| Titel: | Die Gasbeleuchtung unter Mitanwendung von Sauerstoff in Deutschland; von Simon Schiele. | 
| Fundstelle: | Band 209, Jahrgang 1873, Nr. XX., S. 123 | 
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                        XX.
                        Die Gasbeleuchtung unter Mitanwendung von
                           								Sauerstoff in Deutschland; von Simon Schiele.
                        Aus der Zeitschrift des Vereines deutscher
                                 								Ingenieure, 1873, Bd. XVII S. 276.
                        Schiele, über die Gasbeleuchtung unter Anwendung von Sauerstoff in
                           								Deutschland.
                        
                     
                        
                           Die ersten Versuche, der Tessié du Motay'schen
                              									Beleuchtungsmethode vermittelst Sauerstoff in Deutschland Freunde zu erwerben und
                              									ihr Eingang zu verschaffen, wurden im Frühjahr 1870 in Frankfurt a. M. angestellt; sie führten damals
                              									zu dem Schlusse, daß die Methode noch gar zu jung sey, um ein Urtheil über ihren
                              									Werth abgeben zu können, daß sie sich vorerst nur für Experimente bei physikalischen
                              									und chemischen Vorträgen im Kleinen oder bei den Beleuchtungen im Großen gleich der
                              									elektrischen Beleuchtung, also immer nur da eigne, wo es weniger auf die darauf zu
                              									verwendenden Kosten ankomme. Für kleinen Lichtbedarf, also für die Zwecke des
                              									gewöhnlichen Lebens und des kleinen Geschäftserfordernisses biete dieselbe noch
                              									nicht genügende Vortheile dar. Es konnte der Aussicht Raum gegeben werden, daß es
                              									der Ausdauer der damit Beschäftigten immerhin gelingen könne, der an und für sich
                              									schönen und in vieler Beziehung sehr zweckmäßigen Methode zu vielfältigerer und
                              									nützlicher Anwendung zu verhelfen.
                           Unermüdlichem Schaffen und gewiß auch schweren pecuniären Opfern ist es denn nach
                              									vielfältigen Versuchen gelungen, durch einfacheren Bau der Brenner und Einrichtungen
                              									der Beleuchtungsapparate dem Ziele so nahe zu kommen, daß die Frage heute als eine
                              									glücklich gelöste betrachtet und begrüßt werden darf.
                           Wien war es vorbehalten, die ersten Erfolge auf diesem neuen, schönen und eleganten
                              									Beleuchtungsgebiete zu erringen, und der k. k. österreich. priv. Creditanstalt
                              									daselbst gebührt das Verdienst, die glücklichen Arbeiten des Ingenieurs Bernhard Andrae unterstützt und auf dem
                              									Kaiserin-Elisabeth-Westbahnhofe in Wien zuerst die Anwendbarkeit der
                              									Methode in größerem Maaßstabe für gewöhnliche Beleuchtungszwecke nachgewiesen und
                              									sie eingeführt zu haben.
                           Allerdings bedarf es bei der Mitverwendung des Sauerstoffes zu Beleuchtungszwecken,
                              									wie schon früher dargethan, eines an Kohlenstoff reicheren, eines schwereren Gases,
                              									als es das gewöhnliche Steinkohlengas ist, und nur da, wo ein solches zur Verfügung
                              									steht oder eingeführt wird, kann von der Sauerstoffbeleuchtung (um der Methode einen
                              									kurzen Namen zu geben) die Rede seyn. Wenige Orte allerdings sind nur in dieser
                              									Lage; allein die Zeit kann es bringen, daß es vortheilhafter erscheint, bestehende
                              									Steinkohlengaswerke, welche einer Vergrößerung ihrer Apparate und Röhrensysteme
                              									bedürfen, in den Betrieb für reiches Gas umzuändern, anstatt Erweiterung und
                              									Umlegung der vorhandenen Röhren eine Sauerstoffbereitungs-Anstalt zu
                              									errichten und für diese ein neues Röhrensystem neben das zu belassende alte zu
                              									legen. Dieses braucht, da am vortheilhaftesten stets nur die Hälfte des reichen
                              									Gases an Sauerstoff erforderlich ist, natürlich auch nicht so weit zu seyn und ist
                              									deßhalb auch nicht so theuer wie ein Rohrnetz für Kohlengas.
                           
                           Fragt man zunächst nach den Ursachen der Veränderung in der Anschauung über die
                              									Verwendbarkeit, so ist Folgendes in Betracht zu ziehen. Während durch den Brenner,
                              									vermittelst dessen die Versuche mit der neuen Methode seiner Zeit in Paris und in
                              									Frankfurt a. M. angestellt wurden, die Flamme dem Auge des Beobachters bald lästig
                              									wurde, ja es heftig verletzte, kann mit dem neuen Brenner stundenlang gearbeitet und
                              									beobachtet werden, ohne daß das Auge mehr Ermüdung empfindet als bei Versuchen mit
                              									gewöhnlichem Steinkohlengase.
                           Woher dieß? Der Anblick der neuen Flamme gibt darauf rasch eine erste und allgemeine
                              									Antwort: sie hat eine größere Fläche in der Gestalt eines Flachbrenners
                              									(Fledermaus- oder schottischen Brenners). Es fehlte aber der Nachweis, und
                              									dieser konnte leicht dadurch geführt werden, daß man drei Flammen von der Maximal-Leuchtkraft herstellte, welche jede
                              									Verbrennungsart zuließen, und von denen 1) die eine durch reiches Gas, 2) die zweite
                              									in einer Sauerstoffatmosphäre unter Verwendung des neuen Brenners und 3) die dritte
                              									ebenso, aber unter Anwendung des alten Tesssié'schen Brenners gespeist wurde. Die Ergebnisse der Messung der
                              									Flammengrößen unter diesen Verhältnissen waren folgende:
                           
                              
                                 Flächeder Flamme
                                 Leuchtkraft derFlamme
                                 Lichtausstrahlung pro1 QuadratcentimeterFläche der Flamme
                                 Verhältniß derLichtausströmung proFlächeneinheit.
                                 
