| Titel: | Ueber Dr. Carl Jicinsky's neuen Maaßstab; von Dr. F. Reidt. | 
| Autor: | F. Reidt | 
| Fundstelle: | Band 209, Jahrgang 1873, Nr. XIX., S. 121 | 
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                        XIX.
                        Ueber Dr. Carl Jicinsky's neuen Maaßstab; von Dr. F. Reidt.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									II.
                        Reidt, über den π-Meter.
                        
                     
                        
                           Die Bemerkung in Dr. Jicinsky's Abhandlung über seinen neuen Maaßstab (den π-Meter) im polytechn. Journal Bd. CCVIII S. 25 (erstes
                              									Aprilheft 1873) „die Verwandlung der Peripherie eines Kreises in eine
                                 										Gerade auf dem Wege geometrischer Construction sey in der Wissenschaft bisher
                                 										nur bis zu der Genauigkeit von vier Decimalen
                                 										gelungen“, ist irrig. Als ein Beispiel des Gegentheiles kann die
                              									nachfolgende, von Jacob de Gelder, Prof. in Leyden,
                              									herrührende Construction dienen, welche auf sechs
                              									Decimalen richtig ist:
                           Zieht man (Fig.
                                 										16) im Kreise K zwei zu einander senkrechte
                              									Radien KA, KB,
                              									theilt KB in 8 gleiche Theile, verbindet den B zunächst liegenden Theilpunkt C mit A, trägt auf AC von A aus die
                              									Strecke AD gleich der Hälfte des Radius ab, fällt
                              									von D die Senkrechte DE auf KA, zieht CE und dann DF
                              									parallel CE, welche Linie KA in F schneide, so
                              									ist die halbe Peripherie gleich dem dreifachen Radius plus
                              									AF, d.h. also für den Radius 1 ist AF = π –
                              									3. – Es ist nämlich:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 209, S. 121
                              
                           Eine andere derartige Construction ist folgende: Man ziehe (Fig. 17) im Kreise K einen Durchmesser AB, verlängere denselben über B hinaus und trage
                              									auf der Verlängerung BC gleich dem fünften Theile
                              									und CD gleich 2/5 des Radius ab, errichte in A auf AB die
                              									Senkrechte AE gleich dem Radius, ziehe CE, verlängere AE über E und mache AF = CE, ziehe
                              									endlich FG parallel zu DE, so ist AG
                              									näherungsweise gleich der Peripherie. – Man findet nämlich für 75 den Näherungswerth 3,1415919,
                              									also mit einer theoretischen Genauigkeit von fünf Decimalen.Man vergleiche über diese und ähnliche Constructionen: Reidt, Elemente der Mathematik, Bd. II, 2. Aufl. Berlin, G. Grote.
                              								
                           Die, übrigens recht schöne Construction des Hrn. Jicinsky
                              									verliert an ihrer anscheinenden Einfachheit gegen die vorstehenden dadurch, daß bei
                              									ihr auch der Winkel von 15 Grad zu construiren ist, und daß sie die Theilung des
                              									Halbmessers in Hundertstel, ja sogar ein halbes Hundertstel des Radius verlangt, was
                              									für die Einzel-Construction bei kleinen Radien nicht ohne Bedenken seyn wird.
                              									Auch könnte es bei dem Beweise in wissenschaftlicher Beziehung etwas störend
                              									erscheinen, daß ein Element aus einer dem Problem ferner liegenden, nicht rein
                              									geometrischen Disciplin, nämlich eine trigonom. Function, benutzt wird. Dieß kann
                              									indessen, wenn man Gewicht darauf legen will, durch die Einführung von
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 209, S. 122
                              
