| Titel: | Miscellen. | 
| Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. , S. 492 | 
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                        Miscellen.
                        Miscellen.
                        
                     
                        
                           Perkins' combinirte
                              Schiffsmaschinen.
                           Da wegen der hohen Kohlenpreise die Frage nach ökonomischeren Maschinen lebhaft in
                              den Vordergrund tritt, so zieht auch gegenwärtig das Dampfboot
                              „Filga“ , von welchem behauptet wurde daß es nur 2 Pfund
                              Wales-Kohle pro Pferdekraft verzehre, wogegen die
                              übrigen Schiffe der kgl. Marine deren 4,63 benöthigen, die Aufmerksamkeit bedeutend
                              auf sich und deßhalb erregt jeder dort aufgenommene Versuch über den
                              Brennmaterialverbrauch ganz besonders das öffentliche Interesse.
                           Die „Filga“ war ursprünglich ein Dampfboot, welches die HHrn.
                              Perkins und Sohn ankauften
                              und mit den gegenwärtigen Maschinen versahen, woher es kommt, daß Maschine und
                              Schiffskörper nicht im richtigen Verhältniß zu einander stehen. Die Cylinder sind
                              mit Dampfmänteln versehen; die zwei Niederdruck-Cylinder haben 30 Zoll (762 Millimet.)
                              Durchmesser und über jedem derselben befindet sich ein Hochdruck-Cylinder von
                              381 Millimet. Durchmesser, in welchem sich zwei an derselben Kolbenstange
                              festsitzende Kolben bewegen. Der Dampf tritt abwechselnd über den oberen und unter
                              den unteren dieser Kolben, und wird bei atmosphärischer Pressung endlich ganz
                              condensirt, mittelst Oberflächencondensatoren, so daß das Wasser mit 100° C.
                              in den Kessel zurückgeleitet wird. Die Dampferzeugung geschieht in einem sogenannten
                              Perkins'schen Sicherheitskessel, welcher aus 5/8 Zoll
                              dicken und 3 Zoll weiten, in horizontalen Lagen geordneten schmiedeeisernen Röhren
                              besteht, die unter sich durch verticale Stützen verbunden und aus 30 Sectionen von
                              je 8 Reihen, wovon 7 über den Roststäben und eine unter denselben liegen, bestehen.
                              Die Rohre wurden auf 2500 Pfund pro Quadratzoll Druck
                              geprobt. Die Maschine, obgleich nur von 80 Pferden nominell, entwickelt 240
                              indicirte Pferdekräfte. Die Griffith-Schraube hat
                              3 Schaufeln, 8 Fuß (2,438 Met.) Durchmesser und 11 Fuß (3,353 Met.) Steigung, welche
                              letztere nach mehreren Versuchen als die passendste befunden wurde.
                           Die „Filga“ durchlief eine Probestrecke von 41 englischen Meilen
                              (ca. 8,9 deutsche Meilen) in 4 1/4 Stunden, und zwar
                              mit einer Geschwindigkeit von 9,47 Knoten pro Stunde im
                              todten Wasser. Die Gesammtdauer von Hin- und Rückfahrt war 7 Stunden 40
                              Minuten, wobei der Dampfdruck von 185–260 Pfd. und die Zahl der Umdrehungen
                              von 74 bis 89 variirte.
                           Die abgenommenen Indicator-Diagramme zeigen einen bedeutenden Druckverlust
                              zwischen Maschinen und Kessel, indem bei ersteren der Druck bloß 181 resp. 218 Pfd.
                              betrug, wogegen die Kesselspannung 250 Pfund war; hingegen zeigte sich der Verlust
                              zwischen Hoch- und Niederdruck-Cylinder ziemlich gering. Die Leistung
                              des Hochdruck-Cylinders in der einen Maschine betrug 55,35 Pferde, jene des
                              Niederdruck-Cylinders 39,89, während sie bei der anderen Maschine resp. 68,79
                              und 41,46 waren, zusammen also 205,49 Pferdekräfte.
                           Der Kohlenverbrauch war durchschnittlich 39,4 Pfund pro
                              Stunde, daher sich in der That 2 Pfund pro Stunde und
                              Pferdekraft ergeben.
                           Es muß jedoch bemerkt werden, daß die Diagramme nicht in der erforderlichen Zahl und
                              vielleicht auch nicht mit der nöthigen Genauigkeit entnommen wurden, so daß
                              hierüber, sowie über den ganz genauen Kohlen- und Wasserverbrauch noch immer
                              gewisse Zweifel gestattet seyn durften. Uebrigens ist das Schiff durchaus nicht
                              günstig gebaut und lassen sich genaue Resultate ja nur bei einer überhaupt correct
                              durchgeführten Probe erwarten. (Nach Engineering, durch
                              die Zeitschrift des österr. Ingenieur- und Architektenvereines, 1872 S.
                              382.)
                           
                        
                           Motoren für Kleingewerbe.
                           In einer Besprechung der Bewegungsmaschinen für geringe Arbeitskräfte bemerkt Hr.
                              Prof. Rühlmann im „hannoverschen Wochenblatt
                                 für Handel und Gewerbe,“ 1872 Nr. 46, unter Anderem, daß es ihm in
                              neuester Zeit nicht gelungen sey, Notizen über die Hugon'sche Gasmaschine zu erlangen, daß vielmehr die Firma F. B. Balance in
                              Greenwich bei London, welche die Ausführung dieser Maschinen für England in die Hand
                              genommen hatte, betreffende Anfragen gänzlich unbeantwortet ließ. Die Otto-Langen'sche atmosphärische Gaskraftmaschine
                              gewinnt dagegen für ihren Arbeitskreis von 1/2 bis 2 Maschinenpferden immer mehr
                              Beifall. Unter anderen arbeiten mit Erfolg gegenwärtig vier derartige Maschinen im
                              Bezirk der Stadt Hannover, von denen z.B. eine einpferdige Maschine in 12
                              Arbeitsstunden für nur 13 bis 14 Sgr. Leuchtgas bedarf, welches letztere mit 1 1/3
                              Thlr. pro 1000 Kubikfuß bezahlt wird.
                           Ist auch in jüngster Zeit der Anschaffungspreis dieser Maschinen gestiegen (der
                              einpferdigen von 515 Thlr. auf 600 Thlr, und der der zweipfertigen von 640 Thlr. auf
                              750 Thlr.), so sind ihre Annehmlichkeiten, insbesondere die Vortheile der
                              augenblicklichen Ingangsetzung und Abstellung und des Nichtbedarfes irgend welcher
                              Feuerungsanlage, unter Umständen so groß zu nennen, daß man den hohen
                              Anschaffungspreis gern vergißt, zumal sich immer mehr herausstellt, daß man sich an
                              ihre etwas unruhige, ja geräuschvolle Arbeit bald gewöhnt, beziehungsweise dieses
                              Geräusch auch fast ganz unmerklich machen kann, wenn man die verhältnißmäßig wenig
                              Raum einnehmende Maschine mit einem besonderen und dichten Breterverschlag
                              umgibt.
                           