                              
                                 27 Quadratcentimer
                                     12 Kerzen
                                     0,44 Kerzen
                                 1
                                 
                              
                                   
                                    											6            
                                    											„  
                                 10,5   „
                                 1,75    
                                    											„ 
                                 4
                                 
                              
                                   
                                    											9,1          „  
                                 31,2   „
                                 3,43    
                                    											„ 
                                 8
                                 
                              
                           Hieraus ist ersichtlich, daß die von einer Flächeneinheit ausströmende Lichtmenge das
                              									Vierfache von derjenigen einer Flamme aus reichem Gase, oder da diese die 1,5 fache
                              									Lichtmenge einer Steinkohlengasflamme von gleicher Größe gibt, das 6 fache einer
                              									gewöhnlichen Steinkohlengasflamme betragen darf, ehe sie das Auge ermüdet, daß aber
                              									die 8 fache bez. 12 fache Lichtausstrahlung aus gleicher Flächeneinheit von dem
                              									ungeschützten Auge schon nicht mehr ohne nachhaltige Beschädigung desselben ertragen
                              									werden kann. Die physiologische Beschaffenheit des Auges setzt also hier gewisse,
                              									nicht überschreitbare Grenzen.
                           Die Vertheilung des gleich schönen, fast völlig weißen Lichtes auf eine größere
                              									Fläche ist erreicht durch Verlegung der Gasströme. Während bei dem alten Brenner der
                              									Sauerstoff in das Innere der Flamme trat und von einem Leuchtgascylinder umgeben war, nimmt
                              									jetzt das Leuchtgas die centrale Stelle ein, und der Sauerstoff bildet die äußere
                              									Hülle. Die Flammenform, welche früher einem schmalen, oben kegelartig zugespitzten
                              									Cylinder glich, hat heute die breitflächige Gestalt eines schottischen Brenners. Ein
                              									solcher von gewöhnlicher Form und Art (aus Speckstein) bildet auch die Grundlage für
                              									die bessere Flammenform, welche durch die eigenartige, nach vielfachen Versuchen
                              									erst festgestellte, zweckmäßigste Art der Sauerstoffzuführung auch im Wesentlichen
                              									erhalten wird. Je größer die zugebrachte Sauerstoffmenge wird, desto kleiner wird
                              									die Flammenfläche, und je weniger Sauerstoff hinzugelassen wird, desto größer
                              									gestaltet sich die Flamme. Wenn man schließlich den Sauerstoffzutritt ganz
                              									abschließt, so brennt die Leuchtgasflamme selbstständig und regelmäßig als Ergebniß
                              									der Verbrennung reichen Gases fort. Früher bei dem alten Brenner dagegen trat nach
                              									Absperrung des Sauerstoffstromes unter Bildung einer gestaltlosen Fackelflamme ein
                              									heftiges Rußen beim Verbrennen des reichen Gases ein. Dieß ist offenbar ein
                              									wesentlicher Fortschritt, weil man nie die große Unannehmlichkeit des Rußens bei dem
                              									neuen Brenner zu befürchten hat, welche besonders die in Paris mit carburirtem Gase
                              									angestellten Versuche als einen wesentlichen Uebelstand hervorheben.
                           Die Beseitigung der Carburirung des Steinkohlengases an fast jeder einzelnen
                              									Beleuchtungsstelle, welche ebenfalls in Paris als ein wesentliches Hinderniß, als
                              									eine Vertheuerung der Sauerstoffbeleuchtung bezeichnet worden ist und als Hauptmotiv
                              										gegen die Einführung dieser Methode für öffentliche
                              									Beleuchtung in den Vordergrund gestellt wurde, ist ein zweiter Vortheil, welcher in
                              									Wien zu Gunsten der neuen Methode durchgeführt wurde. In Paris bei den Versuchen
                              									konnte und wollte man sich nur der Carburirung des gewöhnlichen Steinkohlengases
                              									bedienen, und da, wo man das theure, in stark comprimirtem Zustande transportirte
                              									Boghead-Cannelgas zu den Versuchen heranzog, konnte man nur zu
                              									Preisresultaten gelangen, welche die neue Methode als viel zu kostspielig erscheinen
                              									lassen mußten. Anders in Wien, wo man ein bestehendes Steinkohlengaswerk in seinem
                              									Betriebe für reiches Gas umwandelte, eine Sauerstoffgasfabrik daneben legte, und nun
                              									mit den beiden Factoren arbeitete und rechnete, welche allein zur Beurtheilung des
                              									Werthes und der Vortheile der neuen Beleuchtungsmethode geeignet sind. Es bedurfte
                              									nicht mehr der vielen Künsteleien, welche damals in Paris noch nicht umgangen werden
                              										konnten; man arbeitete vielmehr in der einfachsten
                              									und glattesten Weise, und thut dieß heute, ja von Tag zu Tag mit vervollkommneten
                              									Apparaten noch mehr und mehr.
                           
