, daß ja das aufbewahrte Muster dem Chemiker welcher zuerst
                              untersucht hatte den Rücken deckt, und er dasselbe nur an eine andere maaßgebende
                              Persönlichkeit einzusenden braucht, um die Richtigkeit seiner Untersuchung
                              nachzuweisen.
                           Es ist hierzu aber zu bemerken, daß sehr selten ein Streit so weit kommt, daß der
                              Rest der eingesendeten Probe zur weiteren Polarisation zurückgefordert wird, sondern
                              in den meisten Fällen beschränkt man sich darauf, bei Differenzen eine Probe
                              desselben Hausens aus der Fabrik an einen anderen Chemiker zu senden. Ist in solchem
                              Falle die Trockenbestimmung nicht ausgeführt, so heißt es dann, „es muß
                                 doch einer der betreffenden Chemiker falsch gearbeitet haben,“ und es
                              leidet entweder das Zutrauen zu dem einen der Beobachter, oder aber es muß zum
                              äußersten Mittel gegriffen werden und das aufbewahrte Muster den Chemiker
                              vertheidigen; ist die Trockenbestimmung ausgeführt, so ergibt sich sehr leicht bei
                              Betrachtung der Zahlen für den Zuckergehalt, daß Zucker von 93 und 94 Procent recht
                              wohl aus demselben Haufen seyn kann, ohne daß der eine oder der andere der
                              Beobachter einen Fehler begangen hat.
                           Zur Klärung der Rohzuckerlösungen empfehlen wir die Anwendung entsprechend
                              concentrirten Bleiessiges (2 Liter Wasser, 600 Grm. Bleizucker, 300 Grm. Bleiglätte,
                              durch drei Stunden lauwarm digerirt und dann abfiltrirt) und eine Lösung
                              schwefelsaurer Thonerde. Wir haben uns von letzterer ein für diese Campagne
                              genügendes Quantum dargestellt und den Einfluß des Niederschlages von schwefelsaurem
                              Blei auf die Polarisation in der Weise bestimmt, daß der letztere getrocknet, dann vom Filter
                              möglichst herunter geschabt und in ein 100 Kubikcentimeter-Kölbchen gegeben
                              wurde; hierauf füllten wir aus einer Bürette mit destillirtem Wasser von
                              17,5° C., das Kölbchen bis zur 100 K. C. Marke und lasen an der ersteren die
                              verbrauchte Wassermenge ab, welche entsprechend dem schwefelsauren Bleiniederschlag
                              zu niedrig ausfällt. Auf 1 K. C. unserer schwefelsauren Thonerdelösung reducirt,
                              ergab sich im Mittel aus 10 Bestimmungen ein Einfluß von 0,051 K. C.; wir werden 2
                              K. C. verwenden, welche Menge, wie wir uns durch Proben mit verschiedenem Rohzucker
                              überzeugt haben, wohl in den meisten Fällen ausreichen dürfte, und entsprechend dem
                              Niederschlag von schwefelsaurem Blei 0,1 von der Polarisation abziehen.Man s. die im Maiheft 1872 des „Organs des Vereines für
                                       Rübenzuckerindustrie in der österr. ungar. Monarchie“ S. 310
                                    veröffentlichte Arbeit über den Einfluß der schwefelsauren Thonerde und des
                                    Bleieisiges auf die Polarisation von Zuckerlösungen. Wir glauben nochmals erwähnen zu sollen, daß man durch dieses Verfahren
                              nicht den totalen Fehler eliminirt, da ja der Einfluß des Niederschlages
                              vernachlässigt wird, welcher durch die Verbindung von Blei mit den organischen
                              Substanzen der Zucker entsteht, aber wenigstens findet der Fehler Berücksichtigung,
                              welchen die zugesetzten Klärungsreagentien hervorrufen.
                           Das Auffüllen der Rohzuckerlösung auf 100 K. C. muß mit der größten
                              Gewissenhaftigkeit und mit Berücksichtigung der Temperatur erfolgen, da die
                              Normalgewichte von 26,048 und 16,85 reiner Raffinade in 100 K. C. gelöst, auf dem
                              Apparate 100° entsprechen und man mithin durch einen Fehler von 0,1 bei dem
                              Auffüllen, auf 100 K. C., denselben Fehler beim Ablesen der Grade an dem Instrumente
                              erhält. Bei Rohzucker wird der Fehler ein wenig geringer und zwar entsprechend dem
                              Wasser- und Nichtzuckergehalt. Es ist jedes Kölbchen, welches zu solchen
                              Zwecken benutzt wird, vorher sorgfältig zu prüfen und wir empfehlen diese Prüfung
                              ganz besonders bei den gewöhnlich vorkommenden Thüringer Kölbchen, bei welchen
                              Differenzen von 1–2 K. C. durchaus nicht zu den Seltenheiten gehören. Diese
                              Kölbchen haben außerdem noch einen Mangel; man kann wegen ihrer Halsweite den
                              Meniscus schwer richtig ablesen und die Ablesung wird durch den Umstand noch
                              ungenauer, daß die durch die Klärungsreagentien hervorgerufene Trübung die
                              Flüssigkeit undurchsichtig macht.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 206, S. 328
                              Wir haben deßwegen Kölbchen construirt, bei welchen dieser Mangel ausgeschlossen
                                 ist; dieselben haben beistehende Form.
