| Titel: | Notizen aus der Wiener Weltausstellung 1873; mitgetheilt vom Docenten Johann Zeman. | 
| Fundstelle: | Band 209, Jahrgang 1873, Nr. XIV., S. 81 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XIV.
                        Notizen aus der Wiener Weltausstellung 1873;
                           								mitgetheilt vom Docenten Johann Zeman.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									II.
                        (Fortsetzung von S. 13 des vorhergehenden
                           								Heftes.)
                        Zeman, Notizen aus der Wiener Weltausstellung.
                        
                     
                        
                           15–17. Rotirende Knotenfänger für
                                 										Papiermaschinen, ausgestellt von Chr. Steinmayer in Reutlingen (Fig. 1 und 2); Chr.
                                 										Wandel in Reutlingen (Fig. 3 und 4); James
                                 										Bertram und Sohn in Edinburgh (Fig. 5 und 6).
                           Mit Vergrößerung der Geschwindigkeit der Papiermaschinen und gleichzeitiger
                              									Steigerung der Anforderungen auf größere Reinheit des Fabricates ist das Bedürfniß
                              									nach einem verbesserten Knotenfänger in den letzten
                              									Jahren ein immer empfindlicheres geworden. So viele Schwierigkeiten nun auch
                              									anfänglich rotirende Knotenfänger gezeigt haben, immer wieder suchte man nach dieser
                              									Richtung hin die Aufgabe zu lösen, wie leicht begreiflich, da ein solcher Apparat
                              									bei gleicher Raumbeanspruchung wie ein Knotenfänger gewöhnlicher Construction eine
                              									größere wirksame Oberfläche, dazu auch die Möglichkeit darbietet, die feinen
                              									Schlitze in den Platten stets von allen verstopfenden Ablagerungen frei zu
                              									halten.
                           Auf der gegenwärtigen Ausstellung stehen nun vier verschiedene rotirende
                              									Zeugreinigungsapparate; zwei von deutschen Firmen, die beiden anderen aus England
                              										eingesendet.Den rotirenden Knotenfänger von Henry Watson in
                                    											Newcastle on Tyne muß ich einer späteren Besprechung vorbehalten, da der
                                    											Apparat nicht complett aufgestellt ist, die erbetenen Auskünfte über dessen
                                    											Einrichtung bisher noch nicht eingelangt sind.
                              								
                           Die deutschen Knotenfänger sind cylindrisch und haben
                              									neben der langsamen drehenden noch eine rasche schüttelnde Bewegung. Diese und der
                              									hydrostatische Druck der Zeugflüssigkeit bewirken den Durchgang 
                              									des Stoffes aber nur auf einem Theile des Umfanges,
                              									entweder aus dem Inneren des Cylinders nach Außen (Steinmayer) oder umgekehrt von Außen nach Innen (Wandel) in den Cylinder, aus welchem dann das Zeug in geeigneter Weise
                              									nach der Papiermaschine weitergeleitet wird. Die Reinigung der Spalten erfolgt in
                              									beiden Fällen einfach durch ein auf den Cylinder von Außen wirkendes Spritzrohr.
                           Der englische Apparat ist im Querschnitt quadratisch, wohl mit Rücksicht auf die
                              									leichtere und genauere Herstellung ebener Spaltplatten. Das Eintreten des
                              									dünnflüssigen Papierbreies von Außen aus der Stoffbütte in den langsam sich
                              									umdrehenden Knotenfänger auf dessen vollem Umfang erfolgt
                              									mit Hülfe einer Pumpe, in Folge dessen die Schlitze viel feiner gehalten werden
                              									können. Eine Verstopfung der feinen Spalten wird wirksam dadurch hintangehalten, daß
                              									bei jedem Rückgang des Pumpenkolbens ein geringer Theil der eingesaugten Flüssigkeit
                              									wieder durch die Spalten zurückgedrängt wird.Die älteren englischen Zeugreinigungsmaschinen benützen zum Einsaugen des
                                    											Stoffes, statt der Pumpe, vibrirende Kautschukplatten im Inneren des
                                    											Knotenfängers, durch deren Reißen aber die Thätigkeit des Apparates zu
                                    											häufig unterbrochen wird. Diese Kautschukplatten bilden im Inneren des
                                    											Knotenfängers eine Art Blasbalg, bei dessen Zusammengehen Stoff aus der
                                    											Bütte durch die Spalten angesaugt und bei dessen Auseinandergehen ein Theil
                                    											der Flüssigkeit wieder durch die Schlitze behufs Reinhaltung derselben
                                    											zurückgepreßt wird.
                              								
                           Die nähere Einrichtung der angeführten Zeugreinigungsapparate wird sich aus
                              									nachstehender Beschreibung ergeben.
                           Steinmayer's rotirender Knotenfänger ist in Figur 1 und
                              										2 in
                              									Schnitten nach der Längen- und Querrichtung mit einfachen Strichen
                              									veranschaulicht.
                           Dieses System wurde schon im Jahre 1862 durch die frühere Firma Wandel und Steinmayer in Reutlingen in die
                              									Praxis eingeführt. Seit dieser Zeit ist dieser Zeugreinigungsapparat mehrfach
                              									verbessert worden.
                           Derselbe besteht jetzt aus einem Kasten A von circa 700 bis 750 Millimeter Breite und je nach den
                              									Dimensionen der Papiermaschine von 1,5 bis 3 Meter Länge, in welchem ein
                              									cylindrischer Knotenfänger B von etwa 600 Millimeter
                              									Durchmesser eine langsame Umdrehung und zugleich eine schüttelnde Bewegung im
                              									verticalen Sinne empfängt.
