| Titel: | Ueber Ligroinbeleuchtung; von Prof. Dr. Marx in Stuttgart. | 
| Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. CXX., S. 443 | 
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                        CXX.
                        Ueber Ligroinbeleuchtung; von Prof. Dr. Marx in Stuttgart.
                        Aus dem württembergischen Gewerbeblatt, 1873, Nr.
                              48.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              IX.
                        Marx, über Ligroinbeleuchtung.
                        
                     
                        
                           Schon seit einigen Jahren werden die flüchtigeren Oele welche beim Raffiniren des
                              amerikanischen, besonders des pennsylvanischen Erdöles in bedeutender Menge, so zu
                              sagen als Nebenproduct gewonnen werden, unter verschiedenen Namen, wie Ligroin,
                              Gasolin u.s.w. auch zu Beleuchtungszwecken verwendet; gehören doch diese Oele, was
                              ihre chemische Zusammensetzung betrifft, zu den passendst hierzu zusammengesetzten
                              Substanzen. Die große Flüchtigkeit dieser Oele machte es unmöglich, dieselben in den
                              gewöhnlichen Lampen zu brennen; es war auch wohl die Furcht vor der leichten
                              Entzündlichkeit und der dadurch bedingten Feuergefährlichkeit, die der allgemeineren
                              Verbreitung dieses Leuchtstoffes hinderlich in den Weg trat; dazu kommt noch der
                              verhältnißmäßig hohe Preis des Ligroins, welcher gewöhnlich höher ist als der des
                              Erdöles, obwohl jenes effectiv nicht mehr Leuchtvermögen besitzt als dieses.
                           Die Feuergefährlichkeit dieses Oeles wird heute nicht mehr für so entscheidend wie
                              früher für die Verwendung desselben angesehen werden, da das große Publicum in
                              neuerer Zeit bedeutende Fortschritte im Umgang mit leicht entzündlichen Stoffen
                              gemacht hat; wie rasch hat man sich z.B. an den Gebrauch des Erdöles gewöhnt, ohne
                              daß häufige Brandfälle hierdurch hervorgerufen werden! Allerdings ist das Ligroinöl
                              in viel höherem Grade entzündlich als das Erdöl, denn während ein gutes Erdöl erst
                              erwärmt werden muß, um sich direct entzünden zu lassen, brennt das erstere sofort,
                              wenn man es mit einem brennenden Span berührt; auch bilden sich bei der großen
                              Flüchtigkeit desselben leicht bei gewöhnlicher Temperatur schon Dämpfe, welche
                              genügend mit Luft vermischt ein Gemisch geben, das beim Entzünden explodirend wirkt.
                              Bei einiger Vorsicht
                              aber lassen sich Unfälle leicht vermeiden und es wird das Oel in vielen Fällen ein
                              empfehlenswerther Leuchtstoff seyn können.
                           Zur Verwendung von Ligroin für Leuchtzwecken werden von manchen Seiten Apparate in
                              den Handel gebracht für Herstellung von sogenanntem Astralgas. In ihnen wird im
                              Allgemeinen ein Luftstrom über oder durch Ligroin geführt, so daß sich die Luft mit
                              den Dämpfen dieses Oeles sättigt und ein brennbares leuchtendes Gasgemisch entsteht,
                              das durch eine kurze Röhrenleitung den Brennern, ähnlich wie gewöhnliches Leuchtgas
                              zugeführt wird, um wie dieses zur Beleuchtung benutzt zu werden. Diese Methode, nach
                              welcher die Luft sozusagen als Träger der Ligroindämpfe dient, ist schon vom
                              theoretischen Standpunkt aus als eine für Beleuchtung unzweckmäßige zu bezeichnen,
                              denn durch das Zumischen von Luft wird der Leuchteffect des Oeles vermindert, wie
                              man oft absichtlich durch Zumischen von Luft zu gewöhnlichem Leuchtgas für
                              Heizzwecke das Leuchten des Gases sehr bedeutend vermindert, um keine Rußabscheidung
                              an in die Flamme gehaltenen Körpern zu erhalten. Die Anschaffung eines solchen
                              Astralgasapparates mit seinen Röhrenfahrten ist ferner eine ziemlich kostspielige,
                              und es wird sich die Beleuchtung mit diesem Gas nur unter localen Verhältnissen
                              empfehlen.
                           Für dieses Oel wird die Lampenbeleuchtung angezeigt seyn, und es werden sich bei der
                              Flüchtigkeit desselben Lampenconstructionen finden lassen, welche die Vortheile der
                              Gasbeleuchtung mit denen der Lampenbeleuchtung vereinigen. Nach dieser Richtung
                              waren die HHrn. Lilienfein und Lutscher, Lampenfabrikanten in Stuttgart, mit Glück thätig; sie
                              construiren Ligroinlampen welche billigen Anforderungen genügen. Eine ihrer
                              einfachsten Lampenconstructionen ist die ihrer Wandlampe Fig. 28; a ist deren Oelbehälter, b
                              die mit einer Schraube versehene Einfüllöffnung; bei c
                              ist ein versilberter Reflector; die Röhre d führt das