                           Was die Nutzbarmachung der Wärmeentwickelung durch die Gaskraftmaschinen betrifft
                              (nach Lenoir und Hugon mit
                              geschlossenem Kolbencylinder und nach Otto-Langen
                              mit oben offenem Cylinder), so hat neuerdings der Ingenieur A. Stevard ermittelt, daß unter der Annahme daß die Verwendung von 1 Liter
                              Leuchtgas 6 Calorien (Wärmeeinheiten) gibt, die Maschinen von Lenoir und Hugon 3,8 Proc. des
                              Total-Wärmeeffectes liefern, dagegen die (gegenwärtigen) Otto-Langen'schen Maschinen 12,8 Proc.; dieser
                              Nutzeffect entspricht dem einer Dampfmaschine welche nur 0,62 Kilogrm. Steinkohle
                              pro Pferdekraft und pro
                              Stunde verbrennen würde Darnach scheint es fast unnöthig, noch nach besseren Motoren
                              für das Kleingewerbe zu streben, als die Otto-Langen'schen Gaskraftmaschinen sind. Dennoch aber geschieht
                              dieß noch fortwährend und bemüht man sich neuerdings namentlich, die Lehmann'schen geschlossenen calorischen MaschinenBeschrieben im polytechn. Journal, 1869, Bd. CXCIV S. 257. an die Stelle der Gaskraftmaschinen zu setzen. Die neueren Urtheile über
                              dieselbe lauten ebenso wie die älteren nicht ungünstig. Unter Anderem spricht sich
                              Prof. Gust. Schmidt in Prag dahin aus, daß sich bei
                              Anwendung eines mäßigen Hochdruckes mit verminderter Temperatur eine dauerhafte
                              calorische Maschine erwarten und in dieser Form eine für Kleingewerbe wichtige
                              Zukunft voraussagen lasse. Zur Erzeugung des Hochdruckes will Professor Schmidt dabei eine Luftcompressionspumpe in Anwendung
                              bringen, welche wie die Speisepumpe einer Dampfmaschine nur periodisch in Gang zu
                              setzen wäre und die während der Anheizperiode, bei sonst leergehender Maschine, so
                              lange in Gang zu halten seyn würde, bis im Windkessel die für den Betrieb der
                              Arbeitsmaschine nöthige Spannung vorhanden ist. Prof. Schindler in Ofen spricht sich in folgender Weise aus: „Nimmt
                                 man den Brennstoffaufwand als Maaßstab zur Beurtheilung der Motoren, so
                                 benöthigt man bei den im Gebrauch befindlichen Dampfmaschinen 2 Kil. bis 0,83
                                 Steinkohle pro Stunde und Pferdekraft, bei den
                                 möglichst gut anzuordnenden Luftmaschinen 0,53 Kil., bei den Gaskraftmaschinen 6
                                 Kil. und endlich bei den Elektromotoren einen Materialaufwand, der dem Werthe
                                 von 40 Kil. Steinkohle pro Stunde und Pferdekraft
                                 gleichkommt.“
                              
                           Rechnet man zu diesen (wenn auch nur annähernd richtigen) Resultaten die Vortheile
                              der Lehmann'schen Luftmaschine, daß sie ohne jedes
                              Geräusch arbeitet und daß ihr Heizofen zugleich die Erwärmung irgend eines
                              Arbeitsraumes beschaffen oder auch zum Trocknen irgend welcher technischer Objecte
                              verwendet werden kann, so erklären sich die günstigen neueren Urtheile über die Lehmann'sche Luftmaschine, selbst von solchen Orten wo
                              Leuchtgas für Gaskraftmaschinen verhältnißmäßig wohlfeil zu haben ist, z.B. Berlin,
                              Dresden, Leipzig, Dessau, Bamberg etc. Selbstverständlich bleibt die Lehmann'sche Maschine der einzig rathsame Motor für
                              Kleingewerbe, wenn an der Betriebsstelle Leuchtgas gar nicht zu haben ist, wie dieß
                              in den Dörfern, in kleinen Städten und Ortschaften überhaupt der Fall ist, –
                              Die Preise dieser Maschinen, wie sie die Maschinenfabrik von Arendt in Dessau liefert, werden wie nachstehend verzeichnet:
                           
                              
                                 Pferdekräfte:
                                 1/8
                                 1/4
                                 1/3
                                 3/4
                                 1
                                 2
                                 
                              
                                 Preise in Thalern:
                                 200
                                 360
                                 400
                                 550
                                 700
                                 1150
                                 
                              
                           allerdings, gegenüber denen der Gaskraftmaschinen, etwas
                              theuer.
                           Was die dritte Gattung der in Vorschlag gebrachten Motoren für Kleingewerbe, die der
                              Wasserdruckmaschinen oder Turbinen betrifft, so findet die Wasserdruckmaschine des
                              Ingenieur Schmidt in Zürich immer mehr Beifall und
                              Anwendung. Bekanntlich gleicht diese Maschine (beschrieben im polytechn. Journal
                              Bd. CCIII. S. 81 und 332, zweites Januar- und erstes
                              Märzheft 1879) einer um die Mitte ihres Cylinders schwingenden Dampfmaschine mit
                              Kreisschieber-Steuerung, wobei durch Einschaltung eines verhältnißmäßig
                              großen Windkessels die Stöße beseitigt sind, welche sonst bei der Wechselbewegung
                              vom Vertheilungsschieber und Treibkolben zufolge der Unelasticität des Wassers
                              unvermeidlich seyn würden. Sorgfältige Versuche haben gezeigt, daß mit dieser
                              Maschine eine natürlich vorhandene Wasserkraft bis zu 89 Proc. ausgenutzt werden
                              kann, ein Werth der Alles übertrifft was man unter Anderem bei Turbinen bis jetzt zu
                              leisten vermochte. (Deutsche Industriezeitung, 1872, Nr. 50.)
                           
                        
                           
                           Die Brunnenwässer der Stadt Hannover.Nach einem, im hannoverschen Bezirksverein deutscher Ingenieure gehaltenen
                                    Vortrag.
                              
                           Nach dem Urtheil aller Sachverständigen muß ein gutes Trinkwasser folgenden
                              Anforderungen genügen:
                           1) Es muß farblos und geruchlos sein.
                           Von den 45 untersuchten Wässern genügen dieser Anforderung nur 33. Durch besonders
                              starke Trübung zeichneten sich aus die Brunnen: Leibnitzstraße 1, Georgsplatz.
                              Rathhaus am Friedrichswall. Sie sind als Trinkwasser und, wegen ihres starken
                              Eisen- und Mangangehaltes, für technische Zwecke nicht zu verwenden.
                           2) Die Temperatur derselben darf in den verschiedenen
                                 Jahreszeiten nur innerhalb geringer Grenzen schwanken.
                           Die Beeinflussung des Bodens durch die Sonnenstrahlen hört schon bei 20–25
                              Meter auf, Quellen aus dieser Tiefe zeigen meist die mittlere Jahrestemperatur. Am
                              24. August und 16. October wurde die Temperatur von 36 Wässern bestimmt. Wie
                              verschieden dieselbe, mögen folgende Beispiele zeigen:
                           
                              
                                 
                                 Hinter dem Walle:
                                 Leinstr.:
                                 Christuskirche:
                                 Leine:
                                 
                              
                                 24. August
                                 10,43
                                 13,15
                                 15,83
                                 17,73.
                                 
                              
                                 16. October:
                                 10,54
                                 11,44
                                 11,67
                                   8,95.
                                 
                              
                           3) Trinkwasser darf keine größeren Mengen von salpetersauren,
                                 schwefelsauren und Chlorverbindungen enthalten.
                           Während Gebirgswässer meist frei von Salpetersäure sind, enthalten die hannoverschen
                              Brunnen beträchtliche Mengen; so der der Leinstraße beim Schloß = 318, Escherstraße
                              = 332, Goseriede 9 = 346, Holzmarkt = 340, Taubenstraße = 365, Freischule in der
                              Scholwinstraße = 406, Berliner Wasser nach Reich 800
                              Milligrm. im Liter.
                           Durch auffallend starken Gehalt an Ammoniak und salpetriger Säure zeichnen sich aus:
                              Kümmelbrunnen, Georgenplatz, Rathhaus, Knochenhauerstraße, Wagenerstraße,
                              Bäckerstraße.
                           Der Gehalt an Schwefelsäure (bis 35 Milligrm.) und Chlor ist dem entsprechend. 1
                              Liter des Wassers aus der Wasserleitung der Stadt Springe enthält, nach anderen
                              Untersuchungen 10 Milligrm., des ersten Brunnens in Badenstedt, trotz unmittelbarer
                              Nähe der Salinen, 56 Milligrm. Chlor. Sämmtliche Brunnen Hannovers enthalten mehr,
                              namentlich Holzmarkt = 324, Striehlstraße = 372, Leinstraße = 405 oder auf Kochsalz
                              berechnet 667 Milligrm. im Liter.
                           4) Die alkalischen Erden in einem Liter Walser dürfen zusammen
                                 höchstens 200 Milligrammen Kalk entsprechen, also 20 deutsche oder 25 englische
                                 Härtegrade zeigen.
                           Während fast allgemein ein weiches, also wenig Kalk haltiges Wasser für das beste
                              Trinkwasser angesehen wird, ist neuerdings von einer Seite behauptet, der Organismus
                              bedürfe kohlensauren Kalk und dieser könne ihm nur durch das Trinkwasser in der
                              gewünschten Form geliefert werden. Immerhin können 20 Härtegrade als Maximum für
                              Trinkwasser festgehalten werden. Fast sämmtliche Wässer Hannovers enthalten mehr
                              Kalk, namentlich: Goseriede = 40, Holzmarkt = 42, Andertensche Wiese = 43 und
                              Escherstr. = 44 Härtegrade.
                           5) Die Gesammtmenge der festen Bestandtheile darf höchstens 0,5
                                 Grm. im Liter betragen.
                           Dieser Forderung genügt von den untersuchten Wässern kein einziges; der feste
                              Rückstand beträgt 0,7 bis 2,2 Grm. (Scholwinstr.). Leipziger Wasser gab bis 2,6 (Reich), Berliner bis 2,8, Saalwasser 0,09 Grm im
                              Liter.
                           6) Ein Liter darf nicht mehr als 50 Milligrm. durch
                                 übermangansaures Kali zerstörbare organische Substanzen und durchaus keine
                                 Organismen enthalten.
                           Das Wasser der Ihme enthält oberhalb der Stadt 12, unterhalb derselben 38 Milligrm.,
                              das der Leine beim Schützenhause 15, unterhalb Hannovers 26 Milligrm. im Liter.
                              Ueber 50 Milligrm. haben 22 Brunnen, namentlich: Christuskirche = 92, Parkstr. =
                              115, Nienburgerstr. = 118, Rathhaus = 143, Seilerstr. = 246 Milligrm.
                           
