| Titel: | Ueber ein neues Verfahren bei der Darstellung caustischer Soda; von W. Helbig. | 
| Autor: | W. Helbig | 
| Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. CV., S. 376 | 
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                        CV.
                        Ueber ein neues Verfahren bei der Darstellung
                           caustischer Soda; von W.
                              Helbig.
                        Helbig, Verfahren zur Darstellung caustischer Soda.
                        
                     
                        
                           Es ist bekannt, daß der größte Theil der in den Sodafabriken erzeugten caustischen
                              Soda aus den beim Versieden der rohen Sodalaugen restirenden Mutterlaugen gewonnen
                              wird. Diese Mutterlaugen sowie auch die aus Sodalaugen mittelst Aetzkalk
                              hergestellten ätzenden Laugen, enthalten neben Aetznatron, kohlensaurem Natron etc.
                              und Cyanverbindungen, hauptsächlich noch Schwefelverbindungen, welche letztere
                              besonders zu beseitigen sind, um aus diesen Laugen eine verkäufliche Waare zu
                              erzielen. Zu diesem Zwecke benutzte man früher mit Erfolg nur den Salpeter, welchen
                              man zusetzte und der bei der geeigneten Temperatur das Schwefelnatrium zu
                              Glaubersalz oxydirt, welches nicht nachtheilig erscheint.
                           Die Verfahrungsarten, um den Schwefel aus den Laugen durch Anwendung von Metalloxyden
                              zu entfernen, gaben keine für die Praxis genügenden Resultate bezüglich des Erfolges
                              und Kostenpunktes, und haben sich deßhalb auch keiner dauernden Anwendung erfreuen
                              können.
                           Auch das Verfahren, im ersten Stadium des Eindampfens der Laugen, so lange diese noch
                              nicht dickflüssig geworden sind, Luft einzublasen um den Schwefel zu oxydiren und
                              die Verdampfung zu befördern, gibt keine genügenden Resultate; die Oxydation ist
                              eine sehr langsame und unvollständige.
                           Bei dem neuen von mir eingeführten Verfahren ging ich gegen das zuletzt erwähnte
                              einen Schritt weiter, indem ich die Luft nicht in die Laugen, sondern erst in die
                              im rothglühenden Flusse befindliche Masse leite.
                           Dieses Verfahren ist einfach und sicher, und wird in folgender Art ausgeführt:
                           Die ätzenden Laugen werden wie sie sind in den nämlichen Apparaten d.h. in
                              gußeisernen Kesseln, wie bisher eingedampft. Hierbei tritt nun zunächst ein
                              Concentrationsgrad ein, wobei sich die in den Laugen enthaltenen Cyanverbindungen
                              unter Aufschäumen und Ammoniakentwickelung, sowie Abscheidung von Graphit zersetzen;
                              dann fällt der Schaum und der Inhalt des Kessels wird dickflüssig. Ist dieser
                              Zeitpunkt eingetreten, so feuert man stärker, bringt die Masse zum Rothglühen, wobei
                              sie dünnflüssiger wird, und bedeckt den Kessel mit einem Blechdeckel, welcher in der
                              Mitte einen kleinen Blechkamin trägt und daneben eine Oeffnung hat zur Aufnahme
                              eines Eisenrohres, das bis auf den Boden des Kessels hinabreicht und durch welches
                              nun vermittelst einer Pumpe Luft in die geschmolzene Masse getrieben wird. Der
                              ausgeschiedene Graphit schwimmt hierbei auf der Oberfläche und kann abgeschöpft
                              werden, oder man läßt ihn, was wohl allgemein auch geschieht, mit verbrennen, da er
                              in Folge seiner krystallinischen Beschaffenheit wenig Deckkraft besitzt und z.B. zur
                              Bleistiftfabrication nicht zu gebrauchen ist.
                           Die Oxydation der Schwefelverbindungen beginnt sofort und wird durch zeitweise
                              genommene Proben nach dem Aussehen controllirt. Das Anblasen der Luft erfolgt so
                              stark, daß die Masse in starkes Wallen kommt, und wird fortgesetzt bis fast aller
                              Schwefel oxydirt ist oder bis er vollständig oxydirt ist, je nachdem man ein rein
                              weißes oder bläuliches Product erzielen will. Dann entfernt man, während der Inhalt
                              des Kessels noch rothglühend ist, das Feuer, schließt den Schieber, läßt einige
                              Stunden klären und schöpft hernach die caustische Soda wie gewöhnlich aus.
                           Das Rohr, welches die Luft in den Kessel einführt, ist am besten ein dickwandiges
                              eisernes; dasselbe ist rechtwinkelich gebogen und hängt am Knie in einer über eine
                              Welle gehenden Kette. Der in den Kessel tauchende Schenkel ist unten verschlossen
                              und hat da an der Seite vier kleine Oeffnungen, durch welche die Luft vertheilt
                              wird; der andere Schenkel des Knierohres dagegen ist zur leichteren Handhabung
                              mittelst eines Gummischlauches mit einem Hahn der Luftleitung verbunden.
                           Der erste Versuch, welchen ich in dieser Art im Frühjahr 1869 anstellte, gelang
                              sogleich überraschend gut, und seitdem ist mein Verfahren in fast alle Sodafabriken
                              übergegangen, wodurch sich der allgemeine Verbrauch von Salpeter, welcher sich per 100 Pfd. caustischer Soda in den verschiedenen
                              Fabriken auf 2 bis 10 und noch mehr Procente belief, nicht unbedeutend vermindert
                              hat.
                           
                              Heinrichshall bei Gera, im November 1872.