                           vermieden werden.
                           Ich habe oben die Genauigkeit solcher Näherungsconstructionen als eine theoretische hervorgehoben; in der Praxis ist die gerühmte Genauigkeit von sieben
                              									Decimalen völlig illusorisch. Eine solche kann der
                              									π-Meter nicht liefern. Zunächst ist
                              									nämlich die wirkliche Ausführung der angegebenen Construction mit einer solchen
                              									Genauigkeit, daß selbst bei einem Kreisdurchmesser gleich der Höhe des
                              									Stephansthurmes „kein Zirkelinstrument den Fehler zwischen die Spitzen zu
                                 										fassen vermag“, absolut unmöglich; die
                              									stets vorhandene Dicke der gezeichneten Linien, die Beschränktheit unseres
                              									Sehvermögens, die Vergrößerung, welche z.B. ein bei dem Hundertstel des Radius noch
                              									unmerklicher Fehler im weiteren Verlauf der Construction erleiden kann, u. dgl. m.
                              									machen für jede nicht mehr als riesengroße Zeichnung eine Genauigkeit bis auf 7
                              									Decimalen des Radius unmöglich; in der Praxis wird man auf construirendem Wege wohl kaum mehr als drei
                              									Decimalen verlangen können. Eben wegen dieser unvermeidlichen Fehler des zeichnenden
                              									Verfahrens, welche sich im weiteren Verlauf der Arbeit bis zu recht merkbaren
                              									Fehlern des Resultates vergrößern können, zieht man ja bekanntlich überall, wo es
                              									irgend thunlich ist, die Berechnung der gesuchten Größe
                              									vor; denn diese ist völlig frei von jenen unvermeidlichen Fehlerquellen, läßt sich
                              									bis zu jedem verlangten Grad der Genauigkeit durchführen, und die berechnete Größe
                              									kann für construirende Zwecke nachher immer mit dem Maaßstab mit aller der
                              									Genauigkeit, welche
                              									dieser überhaupt zu bieten vermag, aufgetragen werden. – Ließe sich aber auch
                              									die angegebene Construction mit der versprochenen Genauigkeit von sieben Decimalen
                              									ausführen, sowie ferner der Maaßstab darnach mit derselben Genauigkeit seiner
                              									Theilung anfertigen, so würde es doch schließlich unmöglich seyn, den angegebenen
                              										„Strich bis zum Punkte E“ behufs Abmessung mit dem π-Meter mit solcher Genauigkeit zu ziehen,
                              									sowie an dem damit verbundenen gewöhnlichen Maaßstab die Länge der gezeichneten
                              									Linie mit solcher, in gewöhnlichen Fällen mehr als mikroskopischen Genauigkeit
                              									abzulesen.
                           Der „π-Meter“ wird
                              									hiernach meines Erachtens die versprochenen Leistungen auch nicht entfernt zu
                              									liefern im Stande seyn, womit indessen der Werth desselben als praktischen
                              									Instrumentes für eine ungefähr richtige und bequeme Zeichnung nicht bestritten
                              									werden soll. Nur ist zu seiner Anfertigung die angegebene geometrische Construction
                              									unwesentlich und unpraktisch; man kennt die abzutragende. Länge von π viel sicherer und bequemer durch ihren
                              									Zahlenwerth, und der „π-Meter“ ist nichts anderes, als ein Scalenwerk,
                              									wie man solche in ähnlicher Art schon länger für verschiedene Zwecke besitzt,Man vergl. z.B. Preßler's
                                    											Ingenieur-Meßknecht, Leipzig, Baumgärtner, wo auch das Princip des
                                    													„π-Meters“ bereits in etwas anderer Form
                                    											angewendet ist, und zwar nicht bloß für die Peripherie, sondern auch für die
                                    											praktisch wohl nicht minder wichtige Kreisfläche. um aus gewissen gegebenen Größen von ihnen abhängige, gesuchte durch
                              									unmittelbare Ocularablesung zu ermitteln, resp. aufzutragen.
                           Da der Erfinder am angeführten Ort sein auf den internationalen Ausstellungen von
                              									London und Moskau (1872) prämiirtes Werk „auch der Beurtheilung deutscher
                                 										Fachmänner“ hat unterbreiten wollen, so dürfte die vorstehende Notiz
                              									vielleicht nicht unberechtigt seyn.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
