| Titel: | Aus dem chemisch-technischen Laboratorium des Carolinum zu Braunschweig. | 
| Fundstelle: | Band 209, Jahrgang 1873, Nr. XII., S. 46 | 
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                        XII.
                        Aus dem chemisch-technischen Laboratorium
                           								des Carolinum zu Braunschweig.
                        Seife und Waschen; von Albert Fricke.
                        Fricke, über Seife und Waschen.
                        
                     
                        
                           I. Verseifung durch
                                 									Emulsion.
                           Bei einer früheren GelegenheitPolytechn. Journal, 1866, Bd. CLXXX S. 309. ist der große Vortheil nachgewiesen worden, den man für die Verseifung der
                              									Fette aus dem Zustande derselben in Emulsion nach Möge Mouriès ziehen kann. SpäterPolytechn. Journal, 1869, Bd. CXCII S. 489. wurde ein einfaches ungemein handliches Verfahren mitgetheilt, die Fette
                              									ohne Einmischung von Gummi u.s.w. zu emulgiren, indem man Wasser und Fett (letzteres
                              									erforderlichen Falles im geschmolzenen Zustande) einige Augenblicke in einem Glase
                              									schüttelt, dessen Wände mit Wasser von einer eben verschwindenden alkalischen
                              									Reaction befeuchtet sind. In jener späteren Mittheilung ist ein Versuch der
                              									Verseifung von Talg als Emulsion mit starker Lauge ohne alle Anwendung von Wärme
                              									beschrieben und erwähnt, daß die Fette auf diesem Wege zwar mehr, aber nicht ganz
                              									vollständig verseift werden, indem die Seifen keine ganz klare, sondern eine etwas
                              									milchige Lösung mit Wasser in der Siedhitze geben. In der That hatte die Talgseife,
                              									nach Beseitigung des freien Alkalis durch Kohlensäure und Weingeist, nicht den
                              									vollen Betrag an gebundenem Alkali. Es blieb die Frage übrig, ob die unvollkommene
                              									Umwandlung des Fettes in der Natur der Sache oder nur in einem zufälligen
                              									möglicherweise zu beseitigenden Umstande liegt. Zu dem Ende ist nachstehender
                              									Versuch mit der Verseifung von Baumöl und einer genauen Analyse des Productes
                              									ausgeführt, welche es möglich machte den Betrag des gebundenen Alkalis im Verhältniß
                              									zu den fetten Säuren genau festzustellen.
                           Das nach der VorschriftA. a. O. emulgirte Baumöl mit einem großen Ueberschuß von Aetznatronlauge von
                              									20° Baumé versetzt und durch Umschütteln gemischt, ändert alsbald
                              									seine Beschaffenheit; es geht aus dem rein emulsiven Zustande in einen mehr
                              									stockigen über, während es verder möge seines geringen specif. Gewichtes in der
                              									schweren Lauge sich an Oberfläche in einer Schichte ansetzt, die im ruhigen Stehen
                              									von einigen Stunden oder über Nacht in einen festen Seifenkuchen übergeht. Es war von vornherein zu
                              									vermuthen, daß die Dicke der Schichte, die das emulgirte Fett über der Lauge bildet,
                              									für den Erfolg von Einfluß sey. Man wählte daher ein Gefäß von solcher Weite, daß
                              									das Fett eine nur etwa 4–5 Centimeter starke Schichte bildete. Sie war am
                              									anderen Tage in einen festen zusammenhängenden Kuchen verwandelt, der beim Brechen
                              									einen hell knackenden Ton gab. Von der klaren darunter stehenden Lauge abgenommen,
                              									mit destillirtem Wasser abgespült und zwischen Filtrirpapier gepreßt bis dieses
                              									nicht mehr befeuchtet erschien, erhielt man den Kuchen frei von der oberflächlich
                              									anhängenden Lauge. In diesem Zustand fünf Stunden lang bis zu constantem Gewicht bei
                              									150° C. getrocknet, verlor die Seife 26,50 Proc. Wasser.
                           Die durch Zersetzung mit Schwefelsäure aus 5 Grm. der Seife abgeschiedenen fetten
                              									Säuren, in der bekannten Weise mit einer gewogenen Menge Wachs aufgenommen und
                              									getrocknet, betrugen 3,151 Grm., entsprechend 63,02 Proc.
                           Zur Zersetzung war Normalschwefelsäure (0,0403 Grm. SO³ = 1 K. C.) in großem
                              									Ueberschuß, nämlich 35 K. C. zugesetzt. Die gebliebene wässerige Lösung ergab mit
                              									Barytlösung zurücktitrirt, einen Ueberschuß von freier Säure entsprechend 18,22 K.
                              									C. Normalsäure. Von dem Alkaligehalt der Seife sind daher 35 – 18,22 = 16,78
                              									K. C. Normalsäure = 0,676 Grm. Schwefelsäure (SO³) gebunden. Daraus berechnet
                              									sich 0,523 Grm. oder 10,46 Proc. Natron.
                           Der chemische Bestand der rohen Seife ist sonach:
                           
