| Titel: | Ueber die Gewinnung verschiedener chemischer Produkte aus Knochen in der Knochenkohle-Fabrik von Dunod und Bougleux; Bericht von Barral. | 
| Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. CXXIX., S. 469 | 
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                        CXXIX.
                        Ueber die Gewinnung verschiedener chemischer
                           Produkte aus Knochen in der Knochenkohle-Fabrik von Dunod und Bougleux; Bericht von Barral.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement, October 1872, S. 551.
                        Dunod und Bougleux's Fabrication von Knochenkohle etc.
                        
                     
                        
                           Die Fabrik der HHrn. Dunod und Bougleux befindet sich in Aubervilliers bei Paris, am sogen. Chemin de la Haie-Coq. Dieselbe wurde im Jahre
                              1842 von den HHrn. Bocquet
                              sen. und Montena angelegt,
                              und wird seit sechs Jahren von den neuen Besitzern geleitet, welche sich bei den in
                              fortwährendem Steigen begriffenen Preisen der ihrem Industriezweige als Rohstoff
                              dienenden Knochen genöthigt sahen, alle aus denselben extrahirbaren Producte
                              möglichst vortheilhaft zu erzeugen und zu verwerthen.
                           Früher calcinirte man die Knochen einfach um Knochenkohle darzustellen und suchte
                              dabei die ammoniakhaltigen Nebenproducte zu gewinnen; Letzteres gab man jedoch
                              wieder auf, da der Werth dieser Nebenproducte den durch ihre weitere Verarbeitung
                              bedingten Mehraufwand an Brennmaterial nicht ausglich. Die Sache hat sich aber
                              geändert, seitdem die stickstoffhaltigen Producte von den Landwirthen so gesucht
                              sind und das schwefelsaure Ammoniak direct als Dünger verwendet oder wenigstens als
                              Gemengtheil zur Darstellung der jetzt in so ausgedehntem Maaße consumirten
                              Kunstdünger benutzt wird.
                           Demzufolge entschlossen sich Dunod und Bougleux, zum Calciniren der Knochen anstatt der
                              gewöhnlichen Töpfe solche Gefäße anzuwenden, welche das Auffangen des sämmtlichen
                              Ammoniakwassers und der Oele welche durch die Wärme aus den Knochen ausgetrieben
                              werden, gestatten; sie suchten ferner den Abgang bei der Fabrication der
                              Knochenkohle zu vermindern, indem sie aus den Knochenresten welche keine gut
                              verkäufliche Kohle liefern, vor dem Calciniren Knochenpulver bereiten.
                           Die Fabrik am Chemin de la Haie-Coq verarbeitet
                              jährlich 7 bis 8 Millionen Kilogramme Knochen, d.h. per
                              Arbeitstag für ungefähr 3000 Francs; in gewöhnlichen Zeiten beschäftigt sie 80, und
                              wenn die große Fabricationszeit herankommt, d.h. zu der Zeit wo die Zuckerfabriken
                              am meisten Knochenkohle verbrauchen, bis 120 Arbeiter. Zwei Dampfmaschinen, die eine
                              von 25, die andere von 10 Pferdekräften, treiben die Apparate, nämlich: eine
                              Maschine zum Zerkleinern der Knochen, mehrere Mühlen und Beutelmaschinen für die
                              Knochenkohle, Pumpen zur Bewegung der verschiedenen Flüssigkeiten, und Krahne zum Versetzen der schweren
                              Apparate. Zu Transportzwecken werden 9 Pferde gehalten.
                           Die Knochen welche in die Fabrik kommen, werden zuerst sortirt, um die beigemengten
                              fremdartigen Substanzen, besonders Eisenstückchen und Steine, zu entfernen und
                              gewisse Knochensorten für specielle Fabricationen auszulesen. Der größte Theil der
                              sortirten Knochen kommt in die Zerkleinerungsmaschine, welche aus zwei, mit starken
                              Zähnen versehenen Walzen besteht, die sich in entgegengesetztem Sinne drehen, so daß
                              die frischen Knochen zerbrochen und zermalmt werden.