                           Offene Flammen mit Sauerstoffgas gespeist brennen in den inneren Räumen des
                              									Westbahnhofes in Wien, und verbreiten ein so schönes, weißes, klares und mildes
                              									Licht in denselben, daß das geübte Auge alsbald überrascht nach der Ursache forscht
                              									und sie leicht auffindet, daß aber auch das ungeübte Auge eine wesentliche,
                              									wohlthuende Veränderung in der Beleuchtung gegenüber denjenigen Räumen in jenem
                              									Bahnhofe empfindet, in welche die Methode noch nicht eingedrungen ist. Ebenso schön
                              									ist aber auch die Beleuchtung der Ein- und Aussteighalle und der An-
                              									und Abfahrtswege zu dieser im Freien. Sie wetteifert in ihrer Weise mit dem
                              									bläulichen Vollmondscheine, der sich über die Anlagen breitet und läßt die
                              									nahestehenden öffentlichen Laternenflammen auf den Straßen in ihrer
                              									verhältnißmäßigen Glanzlosigkeit weit rother erscheinen, als unser Auge sie sonst zu
                              									beurtheilen sich gewöhnt hat.
                           Nicht mehr bedarf die Flamme lichtverschlingender, mildernder Hüllen. Nein, frei und
                              									ruhig erhellt sie in unverstecktem Glanze die Pfade und Räume während des Dunkels
                              									der Nächte.
                           Die Möglichkeit dieser Wirkung ist nicht nur durch die Brennerart und die freie
                              									Flamme gegeben, sondern auch drittens noch dadurch, daß die Regulirungsvorrichtungen
                              									für die Gaszuströmungen sowohl als die Leitung für diese so sinnreich abgeändert und
                              									vereinfacht sind, daß jeder Laternenanzünder, wie jeder mit dem Beleuchtungswesen
                              									eines Gebäudes Betraute ohne genauere Sachkenntniß gerade wie bei der gewöhnlichen
                              									Gasbeleuchtung, die Apparate ohne vermehrte Gefahr handhaben kann. Der früher nicht
                              									mit Unrecht hervorgehobenen Explosionsgefahr bei Mischung der beiden Gasarten an
                              									unrechter Stelle ist gleichfalls sehr sicher von allen Rohrleitungen und anderen
                              									Theilen der Beleuchtungseinrichtungen der Art vorgebeugt, daß bei Entweichen einer
                              									der beiden Gasarten dieselbe fortgeführt wird, ohne mit der anderen in eine
                              									gefahrdrohende Berührung kommen zu können. Hähne, Gelenke, halbirte Röhren, kurz
                              									alles Hierhergehörige hat diese Einrichtung; nur würde es zu weit führen und die bei
                              									diesem Aufsatze gesteckten Grenzen überschreiten, wollte eine genauere Beschreibung
                              									und Zeichnung der Anordnung hier gegeben werden.
                           Nach diesen allgemeinen Erläuterungen sollen nun auch die Versuchsergebnisse, worauf
                              									dieselben begründet sind, aufgeführt werden. Die Versuche wurden mit einem äußerst
                              									vollkommenen Meßapparate angestellt, welcher vorgängig als richtig geprüft war und
                              									welcher alle nur wünschbaren Abänderungen der Versuche zuließ. Das Photometer war
                              									das Bunsen'sche mit beweglichem Schirm. Der
                              									Barometerstand während der Versuche war = 74 Centimeter und die Temperatur des Arbeitszimmers (bez. der dunklen Kammer) schwankte zwischen 15 und
                              17° R.
                           Das specifische Gewicht des noch 26 bis 28 Proc. Stickstoff enthaltenden Sauerstoffes war zu 1,010 (Luft = 1 und reiner Sauerstoff
                              = 1,103) und dasjenige des reichen Leuchtgases zu 0,562 gefunden worden.
                           Zum Vergleiche der Leuchtkraft diente eine Stearinkerze (6 auf 1 Pfd.) mit einer Flammenhöhe von 48 Millimet. und einem Stearinverbrauch
                              von 9¼ Grammen pro Stunde.
                           Der Gasdruck vor den Gasmessern war bei dem reichen Gase = 10 Millimet., bei dem Sauerstoffgase = 75 Millimet., d. h. voller
                              Gasbehälterdruck.
                           Der verwendete Brenner war ein Hohlkopfschnittbrenner aus Speckstein, welcher, mit dem reichen Gase gespeist, eine Lichtentwickelung
                              von 11,9 der oben beschriebenen Kerzen gab.
                           
                           Die Ergebnisse waren folgende:
                           
                              
                                 Versuchsnummer
                                 
                                    Reiches Gas
                                    
                                 
                                    Sauerstoffgas
                                    
                                 
                                    Leuchtkraft
                                    
                                 Ab- bez. Zu-nahme derLeuchtkraftgegen dasreiche Gas inProcenten
                                 
                              
                                 Druck vordem BrennerMillimeter
                                 Verbrauchpro Stundein Liter
                                 Druck vordem BrennerMillimeter
                                 Verbrauchpro Stunde
                                 des reichenGasesKerzen
                                 des Sauerstoff-lichtes, die desreichen Gasesals Einheitgesetzt
                                 in Kerzenausge-drückt
                                 auf 100Literreiches Gasgerechnet
                                 
                              
                                 inLiter
                                 inProcentendes Gases
                                 
                              
                                 1
                                 7,5
                                 66
                                 –
                                 –
                                 –
                                 11,9
                                 1
                                 11,9
                                 18
                                 –
                                 
                              
                                 2
                                 7,5
                                 62
                                 1
                                   5
                                   8
                                 –
                                        0,895
                                 10,6
                                    17,3
                                 –     4
                                 
                              
                                 3
                                 7,5
                                 58
                                      1,25
                                 10
                                 17
                                 –
                                       1,100
                                 13,1
                                    22,6
                                 +   26
                                 