                              
                                 
                                 Grm.
                                 Proc.
                                 
                              
                                 fette Säuren
                                 3,151
                                 63,02
                                 
                              
                                 Natron
                                 0,523
                                 10,46
                                 
                              
                                 Wasser
                                 1,320
                                 26,50
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 4,990
                                 99,98
                                 
                              
                           Um zu ermitteln, wie viel von dem in der Seife gefundenen Natron noch frei, nicht an
                              									die fetten Säuren gebunden vorhanden ist, behandelte man die rohe Seife längere Zeit
                              									mit Kohlensäure, und schied das freie nunmehr kohlensaure Natron durch Auflösen der
                              									Seife in Weingeist ab. Die filtrirte Lösung im Wasserbade zur Trockne gebracht,
                              									wurde der Analyse unterworfen, wie vorher.
                           5 Grm. der gereinigten Seife mit Normalschwefelsäure zersetzt gaben 3,325 Grm. =
                              									66,50 Proc.
                           Dazu waren 25 K. C. Normalschwefelsäure verwendelt worden; durch Zurücktitriren ergab
                              									sich der Betrag der überschüssigen freien Säure entsprechend 12,906 K. C.
                              									Normalsäure und sind mithin 25 – 12,906 = 12,094 K. C. Normalsäure oder 0,487
                              									Grm. Schwefelsäure (SO³) vom Alkali der Seife gebunden. Dieß gibt 0,377 Grm. oder 7,54
                              									Procent Natron.
                           Man hat mithin für den Bestand der gereinigten Seife:
                           
                              
                                 
                                 Grm.
                                 Proc.
                                 
                              
                                 fette Säuren
                                 3,325
                                  66,50
                                 
                              
                                 Natron
                                 0,487
                                    7,54
                                 
                              
                                 Rest (Wasser)
                                 1,188
                                   25,96
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 5,000
                                 100,00
                                 
                              
                           und berechnet sich aus beiden Analysen zusammen der Bestand
                              									der rohen unmittelbar erhaltenen nur oberflächlich gewaschenen Seife:
                           
                              
                                 fette Säuren
                                     63,02 Proc.
                                 
                              
                                 gebundenes Natron
                                   7,15   „
                                 
                              
                                 freies Natron
                                   3,31   „
                                 
                              
                                 Wasser
                                 26,50   „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 99,98   „
                                 
                              
                           Berechnet man das gebundene Natron auf 100 Gewichtstheile fette Säuren, so ergibt
                              									sich im Vergleich mit der bekannten Analyse gleichnamiger Seifen Folgendes:
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                    Natron
                                    
                                 
                              
                                 Marseiller
                                 Seife
                                 nach
                                 
                                    Bolley
                                    
                                 1.
                                       
                                 11,64
                                 G. Th.
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 2.
                                 
                                 11,64
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 3.
                                 