                           Auch niedere Organismen finden sich in den meisten Wässern, in einigen in
                              auffallender Menge.
                           Der Versuch Bischof's, die Güte eines Trinkwassers nur
                              durch das Mikroskop zu bestimmen, ist, wie alle einseitigen Untersuchungen, völlig
                              unzuverlässig. Mehrere Wässer geben farblose Krystalle mit wohl ausgebildeten
                              Flächen, würden also nach Bischof als „gut“ bezeichnet werden
                              müssen, die wegen ihrer Bestandtheile entschieden zu verwerfen sind.
                           Noch ist zu erwähnen, daß fast sämmtliche Brunnenwässer Hannovers starke Reaction auf
                              Phosphorsäure geben.
                           Demnach ist keines der untersuchten Brunnenwässer als gut
                              zu bezeichnen, mittelmäßig sind nur vier; die übrigen sind schlecht, ja sehr
                              schlecht. Dr. Ferd. Fischer.
                              (Hannoversches Wochenblatt für Handel und Gewerbe, 1872, Nr. 43.)
                           
                        
                           Ueber die in einigen englischen Steinkohlen eingeschlossenen
                              Gase; von Dr. Ernst v. Meyer.
                           Der Verf. hat verschiedene Proben von Steinkohle aus den Districten Newcastle und
                              Durham, welche Hr. Prof. Kolbe in Leipzig durch
                              Vermittelung des Hrn. Lyon Playfair in London aus England erhalten und ihm übergeben
                              hatte, auf die darin eingeschlossenen Gase untersucht, wobei er in derselben Weise
                              verfuhr, wie bei seiner früher beschriebenen Untersuchung von Zwickauer etc. Kohlen
                              (polytechn. Journal Bd. CCIV S. 462, zweites
                              Juniheft 1872).
                           In den genannten Bezirken gibt es Stellen, wo Grubengase Jahre lang mit Gewalt
                              ausströmen. Einige dieser Emanationen wurden vor etwa 25 Jahren von Playfair und Graham
                              untersucht, und beide wiesen nach, daß Grubengas den Hauptbestandtheil derselben
                              bildet; sie überzeugten sich zugleich von der Abwesenheit des ölbildenden Gases.
                              Ferner enthielten die analysirten Gase durchweg Stickstoff, und einige derselben
                              geringe Mengen Sauerstoff. Playfair fand in allen von 0,3
                              bis 2,1 Proc. Kohlensäure.
                           Die Frage, ob die Gase aus den dem Verf. übergebenen Kohlen sich analog
                              zusammengesetzt erweisen würden, oder ob sie noch andere kohlenstoffhaltige Gase
                              enthalten, etwa solche, welche der Verf. neben Grubengas früher in einigen Zwickauer
                              Kohlen nachgewiesen hat, schien besonderes Interesse zu beanspruchen.
                           Die Kohlen, deren Gase untersucht wurden, waren folgende:
                           
                              Kohlen aus dem Newcastler
                                    Disstrict.
                              1) Low Main Seam from Bewicke Main Colliery.
                                 Stellenweise deutlich schieferige Kohle von verwittertem Aussehen.
                              2) Maudlin Seam from Bewicke Main Colliery. Sehr
                                 harte Kohle von glänzendem, muschligem Bruch; deutlich geschichtet.
                              
                           
                              Kohlen aus dem Districte
                                    Newcastle-Durham.
                              3) Main Coal Seam from Upreth Colliery. Kohle mit
                                 glänzendem Bruch und deutlicher Schieferung.
                              4) 3/4 Seam from Urpeth Colliery about 30 fathoms from the surface. Unregelmäßig schieferige
                                 Kohle von glänzendem Bruch.
                              
                           
                              Kohlen aus dem Districte
                                    Durham.
                              5) Wingate Grange Colliery 3/4 Seam 74 fathoms from surface. Kohle von
                                 deutlich schieferiger, hin und wieder faseriger Struktur.
                              6) Wingate Grange Colliery, Low Main Seam 108 fathoms from surface. Unregelmäßig, aber deutlich
                                 schieferige Kohle.
                              7) Wingate Grange Colliery, Harvey Seam, 148 fathoms below surface. Sehr harte,
                                 schwefelkieshaltige Kohle mit glänzendem, muschligem Bruch.
                              
                           
                              Kohle aus einem nicht angegebenen
                                    Districte.
                              8) Upper or Harvey Seam Emily Vil., Woodhouse close
                                    Colliery, 25 fathoms from surface.
                                 Ausgezeichnet schieferige Kohle.
                              Die Analysen der Gase dieser Kohlen ergaben die nachstehenden Resultate:
                              
                              
                                 
                                    Nr.derKohle
                                    District
                                    CO²
                                    CH⁴
                                    O
                                    N
                                    100 Grm.lieferten
                                       Gas,Kubikcentimeter
                                    
                                 
                                    1
                                    Newcastle
                                      5,55
                                      6,52
                                    2,28
                                    85,65
                                      25,2
                                    
                                 
                                    2
                                    Newcastle
                                      8,54
                                    26,54
                                    2,95
                                    61,97
                                      30,7
                                    
                                 
                                    3
                                    Newcastle-Durham
                                    20,86
                                    –
                                    4,83
                                    74,31
                                      27,0
                                    
                                 
                                    4
                                    Newcastle-Durham
                                    16,51
                                    Spur
                                    5,65
                                    77,84
                                      24,4
                                    
                                 
                                    5
                                    Durham
                                      0,34
                                    85,80
                                    Spur
                                    13,86
                                      91,2
                                    
                                 
                                    6
                                    Durham
                                      1,15
                                    84,04
                                    0,19
                                    14,62
                                    238,0
                                    
                                 
                                    7
                                    Durham
                                      0,23
                                    89,61
                                    0,55
                                      9,61
                                    211,2
                                    
                                 
                                    8
                                    Unbekannt
                                      5,31
                                    50,01
                                    0,63
                                    44,05
                                      84,0
                                    