                              
                                 4
                                 7,5
                                 55
                                      1,50
                                 15
                                 27
                                 –
                                   1,3
                                 15,5
                                    28,2
                                 +   57
                                 
                              
                                 5
                                 7,5
                                 54
                                      1,60
                                 20
                                 37
                                 –
                                   1,4
                                 16,7
                                    30,9
                                 +   72
                                 
                              
                                 6
                                 7,5
                                 53
                                      1,70
                                 25
                                 47
                                 –
                                   1,6
                                 19,0
                                    35,7
                                 +   99
                                 
                              
                                 7
                                 7,5
                                 52
                                      2,00
                                 30
                                 57
                                 –
                                     1,65
                                 19,6
                                    37,7
                                 + 110
                                 
                              
                                 8
                                 7,5
                                 52
                                      2,20
                                 35
                                 67
                                 –
                                     1,55
                                 18,5
                                    35,6
                                 +   98
                                 
                              
                           
                           Zu bemerken ist hierbei, daß eine Veränderung der Hahnstellung bei dem reichen Gase
                              									nicht stattgefunden hat, sondern daß bei absichtlich und allmählich vermehrter
                              									Sauerstoffzuführung die Verbrauchsmenge des schweren Gases sich selbstthätig und
                              									offenbar dadurch vermindert hat, daß der specifisch schwerere Sauerstoff dem
                              									Austritte des reichen Gases ein größeres Hemmniß entgegensetzte als die spec.
                              									leichtere atmosphärische Luft.
                           Ferner wurden zwei gleichartige und gleichgroße Hohlkopf-Flachbrenner während
                              									der Versuche verwendet, der eine für das reiche Gas allein, der andere für die
                              									Mitverwendung von Sauerstoff. Beide wurden genau auf die gleiche Verbrauchsmenge
                              									reichen Gases eingestellt und zeigten vor Beginn und nach Beendigung der Versuche
                              									genau gleiche Leuchtkraft. Die eine Flamme diente dann als Einheit für alle
                              									Vergleiche, d.h. als Normalflamme. Die Brennergröße entsprach der bei reichem Gase
                              									zur Verwendung kommenden Mittelsorte, und es zeigte sich, wie die Betrachtung der
                              									Zahlen ergibt, daß die vortheilhafteste Wirkung des Sauerstoffes eintritt, wenn sein
                              									stündlicher Verbrauch annähernd die Hälfte des Verbrauches an schwerem Gase beträgt.
                              									Bei einer geringeren Sauerstoffzuführung wird die Lichtverdoppelung aus gleichen
                              									Mengen reichen Gases gerade so sehr vermindert, wie bei einer, Sauerstoff
                              									verschwendenden, vermehrten Zuführung (über die Hälfte der reichen Gasmenge
                              									hinaus).
                           Um zu untersuchen, ob ein gleiches Verhältniß sich auch für kleinere, unter der
                              									mittleren Größe liegende Brenner für reiches Gas herausstelle, wurde eine zweite
                              									Versuchsreihe durchgeführt, welche nachstehend in tabellarischer Uebersicht, wie
                              									oben geordnet, gegeben wird. Die Versuchsart blieb dieselbe wie früher, nur hatte
                              									das reiche, als Einheit bei der Lichtmessung dienende Gas bei sonst gleich
                              									gebliebenen Verhältnissen eine Leuchtkraft von 12 Kerzen auf 60 Liter, was aber
                              									wieder 18 Kerzen auf 100 Liter berechnet, wie oben ausmacht.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 209, S. 131
                              Versuchnummer; Reiches Gas;
                                 										Sauerstoffgas; Leuchtkraft; Druck vor dem Brenner Milimeter; Verbrauch pro Stunde in Liter; Verbrauch pro Stunde; in Procenten des Gases; des reichen
                                 										Gases Kerzen; des Sauerstofflichtes, die des reichen Gases als Einheit gesetzt;
                                 										in Kerzen ausgedrückt; auf 100 Liter reiches Gas gerechnet; Ab- bez.
                                 										Zunahme der Leuchtkraft gegen das reiche Gas in Procenten; Unter Verwendung
                                 										eines etwas kleineren Brenners; Unter Verwendung des kleinsten zulässigen
                                 										Brenners.
                              