                                 10,66
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                                    Reischauer
                                    
                                 
                                 11,56
                                 „
                                 
                              
                                 Obige Baumölseife auf kaltem Wege
                                 
                                 11,36
                                 „
                                 
                              
                           Die in der Kälte mit emulgirtem Baumöl dargestellte Seife ist mithin ganz auf
                              									demselben Grade der Sättigung, wie die besten entsprechenden Seifen des Handels. Der
                              									in seichter Schichte auf der Lauge gebildete Seifenkuchen gibt mit kochendem Wasser
                              									und Weingeist sogleich vollkommen klare Lösungen.
                           Die Anwendung der in Rede stehenden Methode in der Praxis scheint bis jetzt nicht
                              									versucht zu seyn, so sehr dieß auch zu wünschen wäre. Es würde sich dazu vor allen
                              									Dingen empfehlen, die Lauge auf die Emulsion nicht ruhend, sondern in Bewegung
                              									einwirken zu lassen, damit die Fettkügelchen stets gleichmäßig von der Lauge umgeben
                              									bleiben, anstatt sich an der Oberfläche in einer verdichteten Schichte anzusammeln,
                              									in deren Zwischenräumen die Lauge nicht mehr hinreichend frei zu circuliren vermag.
                              									Ferner würde erforderlich seyn, die kalt erzeugte Seife einer Nachbehandlung zu
                              									unterwerfen, um ihr die für den Handel zukommende Form und Wassergehalt zu geben,
                              									namentlich auch ihr das
                              									freie Alkali zu entziehen. Schmelzen über kochendem Salzwasser würde wohl den Zweck
                              									am besten erfüllen.
                           
                        
                           II. Verhalten der Seife beim
                                 										Waschen.
                           Das Verhalten der Seife zum Wasser ist sehr wohl bekannt, soweit es die
                              									Seifensiederei angeht, viel weniger so weit es die Wäscherin angeht. So viel lehrt
                              									die tägliche Erfahrung, daß kochend bereitete Seifenlösungen beim Erkalten blind
                              									werden, indem sich höchst feine seidenglänzende Fasern abscheiden; sie lehrt ferner,
                              									daß die Seife mit viel Wasser in der Kälte keine vollkommene Lösung, sondern eine
                              									sogenannte „Seifenbrühe,“ eine trübliche Flüssigkeit bildet, in
                              									welcher ein Theil vom Bestand der Seife nur ungelöst aufgeschwemmt ist und im
                              									Sonnenlichte ebenfalls jenen eigenthümlichen Seidenglanz zeigt. Sobald also viel
                              									Wasser in der Kälte auf Seife einwirkt, findet neben Lösung auch Ausscheidung statt.
                              									Je nach der Concentration bleibt die Lösung flüssig oder gelatinirt, indem sie die
                              									Ausscheidung einschließt. Welcher Natur diese Ausscheidungen sind, darüber gibt die
                              									Literatur nur sehr dürftigen Aufschluß gegenüber dem großen praktischen Interesse,
                              									welches der Sache zukommt.
                           Chevreul hat seiner Zeit bei dem Studium der Verbindungen
                              									der fetten Säuren mit Alkalien das Verhalten derselben zum Wasser berührt. Nach
                              									seiner Angabe zerfallen die neutralen Salze dieser Säuren mit sehr viel Wasser (1500
                              									bis 5000 Th.) in ein unlösliches saures Salz und in freies Alkali, welches gelöst
                              									bleibt (mit einer Spur der fetten Säure). Das abgeschiedene Alkali soll etwa die
                              									Hälfte des in der Verbindung enthaltenen betragen. Wie durch Chevreul von der
                              									Oelsäure und Stearinsäure, so ist dieß ebenso von den späteren
                                 										Beobachtern für die Salze der Palmitinsäure mit den Alkalien festgestellt.
                              									Indem man diese Beobachtungen ohne weitere Prüfung durch das Experiment auf die
                              									Seife als gewerbliches Erzeugniß übertrug, entstand die durch alle Lehrbücher
                              									laufende Erklärung: „durch viel Wasser werden die Seifen in saure sich
                                 										niederschlagende Salze und gelöst bleibendes freies Alkali zerlegt.“
                              								