                           Die zerkleinerten Knochen werden mit Wasser in Kessel eingetragen und mit Dampf
                              behandelt; das hierbei ausgeschiedene Fett wird gesammelt, am Lichte gebleicht und
                              je nach der Jahreszeit, per 100 Kilogrm. für 90 bis 96
                              Frcs. als Knochenfett verkauft.
                           Nach dem Entfetten werden die Knochen zum Trocknen in Haufen von 2, 3 und 4 Metern
                              Höhe aufgeschichtet. Die Temperatur dieser Haufen steigt bald auf 60 bis 70°
                              C.; die Masse erleidet eine Gährung, wobei sich eine große Menge von Würmern oder
                              Maden aus ihr entwickeln und wird bald so trocken, daß sie gesiebt werden kann. Die
                              durch die Rätter fallenden Stücke werden zur Erzeugung von Knochenpulver verwendet,
                              welches durch Mahlen und Beuteln verschiedene Grade von Feinheit erhält.
                           Gegenwärtig liefert die Fabrik jährlich 1 bis 1 1/2 Millionen Kilogrm. Knochenmehl
                              von verschiedenen Korngrößen, welches als Dünger an die Landwirthe zum Preise von 17
                              Frcs. per 100 Kilogrm. verkauft wird. Dasselbe enthält
                              durchschnittlich 4 Proc. Stickstoff und 40 Proc. phosphorsauren Kalk. Im Allgemeinen
                              enthalten die Knochen nach dem Entfetten 5 1/2 Proc. Stickstoff; die Abfälle sind
                              aber stets etwas ärmer an stickstoffhaltigen Substanzen. Dieses Knochenmehl hat
                              einen höheren Stickstoffgehalt, als das aus entleimten Knochen dargestellte, welches
                              1 1/2 Proc. Stickstoff und 50 Proc. phosphorsauren Kalk enthält; letzteres setzen
                              die Leimfabrikanten sehr leicht ab, hauptsächlich nach England.
                           Dunod und Bougleux verkohlen
                              noch jetzt für zwei Drittel ihrer Knochenkohle-Fabrication die Knochen in
                              übereinander stehenden irdenen Töpfen. Diese Töpfe werden noch immer von ihnen
                              selbst angefertigt, und die benutzten Oefen sind nach den besten, in den Werken über
                              technische Chemie beschriebenen Systemen construirt. Sie bezweifeln jedoch nicht,
                              daß die Preise des schwefelsauren Ammoniaks sich auf einer solchen Höhe halten
                              werden, daß die Erzeugung desselben nach ihrem Verfahren sich lohnt.
                           Die neue Methode besteht übrigens ganz einfach in der Anwendung von Gasretorten und eines
                              Kühlsystemes welches dem in den Gasanstalten gebräuchlichen nachgeahmt ist.
