| Titel: | Die Saftgewinnung aus der Zuckerrübe; von Prof. Dr. Heeren. | 
| Fundstelle: | Band 209, Jahrgang 1873, Nr. XIII., S. 57 | 
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                        XIII.
                        Die Saftgewinnung aus der Zuckerrübe; von Prof.
                           								Dr. Heeren.
                        Aus den Mittheilungen des hannoverschen
                                 								Gewerbevereines, 1873 S. 71.
                        Heeren, über die Saftgewinnung aus der Zuckerrübe.
                        
                     
                        
                           Die von Jahr zu Jahr auch in der Provinz Hannover sich ausbreitende
                              									Zucker-Industrie und die nicht selten in öffentlichen Blättern darüber
                              									erscheinenden Artikel machen es dem gebildeten Laien wünschenswerth, mit den
                              									Fortschritten in diesem wichtigen Industriezweige einigermaßen sich auf gleicher
                              									Höhe zu erhalten. Es ist dieß der Zweck des folgenden kleinen Aufsatzes, welcher
                              									also, weit entfernt, dem Zuckerfabrikanten Neues sagen zu wollen, nur dazu dienen
                              									soll, einen besonders wichtigen Theil dieser Industrie, nämlich die Gewinnung des
                              									Saftes, in leicht verständlicher Weise zu beschreiben.
                           Die weiße schlesische Zuckerrübe, keineswegs die in hiesiger Gegend vielfach gebaute
                              									rothe Runkelrübe ist es, welche zur Zuckergewinnung Anwendung findet, jedoch wieder
                              									in einer großen Menge Spielarten vorkommt, unter welchen die sogenannte
                              									Imperialrübe, wegen des bedeutenden Zuckergehaltes und der Reinheit ihres Saftes
                              									wohl als die vorzüglichste Anerkennung findet.
                           Ohne auf das Landwirtschaftliche, Boden, Beackerung, Düngung, Aufbewahrung der Rüben
                              									u. dgl. hier einzugehen, bemerke ich nur, daß die Zuckerrübe nicht, wie die hiesige
                              									rothe Rübe, weit aus der Erde hervorwächst, sondern daß sie sich, zumal wenn der
                              									Boden hinreichend tief aufgelockert war, fast ganz unter der Erde hält und nur einen
                              									kleinen Kopf hervorragen läßt. Es ist dieser Umstand von großer Wichtigkeit, weil
                              									nur der Saft des in der Erde befindlichen Theiles Zucker, jener des aus der Erde
                              									hervorragenden Theiles dagegen nur ganz wenig davon enthält.
                           Das gewöhnliche mittlere Gewicht der Zuckerrüben ist etwa 0,5 bis 1 Kilogrm., doch
                              									kommen auch ausnahmsweise viel größere vor, deren Saft dann aber sehr wässerig zu
                              									seyn pflegt.
                           Ein preußischer Morgen (25,53 Ar) liefert durchschnittlich etwa 7500, selten bis zu
                              									10,000 Kil., ja mitunter auf feuchtem Boden bis zu 15,000 Kil. Rüben. Diese erreichen dann
                              									oft eine bedeutende Größe, geben aber einen wässerigen, viele Salze, namentlich
                              									Salpeter enthaltenden, schwierig zu verarbeitenden und zur Verdampfung so vielen
                              									Wassers viel Brennmaterial erfordernden Saft.
                           Die Runkelrübe, abgesehen von der feinen Oberhaut, die sich durch Abschaben leicht
                              									entfernen läßt, besteht ganz und gar aus feinen Zellen, deren außerordentlich dünne,
                              									zarte Wände aus Zellgewebe (Cellulose Holzsubstanz)
                              									gebildet und durch ein zwischengelagertes Bindemittel, die Intercellularsubstanz,
                              									verbunden sind. Diese letztere soll nach den darüber angestellten
                              									mikroskopisch-chemischen Untersuchungen aus Pektos
                              									bestehen, einer festen organischen Substanz, welche sich durch die Eigenschaft, in
                              									heißem Wasser aufzuquellen und sich sowohl in Alkalien wie in Säuren zu lösen,
                              									charakterisirt. Die Zellwände nebst der Intercellularsubstanz, welche allein den
                              									festen Theil, gewissermaßen das Gerippe der Rübe bilden, machen nur etwa 4 Procent
                              									vom Gewichte der Rübe aus, so daß der in den Zellen enthaltene Saft durchschnittlich
                              									96 Proc. vom Gewichte der Rübe bildet. Die Rübe besteht somit, bis auf wenige
                              									Procente fester Substanz, fast ganz aus Saft.
                           Der Saft, eine etwas trübe, gelblich gefärbte Flüssigkeit von süßem Geschmack enthält
                              									als Bestandtheile:
                           
                              1. krystallisirbaren Zucker;
                              2. Pflanzeneiweiß (Albumin) durch Erhitzen gerinnend;
                              3. andere stickstoffhaltige, durch Erhitzen nicht gerinnende,
                                 										wohl aber durch Kochen mit Kalk fällbare, ihrer Natur nach noch nicht genau
                                 										bekannte Stoffe;
                              4. Kali- und Natronsalze, theils unorganische
                                 										(Salpetersäure), theils organische Säuren (Aepfel-, Klee-,
                                 										Citronensäure) enthaltend.
                              
                           Das Mengenverhältniß dieser Bestandtheile unterliegt, je nach dem Boden, der Düngung,
                              									der Witterung und anderen äußeren Einflüssen vielfachen Schwankungen, wie z.B. ein
                              									kalter, feuchter, frisch gedüngter Boden größeren Salz-, hingegen kleineren
                              									Zuckergehalt im Safte zur Folge haben kann. Der Kürze halber pflegt man in der
                              									Sprache der Technik alle im Safte gelösten Bestandtheile mit Ausnahme des Zuckers
                              									mit dem Collectivnamen „Nichtzucker“
                              									zu belegen.
                           Nach Beobachtungen von Siemens enthält der untere Theil
                              									der Rüben einen concentrirteren Saft als der obere, wie die folgenden drei Versuche
                              									zeigen, worin die Zahlen den Procentgehalt an Zucker im Safte angeben: 
                              								
                           
                              
                                 1)
                                 2)
                                 3)
                                 
                              
                                   9,75
                                 11,6
                                   9,9
                                 
                              
                                 10,12
                                 13,0
                                 10,0
                                 
                              
                                 10,50
                                 13,5
                                 10,9
                                 
                              
                                 12,25
                                 13,5
                                   11,47
                                 
                              
                                 
                                 15,0
                                   11,16
                                 
                              
                                 
                                 
                                   12,38
                                 
                              
                           Nr. 1 und 3 war von größeren, Nr. 2 von kleinen Rüben gewonnen.
                           Der Rübensaft enthält den Zucker durchaus in krystallisirbarem Zustande, und nur in
                              									Folge der Verarbeitung geht ein Theil desselben in unkrystallisirbaren
                              									Schleimzucker, Syrup, über; ein großer Uebelstand, welchem trotz aller
                              									Vervollkommnung der Zucker-Industrie noch nicht vorgebeugt werden konnte.
                           Um den Zuckergehalt des Saftes zu bestimmen, bedient man sich allgemein einer
                              									optischen Untersuchung, der Polarisation, deren ohnehin sehr schwierige populäre
                              									Darstellung aber die dem vorliegenden Aufsatze gesteckten Grenzen weit überschreiten
                              									würde, auch für das Folgende ganz entbehrlich ist. Natürlich existiren über den
                              									Zuckergehalt untersuchter Rübensäfte unzählige Angaben, nach welchen sich derselbe
                              									meistens auf 10 bis 12 Procent beläuft, doch sind gar weit günstigere Resultate mit
                              									Rüben erzielt, welche freilich mit besonderer Sorgfalt gezogen waren. So erhielt Sehring folgende Zuckergehalte:
                           
                              
                                 Rübensorte
                                 Zucker in Procenten des Saftes
                                 
                              
                                   1. Gröbzig
                                 17,38
                                 
                              
                                   2. Vilmorin
                                 20,74
                                 
                              
                                   3. Gerlebogk
                                 19,25
                                 
                              
                                   4. Königsrübe
                                 17,77
                                 
                              
                                   5. Löbnitz
                                 16,45
                                 
                              
                                   6. Koppy
                                 20,04
                                 
                              
                                   7. Glauzig
                                 18,49
                                 
                              
                                   8. Imperial
                                 18,76
                                 
                              
                                   9. Elektoral
                                 20,04
                                 
                              
                                 10. Wörbzig
                                 19,75
                                 
                              
                                 11. Wehringer
                                 19,75
                                 
                              
                                 12. Edderitz
                                 18,67
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 Mittel
                                 18,93
                                 