                           Selbstverständlich kann die Seife beim Waschen, indem dabei stets ein großer
                              									Ueberschuß von lauem oder kaltem Wasser im Spiel ist, nicht anders zur Wirkung
                              									kommen, als in dem Zustande in welchem die Ausscheidungen in einen löslichen und
                              									einen unlöslichen Theil bereits vor sich gegangen sind, wie schon der Augenschein in
                              									der Trübung des Seifenwassers lehrt. Obiger Erklärung zufolge bestände alsdann die
                              									Seifenbrühe einerseits aus den abgeschiedenen sauren Salzen der fetten Säuren als unwirksamer Ballast,
                              									weil ganz unlöslich; andererseits aus dem freien Alkali, dem allein löslichen und
                              									wirksamen Bestandtheil beim Waschen. Das Waschen mit Seife wäre demnach nichts als
                              									ein ungeheuer verschwenderischer sinnloser und mühevoller Umweg, um sich eine sehr
                              									verdünnte Aetzlauge zu verschaffen unter gänzlichem Verluste des kostspieligsten
                              									Materiales, der Fette oder fetten Säuren! Gesetzt eine Seife enthalte 12 Proc.
                              									Alkali und komme mit 1000 Th. Wasser beim Waschen zur Verwendung, so würde etwa die
                              									Hälfte des Alkalis frei, also von 1 G. Th. Seife 0,06 G. Th., die in den 1000 Th.
                              									Wasser eine Lauge von 0,006 Proc. Alkali bilden. Vom wirtschaftlichen Gesichtspunkte
                              									eine wahrhaft sträfliche Vergeudung! Schon an sich unwahrscheinlich für eine viele
                              									Jahrhunderte alte Praxis, wird sie noch zweifelhafter durch die Thatsache, daß die
                              									Seife eine specifisch andere Wirkung auf die Haut beim Waschen äußert wie die
                              									Aetzlauge, gleichviel welcher Verdünnung. Die letzteren hinterlassen ein höchst
                              									unangenehmes Gefühl von spannender Trockne der Epidermis, richtig gesottene Seife
                              									nie.
                           Aus diesen Gründen schien es wohl der Mühe werth, das thatsächliche Verhalten der
                              									Seife gegen Wasser, unter den bei den Anwendung zum Waschen herrschenden Bedingungen
                              									eingehender zu verfolgen. Der nahe liegende Gedanke, aus der Flüssigkeit wie sie
                              									beim Zergehen der Seife in viel Wasser entsteht, also dem Seifenwasser oder der
                              									Seifenbrühe, durch Filtration die feste Ausscheidung von der bleibenden Lösung zu
                              									trennen, bietet kaum überwindliche Schwierigkeiten. Die Seifenbrühe ist nämlich
                              									nicht filtrirbar, sie geht äußerst langsam und stets unklar durch das Filter.
                              									Demnach ist es unerläßlich für eine klare Erkenntniß des Vorganges, den unlöslichen
                              									von dem löslichen Theil zum Behuf gesonderter Untersuchung zu scheiden. Dazu bot
                              									eine gelegentlich gemachte Beobachtung die Hand, die sich als ein sehr bequemer und
                              									dienlicher Weg zur Erreichung des Zieles erwies und den Ausgangspunkt der folgenden
                              									Beobachtungen abgab.