                           
                           Hieraus geht hervor, daß auch für den kleinsten Verbrauch die Mitverwendung von
                              									Sauerstoff noch möglich und nützlich ist, denn es wird aus gleichen Gasmengen fast
                              									die 2 1/2 fache Lichtstärke damit erzielt; allein die aufzuwendende Sauerstoffmenge
                              									ist dabei wesentlich höher, und das Licht wird dabei wieder stechender, der von dem
                              									früheren Tessié'schen Bougiebrenner erzeugten
                              									Flamme ähnlicher. Es mag aber hier auch der Umstand ungünstig eingewirkt haben, daß
                              									bei dem kleinsten Brenner die Brennvorrichtungen für die mittlere Brennersorte
                              									benutzt werden mußten, weil sie für die kleinsten noch nicht angefertigt waren.
                              									Immerhin ist der Nachweis der Verwendbarkeit der Sauerstoffbeleuchtung für kleinere
                              									Verhältnisse, welche früher stark angezweifelt wurde, durch diese Versuchsreihe
                              									geliefert. Das Stechende der Flamme trat bei den Versuchen Nr. 13 und 14 auf,
                              									während es bei keinem der übrigen Versuche zu bemerken
                              									war. Der Sauerstoffprocentsatz betrug dabei 90 bis über 100. Zum Vergleiche wurde
                              									ein älterer Tessié'scher Bougiebrenner aufgesteckt
                              									und dabei gefunden, daß wenn er das Maximum der mit ihm zu erzielenden
                              									Lichtentwickelung (31 Kerzen auf 70 Liter reiches Gas) erreicht hatte, die
                              									verbrauchte Sauerstoffmenge 80 bis 100 Proc. der verbrauchten Menge reichen Gases
                              									betrug, d.h. also: der leuchtende Kern hat auch hier einen relativ so kleinen
                              									Querschnitt, daß das von ihm ausstrahlende Licht das Auge verletzte. Mit dem
                              									Bougiebrenner sind ohne andere Nachtheile, wie Unruhe der Flamme, rothe Farbe
                              									derselben, brauchbare Beleuchtungsverhältnisse nicht zu erzielen, während der neue
                              										Andreae'sche Flachbrenner in den gewöhnlich
                              									verwendeten Größen und Nummern keinen einzigen dieser
                              									Uebelstände im Gefolge hat, mag die Sauerstoff- oder mag die
                              									Leuchtgaszuströmung in ihrer Menge die Oberhand gewinnen.
                           Der bei diesen Versuchen verwendete Sauerstoff war nie so rein, als er nach dem Tessié du Motay'schen Verfahren erzielt werden
                              									kann (er enthielt 26 bis 28 Proc. Stickstoff, während er gewöhnlich nur 12 Proc.
                              									enthalten soll). Die Versuche beweisen aber, daß man, was früher für diese
                              									Beleuchtungsmethode bestritten wurde, auch mit nicht völlig reinem Sauerstoff sehr
                              									gute Resultate erzielt, und sie lassen vermuthen, daß Gleiches mit noch geringeren
                              									Mengen reinen Sauerstoffes zu erlangen seyn werde. Es ist
                              									dieß besonders deßhalb zu beachten, weil gleiche Mengen reineren und weniger reinen
                              									Sauerstoffes nach der Tessié'schen Methode in der
                              									Erzeugung genau gleiche Kosten verursachen, also durch reineren Sauerstoff die
                              									Kosten der Beleuchtung damit auch nicht erhöht werden.
                           Ein Rückblick auf die oben tabellarisch aufgestellten Versuchsreihen läßt noch Folgendes erkennen:
                              									Werden nur kleine Sauerstoffgasmengen dem reichen Gase zugeführt, so ist die Wirkung
                              									eine Verminderung der Leuchtkraft, welche wohl daher rührt, daß die Menge des
                              									austretenden Sauerstoffes zwar hinreicht, die Ausströmung des reichen Gases zu
                              									verlangsamen, aber nicht genügt, um eine entsprechend höhere Lichtwirkung
                              									hervorzubringen. Je mehr Sauerstoff zuströmt, desto bedeutender wird sein Einfluß
                              									auf die günstige Lichtentwickelung. Ueberschreitet man das hierfür richtige
                              									Verhältniß, so tritt bei nahezu gleich bleibendem Leuchtgasverbrauche ein
                              									Rückschritt in der Lichtentwickelung ein, und darf dieß wohl als Folge der Abkühlung
                              									der Flamme dadurch angesehen werden, daß eine größere Hülle von Sauerstoff um die
                              									Flamme in glühenden Zustand versetzt wird. Dafür spricht auch der Schleier von
                              									augenscheinlich glühendem Sauerstoff, welcher bei Ueberschuß an diesem stets
                              									oberhalb der Flamme als Verlängerung derselben erscheint.
                           Später wurden noch ähnliche Versuche angestellt, welche sich mehr auf die
                              									Flammengröße und Form bezogen, bei denen aber dieselben Sechserstearinkerzen mit 9
                              									1/4 Grammen Stearinverbrauch pro Stunde und 48 Millimet.
                              									Flammenhöhe verwendet wurden, bei denen der Sauerstoff (mit 24 Proc.) 1,089, das
                              									reiche Gas 0,635 spec. Gewicht zeigten, die Zimmertemperatur zwischen 17 und
                              									18° R. und der Barometerstand 74 1/2 bis 75 Centimet. war.
                           
                              
                                 
                                 Verbrauch pro
                                    											Stunde
                                 
                                    Leuchtkraft
                                    
                                 
                                 
                                    Flamme
                                    
                                 
                              
                                 Versuchs-nummer
                                 reiches GasLiter
                                 SauerstoffLiter
                                 inKerzen
                                 auf 100Litergerechnet
                                 Mehr alsdie
                                    											reicheGasflammeProcent
                                 breitMillimeter
                                 hochMillimeter
                                 
                              
                                 15
                                 70
                                 –
                                 13
                                    18,6
                                 –
                                 52
                                 50
                                 
                              
                                 16
                                 39
                                 19
                                    12,4
                                    31,8
                                 71
                                 30
                                 40
                                 
                              
                                 17
                                 65
                                 31
                                 26
                                 40
                                   115
                                 38
                                 50
                                 
                              
                                 18
                                 62
                                 58
                                 24
                                    38,7
                                   108
                                 31
                                 38
                                 
                              
                                 19
                                 62
                                 18
                                    19,5
                                    28,7
                                  54
                                 47
                                 58
                                 