                              
                           Ob es je gelingen wird, auch im Großen so günstige Ergebnisse
                              									zu erzielen, steht dahin, doch scheint die Möglichkeit vorhanden.
                           Wenn nach den Untersuchungen von Peligot, Dupuy und Casaseca
                              									der Zuckergehalt im Safte
                              									des Zuckerrohres von Martinique, Guadaloupe und von Cuba durchschnittlich 20 Procent
                              									beträgt, so sieht man, daß der Rübensaft unter sehr günstigen Verhältnissen dem des
                              									Zuckerrohres gleichkommen kann. In Betracht aber, daß man aus dem Zuckerrohr durch
                              									Auspressen zwischen kräftigen eisernen Walzen nur etwa 65 Procent Saft gewinnt,
                              									während aus der Zuckerrübe durch die neueren vervollkommneten Methoden der
                              									Saftgewinnung fast der ganze Saft, jedenfalls über 90 Procent gewonnen werden kann,
                              									so würde unter Annahme obigen Gehaltes die Rübe dem Zuckerrohr überlegen seyn.
                              									Nehmen wir aber auch den Gehalt nur zu 12 Procent an, so verhält sich das Zuckerrohr
                              									zu der Zuckerrübe wie 100 zu 84. Ein wesentlicher Vorzug des Zuckerrohres freilich
                              									liegt darin, daß der Saft der Rübe einen unangenehm bitterlich kratzenden Geschmack
                              									besitzt, welcher zwar dem Zucker nicht angehört, sondern in den Syrup übergeht, aber
                              									eben deßhalb eine vollständigere Reinigung des Zuckers vom Syrup verlangt, als dieß
                              									beim Rohrzucker der Fall ist.
                           Nicht uninteressant sind Versuche von Lotman über den
                              									zunehmenden Zuckergehalt bei fortschreitendem Wachsthum der Rübe. So fand er im
                              									Safte:
                           
                              
                                 am 19. Juli
                                 2,71 Proc. Zucker
                                 
                              
                                   „    6.
                                    											August
                                 4,25    „        
                                    											„
                                 
                              
                                   „  17. August
                                 4,90    „        
                                    											„
                                 
                              
                                   „    1.
                                    											September
                                 6,96    „        
                                    											„
                                 
                              
                                   „  21. September
                                 7,50    „        
                                    											„
                                 
                              
                                   „    4.
                                    											October
                                 9,34    „        
                                    											„
                                 
                              
                                   „  12. October
                                 9,63    „        
                                    											„
                                 
                              
                           Zur Gewinnung des Saftes sind nun verschiedene Methoden in
                              									Anwendung gekommen, und theilweise auch jetzt noch in Anwendung, nämlich:
                           1) Pressen,
                           2) Maceration,
                           3) Centrifugiren,
                           4) Diffusion,
                           anderer, nie im Großen zur Anwendung gekommener Vorschläge
                              									nicht zu denken.
                           
                        
                           
                              A. Pressen.
                              
                           Die Rüben werden zu diesem Zweck durch Reibmaschinen auf's Feinste zerrieben und in
                              									Brei verwandelt, wobei die Absicht vorliegt, möglichst alle Zellenwände zu
                              									zerreißen, um dem Safte freien Austritt zu gestatten. Daß diese Absicht auch bei den
                              									vollkommensten Reibmaschinen wegen der ungemeinen Kleinheit der Zellen immer nur unvollkommen
                              									erreicht werden kann, liegt auf der Hand, wie denn auch in der That mittelst des
                              									Pressens gewöhnlich nur 84 bis 86, höchstens, nämlich bei zweimaligem Pressen, 90
                              									Procent Saft vom Gewicht der Rüben gewonnen werden, mithin 6 Procent Saft in den
                              									Preßlingen (Träbern) verbleiben. Zwar, da diese Traber als Viehfutter dienen, kommt
                              									der in ihnen noch vorhandene Zucker dem Vieh als Nahrungsmittel zu Gute; es ist aber
                              									klar, daß sich dieses Nahrungsmittel ziemlich theuer stellen. muß, weil sich ja die
                              									Kosten des Reibens und Pressens, sowie die der Versteuerung auf diesen, der
                              									Zuckergewinnung entgehenden Theil mit vertheilen.
                           Man preßt den Rübenbrei mittelst kräftiger, gewöhnlich einen Druck von 200,000
                              									Kilogrm. gebenden hydraulischen Pressen, wobei der Brei in wollene Tücher
                              									geschlagen, oder, obwohl weniger zweckmäßig in Säcke gefüllt, zwischen starken
                              									Eisenblechen zu einem Packstoß von etwa 30 solchen Packeten aufgeschichtet, in die
                              									Presse eingesetzt und etwa 20 Minuten lang der vollen Pressung ausgesetzt bleibt.
                              									Zum Zwecke der vollständigeren Saftgewinnung läßt man schon in der Reibmaschine
                              									etwas Wasser (etwa 20 Procent vom Gewicht der Rüben) zufließen, durch welche
                              									Verdünnung das Entweichen des Saftes aus dem Mark so bedeutend erleichtert wird,
                              									daß, trotz der zum nachherigen Wiederverdampfen dieses Wasserzusatzes erforderlichen
                              									Feuerungskosten, diese Verdünnung doch allgemeine Anwendung findet.
                           Statt einmaligen Pressens bedienen sich einige Fabriken des zweimaligen Pressens,
                              									indem die Preßkuchen zuerst etwa 10 Minuten lang vorgepreßt, dann aus der Presse
                              									genommen, auf's Neue zwischen Eisenplatten aufgeschichtet, in eine andere Presse
                              									wieder eingesetzt und nochmals gepreßt werden. Die Ausbeute an Saft beträgt in
                              									diesem Falle selten über 86 Procent. Eine beträchtlich höhere, bis zu 90 Procent
                              									steigende Saftgewinnung gewährt das Verfahren des zweimaligen Reibens und Pressens,
                              									nach welchem die vollständig ausgepreßten Kuchen nochmals unter Wasserzufluß
                              									gerieben und nochmals gepreßt werden.
                           Der Versuch, die hydraulische Presse durch ein anderes continuirliches Pressen
                              									mittelst Walzen zu ersetzen, um schneller zu arbeiten und die zur Bedienung der
                              									hydraulischen Pressen sehr bedeutenden Arbeitslöhne zu vermindern, hat zwar ganz
                              									günstige Resultate gegeben, da zur Bedienung von zwei Walzenpressen Ein Arbeiter
                              									ausreicht und bei zweimaligem Reiben und Walzen unter ungünstigen Verhältnissen,
                              									nämlich in sehr vorgerückter Jahreszeit, im März, 87 Procent gewonnen wurden,
                              									scheint aber, in Deutschland wenigstens, der Concurrenz des Diffusionsverfahrens
                              									nicht gewachsen zu seyn. Die Walzenpresse von Champonnois
                              									besteht im Wesentlichen
                              									aus zwei starken eisernen Walzen, zwischen welchen zwei lange Preßtücher ohne Ende
                              									hindurchlaufen. Der Rübenbrei fließt zwischen dieselben, wird bei ihrem Fortrücken
                              									zwischen die Walzen geführt und ausgepreßt. Eine besondere Vorrichtung hält dabei
                              									die Preßtücher an den Seiten zusammen, um das seitliche Entweichen des Breies zu
                              									verhindern.
                           