                                 
                              Die untersuchten Gase aus englischen Kohlen zeigen also keine unerwarteten
                                 Eigenthümlichkeiten. Dieselben enthielten keinen durch Schwefelsäure
                                 absorbirbaren Bestandtheil. Von verbrennlichen Gasen fand sich nur Grubengas
                                 vor, welches in sehr wechselnden Mengen auftrat. Der Unterschied nach den drei
                                 Bezirken ist auffallend; während die Durham-Kohlen ein an Grubengas sehr
                                 reiches Gas enthalten (welches in seiner Zusammensetzung einigen von Playfair untersuchten Gasen sehr nahe kommt), sinkt
                                 bei den Newcastler Kohlen der Gehalt an Grubengas rapid, und bei denen des
                                 Newcastle-Durham-Districtes verschwindet er vollständig.
                              In naher Beziehung zu dem Gehalt an Grubengas scheint die eingeschlossene
                                 Gasmenge zu stehen. Die gasreichsten Kohlen sind die des
                                 Durham-Districtes, und deren Gase enthalten auch das meiste Grubengas.
                                 Die zuletzt aufgeführte Kohle (8), welche der Zusammensetzung ihres Gases nach
                                 zwischen den Durham- und den Newcastle-Kohlen steht, enthält auch
                                 eine entsprechende Gasmenge. Die Kohlen aus den Districten Newcastle und
                                 Newcastle-Durham sind in Bezug auf Gasgehalt wenig verschieden, wenn auch
                                 eine Steigerung desselben bei Kohle 2, deren Gas 26,54 Proc. Grubengas aufweist,
                                 zu bemerken ist.
                              Daß diese Regelmäßigkeit nicht allgemein zutrifft, ergibt sich aus des Verf.
                                 früheren Untersuchungen Zwickauer und westphälischer Kohlen. Die Beziehungen
                                 zwischen Menge und Natur der eingeschlossenen Gase werden jedenfalls durch so
                                 mannichfaltige Umstände bedingt, wie Druck und Temperatur, denen die Kohlen im
                                 Inneren der Erde ausgesetzt sind, Gehalt an Schwefelkies etc., daß nur ein
                                 gründliches Studium der localen Verhältnisse zur weiteren Ausklärung dieser
                                 Fragen beitragen kann.
                              Ueberraschend groß ist der Gasgehalt der Durham-Kohlen (6 u. 7); dieselben
                                 sind sehr dicht und hart. Nimmt man ihr specifisches Gewicht zu 1,3 an (nach Playfair und De la Beche
                                 schwankt das specifische Gewicht englischer Kohlen zwischen 1,25 und 1 . 35), so
                                 kommt den eingeschlossenen Gasen unter gewöhnlichem Druck ein etwa dreifaches
                                 Volumen zu. Jedenfalls sind dieselben in Hohlräumen von außerordentlicher
                                 Kleinheit unter sehr bedeutendem Druck eingeschlossen.
                              So viel geht mit Gewißheit aus den angestellten Versuchen hervor, daß die Menge
                                 des in den Durham-Kohlen eingeschlossenen Gases und sein Reichthum an
                                 Grubengas zur Entstehung schlagender Wetter beitragen werden. Die Kohlen aus den
                                 anderen Districten machen in dieser Hinsicht den Eindruck der Ungefährlichkeit.
                                 Der Verf. besitzt leider keine statistischen Nachrichten über die Verbreitung
                                 der Häufigkeit schlagender Wetter in den drei Bezirken.
                              Im Allgemeinen zeigt sich mit Zunahme der Kohlensäure eine Abnahme des Grubengases und
                                 umgekehrt. Das Gas aus Kohle 1 macht eine Ausnahme von dieser sonst
                                 durchgängigen Regelmäßigkeit; dasselbe müßte eine größere Menge Kohlensäure
                                 enthalten. Die an Grubengas reichsten Kohlen (5, 6 und 7) sind die an
                                 Kohlensäure ärmsten und umgekehrt (Kohlen 3 und 4).
                              Was endlich das Verhältnis von Sauerstoff und Stickstoff betrifft, so ist in
                                 derselben Weise, wie der Verf. früher gezeigt hat, ein Zurücktreten des
                                 Sauerstoffes und Ueberwiegen des Stickstoffes zu bemerken, sey es nun, daß der
                                 Stickstoff theilweise bei der Bildung der Kohlen eingeschlossen wurde, oder daß
                                 er später hinzugetretener atmosphärischer Luft angehörte, deren Sauerstoff zum
                                 größten Theil von der Kohle zur Oxydation verbraucht ist. (Journal für
                                 praktische Chemie, 1872, Bd. V S. 407.)
                              
                           
                        
                           Ueber die in einigen Braunkohlen eingeschlossenen Gase; von
                              Professor Dr. H. Kolbe in
                              Leipzig.
                           Es liegen nur spärlich Untersuchungen über Gase vor, welche zu den Braunkohlen in
                              ähnlicher Beziehung stehen, wie die Grubengase zu den Steinkohlen. Die zuweilen in
                              Braunkohlengruben auftretenden bösen Wetter werden schon lange als Anhäufungen von
                              Kohlensäure bezeichnet und gefürchtet, während Grubengas niemals in denselben
                              nachgewiesen wurde. Der Zersetzungsproceß der Braunkohlen scheint demnach ganz
                              anders zu verlaufen, als der der Steinkohlen. Aus Varrentrapp's Versuchen (polytechn. Journal, 1865, Bd. CLXXV S. 156)
                              erhellt die große Oxydationsfähigkeit der Braunkohlen.
                           Hr. Zitowitsch hat im Laboratorium des Verf. einige
                              Braunkohlen auf die in ihnen eingeschlossenen Gase geprüft; diese wurden nach der
                              von v. Meyer bei Steinkohlen angewendeten Methode
                              gesammelt. Zur Untersuchung dienten böhmische Patent-Braunkohlen und eine
                              erdige Braunkohle geringerer Qualität. Die Gasentwickelung aus beiden Kohlensorten
                              war unbedeutend (eine Bestimmung der Gasmenge wurde nicht ausgeführt). Die Gase
                              ergaben sich als Gemenge von Kohlensäure, Sauerstoff, Stickstoff und Kohlenoxyd.
                           Zitowitsch fand folgende procentische
                              Zusammensetzung:
                           
                              
                                 
                                 
                                 Gas aus
                                 CO²
                                 CO
                                 N
                                 O
                                 
                              
                                 I.II.
                                 
                                    
                                    
                                 böhmischen Kohlen
                                 89,6682,40
                                 1,803,00
                                   8,0314,15
                                 0,510,45
                                 
                              
                                 III.
                                 
                                 erdiger Braunkohle
                                 83,99
                                 1,04
                                 14,91
                                 0,65
                                 
                              
                           Bei der geringen Menge Kohlenoxyd war an eine scharfe Bestimmung desselben durch die
                              Analyse kaum zu denken; nur die in der Analyse I erhaltenen Werthe stimmen genügend
                              mit den berechneten überein. Die Zahlen der Analysen II und III werden durch Annahme
                              von Kohlenoxyd am ungezwungensten erklärt.
                           Dr. v. Meyer hat auf
                              Veranlassung des Verf. einen Controlversuch mit denselben böhmischen Kohlen
                              angestellt. Nach Absorption der Kohlensäure wurde das Gas mit Sauerstoff (und
                              Knallgas) verpufft, und die erfolgte Contraction und die gebildete Kohlensäure
                              bestimmt. Die gefundenen Werthe stimmten genau auf Kohlenoxyd (3,60 Proc. bei
                              Annahme eines sauerstofffreien Gases). Da Sauerstoff in dem Gase gar nicht bestimmt
                              wurde, so war eine etwaige Bildung von Kohlenoxyd (bei Anwendung von
                              pyrogallussaurem Kali) vermieden. (Journal für praktische Chemie, 1872, Bd. VI S.
                              79.)
                           