                              Die obere Oeffnung ist 20 Millimet. weit, so daß sie sich bequem mit dem Daumen
                                 schließen läßt, während die Marke in den engen, 8 Millimet. weiten Halsraum
                                 fällt. Wir glaubten anfänglich eine Halsweite anwenden zu können, welche an der
                                 Marke nur 5 Millimet. betrug, es stellte sich aber bald heraus, daß der enge
                                 Hals durch die Rohzuckerkrystalle verstopft wurde, sobald man mit Zucker
                                 manipulirte, welcher auf grobes Korn gekocht war. Wir haben es daher mit 8, 10
                                 und 12 Millimet. weiten Kölbchen versucht und uns nach längerem Gebrauch für 8
                                 Millimet. entschieden. Ein jeder gut in der Reibschale verriebene Zucker ist mit
                                 Leichtigkeit und rasch aus der Neusilberschale in das Kölbchen zu gießen; die
                                 Ablesung ist äußerst scharf und das Volum welches ein freier Tropfen in dem
                                 engen Theil des Halses einnimmt, so bedeutend, daß wir eine zu diesem Zwecke
                                 fein ausgezogene Pipette zum Einstellen benutzen, weil es häufig vorkam, daß der
                                 unter der Marke befindliche untere Rand der Flüssigkeit durch den Tropfen aus
                                 einer gewöhnlichen Pipette über den Strich verlegt wurde.
                              
                           Man hat bei dem Ablesen des Meniscus stets darauf zu achten, daß das Auge sich mit
                              der Marke in einer Ebene befindet und sich darin consequent zu bleiben, was man den
                              Rand der Flüssigkeit nennt; ohne auf dieses Thema näher einzugehen, verweisen wir
                              auf Mohr's Lehrbuch der Titrirmethode, dritte Auflage, S.
                              11.
                           Die besprochenen Kölbchen gewähren nun aber nicht allein den Vortheil, daß man bei
                              dem kurzen Bogen, welchem die Flüssigkeit in den engen Hals macht, genau den
                              tiefsten Punkt derselben erkennen kann, sondern die Flüssigkeit bleibt auch
                              vollständig wasserhell, sobald man darauf achtet, die Klärungsreagentien so
                              zuzusetzen, daß man schließlich den Halsraum bis zur Marke mit destillirtem Wasser
                              auffüllt; hierdurch wird die richtige Einstellung bedeutend erleichtert. Sollten
                              sich durch unvorsichtiges Eingießen Luftblasen gebildet haben, so sind dieselben vor
                              der Einstellung zu entfernen, was durch Einwirkung von Aetherdampf auf die
                              Oberfläche der Flüssigkeit leicht zu erreichen ist.
                           
                           Nach der Einstellung wird der Inhalt des Kölbchens tüchtig umgeschüttelt, 1–2
                              Minuten stehen gelassen und dann durch ein Faltenfilter filtrirt, zu dessen Halt man
                              eine Filtrirschale oder einen kurz abgeschnittenen Trichter benutzen kann. Die
                              zuerst durchlaufenden Tropfen gießt man auf das Filter zurück. Ist ein genügendes
                              Quantum Zuckerflüssigkeit klar durch das Filter gelaufen, so spült man die 200
                              Millimet. lange Röhre einige Male mit derselben aus, füllt sie dann und schiebt das
                              Deckglas von der Seite so auf, daß keine Luftblasen in die Röhre gelangen.
                           Man mache es sich ein für allemal zur Regel, bei dem Hintragen der Röhre zum Apparat
                              stets die beiden Schrauben zu lockern und wieder leicht anzuziehen. Vergißt man
                              dieß, und es ist eine derselben zu fest angezogen, so erhält man theils durch
                              Flexion, theils durch Compression des Deckglases eine falsche Polarisation, welche
                              bis 3 Procent fehlerhaft seyn kann.