                           In den Cylinder hinein läuft das Zeug auf beiden Seiten durch Rinnen C, passirt die Spalten und gelangt heraus in den Kasten
                              										A zur Ableitung nach der Papierform.
                           Die durch die Knotenspalten zurückgehaltenen Unreinigkeiten gehen in die Höhe und
                              									werden durch das aus dem Röhrchen I spritzende Wasser nach der im
                              									Inneren des Cylinders angebrachten und nach links abfallenden Rinne D mitgerissen und aus dem Knotenfänger weiter geschafft.
                              									Der Stoff findet daher stets frisch gereinigte Spalten, welchem Vortheil hier
                              									allerdings der Nachtheil entgegengehalten werden muß, daß mit den Knoten auch ein
                              									kleiner Theil des anhängenden guten Stoffes abgewaschen und abgeleitet wird.
                           Um den Papierstoff auf seinem Laufe von allen Eisentheilen des Apparates abzuhalten,
                              									hat der Kasten – gegenüber der alten in Paris 1867 ausgestellt gewesenen
                              									Anordnung – durch zwei Scheidewände E 3
                              									Abtheilungen bekommen, wobei die mittlere für den rotirenden Cylinder dient, die
                              									beiden äußeren aber die Triebräder aufnehmen.
                           Wie aus den Abbildungen hervorgeht, erhält der Cylinder die Drehung von der unterhalb
                              									des Kastens A gelagerten Treibwelle F durch Kettengetriebe G und
                              									hierbei durch das Stufenrad und Hebel H eine schüttelnde
                              									Bewegung, deren Stöße durch die Einschaltung eines Kautschukringes bei h gemildert werden.
                           Der von Chr. Wandel ausgestellte Knotenfänger, von welchem
                              									die Figuren 3
                              									und 4 einen
                              									Querschnitt und Horizontalschnitt zeigen, ist nach einem Ende 1870 ertheilten neuen
                              									Patente ausgeführt, welches verschiedene Verbesserungen und Vereinfachungen im
                              									Antrieb und in der Stoffleitung umfaßt.
                           Zunächst nimmt der Stoff den umgekehrten Weg durch den Cylinder B, nämlich von Außen nach Innen. In Folge dessen konnte
                              									der Cylinder mit der Achsenwelle C versehen werden,
                              									welche seitlich in Lagern ruht und dem Cylinder mittelst eines einfachen
                              									Zahngetriebes D von der Treibwelle E aus die drehende, mittelst des Stufenrades und Hebels
                              										F, F die schüttelnde Bewegung ertheilt. Die
                              									Einrichtungen im Inneren des Knotencylinders entfallen gänzlich, ebenso die Drehung
                              									des letzteren in Halslagern.
                           Die Hälse der Messingscheiben zu beiden Seiten des Cylinders haben einen weit
                              									größeren Durchmesser wie früher, und sind mittelst vulcanisirter Gummiringe G wasserdicht an die mit Messing beschlagenen
                              									Ausschnitte der beiden Abtheilungswände im Kasten A
                              									angepaßt. Die untere Peripherie der beiden Ausflußhälse liegt tiefer als das
                              									Zeugniveau im Kasten an der Außenseite des Cylinders. Es tritt somit die in der
                              									Pfeilrichtung a in den Kasten A kommende Papierflüssigkeit durch die Spalten des Cylinders ein und der
                              									durchgegangene, gereinigte Stoff fließt durch die beiden Cylinderhälse in der
                              									Pfeilrichtung b zu beiden Seiten in die äußeren
                              									Abtheilungen des Kastens und von da im Sinne der Pfeile c von der Abflußrinne nach der Papiermaschine.
                           
                           Die Unreinigkeiten sammeln sich nach und nach in einer Vertiefung im Kasten A, dessen Boden mit dem Cylindermantel gleichlaufend
                              									gewölbt ist, und werden gelegentlich ausgespült. Oberhalb des Cylinders ist ein
                              									Spritzrohr H angebracht zur ununterbrochenen Reinigung
                              									der Spalten, in welchen die Knoten etc. bei dem geringen vorhandenen hydrostatischen
                              									Druck sich nicht fest einklemmen.
                           Dieser Zeugreinigungsapparat ist einfach, billig und wie der vorhergehende mit
                              									geringer Kraft zu betreiben. Genügt aber für den forcirten Betrieb bei
                              									Papiermaschinen die geringe Druckhöhe der Flüssigkeit und die davon abhängige
                              									Durchgangsgeschwindigkeit des Stoffes durch die feinen Schlitze im Knotencylinder?
                              									–
                           Der rotirende Knotenfänger von James Bertram u. Sohn in Edinburgh (vertreten durch A. Rack u. Comp. in Wien) ist in
                              									zwei Ansichten in Figur 5 und 6 verzeichnet.
                           Wie schon Eingangs erwähnt, ist der Knotenfänger K nicht
                              									cylindrisch, sondern viereckig, was die genaue Herstellung der Platten wesentlich
                              									vereinfacht und sichert. Derselbe dreht sich in der Stoffbütte B, welche vom Schöpfrad gespeist wird, um hohle Zapfen,
                              									von welchen der linksseitige mit der Pumpe P, der
                              									rechtsgelegene mit dem Abflußkasten L für den
                              									gereinigten Stoff communicirt.
                           Die Pumpe P hat den Zweck, das den Knotenfänger ringsum
                              									umgebende flüssige Zeug durch alle Spalten der
                              									Mantelfläche einzusaugen und nach der Papierform weiterzuschaffen; außerdem durch
                              									einen kleinen zurückgehenden Theil des eingesaugten und gereinigten Stoffes die
                              									Spalten von Knoten etc. freizumachen.