                        
                           B. Die Maceration. Das Wort
                              										„Maceriren“ heißt so viel wie aufweichen, wird aber nur für
                              									organische Substanzen gebraucht, wenn man dieselben durch längeres Einlegen in
                              									kaltes oder warmes Wasser zu erweichen und die löslichen Theile in Auflösung zu
                              									bringen sucht.
                           Schon im Jahre 1821 wurde von dem Franzosen Dombasle ein
                              									schon früher von Marggraf angeregtes Verfahren der
                              									Saftgewinnung durch Behandlung der in Scheiben zerschnittenen Rüben mit Wasser ohne
                              									alles Pressen zur Ausführung gebracht. Die mittelst einer Schneidmaschine in dünne,
                              									etwa 0,004 Meter starke Scheiben zerschnittenen Rüben wurden in großen Bottichen mit
                              									kochend heißem Wasser behandelt, um alle löslichen Theile auszuziehen. Nun aber
                              									würde durch das zugesetzte Wasser der Rübensaft stark verdünnt, und doch würden die
                              									Rübenschnitte keineswegs vollständig erschöpft werden, wenn nicht durch Anwendung
                              									eines sehr sinnreichen Verfahrens, der sogenannten continuirlichen Auslaugung die Aufgabe, auf der einen Seite die
                              									Rübenschnitte möglichst zu erschöpfen, auf der anderen Seite aber doch den Rübensaft
                              									in wenig verdünntem Zustande zu gewinnen, ihre vollständige Lösung gefunden hätte.
                              									Er stellte eine Batterie von 12 großen Bottichen auf und gab die Rübenschnitte in
                              									große cylindrische Siebe, welche über den Bottichen hängend in diese hineingelassen
                              									und wieder herausgezogen, zugleich aber auch verschoben werden konnten, so daß jedes
                              									Sieb successive in den ersten, dann den zweiten, dritten Bottich u.s.f.
                              									herabgelassen werden konnte.
                           Denken wir uns nun zu Anfang der Arbeit alle 12 Bottiche in einer Reihe aufgestellt,
                              									von der linken zur rechten Hand fortlaufend mit den Zahlen 12, 11, 10........ 1
                              									bezeichnet und mit heißem Wasser gefüllt. Es seyen ferner alle 12 Siebe in gleicher
                              									Weise von 12, 11, 10 bis 1 numerirt und mit Rübenschnitten geladen. Man senke nun
                              									das erste Sieb, Nr. 1 in den letzten Bottich Nr. 12, lasse es vielleicht eine halbe
                              									Stunde darin, winde es sodann heraus, senke es darauf in den vorletzten, inzwischen
                              									mit heißem Wasser gefüllten Bottich Nr. 11, dann nach abermaligem Verlauf einer
                              									halben Stunde in Nr. 10 und so fort bis zum Ende der Batterie, und man wird durch
                              									die zwölfmalige Behandlung mit immer neuen Portionen heißen Wassers die Schnitte sicher so weit
                              									aller löslichen Theile berauben, als es unter diesen Umständen möglich ist, womit
                              									der eine Theil der Aufgabe, Erschöpfung der Rüben, gelöst wäre. – Während nun
                              									das Sieb Nr. 1 seinen Weg durch die Reihe der Bottiche zurücklegt, bringe man das
                              									Sieb Nr. 2, welches, wie gesagt, auch mit frischen Schnitten gefüllt ist, in den
                              									letzten Bottich 12, dann nach einer halben Stunde in Nr. 11 und lasse es, dem ersten
                              									Siebe folgend, die ganze Batterie durchwandern. Fährt man in dieser Reihenfolge
                              									fort, so wird der Inhalt des Bottiches 12, nachdem er zwölfmal mit frischen
                              									Schnitten in Berührung gewesen, eine, dem Safte der Rüben fast gleiche Concentration
                              									besitzen. Man zapft diesen Dicksaft aus ihm ab und füllt ihn mit heißem Wasser,
                              									während man zugleich das Sieb Nr. 1 von den erschöpften Schnitten leert und es mit
                              									frischen Schnitten füllt. Nun beginnt ein zweiter Turnus.
                              									Der Bottich 11, dessen Inhalt in Folge des Durchpassirens von zwölf Sieben schon
                              									ziemlich, wenn auch nicht ganz gesättigt ist, kommt nun zuerst an die Reihe, indem
                              									man das frisch gefüllte Sieb zuerst in ihn einsenkt, wogegen der mit Wasser neu
                              									gefüllte Bottich 12 nunmehr zum letzten degradirt wird, so daß das fast erschöpfte
                              									Sieb 2 zuletzt in diesen Bottich kommt und an das darin befindliche Wasser den
                              									letzten Rest der löslichen Theile abgibt. Nachdem der Bottich 2 eine halbe Stunde
                              									lang sich des Besuches noch unberührter jungfräulicher Schnitte erfreut und dadurch
                              									bis zum Maximum gesättigt hat, zapft man auch seinen Inhalt ab, füllt ihn mit heißem
                              									Wasser und degradirt ihn somit zum letzten, während Nr. 12 seinen Rang um eine Stufe
                              									erhöht und zum vorletzten wird. – Es folgt nun der dritte Turnus, u.s.f., dergestalt, daß jedes Sieb, nachdem es frisch
                              									gefüllt worden, die ganze Batterie durchwandert, dabei successiv mit immer
                              									schwächerem Saft, zuletzt mit reinem Wasser in Berührung kommt, während jeder
                              									Bottich zuerst ein fast erschöpftes Sieb, dann nach und nach weniger erschöpfte und
                              									schließlich ein frisch gefülltes beherbergt und dadurch zur Sättigung gelangt.
                           Das Dombasle'sche Macerationsverfahren machte, dem damals
                              									nur bekannten Preßverfahren gegenüber, seiner Einfachheit wegen großes Aufsehen,
                              									konnte sich aber mehrerer Uebelstände wegen nicht behaupten. Die mindestens
                              									6stündige Einwirkung des heißen Wassers brachte das Pektos der Intercellularsubstanz
                              									in Lösung, es entstanden sogenannte Pektinkörper, welche die Krystallisation des
                              									Zuckers in solchem Grade erschweren, daß sie die 15fache Menge ihres Gewichtes
                              									Zucker am Krystallisiren hindern können; der Saft färbte sich, ohne Zweifel in Folge
                              									der oxydirenden Einwirkung des atmosphärischen Sauerstoffes, dunkelbraun und war, zumal man damals noch
                              									nicht die so überaus günstige Reinigung durch Filtration über Beinkohle kannte, sehr
                              									schlecht zu verarbeiten. Dazu kam, daß auch die Zellwände zu einer fast schleimigen
                              									Masse aufquollen, welche den Austritt des Saftes erschwerte, somit die Ausbeute an
                              									Saft hinter die erwartete Menge zurückdrängte. Eine Erniedrigung der dem Safte so
                              									höchst nachtheiligen auf 80 bis 85° Cels. erhaltenen Wärme, zeigte sich wegen
                              									der dann sehr unvollkommenen Auslaugung der Schnitzel unzulässig.
                           Nach langjähriger Ruhe, während welcher das Preßverfahren allein sich behauptete,
                              									traten andere Macerationsapparate, so der von Pelletan
                              									erfundene Levigateur, der Reichenbach'sche Edulcorator,
                              									Apparate von Hallette und Boucherie, von Martin und Champonnois in's Leben, ohne jedoch dasselbe fristen zu können, bis durch
                              									das von Schützenbach erfundene Verfahren die Maceration
                              									wieder ganz in den Vordergrund trat. Nach diesem Verfahren werden die Rüben nicht in
                              									Gestalt geschnittener Scheiben, sondern als fein geriebener Brei und dieser nicht
                              									mit heißem, sondern mit kaltem Wasser extrahirt, wobei zur wesentlichen Förderung
                              									dieser Extraction der Inhalt der Gefäße durch eine Rührvorrichtung in steter
                              									Bewegung gehalten wird. Auf einer treppenförmigen Unterlage stehen 12 eiserne
                              									cylindrische Gefäße von 1,6 Met. Durchmesser und 1,2 Met. Höhe, unten mit einem
                              									geneigten Boden und darüber mit einem Siebboden versehen. Der unter dem Siebboden
                              									sich sammelnde Saft steigt in einem Seitenrohr aufwärts und flieht in das nächste,
                              									etwa 0,1 Met. niedriger stehende Gefäß, von welchem er wieder in das nächstfolgende,
                              									und so weiter bis zu dem letzten untersten gelangt. Eine kräftige Rührvorrichtung
                              									hält den Brei in steter Bewegung, während von oben durch einen aufgelegten zweiten
                              									Siebboden beständig der Saft aus dem vorhergehenden Gefäße zufließt. Um die Löcher
                              									der beiden Siebböden stets offen zu halten, befindet sich an der Rührvorrichtung
                              									über jedem der beiden Siebböden ein Bürstenwerk, dessen Bürsten über den Siebböden
                              									hinstreifen und jeder Verstopfung der Löcher durch Fasern vorbeugen. Die Reihenfolge
                              									im Betriebe ist ähnlich der im Vorhergehenden bei dem Dombasle'schen Apparate beschriebenen, dergestalt also, daß ein steter
                              									Wechsel im Turnus eintritt. Auf das am längsten in Betrieb befindliche Gefäß,
                              									gleichviel, ob es das oberste, oder eines der folgenden ist, läßt man reines Wasser
                              									auffließen, um den Inhalt, die Träber, zu erschöpfen, läßt das hiervon abfließende,
                              									erst wenig Saft enthaltende Wasser auf das nächste Gefäß treten, dessen Inhalt schon
                              									weniger erschöpft ist, mithin dem Wasser etwas mehr Safttheile übergibt, u.s.f. bis
                              									die Flüssigkeit nach progressiver Verstärkung schließlich das letzte, neu gefüllte Gefäß passirt und
                              									hier zur Sättigung gelangt. Um den wechselnden Turnus und zu dem Ende das
                              									Ueberfließen aus einem Gefäße in das andere zu ermöglichen, muß auch der dem
                              									untersten Gefäße entfließende Saft auf das nächste, also das oberste Gefäß gelangen,
                              									was durch eine fortwährend arbeitende Pumpe geschieht. Da das Entleeren und
                              									Wiederfüllen der Gefäße einige Zeit beansprucht, arbeitet man gleichzeitig nur mit
                              									10 Gefäßen, während immer zwei zum Zweck der Entleerung und Wiederfüllung durch
                              									angemessene Stellung der Hähne in den Röhrenverbindungen aus der Reihe ausgeschaltet
                              									sind. Da nun stets nach 5 Minuten ein Wechsel vorgenommen, d.h. ein neues Gefäß
                              									gefüllt und ein erschöpftes abgelassen wird, so folgt, daß der Saft nicht länger als
                              									50 Minuten oder höchstens eine Stunde in der Batterie verbleibt. In dieser kurzen
                              									Zeit ist um so weniger Eintritt von Gährung zu befürchten, als ja der Saft nicht
                              									einmal erwärmt wird.
                           Eine Batterie mit Gefäßen der angegebenen Größe ist im Stande pro Tag 136,500 Kilogrm. Rüben zu verarbeiten.
                           Noch ist zu bemerken, daß der innere Raum der Gefäße nur wenig über ein Drittel mit
                              									Rübenbrei gefüllt wird, daß also fast zwei Drittel des Raumes mit Flüssigkeit
                              									gefüllt sind und die zerrissenen Zellen fast in dem doppelten Volumen Wasser
                              									aufgeschwemmt sind.
                           Erfahrungsmäßig soll das Schützenbach'sche
                              									Macerationsverfahren etwa 89 Procent Saft zu Gute bringen. Es eignet sich besonders
                              									für gute zuckerreiche Rüben, wie sie meistens in deutschen Fabriken zur Verarbeitung
                              									kommen, und würde wahrscheinlich in Deutschland allgemeine Verbreitung gefunden
                              									haben, wenn nicht das Centrifugir- und später das
                              										Robert'sche Diffusionsverfahren als siegreiche Concurrenten aufgetreten wären.
                           Bekanntlich dienen die erschöpften Rückstände, Traber, als Viehfutter, wie denn auch
                              									alle Rübenzuckerfabriken mit einem bedeutenden Viehstande verbunden sind, der als
                              									wichtige Nebenerwerbsquelle in erster Linie steht. Diese Träber bestehen, nach
                              									vollständiger Entfernung des Saftes, aus den leeren Zellwänden, also Cellulose, und
                              									der Intercellularsubstanz, hauptsächlich Pektos, von welchen erstere wie Sägespäne
                              									unverdaulich, das letztere dagegen verdaulich und als stickstofffreies
                              									Respirationsmittel dem Körper als Nahrungsmittel nutzbar zu seyn scheint. Hieraus
                              									geht hervor, daß durch heiße Maceration, welche das Pektos in Auflösung bringt, und
                              									wie oben erwähnt, den Saft in sehr nachtheiliger Weise verunreinigt, den Träbern ein
                              									großer Theil ihres Werthes entzogen wird. Der wichtigste, blutbildende Nährstoff
                              									aber findet sich im Albumin und den anderen stickstoffhaltigen Bestandtheilen des
                              									Saftes. Da nun beim Preßverfahren und der Schützenbach'schen Maceration die
                              									Rüben gerieben, die Zellen also gewaltsam geöffnet werden, so gehen diese
                              									stickstoffhaltigen Nährstoffe in den gewonnenen Saft, sodann bei dessen Läuterung in
                              									den Scheideschlamm über, können mithin nur als Dünger, nicht aber als Viehfutter
                              									Verwendung finden. Zudem sind diese stickstoffhaltigen Substanzen im Safte
                              									keineswegs wünschenswerth, weil hauptsächlich sie es sind, die den Kalkzusatz bei
                              									der Läuterung erfordern und, durch den Kalk unlöslich gemacht und niedergeschlagen,
                              									die Menge des unbequemen Scheideschlammes bedingen.
                           Könnte man also bei der Saftgewinnung diese stickstoffhaltigen Materien und zugleich
                              									das Pektos in den Träbern zurückhalten, mithin einen reineren Saft und zugleich
                              									besseres, nahrhafteres Viehfutter erzielen, so läge darin ein unverkennbarer
                              									Fortschritt. Diese Aufgabe hat in der That, wie wir sehen werden, in dem Robert'schen Diffusionsverfahren ihre Lösung
                              									gefunden.
                           