                           Wenn man ein Stück fester, vorher möglichst ausgetrockneter Seife in einem Gefäß mit
                              									Wasser so anbringt, daß es eben unter die Oberfläche untergetaucht ist, (etwa auf
                              									einem eingeschobenen Drahtnetz) und das Gefäß ruhig stehen läßt, so sieht man sich
                              									deutlich an der Außenseite der Seife eine Lösung bilden, die in klaren ungetrübten
                              									Streifen zu Boden sinkt. Indem ihre Stelle sofort durch frisch hinzutretendes Wasser
                              									ersetzt wird und dieses wiederum einen Theil von dem löslichen Bestande der Seife
                              									aufnimmt u.s.w., gelangt man schließlich auf diesem Wege der natürlichen Circulation
                              									des Lösungsmittels dahin, die Seife gänzlich auszulaugen, d.h. den in Ueberschuß von kaltem
                              									Wasser löslichen Theil von dem unlöslichen zu scheiden. Während des Vorganges
                              									verliert die eingebrachte Seife mehr und mehr ihre durchscheinende Beschaffenheit,
                              									sie wird allmählich blind und gewinnt durch Bloßlegung der faserigen Structur
                              									einigermaßen das Ansehen von Holz. Wo die Fasern durch das Wasser mehr aufgeweicht
                              									sind, erscheinen sie von schönem Perlmutterglanz. In dieser Verfassung erhält man
                              									zuletzt den unlöslichen Theil für sich. Natürlich hängt die Vollständigkeit der
                              									Trennung sehr von der Ausführung des Versuches ab, also von der Form der Seife, die
                              									zusammenhängende größere aber nicht zu dicke sondern flache Stücke bilden muß; dann
                              									von der Menge des Wassers, im Zusammenhang damit auch von der Tiefe des Gefäßes;
                              									endlich davon, daß die an der Seife sich bildende Lösung sich im Niedersinken
                              									möglichst wenig mit dem unveränderten Wasser mischt.
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 209, S. 51
                              Der zur Erfüllung dieser Bedingungen aufgestellte Apparat
                                 											Fig. 1 bestand aus einem weiten hohen
                                 										Glascylinder a zur Aufnahme des destillirten
                                 										Wassers, aus einem über einen Ring c gespannten
                                 										Stück Stramin oder Tüll zur Aufnahme der Seife, und aus einer Vorrichtung um die
                                 										gebildete Lösung unvermischt nach dem Boden abzuführen. Diese Vorrichtung ist
                                 										eine Flasche b mit abgesprengtem Boden und einem in
                                 										die Mündung eingesetzten Glasrohr d Nachdem der
                                 										Cylinder mit destillirtem Wasser gefüllt ist, setzt man die abgesprengte Flasche
                                 										so ein, daß ihr Rand nahe unter den Wasserspiegel, die Mündung des Glasrohres
                                 										nahe über den Boden zu stehen kommt. Zuletzt befestigt man den Ring mit Stramin
                                 										etc. innerhalb der abgesprengten Flasche so, daß ihn das Wasser eben
                                 										bedeckt.
                              