                              Gegenwärtig sind zehn Retorten zur Verkohlung der Knochen im Betriebe. Ist der
                              Verkohlungsproceß beendigt, so wird das Product in eisenblechene, verschließbare
                              Dämpfer entleert, und die Retorten werden von Neuem beschickt. Die aus den Retorten
                              entweichenden Gase und Dämpfe strömen in einen aus zehn verticalstehenden Röhren
                              zusammengesetzten Säulenkühlapparat; in diesen Röhren steigen die Gase aufwärts und
                              ziehen dann in zehn anderen Röhren abwärts; sämmtliche Röhren werden von außen
                              abgekühlt. Hierauf gelangen die Gase in einen Kasten, in welchem die Condensirung
                              durch einen Staubregen vervollständigt wird; zuletzt werden sie in den Retortenherd
                              geleitet, wo sie verbrennen. Von ungefähr 4000 Kilogrm. Knochen erhält man 1
                              Kubikmeter Ammoniakwasser welches mit einem Brenzöle geschwängert ist; dieses Oel
                              wird durch Decantiren abgeschieden. Das aus dem Säulenkühlapparate kommende
                              Gaswasser zeigt an Baumé's Aräometer 8 bis 12°, dasjenige aus dem
                              Kühlkasten dagegen 7 bis 8°; beide Wässer werden in Cisternen gesammelt und
                              mit einander gemischt; dann werden sie mittelst einer Pumpe in einen Mallet'schen Apparat gehoben, um sie mittelst Kalk auf
                              Ammoniak zu verarbeiten. Man verbraucht gegenwärtig täglich 2 Hektoliter Kalk. Das
                              entbundene Ammoniak wird in unreine Schwefelsäure geleitet. Man legt kein Gewicht
                              auf die Gewinnung eines weißen Salzes, weil sämmtliches schwefelsaure Ammoniak zu
                              landwirthschaftlichen Zwecken verkauft wird. Die Menge des per 100 Kilogrm. Knochen gewonnenen schwefelsauren Ammoniaks beträgt 7 bis
                              8 Kilogrm.; man erhält demnach nur ungefähr ein Drittel des gesammten
                              Stickstoffgehaltes der Knochen in Form von schwefelsaurem Ammoniak. Gleichwohl
                              beträgt die in der Fabrik jährlich erzeugte Menge dieses Salzes 1600 Centner.
                           Die in den Retorten, also durch Verkohlung in verschlossenen Gefäßen gewonnene
                              Knochenkohle ist von vortrefflicher Qualität; sie kommt theurer zu stehen, als die
                              durch die Topfverkohlung erhaltene, weil die Darstellung der letzteren weniger
                              Brennmaterial erfordert.
                           Die Gesammtmenge der von Dunod und Bougleux jährlich fabricirten Knochenkohle beläuft sich auf drei Millionen
                              Kilogramme. Die Mühlen und die Beutelmaschinen sind nach den bekannten Systemen
                              construirt.
                           Die Producte der Fabrik sind: 1) grobkörnige Knochenkohle und Filtrirkohle für
                              Zuckerfabriken; 2) mittelkörnige Knochenkohle für Raffinerien; 3) Brenzöl; 4)
                              Knochenfett; 5) mehlfeines Schwarz für Anstreicher, Maler und Wichsefabrikanten; 6)
                              Jungfernschwarz zum Düngen; 7) Superphosphat von Knochen und Knochenkohle für die
                              Landwirthschaft, d. i. ein mit Schwefelsäure behandeltes Gemenge von Knochenpulver
                              und Knochenkohle; 8) Knochenpulver zum Düngen; 9) schwefelsaures Ammoniak; 10)
                              weißgebrannte Knochen zur Anfertigung von Kapellen (für Probirer und Metallurgen);
                              11) verglaste Knochen zur Fabrication des Opal- oder Milchglases. Das
                              jährliche Productionsquantum an letzterer Substanz beläuft sich auf beiläufig 25000
                              Kilogrm.; zur Darstellung derselben werden Schafbeine (Schenkelknochen) in
                              gewöhnlichen Verkohlungs- oder Calcinirtöpfen gebrannt, welche mit Löchern
                              für den Zutritt der Luft versehen sind. Man wählt die Schenkelknochen, weil
                              dieselben den dichtesten und festesten phosphorsauren Kalk zu geben scheinen und
                              überdieß eine Art Verglasung erleiden; was die weißgebrannten Knochen zur
                              Anfertigung der Kapellen betrifft, so wählt man vorzugsweise die voluminösen Knochen
                              von den Gelenken (Gelenkköpfe, Apophysen und Epiphysen) aus, deren größter Theil
                              porös ist; dieselben werden vollständig weißgebrannt und dann feinst gepulvert,
                              wornach sie ein mattweißes Mehl bilden, welches alle zu dem Zweck wofür sie bestimmt
                              sind, erforderlichen Eigenschaften besitzt.