                           Um die zur Erhaltung der constanten Wirkungsfähigkeit des Apparates bei jedem
                              									Kolbenhub erforderliche Menge des wieder zurücktretenden reinen Zeuges auf das
                              									nothwendige Maaß zu beschränken und den Durchgang desselben auf die ganze Länge des
                              									Knotenfängers gleichförmig zu vertheilen, ist central im Inneren von K ein etwa 5 englische Zoll weites, gelochtes Rohr R angebracht, dessen Löcher nach der Abflußseite in
                              									immer kleiner werdendem Abstande stehen. In Folge dessen geht der Haupttheil des
                              									jedesmal angesaugten Zeuges beim Rückgang des Pumpenkolbens nach dem Abflußkasten
                              										L und ein geringer Theil durch alle Spalten
                              									gleichförmig zurück.
                           Knoten und Unreinigkeiten sammeln sich am Boden der Stoffbütte und werden von Zeit zu
                              									Zeit weggespült.
                           Die Drehung des Knotenfängers mit circa 6 Touren pro Minute erfolgt von der Hauptwelle durch Zahnräder
                              										a, b, der Antrieb der Pumpe durch die Kurbelscheibe
                              										k am Ende der Hauptwelle mit 150 Hüben in der
                              									Minute.
                           Faßt man zum Schlusse die ungleich höhere Leistungsfähigkeit und Wirkungsweise des
                              										Bertram'schen Knotenfängers, den verhältnißmäßig
                              									geringen Raumbedarf in's Auge, so können die allerdings höheren Anschaffungs-
                              									und Betriebskosten wohl weniger in Betracht kommen.
                           Die Maschine reinigt in 6 Tagen (à 24 Stunden) 20
                              									Tonnen Stoff für Zeitungspapier und kostet loco
                              									Edinburgh 370 Pfd. Sterling.
                           
                        
                           18. Selbstthätiger Oelwolf für
                                 										Schafwolle von Cölestin Martin in Verviers. (Figur 7.)
                           Bei dem im Jahre 1867 zu Paris ausgestellt gewesenen Oelwolf war die
                              									Schmelzflüssigkeit von gewünschter Mischung in einem der ganzen Breite nach über die
                              									Maschine angebrachten Trog enthalten und je nach Wahl des Wechselrades fand der
                              									Ausfluß beziehentlich das Begießen der Wolle mehr oder weniger statt.
                           Um nun die Mischung des Oeles mit Wasser jeden Augenblick je nach der Eigenschaft der
                              									Wolle abändern zu können, hat der Schmelzapparat des Oelwolfes eine Modification
                              									erfahren, welche ich mit Hülfe der Skizze in Figur 7 näher erläutern
                              									will.
                           Statt eines Troges, in den eine bestimmte Mischung eingegeben wird, sind zwei halb so
                              									große Behälter O und W für
                              									Oel und Wasser getrennt neben einander angeordnet und läßt sich jeder unabhängig vom
                              									anderen verschieden rasch bewegen. Für den Oeltrog ist die Vertheilungsrinne o über die ganze Maschinenbreite gelegt, während das
                              									Wasser über die schmale Rinne w' nach der
                              									Vertheilungsrinne w gelangt. Von o und w fällt Oel und Wasser tropfenweise auf
                              									die Ablaufplatte A und wird von dieser aus durch die
                              									rasch rotirende Bürstenwalze über die auf einem Lattentuch zukommende Wolle
                              									gleichförmig ausgebreitet. Dabei wird die Schmelze so gut vermischt, daß eine
                              									vorangehende Verrührung ganz überflüssig wird und demzufolge die neue Anlage der
                              									Speisetröge möglich erschien.
                           Der Antrieb des selbstthätigen Schmelzapparates geht von der vorderen Lattentuchwalze
                              									durch Kegelrädchen, schiefe Welle und Schnecke a auf das
                              									Zahnrad b. Von hier aus pflanzt sich die Drehung mittelst Zahnräder und Wechselrad
                              										d auf das Getriebe d,
                              									welches in den Zahnsector am Oeltrog O eingreift. Nach
                              									der anderen Seite hin treibt d durch das Wechselrad e u.s.w. die Welle f, um
                              									welche die Tröge O und W
                              									sich drehen und von welcher auf der anderen Seite der Maschine durch
                              									Transporträdchen das Getriebe d' des Zahnsectors am
                              									Wassertrog 
                              									W in Drehung gesetzt wird. Die Achse des Getriebes d steckt in der hohlen Achse des Getriebes d'.
                           Zur Aenderung des Mischungsverhältnisses der Schmelze und des Betrages, welcher auf
                              									ein bestimmtes Gewicht Wolle gegeben werden soll, sind einfach die entsprechenden
                              									Wechsel c oder e
                              									aufzustecken.
                           Die Maschine ist im Ganzen so construirt, daß alle Theile derselben im Handumdrehen
                              									blosgelegt werden können, was behufs der sorgfältigen Reinigung nach jeder Partie
                              									Wolle von Wichtigkeit ist. In 12 Arbeitsstunden können 1500 Kilogrm. Wolle gewolft
                              									und gefettet werden, welche von einem Arbeiter bequem in
                              									den schon bekannten selbstthätigen Speiseapparat eingeworfen wird.
                           Die Länge der Maschine beträgt 3,6, die Breite 1,8 Meter, der Preis 2500 Franken.
                           
                        
                           19. Neuer Dampfmotor von Friedr. Siemens
                                 										in Dresden. (Figur 8.)