                        
                           C. Das Centrifugiren
                              									(Schleuderfahren). Um einigermaßen der chronologischen Ordnung gerecht zu werden,
                              									muß ich hier dem von Frickenhaus eingeführten
                              									Centrifugiren seinen Platz anweisen.
                           Die Anwendung der Centrifugal- (Flieh- oder Schleuderkraft) zur
                              									Trennung flüssiger von festen Körpern hat sich in der Technik und selbst in der
                              									Zuckerfabrication längst Bürgerrecht erworben, fand aber bei dieser letzteren nur
                              									zur Trennung des Syrups vom krystallisirten Zucker Anwendung. Nachdem aber schon
                              									früher von Schöttler die Verwendung der Centrifuge zur
                              									Saftgewinnung, obwohl ohne Erfolg, empfohlen worden, wurde 1857 von Frickenhaus die Aufmerksamkeit der Zuckerfabrikanten auf
                              									das Centrifugiren durch die Thatsache wieder belebt, daß sich nach Einspritzen von
                              									Wasser (Decken) auf die die Wände der Trommel bedeckenden Rückstände, in Folge der
                              									extrahirenden und verdrängenden Wirkung dieses Wassers, die Saftgewinnung bedeutend
                              									erhöhen lasse.
                           Die Wirkung der Centrifuge beruht hauptsächlich auf der Schnelligkeit der Drehung,
                              									welche freilich in praktischen Hindernissen ihre Grenzen findet, gewöhnlich aber bis
                              									zu 1000 Drehungen in der Minute (16 in der Secunde) wirklich getrieben wird. Während
                              									nun früher durch einfaches Centrifugiren des Rübenbreies nur etwa 60 bis 67 Proc.
                              									Saft gewonnen wurden, erhöhte sich durch die Wasserdeckung die Saftausbeute sehr
                              									bedeutend. So wurden bei den von Ilienkoff darüber
                              									angestellten Versuchen bei 100 Kil. Breifüllung ohne Wasserdeckung in 13 Minuten nur
                              									65 Proc., dagegen bei Anwendung von 45 Proc. Deckwasser 87,45 Proc. Saft (natürlich
                              									nach Abzug des zugesetzten Wassers) gewonnen, und nur bei einer bedeutend stärkeren
                              									Wasserdeckung von 80
                              									Proc. stieg die Saftausbeute auf 90 1/2 Proc. Der Erfolg des Centrifugirens hängt
                              									sehr wesentlich von der richtigen und geschickten Handhabung des Deckens ab, und
                              									erfordert eine aufmerksame Kontrolle der Arbeiter. So führt Ilienkoff einen Fall an, wo durch Verstopfung nur des zehnten Theiles der
                              									feinen Löcher in dem Deckrohr, durch welche das Wasser einspritzt, sich die
                              									Saftausbeute um 3 Proc. verminderte. Eine Centrifuge ist, bei einer jedesmaligen
                              									Breiladung von 100 Kilogrm. und einer Dauer des Centrifugirens von 20 Minuten im
                              									Stande, täglich 5000 bis 6000 Kilogrm. Brei zu verarbeiten. Zwar verstopfen sich die
                              									Maschen der Drahtsiebe, mit welchen die Trommeln der Centrifugen ausgelegt sind,
                              									nach einiger Zeit, so daß man sie täglich, ja oft mehrmals während eines Tages
                              									herausnehmen und durch neu gereinigte ersetzen muß; doch bietet ihre Reinigung nicht
                              									die geringsten Schwierigkeiten, auch sind sie von langer Dauer, ein wesentlicher
                              									Vorzug dem Preßverfahren gegenüber, bei welchem das häufige Zerreißen und dann
                              									erforderliche Flicken der Preßtücher eine wirklich entmuthigende Calamität
                              									bildet.
                           In der zu Gehrden unweit Hannover belegenen, von Hrn. Wrede gegründeten, jetzt unter Oberleitung des Hrn. Hurtzig stehenden Zuckerfabrik ist das Centrifugiren lange Jahre hindurch
                              									mit Erfolg in Betrieb gewesen und erst in der gegenwärtigen Campagne hat auch diese
                              									Fabrik das unzweifelhaft vortheilhaftere Diffusionsverfahren adoptirt, denn bei
                              									allen Lichtseiten des Schleuderverfahrens bietet dieses doch auch seine
                              									Schattenseiten, die einestheils in der bedeutenden Triebkraft, da jede Centrifuge
                              									zwei Pferdekräfte beansprucht, anderntheils in der verhältnißmäßig raschen Abnutzung
                              									der Centrifugen liegen. –
                           