                        
                           Ueber die Gewinnung von Rubidium aus den Rübenaschen; von E.
                              Pfeiffer.
                           Durch die Mutterlaugen der gouvernementalen Salpeter-Raffinerie zu Paris, an
                              welche die Fabrik in Nordfrankreich, in welcher der Verf. seine Untersuchungen
                              ausgeführt hat, bedeutende Mengen Salpeter lieferte, wurde Louis Grandeau, Prof. an der Ecole
                                 normale zu Paris, zuerst auf das Vorkommen des Rubidiums in den Rübenaschen
                              aufmerksam, und er benutzte die explosive Mutterlauge zur Darstellung einer gewissen
                              Menge des Metalles. Zu dem Zwecke wurde dieselbe in einem eisernen Kessel mit
                              Sägespänen und Holzabfällen gemischt, erhitzt und verglimmen gelassen. Der kohlige Rückstand wurde mit
                              Wasser erschöpft, und die Auszüge bis zu ca. 35°
                              Baumé (1,317 specifisches Gewicht) eingedampft. Hierbei schied sich ein
                              Gemisch von schwefelsaurem Kali und Chlorüren, sonne etwas Soda aus, welches in 1000
                              Grm. schon 2,81 Grm. Rubidiumchlorid enthielt. Die Mutterlauge enthielt kohlensaure
                              und schwefelsaure Salze, Chloride, Schwefelalkalien, unterschwefligsaures Alkali
                              nebst kleinen Mengen von Jod- und Bromve bindungen. Sie wurde mit Salzsäure
                              im Ueberschusse versetzt und erhitzt, wobei sich ein reichlicher Absatz von Schwefel
                              bildete. In die hiervon abfiltrirte und wiederum erhitzte Flüssigkeit wurde nun
                              tropfenweise Salpetersäure gegossen, bis zur vollständigen Austreibung des Jods und
                              des Broms. Die so erhaltene Lauge enthielt in 1000 Grm. 7 . 5 Grm. Rubidiumchlorid.
                              Zur Gewinnung desselben wurde die stark verdünnte Lauge zum Kochen gebracht und mit
                              einer verdünnten Lösung von Platinchlorid oder noch besser mit einer kochend
                              gesättigten Lösung von Chlorkalium-Platinchlorid versetzt. Der erhaltene
                              Niederschlag wurde durch mehrfaches Waschen mit kochendem Wasser von einem Gehalte
                              an Chlorkalium-Platinchlorid befreit, und das zurückbleibende Rubidiumchlorid
                              im Wasserstoffstrome reducirt. Der Verf. ist eben so gut zum Ziele gekommen, indem
                              er die ursprüngliche Mutterlauge mit einer Lösung von salpetersaurem Bleioxyd
                              fällte, die salpetersauren Salze, mit Kohle gemischt, verpuffte, und nach dem
                              Uebersättigen mit Salzsäure die Fällung mit Chlorkalium-Platinchlorid
                              vornahm.
                           Nach direct ausgeführten Bestimmungen enthält 1 Kil. der Rübenaschen Nordsrankreichs
                              im Mittel 1,75 Grm. Rubidiumchlorid. Nun werden auf 1 Hektare Landin in
                              Nordfrankreich etwa 45000 Kil. Rüben gebaut. Diese liefern 2650 Kil. Zucker und 1325
                              Kil. Syrup; letzterer liefert in der Brennerei 318 Liter Alkohol von 36° und
                              145,75 Kil Rübenasche mit 255 Grm. Rubidiumchlorid. Der Kaligehalt in dieser
                              Quantität Rübenasche würde aber 84,4 Kil. Chlorkalium, der Natrongehalt 32,153 Kil.
                              Chlornatrium betragen. Die Rübe nimmt also diese drei Substanzen in dem Verhältniß
                              von 255 Grm. Chlorrubidium zu 32,153 Kll. Chlornatrium und 84,4 Kil. Chlorkalium
                              auf. Setzt man die 255 Grm. Chlorrubidium = 1, so ist die Menge des Chlornatriums =
                              126 und die des Chlorkaliums = 331. Außer dem Rubidium will Grandeau auch Spuren von Cäsium gefunden haben. Während die Rübe kein
                              Lithium aufzunehmen scheint, hatte Tabak, in derselben Gegend gebaut, Kalium,
                              Rubidium und Lithium, hingegen nur Spuren von Natrium aufgenommen Rübsen, ebenfalls
                              in dieser Gegend gebaut, hatte nur Kalium und Natrium, hingegen weder Rubidium noch
                              Lithium aufgenommen. (Archiv der Pharmacie, Bd. CC S. 100.)
                           
                        
                           Verfahren zur Reinigung und Entfärbung der Rübensäfte; von Tessié du Mothay.
                           Gegenstand des Patentes vom 16. Januar 1872 ist:
                           1) Gleichzeitige Reinigung und Entfärbung von Zuckersäften mittelst eines von den
                              bisher gebräuchlichen Methoden abweichenden Verfahrens, wobei
                                 von dem kostspieligen Spodium Umgang genommen wird.
                           2) Entfärbung von Zuckersäften, welche speciell bei der Verarbeitung der Melasse
                              mittelst Baryt resultiren.
                           Der erstere Zweck kann auf zwei Wegen erreicht werden, welche sich bloß in der
                              Manipulation bei Anwendung sonst gleicher Hülfssubstanzen
                              (doppelt-schwefligsaurer Salze der alkalischen Erden und schwefligsaurer
                              Thonerde) unterscheiden; in beiden Fällen erfolgt Reinigung und Entfärbung
                              gleichzeitig.
                           Erste Methode. – In der Kälte oder unter Erwärmen
                              werden zu dem Säfte (Diffusions., Preß- oder sonst beliebiger Rübensaft)
                              1–2 Proc. gelöschten Kalkes zugemischt, geschieden und dann eine solche Menge
                              doppelt-schwesligsaurer Magnesia zugegeben, daß die Hälfte oder zwei Drittel
                              des nach der Scheidung in Lösung verbliebenen Kalkes in unlöslicher Form
                              abgeschieden werden.
                           Durch den Zusatz der doppelt-schwefligsauren Magnesia wird schwefligsaurer
                              Kalk abgeschieden, während ein Theil des Kalkes und der Magnesia in der Flüssigkeit
                              gelöst bleibt. Zur Ausfällung dieser noch in Lösung verbliebenen Erden schlägt der
                              Patentträger doppelt-schwefligsauren Kalk oder schwefligsaure Thonerde vor.
                              Im ersteren Falle bildet sich schwefligsaure Kalkmagnesia, im anderen scheidet sich
                              außerdem noch
                              Thonerdehydrat aus. – Anstatt des schwefligsauren Kalkes und Thonerde kann
                              bei der zweiten Operation auch Kohlensäure zur Bildung unlöslicher Carbonate benutzt
                              werden.
                           Zweite Methode. – Man setzt vorerst dem Safte zur
                              vorläufigen Scheidung bloß 1 Proc. gelöschten Kalkes zu, und nach Beendigung
                              derselben auf früher angeführte Weise Kalk-, Magnesia- oder
                              Thonerdesulfit. – Nach dieser ersten Operation werden dem nun warmen Safte
                              neuerdings 1/2–2 Proc. Kalkes zugesetzt, nach der Scheidung die Hälfte bis
                              zwei Drittel Kalkes mit dem Sulfit, der Rest mit Kohlensäure ausgefällt.
                           Bei der Verarbeitung der Melasse mit Baryt macht man die Erfahrung, daß es nöthig
                              ist, früher die Glucose zu zerstören, was leicht mit Alkalien oder alkalischen Erden
                              (z.B. Kalk) durchgeführt werden kann. – Bei dieser Zerlegung tritt aber in
                              Folge der Bildung von Huminsubstanzen eine Bräunung der Flüssigkeit ein, welche
                              Färbung sich nachher auch dem gebildeten Barytsaccharat mittheilt und bei Zersetzung
                              desselben mit Kohlensäure wiederum in die Lösung übertritt.
                           Diese Färbung entfernt der Patentträger folgendermaßen: Wenn bei Zerlegung des
                              Barytsaccharates mit Kohlensäure die Lösung nicht mehr als 2–3 Proc. Baryt
                              enthält, wird die Gaszuleitung unterbrochen und die vollständige Ausfällung mit
                              doppelt-schwefligsaurem Kalk oder Magnesia oder schwefligsaurer Thonerde
                              beendigt. (Journal des fabricants de sucre, 1872;
                              böhmische Zeitschrift für Zuckerindustrie, November 1872, S. 565.)
                           
                        
                           Neu entdeckte Eigenschaft der Schießbaumwolle.
                           Hrn. Brown, Chemiker des brittischen
                              Kriegs-Departements (Assistent von Prof. Abel),
                              ist es gelungen comprimirte Schießbaumwolle welche 15 bis 20 Procent Wasser enthält
                              – so wie sie aus der hydraulischen Presse kommt, bevor sie dem schließlichen
                              Trockenproceß unterworfen wird – zu verpuffen.
                           Bisher halte man angenommen daß, wenigstens in ihrem feuchten Zustande, die
                              comprimirte Schießbaumwolle vollkommen sicher für die Fabrication, Magazinirung und
                              den Transport ist, weil sie nicht explodiren kann. (Mechanic's Magazine, 1872, S. 478.)
                           