                              
                           Bei Versuch 15 ist die Flamme aus reichem Gase ohne Sauerstoffzutritt.
                           Versuch 16 ist angestellt mit einem kleinen Brenner für Einfach-Licht, d.h. welcher mit Sauerstoff verbrannt nicht mehr
                              									Licht geben soll als die Flamme Nr. 15.
                           Versuche 17 und 18 sind mit einem großen Brenner für Doppelt-Licht
                              									gemacht, d.h. mit einem
                              									solchen, welcher unter Mitwirkung von Sauerstoff das doppelte Kerzenflammenlicht
                              									geben soll wie Nr. 15. In Versuch 18 ist der Sauerstoffzutritt willkürlich vermehrt
                              									und bei Versuch 19 aufs Gerathewohl vermindert gegen die zur
                              									Maximal-Lichtentwickelung nöthige Menge. Das Ergebniß ist dasselbe wie bei
                              									den erstverzeichneten Versuchen Nr. 1 bis 8. Mit etwa 2 Volumen reichem Gas und 1
                              									Volumen Sauerstoff wird das Maximum des Lichteffectes erreicht. Jede Vermehrung oder
                              									Verminderung der Sauerstoffmenge über beziehungsweise unter diese Normale vermindert
                              									jedesmal die Lichterzeugung aus gleichen Mengen reichen Gases.
                           Alle diese zu verschiedenen Zeiten angestellten Versuche stimmen unter sich überein,
                              									und können, da sie unter Anwesenheit von jedesmal drei Sachverständigen angestellt
                              									wurden, als richtig und für das anfangs dieser Auseinandersetzungen Gesagte als
                              									beweisend angesehen werden.
                           Eine Frage, die sich Jedem bei Betrachtung oben niedergelegter Zahlen aufdringen
                              									wird, ist die: Entwickelt denn die Sauerstoffbeleuchtung nicht eine weit größere
                              									Hitze bei gleicher Lichterzeugung als die Beleuchtung mit reichem Gase? Zu ihrer
                              									Beantwortung wurde folgender Versuch, wie ihn gerade die vorhandenen Apparate
                              									gestatteten, angestellt. Es wurde ein sehr dünnwandiges Kupfergefäß 2 Centimet. über
                              									der höchsten Flammenkante angebracht und mit genau 1/2 Liter Wasser gefüllt. Dann
                              									wurde erst die Flamme aus reichem Gase und dann die Sauerstoffgasflamme auf das
                              									Maximum ihrer Leuchtkraft eingestellt unter das Kupfergefäß gerichtet und darnach
                              									die Zeit beobachtet, deren es bedurfte, um die Wassermenge um 52° R. zu
                              									erhitzen.
                           a) Bei Anwendung von 68 Liter reichem Gas dauerte dieß
                              									13 1/3 Minuten, d.h. auf 1 Pfd. (= 1/2 Liter) Wasser wurden in 13 1/2 Minuten 52
                              									Wärmeeinheiten verwendet oder auf 1 Minute kamen circa 4
                              									Wärmeeinheiten, b) Bei Anwendung von 47 Liter reichem
                              									Gas und 27,5 Liter Sauerstoff dauerte die Erwärmung um die gleichen 52° R. =
                              									20 Minuten, d.h. es wurden 52 Calorien in 20 Minuten oder 2,6 Calorien in 1 Minute
                              									zu gleichem Zwecke aufgewendet.
                           Es entwickelte hiernach die gewöhnliche Flamme aus reichem
                              									Gase allein (4 : 2,6) = 1,4 Wärmeeinheiten oder ca. 54
                              									Proc. Wärme in gleicher Zeit und gleicher Richtung unter
                              									sonst gleichen Verhältnissen mehr als die mit Sauerstoff
                              									gespeiste Flamme.
                           Da aber die Lichtentwickelung der Ersten (a) zu 12 1/2
                              									Kerzen und die der Zweiten (b) zu 12 1/2 Kerzen gefunden
                              									wurde, so werden aus diesen 54 Proc. = (54 . 17,5)/12,5 oder 76 Proc., welche die
                              									reiche Gasflamme 
                              									bei gleicher Lichtentwickelung ungefähr mehr Wärme gibt
                              									als die Sauerstoffgasflamme. Ist dieser Versuch mangels geeigneter Apparate auch nur
                              									als ein ganz roher zu betrachten, so liefert er doch den Beweis, daß die oben
                              									aufgeworfene Frage bestimmt zu verneinen ist.
                           Natürlich wird auch nach einer Vergleichsaufstellung zwischen den Kosten der
                              									Sauerstoffbeleuchtung und der Beleuchtung mit reichem Gase oder Steinkohlengas
                              									gefragt werden. Es ist, da Alles, was bis jetzt in der Sauerstoffbeleuchtung
                              									gearbeitet wurde, nur in kleinerem Maaßstabe geschah, nicht möglich, hier einen auch
                              									nur einigermaßen sicheren Anhaltspunkt zu geben. Man wird, wenn man nicht irren
                              									will, jedenfalls annehmen müssen, daß wie z.B. bei Einführung der Gasbeleuchtung
                              									überhaupt vorerst nur diejenigen Anstalten ohne Rücksicht auf eine zu erwartende
                              									Ersparniß gegen die jetzt übliche Beleuchtung, Gebrauch von derselben machen werden,
                              									welche entweder, weil die Farbeunterscheidung für sie von großer Wichtigkeit und
                              									diese bei der Sauerstoffbeleuchtung vollkommen ermöglicht ist (wie in Färbereien,
                              									Druckereien, Manufacturwaarenläden u. dgl.), Vortheile in deren Anwendung finden
                              									oder welche, weil sie bessere, reinere Farbenwirkungen erzielen wollen, wie Theater,
                              									Ballsäle u. dergl. mehr, baldmöglichst zu deren Anwendung schreiten werden.
                           Zu einstweiliger, wenn auch nicht gerade günstiger Preisvergleichung seyen nur
                              									diejenigen Zahlen angenommen, welche heute einerseits für ein reiches Gas, wie das
                              									bei den Versuchen in Wien benutzte, in Ansatz, bezüglich Berechnung im Verkaufe
                              									kommen, und welche andererseits für Sauerstoffgas in Paris als Grundlage der
                              									dortigen Kostenberechnungen in Ansatz gebracht wurden. Ersteres sind 16 Kreuzer
                              									südd. W. = 55 Pf. preuß. = 23 Kr. österr. und Letzteres sind 28 Kr. südd. W. = 96
                              									Pf. preuß. = 40 Kr. österr. = 1 Frc.; beides frei an dem Brenner der
                              									Verbrauchsstelle.
                           Nach den früher verzeichneten Versuchen werden etwa 54 Liter reiches Gas und 27 Liter
                              									Sauerstoff aufzuwenden seyn, um das 1 1/2 fache von der Leuchtkraft
                              									herauszubekommen, welche mit 66 Liter reichem Gas allein erzielt werden kann und
                              									wird.
                           1 1/2 × 66 = 99 Liter reiches Gas zu 16 Kreuzer pro 1000 Liter kosten rund 1,6 Kr.
                           54 Liter reiches Gas zu 16 Kreuzer pro Kubikmeter kosten
                              									rund 0,85 Kreuzer.
                           27 Liter Sauerstoffgas zu 28 Kreuzer pro Kubikmeter
                              									kosten 0,75 Kreuzer, also beide Gase zusammen rund 1,6 Kr.
                           