                           Der in Figur 8
                              									im Längenschnitt dargestellte Motor kann wohl als die einfachste Lösung der Aufgabe
                              									betrachtet werden, die Expansionskraft des Dampfes zur Verrichtung einer nützlichen
                              									Arbeit zu verwenden. Seiner ganzen Anlage nach ist der neue Dampfmotor zwar nur
                              									berechnet kleine Betriebskräfte ökonomisch zu produciren, wodurch derselbe aber
                              									desto mehr Interesse für das Kleingewerbe gewinnt.
                           Mit der Entwickelung des Dampfes beginnt sofort die Thätigkeit des Motors, welcher
                              									ohne Anwendung besonderer Maschinentheile direct durch Rotation des Dampfgenerators
                              									selbst betrieben wird.
                           Die angezogene Abbildung stellt eine Condensationsmaschine dar, welche im
                              									Wesentlichen aus einem in geneigter Lage rotirenden, nach oben sich erweiternden
                              									Blechmantel A besteht, in dessen Inneren ein aus
                              									trichterförmig zugeschnittenem Blech hergestellter Schraubengang S angebracht ist. Das Spiralrohr C dient als Condensator.
                           Am unteren Ende ist der Blechmantel A mit einem doppelten
                              									Boden K versehen, welcher gewissermaßen den Kessel
                              									bildet und den entstehenden Dampf durch die im Kreise herum angebrachten Löcher a (nur eines derselben ist in der Figur angedeutet) in
                              									das Innere des Apparates entsendet.
                           Das ganze in sich geschlossene System ist auf einer schräg stehenden Welle montirt,
                              									welche unten im Fußlager t, oben in dem auf einem Bock
                              									ruhenden Lager läuft und die Drehung mittelst Universalgelenk oder hyperbolischer
                              									Räder an die Riemenscheibenwelle abgibt.
                           Der Kessel K und der untere Theil des Mantels A sind mit einem den Ofen darstellenden Thonmantel B umgeben, welcher unten mit einem das Feuer – bei dem
                              									ausgestellten Modelle ein Gasbrenner F –
                              									zulassenden Oeffnung versehen ist. Um die Heizfläche zu vergrößern, kann der
                              									Thonmantel bis an das obere Ende von A verlängert
                              									werden; der nicht vom Feuer berührte Theil muß jedoch mit einem schlechten
                              									Wärmeleiter bedeckt seyn.
                           Vor der ersten Ingangsetzung des Motors wird derselbe durch das oben angebrachte
                              									Füllloch i mit Wasser gespeist, diese Oeffnung hierauf
                              									passend verschlossen und dann das Feuer angezündet.
                           Der im Kessel K sich zunächst entwickelnde Dampf tritt
                              									durch die erwähnten Löcher a in den Mantel A, und fängt sich ebenso wie der hier selbst entstehende
                              									Dampf in den Spiralen S, wodurch das ganze System nun in
                              									Drehung gesetzt wird.
                           Nach Maaßgabe der fortschreitenden Dampfentwickelung schraubt sich der gebildete
                              									Dampf immer höher, bis er am oberen verengten Theil des Mantels A in das unten noch offene Condensationsrohr C eintritt und zunächst entweicht, um alle Luft zu
                              									vertreiben. Ist dieß geschehen, so wird die Oeffnung o
                              									am Ende des Kondensators verlöthet. Alles nun entstehende Condensationswasser
                              									schraubt sich wegen der entsprechenden Windung des Rohres C in den Mantel A zurück.
                           Da kein Wasser mehr entweicht und Luft von Außen nicht zutritt – bewegliche
                              									Dichtungen sind nicht vorhanden, – so ist die Maschine, einmal in der
                              									angedeuteten Weise vorbereitet, so oft das Feuer entzündet wird, betriebsfähig.
                           Anstatt eines Sicherheitsventils kann die Speiseöffnung i
                              									mit einem Loth verschlossen werden, welches bei bestimmter Temperatur schmilzt.
                           Die Hauptschwierigkeit bei der Construction des neuen Motors lag in der Anordnung der
                              									Spiralen S, welche eine Fortbewegung des Wassers
                              									vermeiden, jedoch gestatten mußten, daß das Wasser leicht dem Dampfe ausweicht und
                              									sich innerhalb jeder Windung frei in's Niveau stellt. Nach verschiedenen Proben
                              									wurde die in der Figur erkennbare Form der Schraube gewählt, welche sich wohl mit
                              									einem zusammhängenden und auseinander gezogenen Bohrspan einigermaßen vergleichen
                              									läßt.
                           Die Windungen reichen von dem Mantel ungefähr bis 4/5 zur Achse, so daß der
                              									aufsteigende Dampf nur längs der Schraubenfläche sich fortbewegen, das Wasser aber
                              									frei nach abwärts abfallen kann. Das Wasser im Mantel reicht bis in die oberste
                              									Schraubengangwindung.
                           Für größere Dampfmaschinen kann der Condensator wegfallen. Wegen der in Folge dessen
                              									eintretenden geringeren Expansion des Dampfes nähert sich der Mantel A im obersten Theil mehr einer Cylinderfläche. Durch die obere, nun
                              									offene Oeffnung würde das nothwendige Speisewasser durch einen Trichter von einem
                              									Reservoir oder von Hand nach Bedarf nachgefüllt werden.
                           Bei Condensationsmaschinen muß der Mantel A im Prosit
                              									nach einer Expansionscurve eingerichtet, auch dem entsprechend der Schraubengang S nach oben zu erweitert werden, proportional dem
                              									größeren Volumen des expandirenden Dampfes.