                           Die Seife wird auf dem ausgespannten engmaschigen Stramin
                              									unter Beseitigung aller Splitter und Krumen in gleichen flachen Stücken so
                              									ausgebreitet, daß dieselben nirgend übereinander zu liegen kommen. In diesem
                              									Apparate bewerkstelligt sich nun die Auslaugung durch einen Kreislauf des Wassers in
                              									der Art, daß die gebildete Lösung von der unteren Seite des Strammes innerhalb des
                              									Flaschenhalses durch das Rohr nach dem Boden abfließt, während das frische Wasser
                              									aus dem oberen Theil des Cylinders durch den Zwischenraum zwischen diesem und dem
                              									Flaschenhals in diesen über den Ring mit Stramin und mithin von oben auf die Seife
                              									gelangt. So dauert die Bewegung ununterbrochen fort bis zur Erschöpfung der Seife.
                              									– Das Wasser in dem Cylinder ist wiederholt zu erneuern, bis zur Erschöpfung
                              									der Seife. Man hebt während des Umfüllens den Flaschenhals unter Vermeidung von
                              									Erschütterung aus, und setzt ihn nach geschehener Operation wieder an die
                              									Stelle.
                           Die zu dem Versuch gebrauchte Seife war eine schöngeflammte Talgkernseife von
                              									ausgezeichneter Qualität und in dem Zustande der Trockenheit, den sie nach
                              									mehrjähriger Aufbewahrung in einem offenen Kasten an trockenem Ort angenommen. Sie
                              									löste sich ohne Rückstand in kochendem Weingeist. In den Apparat, dessen Cylinder
                              									bei 10 Centimeter Durchmesser gerade zwei Liter faßte, konnten auf die Straminfläche
                              									20 bis 25 Grm. Seife eingebracht werden. Es genügte, das Wasser alle zwei Tage zu
                              									wechseln, was im Ganzen siebenmal geschah, so daß im Ganzen 14 Liter Wasser
                              									verbraucht wurden. Die damit gewonnene Lösung war zwar nicht absolut klar, sondern
                              									leicht opalisirend, doch nur so, daß man Gegenstände durch die Dicke des damit
                              									gefüllten Cylinders noch mit deutlichen Umrissen sehen konnte. Es sind namentlich
                              									die letzten Wässer, welche die leichte Trübheit bringen, weil gegen Ende die
                              									Seifenstücke durch die starke Auslaugung äußerlich an Zusammenhang verlieren und von
                              									den feinsten Theilchen sich etwas losschwemmt. Man erhält also den löslichen Theil
                              									der Seife nicht absolut frei vom unlöslichen, den unlöslichen aber ganz frei vom
                              									löslichen. Die Auslaugung wurde geschlossen, als nach 7 Tagen das aufgegossene
                              									Wasser nichts Nachweisbares mehr enthielt. Man hatte bis dahin den Inhalt des
                              									Cylinders (- 2 Liter) siebenmal erneuert, es waren also im Ganzen 14 Liter
                              									Wasser auf die Seife gekommen, deren Gewicht 20 bis 25 Grm. betrug. Es hat demnach
                              									das 600- bis 700fache Gewicht Wasser auf die Seife eingewirkt.
                           Der unlösliche Rückstand der Seife, zwischen Filtrirpapier gepreßt, verlor bedeutend
                              									an Volum, und bildete nach dem völligen Austrocknen im Wasserbade eine faserige
                              									auffallend perlmutterglänzende Masse. Die sieben aufeinander folgenden Auszüge
                              									vereinigt und im Wasserbade zur Trockne gebracht, hinterließen eine formlose Masse
                              									von schmutziger graubrauner Farbe, von dem Ansehen gewöhnlicher Seife, aber ohne das
                              									Faserige oder Geflammte.
                           Die Untersuchung des chemischen Bestandes des löslichen und unlöslichen Theiles der
                              									Seife im Vergleich mit dem chemischen Bestande der Seife selbst mußte die weiteren
                              									Aufschlüsse über die Wirkung des Wassers geben. Der Gang war derselbe wie im ersten
                              									Abschnitt dieser Abhandlung.
                           a) Untersuchung der Seife
                                 										selbst.
                           5 Grm. Seife in dem zur Auslaugung verwendeten Zustande, mit Chlorwasserstoff
                              									zersetzt, lieferten 4,224 Grm. = 84,48 Proc. fette Säuren. – Eine andere
                              									Portion, abermals 5 Grm. mit 30 K. C. Normalschwefelsäure zersetzt, gaben eine
                              									wässerige Lösung mit freier Säure, deren Betrag durch Zurücktitriren 14,19 K. C.
                              									Normalschwefelsäure entsprechend gefunden wurde. Zur Bindung des Alkalis in der
                              									Seife sind daher verbraucht 30–14,19 = 15,81 K. C. Normalschwefelsäure,
                              									entsprechend 0,637 Grm. Schwefelsäure (SO³), also 0,494 Grm. Natron oder 9,86
                              									Proc. – Endlich verlor ein dritter Antheil Seife bei 150° C.
                              									getrocknet 5,66 Proc. Wasser.
                           Die Seife in dem Zustande wie sie zum Versuch verwendet worden, besteht daher
                              									aus:
                           