                           Gleiche Lichtmengen, hier 18 Kerzen, unter Sauerstoffverwendung kosten also genau so
                              									viel als aus reichem Gas allein.
                           Wird der Preis des Steinkohlengases, wie er in den billigsten Ansätzen heute steht,
                              									zu 7 Kr. südd. W. = 24 Pf. = 10 Kr. österr. angenommen, so ist das Preisverhältniß
                              									zwischen Steinkohlengas- und Sauerstoffbeleuchtung auch das gleiche, wenn die
                              									Leuchtkraft des Steinkohlengases zu der des reichen Gases sich verhält wie 3 zu 7,
                              									was für die Mehrzahl der Fälle angenommen werden kann.
                           Wo man rein weißes Licht haben und bei gleicher Lichtentwickelung beträchtlich
                              									weniger Hitze erdulden will, da wird das Gas, wie in Theatern, Concert-,
                              									Ball-, Arbeits-, Warte-Sälen u. dgl. mehr, heute schon bei
                              									obigen Preisen den Vorzug vor jeder anderen Beleuchtung verdienen und gewinnen, wenn
                              									es auch zur allgemeineren Verbreitung noch Zeit, noch Erwerbung des Vertrauens und
                              									wohl auch noch eines billigeren Preises für das Sauerstoffgas bedarf, als er nach
                              									den Pariser Ansätzen oben angenommen ist.
                           Jedenfalls kann das Princip der Sauerstoffgasbeleuchtung heute als ein ganz und
                              									glücklich gelöstes bezeichnet, und ihm die beste Verbreitung auf dem für diese
                              									Beleuchtung geeigneten Felde gewünscht und vorausgesagt werden.
                           Aber auch von einem anderen allgemeineren Standpunkte aus verdient diese neue Methode
                              									wohl volle Beachtung. Was von Tag zu Tag theurer wird, was, je mehr Steinkohlen u.
                              									dgl. dem Boden entnommen werden, auch immer mehr mit der Gefahr droht seltener zu
                              									werden, ist der Kohlenstoff. Denselben thunlichst völlig auszunutzen, ist längst
                              									Aufgabe und Ziel der Strebungen der meisten Industriezweige. Es wird mehr noch als
                              									heute auch die Aufgabe der Beleuchtungsindustrie werden müssen. Die größte
                              									Sparsamkeit in der Verwendung des Kohlenstoffes bei Erzielung der größtmöglichen
                              									Lichtentwickelung aus ihm, wird mehr als seither in das Auge gefaßt werden müssen,
                              									und hierzu ist, wie die angegebenen Versuche beweisen, ganz besonders die
                              									Sauerstoffbeleuchtung geeignet.
                           Kommt die Gasindustrie einmal dahin, und die Wege dazu sind bereits betreten, den
                              									sämmtlichen, in den Steinkohlen (besonders in deren Theer in flüssiger Form)
                              									enthaltenen Kohlenstoff für die Beleuchtungszwecke in Gasform nutzbar zu machen, so
                              									wird, weil damit besonders der Erzeugung reicher Gase ein wesentlicher Vorschub
                              									geleistet wird, die Möglichkeit der Ausdehnung der schönen, angenehmen
                              									Sauerstoffbeleuchtung immer näher gerückt.
                           