                        
                           Die wirksamen Bestandtheile des Kaffees.
                           Zu den verbreitetsten Genußmitteln gehören unstreitig die aus Kaffeebohnen und aus
                              Theeblättern bereiteten Getränke; es ist dadurch gerechtfertigt, wenn wir unseren
                              Lesern etwas ausführlicher über eine Untersuchung des Herrn Aubert berichten, welche die Ermittelung des Coffeingehaltes des Kaffees
                              und der Wirkungen des Coffeins zum Gegenstande hat.
                           
                              „Obgleich man weiß, daß Kaffeebohnen und Theeblätter ein sehr giftiges (?)
                                 Alkaloid, das Coffein oder Thein, enthalten, und obgleich Thee und Kaffee als
                                 Aufguß, Filtrat oder Abkochung bereitet, zu den allerverbreitetsten Getränken
                                 gehören, so hat man doch noch gar nicht untersucht, wie viel Coffein oder Thein
                                 wir in einer Tasse Kaffee oder Thee zu uns nehmen. Ohne zu wissen, wie viel
                                 Coffein beim Rösten der Kaffeebohnen verloren geht, noch wieviel Coffein oder
                                 andere Bestandtheile bei der Bereitung des Getränkes ausgezogen werden, hat man
                                 mit großer Sicherheit Methoden angegeben, welche die vortheilhafteste Ausnutzung
                                 der Kaffeebohnen zu versprechen scheinen. Es ist aber doch eine offene Frage, ob
                                 die Kaffeebohnen stark oder schwach geröstet werden sollen, ob ein Aufguß
                                 kochenden Wassers genügt, oder ob ein Kochen des gemahlenen Kaffees zweckmäßiger
                                 ist. Ebenso unbekannt ist es, wieviel Coffein in einer Tasse Thee getrunken
                                 wird, ob man die Theeblätter nur aufzugießen braucht, oder ob man sie kochen
                                 muß, um ihre wirksamen Bestandtheile auszuziehen. Ferner gehen die Meinungen und
                                 Versuche über die Wirkung des Coffeins sehr weit aus einander. Endlich ist die
                                 Frage unbeantwortet, ob außer dem Coffein noch andere wirksame Bestandtheile im
                                 Kaffee enthalten sind, ja ob überhaupt die Wirkung des Kaffees auf seinem
                                 Gehalte an Coffein beruht.“
                              
                           In wie weit diese hier als offen hingestellten Fragen durch die Untersuchung des Herrn Aubert, welche theilweise in Gemeinschaft mit Herrn Haase ausgeführt war, eine präcise Beantwortung finden,
                              wird sich aus Nachstehendem ergeben.
                           Zur Gewinnung des Coffeins benutzte Aubert eine neue
                              Methode, nämlich die Behandlung mit Chloroform, welche, wie eine Zusammenstellung
                              aller bisher ausgeführten Analysen zeigt, eine größere Ausbeute zu geben scheint. Es
                              wurden in den rohen Bohnen 0,709 bis 0,849 Procent Coffein gefunden.
                           
                              „Für die Kaffeetrinker ist es jedenfalls von größerem Interesse, Zu
                                 wissen, wieviel Coffein sie in ihrem Getränk zu sich nehmen, als zu erfahren,
                                 wieviel Coffein in den rohen Bohnen enthalten ist.... Es ist zunächst die Frage,
                                 ob und wieviel Coffein durch das Rösten der Kaffeebohnen verloren geht, dann
                                 wieviel Coffein aus den gerösteten und gemahlenen Kaffeebohnen mittelst des
                                 Aufgusses von heißem Wasser ausgezogen wird, endlich wieviel Coffein in dem
                                 sogenannten Kaffeegrunde zurückbleibt.“
                              
                           Aubert röstete drei Portionen Java-Kaffee so
                              stark, daß sie eine hellbraune Farbe bekamen. Während des Röstens wurde der
                              entweichende Dampf aufgefangen, in demselben aber kein
                              Coffein gefunden. Von der dritten Portion wurde dann die Hälfte noch weiter
                              geröstet, und zwar so stark, daß die Bohnen fast schwarz wurden, stark aufquollen
                              und fettig glänzten. Bei diesem zweiten Rösten entwich Coffein, das sich deutlich
                              nachweisbar in feinen Krystallen absetzte. Die vier Portionen gerösteten Kaffees
                              wurden gemahlen, und aus denselben nach der gewöhnlichen Methode Aufgüsse bereitet.
                              Diese Aufgüsse und die zurückbleibenden Bodensätze wurden dann auf ihren Gehalt an
                              Coffein untersucht und ergaben Folgendes:
                           Fast alles in den gemahlenen Kaffeebohnen enthaltene Coffein geht in das Kaffeefiltrat über, es bleibt kaum
                              1/5 davon im Grunde zurück.
                           Bei übermäßig starkem Brennen der Kaffeebohnen geht doch nur wenig Coffein verloren
                              – nur 0,144 Procent. auf rohe Bohnen berechnet –, auf den gebrannten
                              Kaffee bezogen, enthält der dunkel geröstete 0,927, der schwach gebrannte hingegen
                              0,987 Procent. Es findet sich aber, daß das Coffein aus den stark gebrannten Bohnen
                              vollständiger ausgezogen wird, als aus den schwach gebrannten, so daß das Filtrat
                              aus den stark gerösteten Bohnen bei gleichen Gewichten des verwandten Kaffeepulvers
                              sogar ein wenig reicher an Coffein ist.
                           
                              „Es kann also dem Geschmacke eines Jeden ohne großen Schaden überlassen
                                 bleiben, ob er seine Kaffeebohnen stark oder schwach rösten, und ob er seinen
                                 Kaffee als Filtrat bereiten oder eine Abkochung machen will.“
                              
                           Die anderen aus den Kaffeebohnen ausziehbaren Substanzen wurden gleichfalls bestimmt.
                              Hierbei stellte sich heraus, daß auch diese zum größten Theile durch das einfache
                              Filtriren extrahirt werden und nur wenig im Grunde zurückbleibt. In stark gerösteten
                              Bohnen ist die Gesammtmenge der extrahirbaren Substanzen genau so groß wie in
                              schwach gerösteten; doch wird aus den ersteren durch Filtriren mehr Extract gewonnen
                              als aus letzteren.
                           Nach derselben Methode hat Aubert Theeaufgüsse und
                              Theeabkochungen auf Coffein untersucht. Er benutzte Pecco Thee und befolgte bei der
                              Darstellung der Getränke die im Leben üblichen Methoden ihrer Bereitung. Ein sehr
                              interessantes Resultat ergab sich, als man nach den gewonnenen Bestimmungen den
                              Gehalt an Coffein berechnete, welcher in einer Tasse „guten“
                              Kaffees (aus 1 Loth aufgegossen) und in einer Tasse „guten“
                              Thees (aus 5 bis 6 Grm. Theeblättern bereitet) enthalten ist. Beide Getränke ergaben
                              in einer Tasse die genau gleiche Menge von 0,1 bis 0,12 Grm. Coffein.
                           Aus den physiologischen Wirkungen des Coffeins auf Säugethiere und Frösche sey hier
                              hervorgehoben, daß es in entsprechend großen Dosen eine erhöhte Reflexerregbarkeit
                              und Starrkrämpfe erzeugt. Es schließt sich in dieser Beziehung dem Strychnin an. und
                              wirkt wie dieses direct auf das Rückenmark, durch dessen Reizung die Erscheinungen
                              veranlaßt werden. Eine weitere Aehnlichkeit des Coffeins mit dem Strychnin besteht
                              darin, daß die mit diesen Substanzen vergifteten Thiere in gleicher Weise die
                              Erscheinungen nicht zeigen, wenn man bei ihnen künstliche Athmung unterhält. Setzt
                              man dieß einige Zeit fort, so kommt das Gift beim Aufhören der künstlichen
                              Respiration gar nicht mehr zur Wirkung, es ist entweder ausgeschieden oder im Körper
                              zersetzt. Beim Coffein genügen 5 Minuten künstlicher Respiration, um selbst große
                              Dosen des Giftes unschädlich zu machen. Die wichtigste Wirkung des Coffeins
                              erstreckt sich auf das Herz, das von entsprechend großen Dosen zum Stillstand gebracht wird, und so
                              den momentanen Tod zur Folge hat; in kleineren Portionen den Thieren gegeben,
                              vermehrt es die Zahl der Pulsschläge sehr bedeutend, während der Blutdruck in den
                              Gefäßen sinkt; die Arbeit des Herzens ist also trotz großer Frequenz von geringem
                              Nutzeffect.
                           Sind nun die Wirkungen des Kaffeefiltrates durch den Gehalt desselben an Coffein
                              bedingt? Diese Frage läßt sich jetzt noch nicht positiv entscheiden. Nach
                              vorläufigen Versuchen ist es sehr zu bezweifeln, daß das Coffein der wirksamste
                              Bestandtheil sey. Auch coffeinfreie Aufgüsse von Kaffeebohnen bringen heftige
                              Erscheinungen an Thieren hervor, die von den Wirkungen des Coffeins sehr verschieden
                              sind. Eine vergleichende Untersuchung dieser Wirkungen wird Aubert anstellen. „Durch die bisherigen Untersuchungen ist die
                                 „belebende“ Wirkung, welcher der Kaffee seine
                                 Popularität verdankt, nicht erklärt.“ (Archiv für die gesammte
                              Physiologie, Bd. V, Heft 12; durch den Naturforscher.)
                           