                              
                                 fetten Säuren
                                 84,48
                                 
                              
                                 Natron
                                 9,86
                                 
                              
                                 Wasser
                                 5,66
                                 
                              
                           b) Der in Wasser unlösliche
                                 										Seifenrückstand.
                           1,619 Grm. mit 10 K. C. Normalschwefelsäure zersetzt, gaben 1,405 Grm. oder 86,78
                              									Proc. fette Säuren. – Die saure Lösung zurücktitrirt ergab eine Quantität
                              									freier Säure, die 5,725 K. C. Normalschwefelsäure entsprach. Zur Bindung des Alkalis
                              									sind also verbraucht 10–5,725 = 4,275 K. C. Normalschwefelsäure, entsprechend
                              									0,172 Grm. Schwefelsäure (SO³) oder 0,133 Natron = 8,21 Proc. – Der
                              									Verlust beim Trocknen bei 150° C. betrug 5,009 Proc. Wasser.
                           Der unlösliche Theil der Seife besteht sonach aus:
                           
                              
                                 fetten Säuren
                                 86,78
                                 
                              
                                 Natron
                                 8,21
                                 
                              
                                 Wasser
                                 5,01
                                 
                              
                           c) Der in Wasser lösliche
                                 										Theil.
                           1,753 Grm. davon mit 10 K. C. Normalschwefelsäure zersetzt, gaben 0,934 Grm. oder
                              									53,28 Proc. fette Säuren. – Die freie Säure der von dem Fette geschiedenen
                              									Flüssigkeit, durch Zurücktitriren bestimmt, entsprach 5,328 K. C.
                              									Normalschwefelsäure. Durch das Natron waren also 10–5,328 K. C. –
                              									4,672 K. C., entsprechend 0,188 Grm. Schwefelsäure (SO³) oder 0,146 Grm.
                              									Natron = 8,31 Proc. gebunden. – Beim Trocknen bei 150° C. betrug der
                              									Verlust an Wasser 38,41 Proc.
                           Der lösliche Theil der Seife besteht sonach aus:
                           
                              
                                 fetten Säuren
                                 53,28
                                 
                              
                                 Natron
                                 8,31
                                 
                              
                                 Wasser
                                 38,41
                                 
                              
                           Wie man sieht, sind die Seife und ihre Auslaugproducte mit demjenigen zufälligen
                              									Wassergehalt analysirt mit dem jene bei der Anwendung gerade behaftet war und diese
                              									aus dem Versuche hervorgingen. Rechnet man, um die Vergleichbarkeit herzustellen, auf
                              									wasserfreie Substanz, so hat man:
                           
                              
                                 
                                 Seife
                                 Unlöslicher Theil
                                 Löslicher Theil
                                 
                              
                                 fette Säuren
                                   89,55
                                  91,36
                                   86,51
                                 
                              
                                 Natron
                                   10,45
                                    8,64
                                   13,49
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 ––––––
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 100,00
                                 100,00
                                 
                              
                           Der perlmutterglänzende Auslaugrückstand der Seife ist nicht nur in kaltem, sondern
                              									auch in kochendem Wasser ganz unlöslich; selbst kochender absoluter Alkohol nahm nur
                              									0,48 Proc. davon auf. Umgekehrt ist der extractive Theil der Seife in Wasser und
                              									Weingeist aller Temperaturen löslich. Daß dieselbe Seife, aus welcher die beiden
                              									Bestandtheile hervorgegangen, sich demungeachtet ohne Rückstand in kochendem Wasser
                              									löst, erklärt sich leicht, denn der permutterglänzende Rückstand ist leicht löslich
                              									in einer heißen oder kochenden Lösung des extractiven Theiles.
                           Die vorstehenden Beobachtungen, zunächst nur angestellt um Fühlung mit dem
                              									Gegenstande dieser Abhandlung zu gewinnen, führen zu folgenden Ergebnissen:
                           Bei der Einwirkung von viel kaltem Wasser auf die Talgkernseife findet in der That
                              									Zersetzung der Seife statt. An ein Zerfallen derselben in saure Salze der Fettsäuren
                              									und freies Alkali ist jedoch nicht zu denken; wohl aber ist der unlösliche Theil der
                              									Seife saurer, der lösliche Theil basischer als die ursprüngliche Seife. Dabei weisen
                              									die Thatsachen ziemlich deutlich darauf hin, daß bei der Zersetzung durch kaltes
                              									Wasser nicht bloß eine Verschiebung bezüglich des Grades der Sättigung mit Alkali,
                              									sondern auch eine Verschiebung in Bezug auf die Qualität der fetten Säuren
                              									stattfindet. Dieß gibt schon die große Abweichung im Schmelzpunkte der fetten Säuren
                              									der beiden Auslaugproducte an die Hand. Er lag für die fetten Säuren aus dem
                           
                              
                                 
                                    Rückstande
                                    
                                 
                                    gelösten Theil
                                    
                                 
                              
                                 bei 53° C.
                                 bei 29° C.
                                 