                        
                           D. Diffusionsverfahren. Das
                              									im Jahre 1865 von Hrn. Robert in Seelowitz eingeführte, von ihm so genannte Diffusionsverfahren gründet
                              									sich auf die Beobachtung, daß bei angemessener Dünne der Schnitzel von etwa 1
                              									Millimeter die Saftgewinnung aus ihnen schon bei einer Temperatur von 50 bis
                              									60° C. sehr vollständig erfolgt und daß in Folge dieser niederen Temperatur
                              									ein bedeutend reinerer Saft, als sonst gewonnen wird.
                           Einige kurze Bemerkungen über Osmose und Diffusion mögen vorhergehen.
                           Wenn man die untere Oeffnung eines unten offenen Gefäßes durch Blase, Pergamentpapier
                              									oder sonst eine Membran zubindet, hierauf irgend eine Lösung eines krystallisirbaren
                              									Salzes hineingießt und nun das Gefäß in eine Wasser enthaltende Schale senkt, so daß
                              									dieses die äußere Fläche der Membran berührt, so zeigt sich nach einiger Zeit, daß
                              									sich das Salz durch die
                              									Blase hindurch dem Wasser der Schale mittheilt und daß dieser Vorgang erst aufhört,
                              									wenn beide Salzlösungen sich in gleichem Grade der Concentration befinden. Ersetzt
                              									man die so entstandene äußere Salzlösung durch frisches Wasser, so beginnt das
                              									Durchwandern des Salzes von Neuem, bis bei fortgesetztem Wechsel des Wassers
                              									sämmtliches Salz fortgeführt ist und sich an Stelle der ursprünglichen Salzlösung
                              									nun reines Wasser befindet. Anders verhalten sich der Krystallisation nicht fähige Substanzen, z.B. Lösungen von Gummi
                              									arabicum, Dextrin, Syrup, Eiweißstoff, Käsestoff, Leim, welche man nach Letzterem
                              										(colla) mit dem Namen Colloïdsubstanzen belegt, im Gegensatz zu den ersteren, welchen in
                              									dieser Beziehung die Benennung Krystalloïdsubstanzen beigelegt wird.
                           Bringt man die Lösung einer solchen Colloïdsubstanz in das Gefäß, so zeigt
                              									sich, wesentlich verschieden von den Krystalloïdsubstanzen, daß sie entweder
                              									gar nicht, oder doch jedenfalls außerordentlich langsam durch die Blase
                              									hindurchgeht. Ja, noch mehr, bringt man in das Gefäß eine gemischte Lösung einer
                              									Colloïd- und einer Krystalloïdsubstanz, so wandert die letztere
                              									rasch durch die trennende Membran, während die erstere zurückbleibt, eine
                              									Erscheinung die sich sehr gut als Mittel zur Trennung solcher Stoffe anwenden läßt
                              									und auch in der That schon zur Abscheidung und Gewinnung des im Syrup noch
                              									vorhandenen krystallisirbaren Zuckers in Anwendung gebracht ist. Die auf diesem Wege
                              									auszuführende Trennung krystalloïdischer und colloïdaler Substanzen
                              									wird mit dem Namen „Dialyse“ bezeichnet, während man der
                              									Erscheinung selbst den Namen Osmose, auch wohl Exosmose oder Endosmose
                              									gegeben hat.
                           Leider gestatten die, dem gegenwärtigen kleinen Aufsatze gesteckten Grenzen nicht,
                              									auf die, besonders von Dubrunfaut erfundene Osmosirung
                              									oder Dialysirung der Melasse, also die Abscheidung des krystallisirbaren Zuckers aus
                              									der Melasse mittelst der Osmose näher einzugehen; ein Verfahren, welches, wenn auch
                              									wissenschaftlich interessant, doch bei der praktischen Ausführung an schwachen
                              									Seiten, so namentlich der starken Verdünnung der gewonnenen Zuckerlösung, sowie an
                              									dem Uebelstande leidet, daß die in der Melasse enthaltenen Salze, als
                              									krystalloïdische Substanzen durch die Membran (Pergamentpapier) mit
                              									hindurchgehen, und den gewonnenen Zucker verunreinigen.
                           Eine der Osmose verwandte, ja, derselben theilweise zu Grunde liegende Erscheinung
                              									ist die Diffusion.
                           Zunächst bei luftförmigen Körpern beobachtet, besteht sie darin, daß zwei
                              									verschiedene Gasarten von verschiedenem specifischem Gewicht auf solche Art in einem
                              									gemeinschaftlichen Gefäße zusammengebracht, daß sich die schwere unten, die leichtere
                              									oben befindet, sich nach und nach mischen und nach einiger Zeit eine völlig
                              									gleichartige Mischung bilden. Man sieht, daß sich diese Erscheinung von der Osmose
                              									(äußerlich wenigstens) nur dadurch unterscheidet, daß die trennende Membran fehlt
                              									und sich die beiden Gase ohne Vermittelung eines dritten Körpers unmittelbar
                              									berühren. Dieser Vorgang beruht nicht etwa auf Bewegungen, die, sey es durch
                              									Temperaturunterschiede oder andere Einflüsse stattfinden, sondern erfolgt auch bei
                              									völligem Ausschluß äußerer Einwirkungen.
                           Aehnlich wie Gase verhalten sich tropfbare Flüssigkeiten, jedoch mit dem
                              									Unterschiede, daß nicht alle Flüssigkeiten sich mischen können, wie z.B. Wasser und
                              									Oele, in welchem Falle dann natürlich von Diffusion nicht die Rede seyn kann.
                              									Beobachtet man aber Flüssigkeiten, welche überhaupt der Mischung fähig sind, so
                              									zeigen sie ganz ähnliches Verhalten, wie die Gase, sie mischen sich also, auch wenn
                              									die schwerere zu unterst, die leichtere zu oberst sich befindet ohne alle äußere
                              									mechanische Beihülfe, allmählich, bis ein völlig gleichmäßiges Gemisch entstanden
                              									ist.
                           In Betracht, daß bei der Robert'schen Saftgewinnung die
                              									feinen Zellwände als Membranen wirken und den Zucker des Saftes mittelst Osmose
                              									hindurchlassen müssen, ist die Benennung „Diffusionsverfahren“
                              									eigentlich nicht zutreffend, wie denn auch anfänglich das richtigere, obwohl sehr
                              									schwerfällige, ja kaum auszusprechende Wort „osmotische
                                 										Maceration“ gebraucht wurde. Gleichwohl schließe ich mich gern dem
                              									wohllautenderen Worte „Diffussionsverfahren“ an.
                           Da nun der Rübensaft außer dem krystalloïdischen Zucker auch colloïdale
                              									Substanzen, nämlich Eiweißstoff und andere stickstoffhaltige Materien enthält, so
                              									geht in Folge der Osmose der Zucker rasch hindurch, wogegen die colloïdalen
                              									stickstoffhaltigen Materien größtentheils in den Zellen zurückbleiben, was, wie
                              									schon erwähnt, den doppelten Vortheil gewährt, einmal einen reineren, daher leichter
                              									zu verarbeitenden Zuckersaft, zum anderen nahrhaftere Rückstände zu liefern.
                           Es wurde in der ersten Zeit ausschließlich, und wird auch noch jetzt in vielen
                              									Fabriken die Diffusion in der Art ausgeführt, daß der Inhalt sämmtlicher Gefäße
                              									(Diffuseure) auf etwa 50° C. gehalten wird, weil die Arbeit mit kaltem Wasser
                              									zu geringe Ausbeute gab. Wir werden aber sehen, daß die sogenannte kalte Diffusion,
                              									bei welcher freilich auch eine theilweise Erwärmung vorkommt, der warmen den Vorrang
                              									abzulaufen scheint. Begreiflicherweise sind im Verlaufe der seit Einführung des
                              									Diffusionsverfahrens verflossenen sieben Jahre mehrfache Veränderungen und
                              									Verbesserungen der Apparate eingeführt, obwohl das Princip des continuirlichen Auslaugens,
                              									wie wir es oben bei dem Dombasle'schen
                              									Macerationsverfahren gesehen haben, dasselbe geblieben ist.
                           Die Diffusionsgefäße (Diffuseure) sind stehende cylindrische Gefäße von Eisen, unten
                              									mit einem flachen, oben einem gewölbten Boden versehen, welcher letztere eine weite,
                              									hermetisch verschließbare Oeffnung zum Einbringen der Rübenschnitzel enthält. Eine
                              									Anzahl solcher systematisch verbundener Diffuseure (6 bis selbst 20) bildet eine
                              									Batterie. Um den Inhalt auf der geeigneten Temperatur von 50° C. (40°
                              									R.) zu erhalten, gibt man jedem Diffuseur ein kupfernes Schlangenrohr, welches auf
                              									dem Boden liegend, durch Dampf erhitzt wird. Ein über der Schlange liegender
                              									Siebboden läßt nur den Saft, nicht die Schnitzel mit der Schlange in Berührung
                              									kommen. Die Gefäße sind in der Art miteinander verbunden, daß man den aus dem einen
                              									durch ein von unten abgehendes Rohr abfließenden Saft von oben in das nächstfolgende
                              									schaffen, und so dieselbe Flüssigkeit successiv durch die ganze Batterie treiben
                              									kann. Als Triebkraft fungirt der hydrostatische Druck eines etwa 6 bis 9 Meter höher
                              									liegenden Wasserbehälters, denn da während der Arbeit sämmtliche Diffuseure, mit
                              									Ausnahme desjenigen welcher entleert und neu beschickt wird und zu dem Ende aus der
                              									Batterie ausgeschaltet ist, hermetisch geschlossen bleiben, so kann sich der durch
                              									die hohe Wassersäule bewirkte Druck auf alle Behälter fortpflanzen und so die ganze
                              									Flüssigkeit in Bewegung setzen.
                           Da die systematische Reihenfolge im Betriebe dem bereits oben darüber Mitgetheilten
                              									entspricht, dergestalt also, daß auf der einen Seite die Schnitzel ganz ihres
                              									Zuckergehaltes beraubt werden, auf der anderen Seite ein möglichst concentrirter
                              									Saft gewonnen wird, so enthalte ich mich einer Wiederholung desselben.
                           Die von Robert eingeführte warme Diffusion, welche auch jetzt noch in vielen Zuckerfabriken Anwendung
                              									findet, gibt schon recht befriedigende Resultate, obwohl sie von dem Uebelstande
                              									noch nicht freizusprechen ist, daß mitunter eine Entmischung (Schleimgährung)
                              									eintritt, wobei sich der Saft trübt, dickflüssig und fadenziehend wird, und
                              									Kohlensäure entwickelt, ein um so störenderes Ereigniß, als die fest verschlossenen
                              									Gefäße die Beobachtung des Inhaltes nicht gestatten.
                           Als Vorzüge des Diffusionsverfahrens wurden schon gleich in den ersten Jahren die
                              									folgenden anerkannt:
                           