                        
                           Ueber die Anwendung des Schwefelkohlenstoffes zum Entfetten
                              der Wolle.
                           Hierüber wird im „Wollengewerbe“ bemerkt, daß die Entfettung
                              zwar schnell vor sich geht, die Wolle aber hart und spröde und sehr leicht gelb
                              wird. Daß diese Uebelstände, namentlich der letztere, nicht etwa vom Fett oder von
                              der angewendeten Wärme herrühren, dürfte dadurch hinreichend bewiesen werden, daß
                              z.B. mit Benzinäther und dergl. entfettete Wolle, mit Dampf behandelt, nie gelb
                              wird. Sie scheinen vielmehr darin begründet, daß der Schwefelkohlenstoff, welcher
                              sich leicht mit Schwefel und anderen Schwefelverbindungen verbindet, auch hier eine
                              Verbindung mit dem im Wollhaar enthaltenen Schwefel eingeht und so dasselbe
                              desorganisirt. Daß das Wollfett hierbei ohne Einfluß ist, geht daraus hervor, daß
                              dieselbe Erscheinung bei ganz entfetteter Wolle ebenfalls eintritt. So lange der
                              Schwefelkohlenstoff kalt auf die Wolle einwirkt, findet diese Erscheinung nicht
                              statt, wohl aber sobald derselbe erwärmt wird, was zur Entfernung desselben aus der
                              Wolle nöthig ist.
                           Um nun den Schwefelkohlenstoff aus der entfetteten Wolle zu entfernen, sind drei Wege
                              möglich, entweder die Anwendung von Dampf oder die von heißem Wasser oder die von
                              erwärmter Luft. Bei Anwendung von Dampf tritt aber gerade der Uebelstand, daß die
                              Wolle gelb, hart und spröde wird, am meisten ein, dagegen ist dieser Weg beim
                              Ausziehen der Oelsaaten mittelst Schwefelkohlenstoff allerdings der einzig richtige
                              Durch heißes Wasser läßt sich der Schwefelkohlenstoff, da er schon bei 43° C.
                              siedet, sehr gut entfernen und es bleibt hierbei auch die Wolle weiß. Da aber das
                              heiße Wasser beim Durchdringen der Wolle sich schon bedeutend abkühlt und durch die
                              Wolle selbst gewissermaßen stagnirend wird, so ist es natürlich nöthig, dasselbe im
                              Apparat durch Einleiten von Dampf auf einer Temperatur von ca. 60° C. zu erhalten und durch eine Rührvorrichtung die Wolle zu
                              bewegen. Es erfordert dieser Umstand aber nicht allein complicirte Apparate, sondern
                              macht das Verfahren auch umständlich und quantitativ nicht lohnend. Beim Abblasen
                              mit erwärmter Luft treten zwar die erwähnten schädlichen Einflüsse auf die Wolle am
                              wenigsten hervor, dennoch ist dieses Verfahren sowohl in ökonomischer als anderer
                              Hinsicht am wenigsten zu empfehlen. Wird die Wolle in dem Extractionscylinder durch
                              Zusammenschrauben der beiden Siebböden ausgepreßt, so bleiben in 100 Pfd. mindestens
                              75 Pfd. Schwefelkohlenstoff. Der mit der Luft gemischte entweichende
                              Schwefelkohlenstoff ist aber in der Kühlung nur zum kleinsten Theil condensirbar, so
                              daß mindestens 50 Pfd. Schwefelkohlenstoff pro 100 Pfd.
                              Wolle verloren gehen. Da nun 100 Pfd. Schwefelkohlenstoff mindestens 12 Thlr.
                              kosten, so würden sich schon die Kosten dieses Verlustes pro 100 Pfd. Wolle zu 6 Thlr. berechnen. Ein zweiter Uebelstand hierbei
                              ist die entstehende Mischung von atmosphärischer Luft und Schwefelkohlenstoffdampf,
                              die bei Entzündung explosiv ist.
                           Aus obigen Gründen wurde die Entfettung von Wolle mit Schwefelkohlenstoff sehr bald
                              wieder aufgegeben. So stellte ein derartiges Etablissement in Elbeuf nach kurzer
                              Zeit mit großem Verlust seinen Betrieb ein. Die Apparate wurden später von einem
                              Unternehmer am Rhein gekauft und dort aufgestellt, um Ausputzwollen etc. zu
                              entfetten, jedoch hat auch dieser bereits wieder den Betrieb aufgegeben.
                           
                        
                           
                           Mischung zu Oeldruckfarben.
                           An Stelle der gewöhnlichen, aus Leinölfirniß dargestellten Oeldruckfarben schlägt Guichard folgende Mischung vor: 13 Theile fetter Firniß,
                              5 Theile Terpenthinöl, 1 Theil gelbes oder weißes Wachs, und 1 Theil Colophonium.
                              Die Farben sollen damit besser ausfallen, als beim gewöhnlichen Oeldruck. (Reimann's Färberzeitung, 1872, Nr. 31.)
                           
                        
                           Ueber Opium und asiatischen Mohn; von Julius Jobst in Stuttgart.
                           In einer früheren Mittheilung (polytechn. Journal Bd. CCIV S. 79, erstes Aprilheft 1872) hat Hr. Jobst die Preislage des württembergischen Opiums für die laufende Campagne
                              beleuchtet. Inzwischen ist das kleinasiatische Product wegen karger Ernte weiter im
                              Preise gestiegen, und so konnte best trockenes und unverfälschtes einheimisches
                              Opium mit einem Morphingehalt von 13 bis 15 Proc. mit bis zu 22 fl. pro Pfund von 500 Grm. bezahlt werden.
                           In Bezug auf Samenausbeute hat der von Jobst importirte
                              asiatische Mohn Heuer ein sehr günstiges Resultat ergeben. Es berechnet sich nämlich
                              der Ertrag seines Versuchsfeldes auf 960 Pfd. besten, ölreichen Samens pro Morgen, während dasselbe Stück Land im vorigen
                              Jahre, mit dem Originalsamen bestellt, eine nur mäßige und in jedem Falle kaum
                              größere Menge Samen geliefert hatte, als der einheimische Mohr.
                           Dieser aus dem original-asiatischen Mohn hier gewonnene Same wurde am 9. April
                              1872 eingesäet und Anfangs August geerntet. Die Pflanze stand sehr üppig, wiewohl
                              niedrig wird mit wenigen Blatttrieben; dagegen waren die Kapseln um ein Bedeutendes
                              größer geworden, als im vergangenen Jahre. Es hat sich also die früher von Jobst ausgesprochene Erwartung, daß der asiatische Mohn
                              bei fortgesetzter Cultur eine üppigere Ausbeute liefern werde, in vollem Maaße
                              bestätigt, während die ursprünglichen Vorzüge der Pflanze, nämlich ihr niedriger
                              Wuchs, sowie ihr um drei Wochen schnelleres Wachsthum, glücklicher Weise erhalten
                              blieben. Der auf demselben Felde, zu derselben Zeit und unter denselben Bedingungen
                              angebaute einheimische weiße Mohn reifte 2 bis 3 Wochen später und schlug im
                              Samenertrag um ein volles Drittheil gegen den asiatischen zurück.
                           Nach alledem gehen die Erfahrungen des Hrn. Jobst dahin,
                              daß der asiatische Mohn in Bezug auf Opium-Ausbeute keine Vortheile gegen die
                              einheimische Pflanze aufweist, dagegen in wärmerem Boden neben sonstigen Vorzügen
                              einen ungleich bedeutenderen Samenertrag liefert.
                              (Wochenblatt für Land- und Forstwirthschaft, 1872, Nr. 36)
                           