                              
                           Offenbar ist das ölsaure Natron vorwiegend oder ganz in Lösung gegangen, während die
                              									festen fetten Säuren in gleicher Weise den unlöslichen Rückstand constituiren;
                              									einigermaßen spricht auch der Elementarbestand der fetten Säuren beider Theile
                              									dafür:
                           Bei der Verbrennung lieferten 0,2547 Grm. der Säure des unlöslichen Rückstandes
                              									0,6962 Kohlensäure und 0,2785 Wasser; ferner 0,2270 Grm. der Säure des löslichen
                              									Theiles 0,6202 Kohlensäure und 0,2360 Wasser. Dieß gibt für die Säure des
                           
                           
                              
                                 
                                 I. Unlöslichen Theiles:
                                 II. Löslichen Theiles:
                                 
                              
                                 Kohlenstoff
                                   74,53
                                   74,52
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                   12,15
                                   11,55
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                   13,32
                                   13,93
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 100,00
                                 
                              
                           Der procentische Bestand von I ist dem der PalmitinsäureDie Palmitinsäure enthält 75,00 Kohlenstoff, 12,50 Wasserstoff und 12,50
                                    											Sauerstoff. sehr nahe. In II ist das Verhältniß des Kohlenstoffes zum Wasserstoff sehr
                              									nahe das der Oelsäure,Es ist in der Oelsäure76,59 Kohlenstoff,12,06 Wasserstoff,in obigen Säuren II76,59        
                                             														„11,87        
                                             														„ dagegen ein erheblicher Ueberschuß an Sauerstoff. Der Sauerstoff ist nicht
                              									nur größer als in der Oelsäure, sondern auch größer als in allen im Talg möglichen
                              									fetten Säuren.Der Sauerstoffgehalt der Palmitinsäure ist 12,50, der Stearinsäure 11,26, der
                                    											Oelsäure 11,35 Proc. Dieser Ueberschuß an Sauerstoff ist ganz im Einklang mit der Eigenschaft der
                              									Oelsäure im freien Zustande energisch Sauerstoff anzuziehen; denn die Analyse ist
                              									mit der abgeschiedenen fetten Säure unmittelbar ohne Weiteres und nach längerem
                              									Schmelzen im offenen Gefäße während der Abscheidung, angestellt.
                           Eine genaue Feststellung der Salze der fetten Säuren, welche den in viel kaltem
                              									Wasser entstehenden löslichen und unlöslichen Theil bilden, würde selbstverständlich
                              									Darstellung größerer Mengen der Producte, umständliche Reindarstellung, fractionirte
                              									Fällungen etc. voraussetzen, auch eine sorgfältige Vergleichung mit den Salzen der
                              									einzelnen fetten Säuren im reinen Zustande und ihres Verhaltens erheischen.
                              									Einstweilen geht mit Gewißheit aus dem Obigen hervor, daß der unlösliche Rückstand
                              									sich sowohl in seinem Natrongehalt als auch namentlich durch die Schwerlöslichkeit
                              									in kochendem Weingeist von den sauren Salzen der im Talg vorkommenden fetten Säuren
                              									unterscheidet. – Das dritte Glycerid, welches neben dem der Oel- und
                              									Palmitinsäure als Bestandtheil des Talges angegeben zu werden pflegt, nämlich das
                              									der Stearinsäure, scheint nur in untergeordneter Menge vertreten zu seyn. Es müßte
                              									sich sonst diese Säure durch ihren verhältnißmäßig hohen Kohlenstoffgehalt (76,06
                              									Proc.) mehr bemerklich machen.
                           In ökonomischer Beziehung drängen die mitgetheilten Beobachtungen zu Zweifeln ob die
                              									Grundlage der hergebrachten Seifensiederei rationell gerechtfertigt dastehe. Die
                              									Unwirksamkeit des unlöslichen Theiles der Seife vorausgesetzt, erscheint es als
                              									Verstoß gegen die wirthschaftlichen Gesetze, so wichtige und werthvolle Stoffe wie
                              									die Fette ohne Weiteres,
                              									gleichsam wie sie Gott erschaffen hat, zu verseifen, ohne vorausgehende Scheidung
                              									der verschiedenen Säuren der natürlichen Fette. Diese wären dann, jede nach ihrer
                              									natürlichen Qualität, zu verwerthen.