                           Der Hauptvortheil des besprochenen Motors liegt in der directen Wirkung des Dampfes,
                              									welche die Anlage und den Betrieb außerordentlich vereinfacht.
                           Sollte nun auch das ausgestellte Maschinchen dem Verlangen nach einem einfachen
                              									ungefährlichen Motor für den Gewerbestand, die Hausindustrien noch nicht vollkommen
                              									genügen, so ist die Lösung dieser Aufgabe geistreich und interessant genug, um in
                              									diesem Berichte besonders hervorgehoben zu werden.
                           
                        
                           20. Apparat zum Nachdrehen der
                                 										Locomotivkurbelzapfen; ausgeführt von der Sächsischen Maschinenfabrik (vormals
                                 										Richard Hartmann) in Chemnitz. (Fig. 9 u. 10.)
                           Letzthin habe ich schon darauf hingewiesen, daß man vornehmlich in
                              									Eisenbahn-Reparaturwerkstätten verschiedene specielle Maschinen und Apparate
                              									zur möglichst einfachen und raschen Verrichtung gewisser Arbeiten vorfindet. Hierher
                              									gehört auch der von der Sächsischen Maschinenfabrik
                              									(vormals Richard Hartmann) in Chemnitz ausgestellte,
                              									recht anwendbare Apparat zum Nachdrehen ausgelaufener Kurbelzapfen an
                              									Locomotivrädern, an welche das Geräthe unmittelbar mittelst der vier starken
                              									Schrauben a befestigt und durch einen Riemen auf der
                              									Triebscheibe f in Gang gesetzt werden kann.
                           Die vollkommene Centrirung des Apparates findet einerseits durch die Körnerschraube
                              										b und andererseits durch den Bundring des
                              									Kurbelzapfens und dem entsprechend stark zu wählenden Auflagering c statt.
                           Da der Meißel d in einer Cylinderfläche herumgedreht
                              									werden muß, so steckt derselbe im Umfange des cylindrischen Werkzeugträgers e, welcher seine Drehung von der Riemenscheibe f und den Zahnrädern g
                              									erhält. Der Vorschub des Stahles parallel zur Achse des Kurbelzapfens wird durch die
                              									Schraubenspindel h erzielt, an deren vorderem Ende ein
                              									Sternrad m festsitzt. So oft daher dasselbe gegen den
                              									festen Anschlag i trifft, wird die Schraubenspindel
                              									gedreht und dadurch der Support k mit dem Meißel
                              									verschoben.
                           
                           Zum Ausdrehen der Anläufe wird ein eigener winkelförmig gebogener Stahl
                              									beigegeben.
                           Im Uebrigen ist die nette Construction aus den beregten Abbildungen klar zu
                              									entnehmen, so die Verbindung des rotirenden Werkzeugträgers e mit dem Ständer des Apparates u. s. w.; daher der Beschreibung nichts
                              									Neues hinzugefügt werden kann.
                           Der Preis des Apparates beträgt 235 Thaler.
                           Die Sächsische Maschinenfabrik hat – wie dieß bei
                              									dem alten Rufe und der großen Ausdehnung ihrer Etablissements selbstverständlich ist
                              									– noch mehrere andere, sehr interessante Objecte zur Wiener Weltausstellung
                              									gebracht: eine Lastzug-Locomotive mit vier gekuppelten Achsen; eine liegende
                              									100pferdige Dampfmaschine mit selbstthätig variabler Expansion (modificirte
                              									Corlißsteuerung mit Doppelsitzventilen); verschiedene verbesserte Werkzeugmaschinen;
                              									zum Theil ganz neue Maschinen zum Spinnen und Weben von Streichwolle.
                           Ich gedenke im Verlaufe meines Berichtes auf alle ausgestellten Novitäten der
                              									Sächsischen Maschinenfabrik eingehend zurückzukommen.
                           
                        
                           21 u. 22. Rieter's Verbesserungen an
                                 										Baumwoll-Vorbereitungsmaschinen. (Figur 11 und 12.)
                           Nachdem die Maschinen der Baumwollspinnerei durch die letzte Baumwollnoth einen
                              									ziemlich hohen Grad der Vollkommenheit und Leistungsfähigkeit erlangt haben, so
                              									lassen sich heute wesentliche Aenderungen oder Verbesserungen kaum mehr
                              									erwarten.
                           Dennoch weist die Firma J. J. Rieter in Winterthur, welche
                              									allein ein completes Sortiment von Baumwollspinnmaschinen aufgestellt und in Betrieb
                              									gesetzt hat, durch verschiedene, oft unscheinbare Modificationen bekannter
                              									Constructionsdetails, wie eifrig dieselbe an der Vollendung ihrer Maschinen arbeitet
                              									und zu diesem Behufe den Bedürfnissen in den eigenen Spinnereien nachspürt und
                              									abhilft. Ich werde dieses Urtheil durch die successive Mittheilung der
                              									Verbesserungen, insbesondere am Selfactor, begründen können.
                           Beginne ich mit den Vorbereitungsmaschinen, so ist zunächst ein Opener mit verticaler conischer Trommel (BrightonCrighton's System) ausgestellt, welcher als erste Oeffnungs- und
                              									Reinigungsmaschine für Surate und sonst geringe Baumwollsorten bestimmt ist. Die
                              									Baumwolle, wie sie aus dem Ballen kommt, wird von Hand der Maschine übergeben und
                              									gelangt durch ein Blechrohr an das untere enge Ende der conischen Trommel. Von den radialen
                              									Flachschienen erfaßt, durch den vom Ventilator erzeugten Luftstrom gegen den die
                              									Trommel umgebenden Rost geschleudert, steigt die Baumwolle in schraubengangförmiger
                              									Windung bis an das obere weitere Ende des Apparates, von wo sie gegen die
                              									Siebtrommel hingezogen und zuletzt durch das endlose Lattentuch aus der Maschine
                              									geleitet wird.