                        
                           Unterscheidung des gepreßten Citronenöles von dem
                              destillirten.
                           Während das gewöhnliche, durch Pressen erhaltene Citronenöl mit Jod verpufft, gibt
                              das destillirte nach Schaik keine Reaction damit. Auch
                              nimmt das destillirte Oel durch concentrirte Schwefelsäure weit langsamer eine
                              dunkle Farbe an, als das gepreßte. (Pharmaceutische Zeitung, 1871, Nr. 95.)
                           
                        
                           Chloralhydrat gegen die Seekrankheit.
                           Dr. Döring hatte, wie er in
                              der Wiener medicinischen Wochenschrift mittheilt, als Schiffsarzt Gelegenheit, sich
                              selbst von der Unwirksamkeit aller bis jetzt gegen die Seekrankheit empfohlenen
                              Mittel zu überzeugen. Die große Unruhe aber und die Schlaflosigkeit, von welcher die
                              meisten Seekranken geplagt werden, brachte ihn auf den Gedanken, das Chloralhydrat
                              in Anwendung zu bringen. Er theilt ausführlich acht exquisite Fälle von See raukheit
                              mit, in denen nach der Verabreichung von durchschnittlich 4 Grm. Chloralhydrat in
                              zwei Dosen nicht nur Ruhe und längerer Schlaf der Erkrankten eintrat, sondern
                              letztere auch vollständig von der Krankheit, befreit wurden. (Vierteljahresschrift
                              für praktische Pharmacie, 1872 S. 435.)
                           
                        
                           
                           Die Eichenlaub fressende Yamamay-Seidenraupe und ihre
                              Züchtung in Württemberg.
                           Unter Bezugnahme auf seinen früheren Aufsatz über den oben genannten Gegenstand (im
                              polytechn. Journal Bd. CCV S. 280, erstes
                              Augustheft 1872) theilt Hr. Ulrichs in Stuttgart jetzt
                              Folgendes über seine diesjährige Zucht mit.
                           
                              „Von Erkrankungen ist dieselbe gänzlich verschont geblieben. Einige Raupen
                                 starben an dem Biß eines mir unbekannten Insectes, das vielleicht im Eichenlaub
                                 verborgen lag. Von 48 gesunden Exemplaren ist eines noch als Raupe verunglückt,
                                 ein zweites als Cocon bei der Versendung zerquetscht worden, in einem Cocon
                                 endlich die Puppe vertrocknet, ein Fall der in meiner vorjährigen Zucht nicht
                                 vorgekommen war. Aus den übrigen 45 Exemplaren dagegen gingen Schmetterlinge
                                 hervor, zum Theil wahre Prachtexemplare, einzelne davon mit nicht weniger als 16
                                 Centimeter Flügelspitzenwette. Der erste Schmetterling verließ sein Gehäuse am
                                 31. Juli, der letzte am 3 September. Leider traf es sich, daß die 12 ersten,
                                 welche ausschlüpften, insgesammt Männchen waren, und daß das erste Weibchen erst
                                 erschien, als jene 12 Männchen großentheils schon abgestorben waren. Umgekehrt
                                 waren unter den letzten Schmetterlingen, welche ausschlüpften, mehr Weibchen als
                                 Männchen, und nur in der mittleren Zeit war das Verhältniß ein gleiches. Es ist
                                 demnach räthlich, den Versuch einer Zucht nicht mit einer zu karg bemessenen
                                 Anzahl von Eiern zu machen. Im Ganzen erschienen 25 Männchen und 21 Weibchen,
                                 welche letztere 3100 Eier legten, durchschnittlich also je 147. Bisweilen
                                 enthält seltsamer Weise auch ein unbefruchtetes Ei einen Lebenskeim, und ein
                                 gesundes Räupchen schlüpft daraus hervor. Ein Weibchen war erschienen mit
                                 seltsam verkrüppelten, wahrhaft monströsen Flügeln; nichtsdestoweniger fand sich
                                 ein Männchen, das sich mit demselben begattete.
                              
                           
                              Ich war erfreut, in meiner dießjährigen Zucht je in einem einzigen Exemplare zwei
                                 neue Farben zu erblicken, welche in der vorjährigen Zucht nicht vorgekommen
                                 waren: ein lebhaftes, leuchtendes, Helles Braun, weit prächtiger als das häufig
                                 vorkommende Kupferroth, und eine neue, sehr zarte Mattfarbe, zwischen Aschgrau
                                 und Marmorgrau, aber in's Olivengrüne hinüber spielend. Die vier großen,
                                 buntberänderten Augen (Pfauenaugen), wovon jeder Flügel eins trägt, nehmen sich
                                 auf der mattgrünen Grundfarbe besonders schön aus, während sie auf den
                                 leuchtenden Grundfarben, wie Hochgelb, Kupferroth und Hellbraun, dem Blicke fast
                                 verschwinden. Das Exemplar, in welchem diese schöne Spielart erschienen ist, war
                                 ein Weibchen. Seine befruchteten Eier habe ich mir zur nächstjährigen Zucht
                                 reservirt. Die Augen der Schmetterlinge sind schwarz oder braunschwarz. Nachts,
                                 im Widerschein eines Lichtes, werfen sie einen glühenden Schein von sich und
                                 leuchten dunkelgelb, wie Goldtopase.
                              
                           
                              Von der Qualität der Seide der Yamamay-Raupe habe ich mich auf folgende
                                 Weise überzeugt Die leeren Cocons befreite ich von dem, was nach dem
                                 Ausschlüpfen der Schmetterlinge stets noch darin zurückbleibt, nämlich der
                                 Raupenhaut und der Puppenhülse, ließ sie einige Stunden lang in Seifenwasser
                                 kochen, legte die zerkochte Coconsmasse mit faulenden Pflanzenstoffen, z.B.
                                 Blättern, in Wasser, und ließ sie drei Wochen lang behufs Auslösung und
                                 Absonderung des erhärteten Klebstoffes, welchen die Raupe nach Beendigung des
                                 Spinnens unmittelbar vor ihrer Verpuppung im flüssigen Zustande ausspritzt,
                                 darin liegen. Nach dieser Absonderungs-Procedur kam eine weiche,
                                 farblose, beziehungsweise weiße, glänzende Seidenmasse von sehr haltbarem, ein
                                 wenig dehnbarem Faden zum Vorschein. An der Sonne oder Abends im Schein eines
                                 Lichtes zeigt sie den reinsten, hellsten Atlasglanz, eben so wenn man einige
                                 Fäden davon unter dem Nagel oder zwischen den Fingern straff anspannt. Proben
                                 dieser Seidenmasse können in meiner Wohnung, Böblingerstraße Nr. 34, jederzeit
                                 besichtigt werden.“
                              
                           Hr. Ulrichs hat in unserer Quelle außerdem noch Notizen
                              und Regeln bezüglich der Züchtung der Yamamay-Raupe veröffentlicht, die zum
                              Theil auf eigene Beobachtungen sich stützen. (Württembergisches Gewerbeblatt, 1872,
                              Nr. 39.)