                              Oel zu den Hähnen e. Zwischen e und der Metallscheibe f ist in die Röhre ein
                              Faserstoff gebracht, ein Docht, der aber schon unterhalb f endet; über der Scheibe f ist der Brenner
                              g mit einer Anzahl feiner Durchbohrungen, in einer
                              verticalen Ebene liegend, versehen. Soll die Lampe angezündet werden, so öffnet man
                              den Hahn e und erwärmt mit einem Zündholz die Scheibe
                              f, so verdampft genügend Oel, um sich am Brenner
                              entzünden zu lassen. Aus jeder feinen Oeffnung bricht eine kleine Flamme hervor;
                              diese Einzelflammen fließen zu einer Gasflamme zusammen, ähnlich der mit einem
                              Schnittbrenner erhaltenen gewöhnlichen Gasflamme.
                           Diese Lampenvorrichtung läßt sich in sehr verschiedener Form ausführen; es werden
                              z.B. Lüster verkauft, an deren Hängestange unten sich das Oelreservoir befindet,
                              von welchem mehrere Röhren ausgehen, um ebensoviele Brenner zu speisen. Es läßt sich
                              mit diesen Lampen eine Beleuchtung, der eigentlichen Gasbeleuchtung täuschend
                              ähnlich erzielen.
                           Außer dieser Sorte von Ligroinlampen wird noch eine andere Sorte construirt, welche
                              im Princip mit der schon vor 25 Jahren für eine Mischung von Terpenthinöl und
                              Weingeist durch Lüdersdorff hergestellten Lampe
                              übereinstimmt. Sie ist in Fig. 29 dargestellt; a ist das gläserne Oelreservoir, welches nach
                              Abschrauben des oberen Theiles der Lampe bei b mit
                              Ligroin gefüllt wird. Die Röhre c geht nach dem
                              Aufschrauben des oberen Theiles bis nahe zum Boden des Oelreservoirs und ist mit
                              einem Docht durchzogen, der aber schon unter dem Hahn f
                              endigt. Diese Röhre ist mit- einem Metallkörper d
                              umgeben, welcher das Oelgefäß vor der Einwirkung der strahlenden Wärme der Flamme
                              schützt; an ihr sitzt ferner napfartig der Körper e (im
                              Durchschnitt gezeichnet). Die Röhre endigt mit dem Hahn f zum Auslöschen und Reguliren der Flamme; über diesem befinden sich, in
                              einer Horizontalebene liegend, die 10 oder 12 Brenneröffnungen, kleine runde Löcher,
                              welche durch die Metallscheibe g überdacht sind. Soll
                              die Lampe angezündet werden, so öffnet man zunächst den Hahn f, gießt etwas Weingeist in das Näpfchen e,
                              entzündet ihn, so wird durch die beim Verbrennen des Weingeistes sich entwickelnde
                              Wärme Oel im Rohre c verdunstet, dessen Dampf aus den
                              Brenneröffnungen hervortritt und sich an der Weingeistflamme entzündet; die Lampe
                              brennt mit so viel Einzelflämmchen, als Brenneröffnungen vorhanden sind, ein
                              Zusammenfließen ersterer zu einer Flamme findet nicht
                              statt. Die Scheibe g wird durch die Flamme hinlänglich
                              erhitzt, um genug Wärme durch Leitung an das Oel abgeben zu können, zur Verdampfung
                              des Oeles welche das Fortbrennen bedingt. Zum Schutze der Augen ist die
                              Flammengrupppe mit einer Milchglasglocke umgeben.
                           Mit solchen Lampen hat Herr Assistent Kalb im chemisch
                              technischen Laboratorium des Polytechnicums zu Stuttgart Consum- und
                              Leuchtkraftbestimmungen ausgeführt, und zu den Versuchen eine gewöhnliche
                              Erdölrunddochtlampe mit Zugglas und mit einem mittleren Brennerdurchmesser = 15
                              Millimet. benutzt, wie auch in der unten folgenden Tabelle das Leuchtgas mit
                              aufgenommen worden ist.
                           Den Kostenberechnungen sind folgende Preise zu Grunde gelegt: 1 Liter Ligroinöl = 700
                              Gramme kostet 18 Kreuzer; das Erdöl pro Pfund = 500
                              Gramme, 11 Kreuzer; 1000 Kubikfuß engl. Steinkohlengas kosten hier 2 fl. 36 kr.;
                              außerdem wurde noch ein Preis von 6 fl. pro 1000
                              Kubikfuß in Betracht gezogen, wohl als Maximum des jetzigen Preises von Steinkohlengas.
                              Verglichen wurde bei den photometrischen Messungen mit einer Normalstearinkerze bei
                              50 Millimet. Flammenhöhe.
                           Die Versuche ergaben:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 206, S. 445
                              Lampe Fig. 28; Lampe fig. 29; mit
                                 ganz geöffnetem Hahn; mit halb geöffnetem Hahn; Erdölrunddachtlampe; Gas zum
                                 Preis von 2 fl. 36 kr.; Großer Brenner; Kleinerer Brenner; Gas zum Preis von 6
                                 fl.; Leuchtkraft in Normalkerzen; Stündlicher Verbrauch; Dieser kostet; pro Licht = 1 Kerze berechnet sich stündlicher
                                 Verbrauch
                              