                           Um nun zu verhindern, daß das Zuleitungsrohr bei ungeschickter Wartung sich verstopfe
                              									und dadurch der Luftstrom unterbrochen werde, was mit Rücksicht auf die in
                              									Bearbeitung zwischen Trommel und Rost befindliche Baumwolle nachtheilig wäre, ist
                              									die trichterförmige Oeffnung des Speiserohres zur Hälfte mit doppelter Wand
                              									versehen, wie dieß in der Skizze Figur 11 angedeutet
                              									wurde. Durch den schmalen Spalt kann immer so viel Luft eintreten, daß eine Störung
                              									im Betriebe der Maschine im Falle unregelmäßiger Zuführung von Baumwolle nicht
                              									stattfinden kann.Beiläufig kann ich hier anfügen, daß BrightonCrighton und Comp. in Manchester ihre Opener
                                    											nicht nur für geringe, sondern auch für mittlere und gute Baumwolle bauen.
                                    											Der Abstand der Schlagarme vom Rost mißt 3/4, 1 bis 1 1/4 resp. 1 1/2 bis 2
                                    											englische Zoll. Was dieses Opener-System besonders auszeichnet, ist
                                    											der lange Weg, welchen die Baumwolle längs der Roststäbe – 5–6
                                    											Mal herum – zurücklegt. Reine Baumwollpartien steigen rascher empor
                                    											als die unreinen, also schwereren Theile, welche daher auch länger am Roste
                                    											zur Absonderung der Unreinigkeiten vorbeistreichen.
                              								
                           Bei dem Opener mit einem horizontalen Zahntambour, Zu- und Abführlattentuch
                              									(System Taylor Lang und Comp.) hat die Zuführung für die
                              									Baumwolle ebenfalls eine Verbesserung erfahren. Dieselbe findet sonst mittelst zwei
                              									übereinander liegenden Cylindern mit starker Pression statt, was den Nachtheil mit
                              									sich bringt, daß die etwa vorhandenen Samen zerquetscht und die Schalensplitter
                              									ungemein schwierig selbst auf den Karden entfernt werden, deren Garnitur dadurch
                              									auch stark leiden muß.
                           Die Cylinder sind nun ersetzt durch eine mit kräftigen, etwas geneigten Stacheln
                              									versehene Walze a (Figur 12) und eine über
                              									derselben angebrachte muldenförmig ausgehöhlte Schiene b. Die Stachelwalze in Verbindung mit der dieselbe theilweise umgebenden
                              									Schiene b hat den doppelten Zweck, die Baumwolle ohne Pression dem Zahntambour zuzuführen und sie trotz
                              									der unvermeidlichen Ungleichheiten in der Auflage so festzuhalten, daß die Trommel
                              									nie größere Flocken auf einmal herausreiße.
                           Der Mantel oberhalb dem Tambour ist mit 7 glatten querlaufenden Rippen besetzt, an
                              									denen die Baumwolle aufgelockert und Unreinigkeiten abgestreift werden, welche
                              									sodann durch den aus 39 Stäben zusamengesetzten Rost durchfallen. Die Baumwolle aber
                              									wird durch einen Ventilator an die Siebtrommel angesaugt und auf einem endlosen
                              									Lattentuch ausgeliefert.
                           Vor dem erwähnten Zuführapparat liegt eine schwere Risselwalze d, um die Baumwolle etwas zusammenzudrücken und deren Eintritt zwischen
                              									Stachelwalze und Mulde zu erleichtern; ferner aber um zu verhüten, daß die Hand des
                              									bei der Maschine beschäftigten Arbeiters vom Speiseapparat erfaßt werde.
                           Der Verbesserung am Lord'schen Speiseregulator habe ich
                              									schon in meinem ersten Berichte (zweites Juniheft, S. 406) gedacht. Ich muß noch
                              									nachträglich als weiteren Voltheil der damals abgebildeten Lagerung der Zuführhebel
                              									erwähnen, daß die Achse nun von unten gereinigt, geölt und darauf vermittelst eines
                              									Schlüssels an dem vierkantigen Ende derselben gedreht werden kann. Früher war man
                              									genöthigt zum Zweck der Reinigung und Oelung die Achse ganz herauszuziehen und
                              									dieselbe, damit die Zuführhebel nicht herabfielen, in der Zwischenzeit durch eine
                              									provisorisch eingesteckte Stange zu ersetzen.
                           Die mechanischen Werkstätten von Joh. Jacob Rieter und Comp. sind in Ober-Töß, 1/2 Stunde von Winterthur
                              									gelegen.
                           Dieselben befassen sich nebst der Construction von Turbinen, Tangentialrädern,
                              									Transmissionen, Drahtseilanlagen, Werkzeugmaschinen etc., welche Branchen ebenfalls
                              									auf der Ausstellung würdig vertreten sind, speciell mit dem Bau von Spinnmaschinen
                              									und Stickmaschinen. Von ersteren producirte die Firma 2000 Spindeln sammt den
                              									erforderlichen Vorwerken pro Woche. Als Betriebskraft
                              									stehen mehrere Turbinen mit 190 Pferdekräften und eine gekuppelte Dampfmaschine mit
                              									zwei Cylindern von je 50 Pferdekräften zur Verfügung. Das Personal besteht aus 45
                              									Beamten und 691 Arbeitern.