                              1) Gewinnung eines reineren, gut zu verarbeitenden Saftes;
                              2) Gewinnung eines besseren, nahrhafteren Viehfutters. Zwar sind
                                 										die Träber, bei welchen nun Wasser an die Stelle des Saftes getreten ist, sehr
                                 										wasserhaltig, so daß sie 70 Procent vom Gewichte der Rüben betragen, doch
                                 										wird dadurch ihre Nährungsfähigkeit nicht beeinträchtigt, auch verlieren sie
                                 										nach einiger Zeit des Lagerns in Haufen oder Mieten unter dem Druck einer
                                 										Erdschicht viel Wasser und stellen. ein durch Erfahrung bewährtes vortreffliches
                                 										Viehfutter dar, vorausgesetzt daß sie in geeigneter Weise verwendet
                                 										werden;
                              3) Die Diffusion gestattet eine vollständigere Extraction des
                                 										Zuckers als irgend eine der anderen Saftgewinnungsarten;
                              4) Bedeutende Ersparniß an Maschinenkraft, mithin an
                                 										Kohlen;
                              5) Umgehung der Preßtücher und der mit ihrer Instandhaltung
                                 										verbundenen vielfachen Uebelstände;
                              6) Ersparniß an Arbeitern, besonders dem Preßverfahren gegenüber,
                                 										die sich wohl auf die Hälfte erstreckt;
                              7) Gewinnung eines concentrirteren Saftes, da sich der Saft der
                                 										Rübe durch zugeführtes Wasser nur um 25 Procent vermehrt, während bei dem
                                 										Preßverfahren, zweimaliges Pressen vorausgesetzt, beim ersten Reiben 20 Procent,
                                 										beim zweiten Reiben der Kuchen noch weiter 12 Proc., in Summa also 32 Proc.
                                 										Wasser vom Gewicht der Rüben zugeführt werden; beim Centrifugiren endlich wohl
                                 										50 Proc. Deckwasser hinzukommen.
                              8) Bedeutende Ersparung an Anlagekosten.
                              