                           Die Lampe Fig.
                                 28 brannte bei den Versuchen so hell wie die Erdöllampe, aber verbrauchte
                              21,62 Grm. Ligroin, während die Erdöllampe nur 18,08 Grm. Erdöl stündlich verzehrte.
                              Diese Zahlen sprechen zu Gunsten des Erdöles, auch abgesehen von dem billigeren
                              Preis des letzteren.
                           Die Lampe Fig.
                                 29 gab bei ganz geöffnetem Regulator ein Licht = 8 1/2 Kerzen bei einem
                              stündlichen Ligroinverbrauch von 68,6 Grm.; gebrannt mit halbgeöffnetem Regulator
                              gab sie ein Licht gleich 6 1/2 Kerzen bei 46 Grm. stündlichem Verbrauch. Vergleicht
                              man diese Zahlen, so ergibt sich, daß die Lampe im zweiten Fall viel günstiger
                              brannte, denn es berechnet sich für ein Licht gleich dem Einer Kerze im ersten Fall
                              68,6/8,5 = 8,07 Grm., im zweiten 46/6,5 = 7,08 Grm. stündlicher Consum. Weiter
                              ergibt sich, daß bei halbgeöffnetem Hahn die Lampe Fig. 29 günstiger als die
                              Lampe Fig. 23
                              brennt, während bei ganz geöffnetem Hahn das Umgekehrte stattfindet. Die Leistung
                              beider Lampen wird aber durch die der Erdöllampe schon dem Consum nach, noch mehr aber nach
                              der Kostenberechnung überboten.
                           Will man noch die Leistungsfähigkeit des Leuchtgases herbeiziehen, so kommt zuerst
                              der Preis desselben in Betracht, da am einfachsten gleich Leuchtkraft und Preis der
                              verschiedenen Beleuchtungsarten verglichen werden. Da ferner bei kleinerem Consum im
                              Allgemeinen das Gas weniger günstig brennt, so wurde auch eine kleinere Gasflamme
                              beobachtet. Aus obiger Tabelle ergibt sich deutlich, daß das Leuchtgas zu 2 fl. 36
                              kr. ein weitaus billigeres Beleuchtungsmaterial ist als Ligroin, selbst als Erdöl,
                              und daß erst bei einem Gaspreis von 6 fl. das Erdöl demselben den Rang streitig
                              macht, aber das Ligroin bei obigem Preise von 18 kr. per
                              Liter selbst mit diesem Gaspreise nicht concurriren kann.
                           Die neuen Lampen schaffen nach Obigem nicht ein billigeres Licht, sie bieten nur im
                              Gebrauch vor der Erdöllampe manche Annehmlichkeit, z.B. daß sie keinen Docht und
                              kein Zugglas haben.
                           
                        
                     
                  
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