                           Seit 1854 bis zum Anfang des Jahres 1873 wurden außer anderen Maschinen in den
                              									Werkstätten 140 Wassermotoren verschiedener Systeme für eine Gesammtkraft von 11800
                              									Pferdestärken und 50 verschiedene Drahtseiltransmissionen für die Uebertragung von
                              									4400 Pferdekräften ausgeführt.
                           Besonders erwähnenswerth ist die großartigste der bisher ausgeführten
                              									Turbinen- und Drahtseiltransmissions-Anlagen, welche die Firma im
                              									vorigen Jahre für die Campagnie générale de
                                 										Bellegrade (Departement de l'Ain) zur
                              									Ausführung übernommen hat. Die Anlage besteht vorläufig aus 3 Jouval-Turbinen für ein variables Gefälle von 13 und 11 Meter und
                              									eine Wassermenge von je 5,2 und 7,1 Kubikmeter 
                              									per Turbine, wobei jede derselben 630 effective
                              									Pferdekräfte entwickelt, außerdem noch aus einer besonderen Hülfsturbine. Später
                              									werden noch zwei gleich große Turbinen für diesen ersten Theil der Anlage
                              									installirt. Die ganze Wasserkraft beträgt über 10,000 Pferdekräfte effectiv.
                           Der eine Seiltrieb der ersten Turbine von 630 Pferdekräften hat eine Länge von 907
                              									Meter mit Stationsdistanzen von 130 bis 193 Meter und überschreitet zweimal die
                              									Rhone bis zu seinem Endpunkt an der Phosphatmühle der Gesellschaft. Von den auf der
                              									Plattform des Turbinenhauses befindlichen Seilscheiben bis auf das höher gelegene
                              									Plateau, welches der Seiltrieb durchschneidet, ist eine Höhendifferenz von 36 Meter.
                              									Das Turbinenhaus selbst ist in der tiefen Schlucht der Valserine bei deren
                              									Einmündung in die Rhone gelegen.
                           Der Seiltrieb der zweiten Turbine mit einer Länge von 182 Meter und ebenfalls 36
                              									Meter Höhendifferenz dient zum Betriebe einer kolossalen Holzstoff-Fabrik,
                              									während die dritte Turbine speciell zum Betriebe des großen Pumpwerkes dient,
                              									welches die Phosphat-Wäscherei und die anderen auf dem
                              									Bellegarde-Plateau errichteten Etablissements speist. Die Hälfte der Kraft
                              									dieser Turbine kann noch mittelst Seiltrieb an neu erstehende Fabriken abgegeben
                              									werden.
                           Nähere Pläne dieser interessanten Anlage sind in der Maschinenhalle auf der
                              									Ausstellung zu finden.
                           Die Firma Joh. Jakob Rieter und Comp. besitzt auch ihre eigenen Spinnereien in Nieder-Töß, in
                              									Buchenthal und St. Georgen bei St. Gallen. Erstere ist eine Feinspinnerei mit 21,200
                              									Spindeln für Garn Nr. 4 bis 300 und beschäftigt 240 Personen. Die Spinnereien bei
                              									St. Gallen mit 160 Arbeitern haben 16,188 Spindeln für Nr. 80 bis 140.
                           Außerdem ist die Firma Theilhaberin der mechanischen Stickerei Wülflingen bei
                              									Winterthur, welche seit 1870 besteht und gegenwärtig 20 Blattstichmaschinen (mit
                              									4080 Nadeln) betreibt. Diese Maschinen werden mechanisch
                              									angetrieben und erzielen dadurch und durch Anwendung eines continuirlichen Fadens
                              									eine bedeutende Leistungsfähigkeit, etwa 3mal soviel als eine gewöhnliche
                              									Stickmaschine.
                           Die ursprüngliche Idee dieser Maschine wurde von dem jetzigen technischen Director
                              									dieser Stickerei J. Gröbli entwickelt und seit dem Jahre
                              									1863 von Rieter und J. Wehrli,
                              									dem zweiten Theilhaber der Stickerei, im Verlauf von 7 Jahren auf die jetzige
                              									Vervollkommnung gebracht. Vorzugsweise besteht die Hauptfabrication in gefärbter
                              									Stickerei mit Seide auf Seide, Seide auf Wolle, Wolle auf Wolle etc., für schwere
                              										Vorhänge,
                              									Möbelstoffe, Tischteppiche, Seiden- und Wollroben, Schleifen u.s.w., in
                              									welchen Producten diese Maschine sowohl durch billige als auch durch schöne und
                              									genaue Arbeit alles bisher Bestehende weit übertreffen soll. (Vergleiche
                              									Industriepalast, Schweiz Gallerte 5 A, Nr. 286.)
                           
                        
                           23. Zur einheitlichen
                                 										Garnnumerirung.
                           Nachdem einmal die Hauptindustriestaaten des europäischen Continents das meterische
                              									Maaß- und Gewichtssystem gesetzlich eingeführt haben, bleibt die Umwandlung
                              									der Garnnumerirung auf Grundlage der gesetzlich gewordenen Maaß- und
                              									Gewichtseinheiten nur eine Frage der Zeit.
                           In Würdigung dieser Verhältnisse und bei der Gefahr daß die Aenderung der
                              									Numerirungssysteme in verschiedenen Ländern nach abweichenden Grundsätzen
                              									bewerkstelligt werden könnte, wurde anlässig der Wiener Weltausstellung ein
                              									internationaler Congreß veranstaltet, welchem die Bestimmung der einheitlichen
                              									Grundsätze für die künftige Numerirung aller Gespinnste zur Aufgabe gesetzt war.