                           Nachdem die Robert'sche warme Diffusion sich vielfacher
                              									Verbreitung erfreuet, wurde dann von Schulz 1870 eine
                              									Abänderung derselben in der Zuckerfabrik Horsky's von
                              									Horskysfeld in Kolin (Böhmen) eingeführt, die unter der Benennung der „kalten Diffusion“ sich mehr und mehr
                              									verbreitet, einer insofern unrichtigen Benennung, als auch bei ihr Wärme angewandt
                              									wird, obwohl mit dem wesentlichen Unterschiede, daß nur die frischen Schnitzel
                              									einmal mit warmem Wasser, dann aber mit succesiv kälterem, später ganz kaltem Wasser
                              									oder vielmehr Saft behandelt werden. Sodann erfreuet sich der Schulz'sche Apparat der praktisch wichtigen Verbesserung, daß der Eintritt
                              									des Saftes in die Diffuseure von unten (nicht wie bei dem Robert'schen Apparate von oben) erfolgt, durch welche Anordnung jede
                              									Schicht der Schnitzel gleichmäßig durchdrungen und so die Bildung von Canälen
                              									beseitigt wird, denn solche Canäle, d.h. freie Zwischenräume, durch welche die
                              									Flüssigkeit vorzugsweise ihren Weg nimmt, können gar leicht ganze Klumpen dicht
                              									zusammengelagerter Schnitzel trocken lassen und der Einwirkung des Wassers
                              									entziehen. Die Erwärmung des Saftes, soweit sie überhaupt erforderlich ist, erfolgt
                              									nicht in den Diffuseuren selbst, sondern in aparten Wärmpfannen, deren mehrere neben der Batterie,
                              									aber des nöthigen Druckes wegen etwa 1,8 Met. erhöht, aufgestellt sind.
                           Jeder Diffuseur, im Wesentlichen dem Robert'schen gleich,
                              									steht durch vom Boden ausgehende Röhren mit einer der Wärmpfannen, sowie mit dem vorhergehenden Diffuseur, ferner durch von oben ausgehende Röhren ebenfalls mit einer Wärmpfanne,
                              									sowie mit dem nächstfolgenden Diffuseur in Verbindung;
                              									endlich enthält er im Boden ein Rohr, welches sowohl zum Ablassen des Saftes behufs
                              									der weiteren Verarbeitung, sowie auch zum Ablassen des Wassers nach Erschöpfung der
                              									Schnitzel dient. Daß alle diese Verbindungsröhren durch Hähne beliebig geschlossen
                              									und geöffnet werden können, ist selbstverständlich.
                           In der Zahl der Diffuseure, 6 bis selbst 20, wie auch in dem systematischen Betriebe
                              									der Auslaugung können, den An- und Absichten der Fabrikanten entsprechend,
                              									vielfache Abweichungen vorkommen. Nehmen wir im Folgenden eine Batterie von 11
                              									Diffuseuren und zur Erläuterung des Betriebes ein verhältnißmäßig ziemlich einfaches
                              									Verfahren an, und bezeichnen die 11 Gefäße von der Linken zur Rechten fortschreitend
                              									mit Nr. 1 bis 11.
                           Zum Verständniß des Betriebes ist zunächst auf den Unterschied zwischen der
                              									anfänglichen Inbetriebsetzung, gewissermaßen, der acuten
                              									Periode und sodann dem späteren dauernden Verlauf, der chronischen Periode, hinzuweisen.
                           
                        
                           A. Anfang des Betriebes
                              									(acute Periode). Alle 11 Diffuseure sind leer und man beginnt am linken Ende der
                              									Batterie mit der Füllung Nr. 1, indem man die geeignete Ladung von Rübenschnitzeln
                              									durch die obere weite Oeffnung, und sodann heißes Wasser von 66° C. aus der
                              									Wärmpfanne von unten hinein läßt. Für jeden Kubikmeter Raum werden 450 Kilogrm.
                              									Schnitzel und 550 Kilogrm. Wasser angenommen. Das Ganze, dessen Temperatur nun auf
                              									etwa 45° abgekühlt ist, wird sorgfältig durchgerührt, so daß es eine
                              									gleichförmige Masse ohne Knoten bildet, da solche der Auslaugung entgehen würden,
                              									und bleibt nun 20 Minuten ruhig stehen und der Diffusion überlassen. Diese erste
                              									Erwärmung der Schnitzel, gewissermaßen ein Aufschließen derselben, scheint aus noch
                              									unbekannten Gründen zur Einleitung der Diffusion unentbehrlich. Nachdem der
                              									Diffuseur fest verschlossen worden, öffnet man das zur Wärmpfanne führende Steigrohr
                              									und zugleich die Communication mit der Wasserleitung und drückt so durch
                              									hydrostatischen Druck den Saft in die Wärmpfanne, wogegen sich der Diffuseur mit
                              									kaltem Wasser aus der Wasserleitung füllt, das jedoch durch Berührung mit den warmen
                              									Schnitzeln sich etwas erwärmt. Während sich nun der Saft in der Wärmpfanne wieder auf 66°
                              									C. erwärmt, hat man den Diffuseur Nr. 2 mit Schnitzeln gefüllt. Man läßt den Saft
                              									aus der Wärmpfanne hinzu und damit wieder 20 Minuten lang digeriren. Hierauf öffnet
                              									man wieder die Wasserleitung nach Nr. 1 und drückt dadurch den in Nr. 2 enthaltenen
                              									Saft in die Wärmpfanne, wogegen sich Nr. 2 mit dem Safte von Nr. 1, diese aber sich
                              									mit frischem Wasser füllt. Nunmehr kommt der Diffuseur Nr. 3 an die Reihe, der, mit
                              									frischen Schnitzeln gefüllt, jetzt mit dem Wärmsaft aus der Wärmpfanne gefüllt und
                              									damit wiederum 20 Minuten lang in Diffusion gelassen wird.
                           Der solchergestalt entstandene, durch dreimalige Berührung mit frischen Schnitzeln
                              									verstärkte Saft, welcher nun als Dicksaft bezeichnet
                              									wird, besitzt hinreichende Concentration, um von der Diffusionsbatterie abgelassen,
                              									und zum Behufe der weiteren Verarbeitung der Scheidepfanne übergeben zu werden. Man
                              									öffnet zu dem Ende das von Nr. 3 nach der Scheidepfanne führende Rohr, sowie die
                              									Uebersteigrohre von 2 nach 3 und von 1 nach 2 und das Wasserleitungsrohr nach 1,
                              									wodurch der hydrostatische Druck hergestellt, der Dicksaft von 3 in die
                              									Scheidepfanne, der Dünnsaft von 2 nach 3 und jener von 1 nach 2 gedrückt, 1 dagegen
                              									wieder mit frischem Wasser gefüllt wird. Hat sich dieser Wechsel vollzogen, so
                              									schließt man die Verbindung von 3 mit der Scheidepfanne, öffnet dagegen jene nach
                              									der Wärmpfanne, und drückt somit den Inhalt von 3, der zwar schon warm aber doch
                              									noch nicht warm genug ist, in die Wärmpfanne, um ihn auf 66° zu bringen,
                              									jenen von 2 nach 3, jenen von 1 nach 2 und füllt Nr. 1 mit frischem Wasser. Nach
                              									genügender Erwärmung kommt nun der Dünnsaft von der Wärmpfanne auf den mit
                              									Schnitzeln gefüllten Diffuseur 4, worauf eine 20 Minuten lange Ruhe in allen Gefäßen
                              									erfolgt. Der nunmehr in Nr. 4 gebildete Dicksaft wird durch Oeffnen der
                              									Wasserleitung, wobei der Saft von 3 nach 4, jener von 2 nach 3 und jener von 1 nach
                              									2 gedrückt wird, auf die Scheidepfanne gebracht und sobald dieß erfolgt ist, der
                              									jetzt in Nr. 4 enthaltene Dünnsaft in die Wärmpfanne, jener von 3 in 4, von 2 in 3
                              									und von 1 in 2 gedrückt, wobei sich 1 wieder mit frischem Wasser füllt. Nach diesem
                              									Vorgange kommt der Diffuseur 5 an die Reihe, und so fort bis zum rechten Ende der
                              									Batterie, in der Art also, daß jedesmal der zuletzt mit frischen Schnitzeln in
                              									Diffusion gewesene Dicksaft in die Scheidepfanne gedrückt wird, wobei zugleich die
                              									Säfte sämmtlicher Diffuseure um eine Nummer fortrücken. Wenn nun nach 20 Minuten die
                              									Wasserleitung nach 1 wieder geöffnet wird, rücken abermals die Inhalte sämmtlicher
                              									Diffuseure um eine Nummer fort. Man ersieht hieraus, daß bei jedem neu in den
                              									Betrieb eintretenden Diffuseur zweimaliges Fortrücken der Säfte in allen
                              									vorhergehenden stattfindet, daß mithin, wenn der vorletzte, Nr. 10, seinen Dicksaft
                              									an die Scheidepfanne, und sodann seinen Dünnsaft an die Wärmpfanne abgegeben hat,
                              									die in Nr. 1 enthaltenen Schnitzel zwanzigmal mit frischem Wasser in Berührung
                              									gekommen, und zwar zehnmal zwanzig Minuten lang damit in Diffusion gewesen sind.
                           Nehmen wir die Zeitdauer des jedesmaligen Anwärmens der Säfte in der Wärmpfanne zu 5
                              									Minuten und ebenso viel Zeit zum Ein- und Abfließen an, so bedingt jeder neu
                              									hinzukommende Diffuseur eine Zeitdauer von 20 + 10 Minuten, also eine halbe Stunde;
                              									die ganze Batterie mithin 5 Stunden, während welcher Zeit die Schnitzel in Nr. 1 mit
                              									zwanzigmal wechselndem Wasser in Berührung sind und so zur Beendigung der Diffusion
                              									oder Osmose, also zur Abgabe ihres Zuckergehaltes hinreichende Zeit finden.
                           