                           Ein Blick auf die heutige, ihrem Wesen nach noch unveränderte Darstellung des
                              									Sauerstoffgases nach der Tessié du Motay'schen
                              									Methode, zeigt gegen früher in ihrer Ausführung bedeutende Vereinfachungen und
                              									Vervollkommnungen, welche natürlich auch eine sicherere Handhabung der zugehörigen
                              									Apparate gegen früher zur Folge haben. Auf diese kommt es für die Reinigung des
                              									Sauerstoffes aber ganz besonders an. – Noch sey Folgendes hier bemerkt:
                           In wie weit die im polytechn. Journal, 1870, Bd. CXCVI S. 510 besprochene Methode der
                              									Benutzung der schwersten Kohlenwasserstoffe (Naphtalin) zu Beleuchtungszwecken des
                              									Hrn. Dr. Philipps sich in der
                              									Richtung der ökonomischsten Verwendung des Kohlenstoffes bei der
                              									Sauerstoffbeleuchtung wird mitverwenden lassen, und ob die Methode der mehr
                              									mechanischen Sauerstoffdarstellung des Hrn. Maltet zu
                              									billigeren Gestehungskosten des Sauerstoffes führen wird, als er durch die Tessié du Motay'sche Methode zu bereiten ist, muß
                              									die Zeit, die Vergleichung und die Erfahrung ergeben, zu welcher bis jetzt sich für
                              									den Verfasser noch keine günstige Gelegenheit hat bieten wollen.
                           Zum guten Ende mögen gegenüber den Schlüssen, welche in Paris aus den dortigen
                              									Versuchen gezogen wurden, folgende Bemerkungen hier eine Stelle finden:
                           1) In Wien prüfte man das Tessié du Motay'sche
                              									Sauerstoffbeleuchtungsverfahren an der Hand des Vorgefundenen ohne
                              									Voreingenommenheit und ohne Rücksicht auf die von der Gesellschaft Tessié du Motay u. Comp. etwa in Aussicht gestellten Leistungen; auch liefern die Ausführungen in
                              									Wien den Beweis, daß die Beleuchtung bei dieser Methode nicht theurer kommt als jede
                              									andere Beleuchtungsart, und daß sie sich für öffentliche Beleuchtung ganz gut
                              									eignet.
                           2) Der in dem reichen Gase enthaltene Kohlenstoff wird, wenn auch vielleicht nicht
                              									ganz vollkommen, doch jedenfalls vollkommener und lichtausgiebiger dabei ausgenutzt
                              									als bei jeder anderen seither bestehenden Verbrennungsweise.
                           3) Wird die Verbrennung des reichen Gases durch Mitwirkung von Sauerstoff in dafür
                              									geeigneten Brennern (wie es die in Wien benutzten Andreae'schen sind), die in Paris verwendeten es aber nicht waren, und in den
                              									dafür geeigneten Mengenverhältnissen beider Gasarten bewirkt, so findet eine
                              									Verschwendung einer oder der anderen Gasart nicht statt.
                           4) Da bei der heutigen abgeänderten Methode der Sauerstoffbeleuchtung eine
                              									Carburation am Verbrennungsorte ganz wegfällt, so sind auch diejenigen Einwände
                              									hinfällig, welche ihr früher aus diesem Grunde gemacht werden konnten.
                           5) Die Verbesserungen und Vereinfachungen, welche besonders an den
                              									Einrichtungstheilen zur Sauerstoffbeleuchtung in Wien gemacht worden sind, gestatten
                              									heute, wo sie in ihrem Ansehen kaum mehr von den alten Einrichtungen zu
                              									unterscheiden sind, die Möglichkeit der Durchführung im Inneren von Häusern mit
                              									Leichtigkeit und überall.
                           6) So gut es die Technik der Gasbeleuchtung dahin gebracht hat, das Steinkohlengas,
                              									welches auch in Güte je nach dem verwendeten Rohstoffe beständig schwankt, in einer
                              									großen Gleichförmigkeit zu den Verbrauchsstellen zu liefern, gerade so gut wird
                              									heute schon reiches Gas von gleichmäßiger Qualität durch Röhren nach sehr entfernten
                              									Verbrauchsstellen geliefert, und hat es bei der in Wien ausgeführten Construction
                              									und Behandlung der Apparate keinen Anstand mehr, daß auch der Sauerstoff von nahezu
                              									gleichmäßiger Güte stets wird durch Röhren auf weite Strecken gefördert werden
                              									können.
                           7) Das Ergebniß der Versuche in Wien und die Erfahrungen, welche in dem abgelaufenen
                              									Jahre dort gesammelt worden sind, geben ausreichende Garantie für die
                              									Durchführbarkeit des Sauerstoffbeleuchtungssystemes auch für ganze und selbst für
                              									große Städte. An der Rentabilität eines solchen Unternehmens ist ebensowenig zu
                              									zweifeln, wie an derjenigen anderer Gasbeleuchtungsunternehmungen.
                           8) Sollte der Sauerstoff den Abnehmern in stark comprimirtem Zustande wieder
                              									zugebracht werden, so wäre dieß ein Rückschritt zu nennen, nachdem die Möglichkeit
                              									der Zuführung vermittelst Röhren in Wien durch die That nachgewiesen ist. Das
                              									größere Publicum wird auch nur dann nach der Sauerstoffbeleuchtung ein vermehrtes
                              									Verlangen zeigen, wenn ihm der Sauerstoff in bequemer Weise, d.h. durch
                              									Röhrenleitungen, zugebracht werden kann.
                           9) Ueber die Frage, ob die Sauerstoffbeleuchtung in gesundheitlicher Richtung den
                              									älteren Gasbeleuchtungsmethoden vorzuziehen sey oder nicht, wurden keine Versuche
                              									gemacht; da aber der Flamme der zu ihrer Verbrennung nothwendige Sauerstoff direct
                              									und besonders zugeführt wird, braucht sie ihn dem Raume, in welchem sie brennt,
                              									nicht zu entnehmen, und da die zur Erzeugung gleicher Lichtmengen aufgebrauchte
                              									Kohlenwasserstoffmenge eine geringere ist als bei gewöhnlicher Gasbeleuchtung, so
                              									ist auch die resultirende Kohlensäuremenge eine entsprechend kleinere. Beide
                              									Thatsachen sprechen nicht dafür, daß die neue Methode gesundheitsschädlicher sey als die ältere. Wird
                              									der Sauerstoff nur einmal leicht und billig geliefert, so werden sich mehr Quellen
                              									seiner technischen Verwerthbarkeit finden als man heute kennt und annimmt.