                           Der allseitig beschickte Congreß tagte in Wien vom 7. bis 12. Juli und acceptirte
                              									einmüthig das rein metrische Numerirungssystem und als
                              									Basis der Nummerbestimmung variable Längen des Gespinnstes bei constant bleibendem
                              									Gewicht.
                           Demzufolge ergab sich als einfachste Definition der Nummer eines Garnes: die Zahl von
                              									Metern auf einen Gramm.
                           Etwas schwieriger war die Einigung über die einheitliche Strähn- und
                              									Weifenlänge, da für verschiedene Gespinnste verschiedene Bedürfnisse auftreten.
                           Als einheitliche Strähnlänge wurde indeß ebenfalls mit
                              									Einmüthigkeit 1000 Meter mit der Unterabtheilung von Gebinden zu 100 Meter angenommen. Die Bestimmung des
                              									Haspelumfanges für die verschiedenen Gespinnste wurde dem ständigen Ausschuß
                              									zugewiesen.
                           Die anwesenden belgischen, deutschen und österreichischen Streichwollspinner einigten sich schon jetzt über eine Weifenlänge von 1,5
                              									Meter; ebenso die Leinenspinner über den Haspelumfang von
                              									1,25 Meter für feine, von 2,5 Meter für grobe Garne.
                           Zur weiteren Ausführung der Congreßbeschlüsse wurde ein internationaler Ausschuß
                              									gewählt, dessen in Wien domicilirende Mitglieder das Arbeitscomité bis zum
                              									nächsten Congreß bilden. Zum nächstjährigen Versammlungsorte wurde Brüssel bestimmt.
                           So ist denn diese für die gesammte Textilindustrie hochwichtige, vom Standpunkt der
                              									Technik wie von jenem des Verkehres so dringend gebotene Regulirung der Numerirungsfrage, von glücklicher
                              									Hand eingeleitet, in jenes Stadium getreten, welches eine rationelle endgültige
                              									Lösung erwarten läßt. Freilich bedarf es einer aufmerksamen, beharrlichen Verfolgung
                              									des gesetzten Zieles, das mit alten Gewohnheiten und mit allen Schwierigkeiten und
                              									Unannehmlichkeiten durchgreifender Umwälzungen zu kämpfen hat.
                           Hoffen wir jedoch auf einen glücklichen Erfolg!
                           Nachstehend die Beschlüsse des Kongresses:
                           1) Die gegenwärtig bestehenden Garnnumerirungs-Systeme erschweren und
                              									belästigen den Verkehr. In Anbetracht, daß Garne heute ein Artikel des
                              									internationalen Verkehres geworden sind und dieser sich mit jedem Handelsvertrage,
                              									mit jedem neuen Schienenstrange, jeder neuen Telegraphenleitung, jeder
                              									Weltausstellung vervollkommnet, ist es in hohem Grade wünschenswerth, die
                              									Beseitigung des bemerkten Hemmnisses mit aller Kraft anzustreben. Gerade aber die
                              									Gegenwart erscheint hierfür angezeigt, weil in ihr das sich bereits über eine Reihe
                              									von Staaten erstreckende Geltungsgebiet des meterischen Maaß- und
                              									Gewichts-Systemes um ein neues, 70 Millionen Bewohner zählendes
                              									Productionsgebiet vergrößert wurde.
                           2) Es erscheint bei richtiger, der Natur der Spinnstoffe entsprechend getroffene Wahl
                              									der Maaß- und Gewichtseinheiten möglich, sämmtliche Spinnstoffe nach
                              									demselben Princip zu numeriren.
                           3) Als dieses einheitliche Princip empfiehlt sich das metrische.
                           Die Nummer wird durch die Anzahl von Metern gegeben, welche in einem Gramm enthalten
                              									sind.
                           4) Die Länge der Strähne wird für alle Gespinnstgattungen auf 1000 Meter festgesetzt
                              									mit der Unterabtheilung von 10 Gebinden zu je 100 Meter.
                           5) Die Weifenlänge und somit die Anzahl der Fäden im Gebinde wird für die
                              									verschiedenen Gespinnstgattungen nach reiflicher Erwägung der technischen Momente
                              									durch den ständigen Ausschuß festgestellt werden.
                           6) Die Richtigkeit der Nummer eines Garnquantums ist nur nach einer größeren Anzahl
                              									von Metern, jedenfalls nicht weniger als eine Strähne, gesetzlich zu beurtheilen.
                              									Die Bestimmungen darüber, sowie über die Fehlergrenzen der Nummern der einzelnen
                              									Gespinnstgattungen, entsprechend der Natur derselben, werden dem ständigen
                              									Ausschusse zur Fassung übertragen.
                           7) Die Mitglieder des ständigen Ausschusses werden durch den Congreß gewählt. Die in
                              									Wien wohnhaften Mitglieder bilden ein engeres Comité, welchem die Pflichten
                              									des Bureau's für den Gesammt-Ausschuß und die Leitung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten bis
                              									zum Congresse übertragen werden.
                           Der Gesammtheit der Ausschußmitglieder eines Landes liegt die Pflicht der Verbreitung
                              									und Förderung der Congreß-Beschlüsse für das betreffende Land durch Erwirkung
                              									gesetzlicher Bestimmungen oder durch freie Vereinbarung unter den Industriellen etc.
                              									ob.
                           Gemeinschaftliche organische Bestimmungen für den Congreß bedürfen der mündlichen
                              									oder schriftlichen Zustimmung der Mitglieder des Gesammt-Ausschusses.
                              									Derselbe kann sich durch die Wahl neuer Mitglieder verstärken.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