                        
                           B. Fortgesetzter Betrieb.
                              									(Chronische Periode.) Nachdem in der angegebenen Art nach und nach die ersten zehn
                              									Diffuseure der Batterie in Gang gesetzt worden, wird nunmehr Nr. 1 durch Abschluß
                              									der Hähne außer Verbindung mit der Batterie gebracht, um, nachdem das in ihm
                              									vorhandene Wasser abgelassen worden, seines erschöpften Inhaltes entledigt und dafür
                              									mit frischen Schnitzeln gefüllt zu werden, während gleichzeitig die Wasserleitung
                              									mit Nr. 2 in Verbindung gesetzt wird. Diese Entleerung und Wiederfüllung von Nr. 1
                              									findet also statt, während Nr. 11 in Betrieb kommt, und man ersieht somit, daß von
                              									den eilf Diffuseuren zur Zeit immer nur zehn gleichzeitig arbeiten, während der
                              									eilfte zum Zweck der Entleerung und Füllung ausgeschaltet ist. Nachdem der Dicksaft
                              									aus Nr. 11 in die Scheidepfanne abgelassen, und der jetzt in demselben Diffuseur
                              									vorhandene, noch nicht ganz concentrirte Saft auf die Wärmpfanne gedrückt und
                              									erwärmt worden, läßt man ihn auf die frische Füllung in Nr. 1 fließen, um hier 20
                              									Minuten lang mit derselben in Diffusion zu bleiben. Während dieser Zeit wird Nr. 2
                              									von der Wasserleitung getrennt, entleert und mit neuen Schnitzeln gefüllt, wogegen
                              									nun die Wasserleitung mit Nr. 3 in Communication gesetzt wird. In dieser Weise setzt
                              									sich der Turnus regelmäßig fort. Nachdem also der Saft durch neun Gefäße seinen Weg
                              									genommen und sich mehr und mehr verstärkt hat, gelangt er zuletzt, in der Wärmpfanne
                              									auf 66° angewärmt, in den frisch geladenen folgenden Diffuseur, bleibt hier
                              									20 Minuten lang mit den frischen Schnitzeln in Berührung und wird als Dicksaft
                              									mittelst des aus dem vorhergehenden Diffuseur eingedrückten Saftes zur Scheidung
                              									abgezogen, worauf der noch warme Inhalt dieses selben Diffuseurs nach dem Anwärmen
                              									auf den folgenden Diffuseur kommt u.s.f.
                           
                           Mit Ausnahme desjenigen Behälters, in welchem sich die frischen Schnitzel mit dem
                              									erwärmten Saft in Diffusion befinden, und etwa auch noch der beiden folgenden,
                              									bleibt die Batterie kalt und somit der Saft der Gefahr der Entmischung entzogen.
                           Die Temperatur, bis zu welcher man die Säfte in der Wärmpfanne erhitzt, muß so
                              									bemessen werden, daß nach ihrer Mischung mit den kalten Schnitzeln eine Temperatur
                              									von etwa 40° C. herauskommt, und kann durchschnittlich, wie auch im
                              									Vorhergehenden geschehen, zu 66° angenommen werden.
                           Bei sorgfältiger Arbeit beläuft sich der Gesammtverlust an Zucker, theils durch die
                              									kleine in den Träbern verbleibende Menge, theils durch das von den Träbern zuletzt
                              									abgelassene Wasser, auf etwa 0,2 bis 0,5 Proc. vom Gewicht der Rüben, doch kann er
                              									bei mangelnder Sorgfalt sich auch bedeutend höher stellen. Nehmen wir den
                              									Zuckergehalt im Safte zu 12 Proc., so würde ein Zuckerverlust von 0,2 bis 0,5 Proc.
                              									einem Saftverlust von 1,6 bis 4 Proc. entsprechen, mithin die Ausbeute an Saft 94,4
                              									bis 92 Proc. betragen. Ist auch für jetzt diese Unsicherheit nicht ganz beseitigt,
                              									so steht doch mit Sicherheit zu erwarten, daß fortgesetzte Erfahrungen die der
                              									neuen, schon jetzt so glänzend bewährten Methode noch anklebenden Mängel mehr und
                              									mehr bewältigen werden.
                           Ausdrücklich wiederhole ich die schon oben gemachte Bemerkung, daß die beschriebene
                              									systematische Betriebsordnung mannichfache Abweichungen zuläßt, und daß das
                              									beschriebene Verfahren nur als Beispiel einer solchen Betriebsordnung dienen
                              									soll.
                           Großen Einfluß auf das Gelingen der Arbeit übt die gute Wirkung der
                              									Schnitzelmaschine, die, durch Dampfkraft getrieben, mittelst sehr scharf
                              									geschliffener Messer von eigenthümlicher Construction die eingeschütteten Rüben in
                              									rasender Schnelligkeit in zarte Bändchen von 1 Millimeter Dicke, 10 Millimeter
                              									Breite und etwa 100 Millimet. Länge zerschneidet. Je schärfer die Messer, um so
                              									besser, weil es ja im Princip der Methode liegt, möglichst wenige Zellen zu öffnen,
                              									da ja nicht ein Ausfließen des Saftes, sondern die osmotische Durchdringung der
                              									unverletzten Zellwände beabsichtigt wird.
                           Der Einspänner. An Stelle der Diffusionsbatterie ist von
                              										Robert ein neuer, im Jahr 1871 ihm patentirter
                              									Apparat getreten, bestehend in einem einzigen sehr großen
                              									Diffuseur, eben deßhalb wohl „Einspänner“ genannt, über dessen
                              									Brauchbarkeit zwar die Ansichten noch divergiren, der aber jedenfalls seiner
                              									Einfachheit wegen alle Beachtung verdient. Es ist ein großes cylindrisches, etwa
                              									5,25 Meter (18 Fuß) hohes, und 3,5 Meter (12 Fuß) im Durchmesser haltendes Gefäß von Eisen, Holz, oder
                              									selbst Mauerwerk, in welches von unten durch ein weites Rohr die Rübenschnitzel
                              									mittelst einer Kolbenpresse continuirlich hineingepreßt werden. Hier werden sie
                              									durch einen sich langsam drehenden Flügelapparat mit schräg gestellten Schaufeln
                              									sehr langsam aufwärts dirigirt und während dem durch das in entgegengesetzter
                              									Richtung sich von oben nach unten herabsenkende Wasser extrahirt. Auf dem unteren
                              									Boden liegt ein Dampfrohr und dicht darüber ein Siebboden, durch welchen der
                              									Dicksaft abfließt, um durch ein aufsteigendes Rohr in eine der Scheidepfannen zu
                              									gelangen. Durch diese Anordnung wird in dem unteren Raum des Apparates die zum
                              									Aufschließen der Schnitzel oder zur Einleitung der Diffusion erforderliche
                              									Temperatur von 45° C. unterhalten, wogegen die höheren Regionen kalt bleiben.
                              									Das Aufsteigen der Schnitzel erfolgt so langsam, daß sie den 16 Fuß betragenden
                              									Abstand von dem unteren Siebboden bis an den oberen, durch welchen letzteren das
                              									Wasser einfließt, in Zeit von 3 1/2 Stunden zurücklegen, während dieser ganzen Zeit
                              									also der Diffusion unterliegen. Oben angelangt und durch das hier zufließende Wasser
                              									erschöpft, werden die Träber mittelst eines sich drehenden Flügelapparates durch
                              									eine Seitenöffnung hinausgeschoben, um durch eine zweite Kolbenpresse von einem
                              									guten Theile des aufgenommenen Wassers befreit zu werden.
                           Ein Apparat der hier angegebenen Größe soll im Stande seyn, täglich 100,000 Kilogrm.
                              									Rüben zu verarbeiten, und der gewonnene Saft soll an Concentration dem durch die
                              									Batterie gewonnenen nur wenig nachstehen.
                           Ich muß bekennen, daß mir das ganz gleichmäßig langsame Aufsteigen der Schnitzel und
                              									ebenso das überall gleichmäßig erfolgende Sinken der Wasser- oder
                              									Saftschichten als eine schwer zu erfüllende Aufgabe erscheint, und beschränke mich
                              									daher auf die gegebene kurze Beschreibung. Erst längere Erfahrung muß über den Werth
                              									der neuen Erfindung entscheiden.